Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §73 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des 1961 geborenen MJ, vertreten durch Mag.Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1997, Zl. 307.059/2-III/11/96, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheiten einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 30. Jänner 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten, bis 20. Februar 1996 gültigen Aufenthaltsbewilligung. Im Antrag nannte der Beschwerdeführer als gesicherte Unterkunft in Österreich eine näher bezeichnete Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk (P-Gasse); diese Adresse scheint auch in den Antragsbeilagen als Adresse des Beschwerdeführers auf.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 20. Mai 1996 diesen Antrag wegen Eingehens einer Scheinehe gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer nach erfolglosem Zustellversuch (Verweigerung der Annahme durch einen Ersatzempfänger) an der im Antrag genannten Adresse durch Hinterlegung zugestellt, Beginn der Abholfrist war der 2. Juli 1996.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1996, eingelangt beim Bundesminister für Inneres am 8. Oktober 1996, erhob der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG und machte geltend, über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei noch nicht entschieden worden, weshalb er den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Bundesminister für Inneres als sachlich zuständige Oberbehörde beantrage.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht (Devolutionsantrag) gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer habe eine Mitteilung gemäß § 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes unterlassen, was zur Folge habe, dass alle weiteren, die Verwaltungssache betreffenden Zustellungen am bisherigen Wohnort mit einfacher Zustellung und Hinterlegungsanzeige vorzunehmen seien, falls diese für die belangte Behörde nicht ohne Schwierigkeiten festzustellen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Verfahren, welches auf Grund seines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung laufe, gemäß § 8 Abs. 1 ZustG verpflichtet gewesen, die neue Wohnadresse der Behörde unverzüglich bekannt zu geben. Darüber hinaus seien Meldeauskünfte eingeholt worden, um eine Zustellung zu ermöglichen. Diese hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer vom 25. April 1995 bis 2. August 1996 in 1160 Wien, P-Gasse 6-12/16/9 gemeldet gewesen sei, als Identadresse sei 1160 Wien, P-Gasse 65/16/9 (gemeint wohl: P-Ggasse) angegeben und sei dort ebenfalls ein Zustellversuch durchgeführt worden. Beide Zustellversuche, "wonach jener P-Gasse betreffend als unbekannt und hinsichtlich P-Gasse am 2. Juli 1996 zugestellt und als nicht behoben zurückgesandt wurde", seien erfolglos geblieben, obwohl der Beschwerdeführer nach Erhebungen der Berufungsbehörde ab 3. August 1996 beim Zentralmeldeamt an einer neuen Adresse aufrecht gemeldet gewesen sei. Auf Grund der oben angeführten Umstände, wonach der Beschwerdeführer eine Änderung der Abgabestelle unterlassen habe, weiters eine Meldeauskunft eingeholt und entsprechend dem Meldeverzeichnis ein weiterer Zustellversuch betreffend P-Gasse durchgeführt wurde, sei die Behörde berechtigt gewesen, den Bescheid unter der auch im Antrag auf Aufenthaltsbewilligung angeführten Wohnadresse zuzustellen und sei diese Zustellung als rechtswirksam anzusehen. Ein Devolutionsantrag sei jedoch nur zulässig, wenn die der "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde" nachgeordnete Verwaltungsbehörde eine ihr obliegende Entscheidungspflicht verletzt habe. Da der Bescheid der erstinstanzlichen Behörde innerhalb des der Behörde zur Entscheidung zur Verfügung stehenden Zeitraumes mit 2. Juli 1996 zugestellt worden sei, sei die erstinstanzliche Behörde ihrer Verpflichtung zur Entscheidung nachgekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Mit Verfügung vom 12. Mai 1999 hielt der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer eine Kopie des die Zustellung des Bescheides erster Instanz vom 2. Juli 1996 dokumentierenden Rückscheines vor und forderte ihn auf, dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer gab jedoch keine Äußerung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG ist die Behörde verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Abs. 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergeht, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird.
In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, es sei richtig, dass er vom 25. April 1995 bis zum 2. August 1996 im
16. Wiener Gemeindebezirk, P-Gasse 6-12/16/9 gemeldet gewesen sei. An dieser Adresse habe er gemeinsam mit näher bezeichneten Verwandten gelebt. Er sei am 3. August 1996 an seine nunmehrigen Anschrift im 2. Wiener Gemeindebezirk übersiedelt, weshalb die Feststellung der Berufungsbehörde, es läge eine Unterlassung seitens des Beschwerdeführers vor, unrichtig sei. Bis zum 2. August 1996 sei die einzig gültige Abgabestelle die zuvor bezeichnete im 16. Wiener Gemeindebezirk gewesen. Der erstinstanzliche Bescheid sei nicht rechtmäßig zugestellt worden, weil "eine Verständigung über eine Hinterlegung an dieser Adresse immer stattgefunden habe". Es sei durchaus möglich, dass durch den Postbeamten der Zustellungsvorgang nicht ordnungsgemäß erbracht worden und daher nach wie vor keine Entscheidung durch die erstinstanzliche Behörde ergangen sei. Die Berufungsbehörde habe keineswegs den tatsächlichen Zustellungsvorgang überprüft, sondern ohne Überprüfung eine Unterlassung des Beschwerdeführers angenommen. Der Beschwerdeführer habe wiederholt beim für ihn zuständigen Postamt die Hinterlegung eines Schriftstückes nachgefragt, dies sei jedoch stets verneint worden. Da der Beschwerdeführer seine Abgabestelle nicht geändert habe, ihm der Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, liege eine Entscheidungspflichtverletzung vor und wäre der Bundesminister für Inneres zur Entscheidung verpflichtet gewesen.
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass die Ausführungen in der Bescheidbegründung über die Rechtswirksamkeit der Zustellung keinen sprachlich und denklogisch klaren Aufbau aufweist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes geht aber aus der Begründung noch in nachvollziehbarer Weise hervor, dass die belangte Behörde die von der Behörde erster Instanz an der - vom Beschwerdeführer im Verfahren angegebenen und auch in der eingeholten Meldeauskunft genannten - Adresse in der P-Gasse vorgenommene Zustellung als rechtswirksam ansah, und aus diesem Grund keine Verletzung der Entscheidungspflicht mehr annahm. Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.
Der Beschwerdeführer hatte in seinem Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bereits die näher bezeichnete Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk (P-Gasse) angegeben. Diese Adresse scheint auch in den Antragsunterlagen als aktuelle Wohnadresse des Beschwerdeführers auf. Schließlich war der Beschwerdeführer - wie er selbst in der Beschwerde ausdrücklich geltend macht - während des fraglichen Zeitraumes an dieser Adresse, an der er auch gemeldet war, auch tatsächlich wohnhaft. Die Behörde erster Instanz konnte somit an dieser Adresse Zustellungen mit Rechtswirksamkeit für den Beschwerdeführer vornehmen.
Dem Beschwerdeführer wurde vom Verwaltungsgerichtshof eine Kopie des den Zustellvorgang und die Hinterlegung dokumentierenden Rückscheines vorgehalten, ohne dass dieser dazu eine Stellungnahme abgab. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher in weiterer Folge davon aus, dass - nach dem Inhalt des diesbezüglich unbedenklichen Rückscheins - nach einem erfolglosen Zustellversuch am 1. Juli 1996, bei dem die Annahme des Schriftstückes durch einen Ersatzempfänger verweigert wurde, dieses am 2. Juli 1996 beim zuständigen Postamt hinterlegt und bis zum 23. Juli 1996 zur Abholung bereit war. Gemäß § 20 Abs. 1 ZustG war - wegen der Verweigerung der Annahme - das Schriftstück nach § 17 ZustG hinterlegt worden, ohne dass die dort vorgesehene schriftliche Verständigung über die Hinterlegung hinterlassen hätte werden müssen.
In der Beschwerde hatte der Beschwerdeführer zum Zustellvorgang lediglich vorgebracht, "eine Verständigung über die Hinterlegung habe immer stattgefunden", bzw. "möglicherweise habe der Postbeamte den Zustellvorgang nicht ordnungsgemäß erbracht". Aus den obgenannten Gründen (Annahmeverweigerung durch einen Ersatzempfänger) konnte - in Ermangelung von Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei diesem Ersatzempfänger nicht um eine im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebende Person handelte - gemäß § 20 Abs. 1 ZustG die Verständigung über die Hinterlegung unterbleiben, ohne dass dies der Rechtmäßigkeit der Zustellung Abbruch tat. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Postbeamte habe "möglicherweise" nicht korrekt gehandelt, ist nicht zu entnehmen, worin diese fehlende Ordnungsmäßigkeit der Zustellung gelegen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher - unter Zugrundelegung des diesbezüglich unbedenklichen Rückscheines - davon aus, dass der Bescheid erster Instanz dem Beschwerdeführer tatsächlich durch Hinterlegung am 2. Juli 1996 (das ist der erste Tag, an dem das Schriftstück behoben werden konnte) zugestellt wurde.
Durch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides mit diesem Tag hatte die Behörde erster Instanz aber ihre Entscheidungspflicht erfüllt. Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 7. Oktober 1996 mit der Begründung nicht stattgab, dass die Behörde erster Instanz bereits über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgesprochen habe.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190730.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017