TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/26 I412 2113697-1

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Entscheidungsdatum

26.11.2018

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I412 2113697-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Mag. Norbert Wanker, Wasenweg 23, 6800 Feldkirch, gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse Hauptstelle (VGKK) vom 01.07.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird insofern teilweise Folge gegeben, als der in Spruchpunkt 1. und 2. genannte Haftungsbetrag von € 17.103,27 auf €

9.373,05 herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 01.07.2015 hat die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) festgestellt, dass XXXX (im Folgenden als Beschwerdeführer bezeichnet) für im bekämpften Bescheid näher aufgeschlüsselte Sozialversicherungsbeiträge der XXXX AG (im Folgenden: Primärschuldnerin) hafte, die sich aus schuldhaften Meldepflichtverletzungen abzüglich einer Zahlung des Insolvenz-Entgelt-Fonds-Service GmbH ergeben würden. Im Weiteren wurde der Beschwerdeführer zur Zahlung von Verzugszinsen ab Zustellung des Bescheides verpflichtet.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst im bekämpften Bescheid aus, die Primärschuldnerin sei im Öffentlichkeitsregister Liechtenstein eingetragen und ergebe sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 29.06.2009 bis 03.12.2009 als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Primärschuldnerin tätig gewesen sei.

Die Primärschuldnerin sei laut dem Auszug des Öffentlichkeitsregisters Liechtenstein vom 10.01.2012 laut Beschluss des Konkursrichters des Landesgerichtes Liechtenstein infolge Abweisung des Antrages auf Durchführung des Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens zur Deckung der Verfahrenskosten mit 24.05.2011 gelöscht worden. Die Beitragsschulden der Primärschuldnerin seien damit uneinbringlich.

Aus der Konkursabschlussprüfung ergebe sich eine Beitragsnachverrechnung, die sich daraus ergeben habe, dass die AHV-IV-FAK Dienstnehmer der Primärschuldnerin, welche ihre Tätigkeit nicht in Liechtenstein erbracht hätten, storniert habe, und die belangte Behörde darüber informiert habe. Da die Primärschuldnerin diese nicht bei der belangten Behörde angemeldet habe, sei dies amtswegig erfolgt und die Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet worden.

Nach Ausführungen zur Feststellung der monatlichen Beitragsgrundlagen der betroffenen Dienstnehmer führt die belangte Behörde aus, dass es aufgrund des abgewiesenen Antrages auf Durchführung eines Konkursverfahrens zu keiner Berechnung einer Insolvenzquote gekommen sei. Die Primärschuldnerin habe ihre Meldepflichten nicht auf Bevollmächtigte übertragen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung begründet die belangte Behörde zunächst, dass österreichisches Recht auf Grund des Territorialitätsprinzips anzuwenden sei. Da Liechtenstein seit 01.01.1994 EWR-Mitglied sei, komme es zur Anwendung des Art 13 Abs. 2a der VO (EWG) 1408/71 und unterliege demnach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt sei, den Rechtsvorschriften dieses Staates und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohne oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, welches sie beschäftige, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates habe auf die angeführten Dienstnehmer sei der Primärschuldnerin sei daher österreichisches Recht und somit das ASVG anzuwenden.

Gemäß § 35 Abs. 4 bzw. § 53 Abs. 3b ASVG sei der ausländische Dienstgeber ohne Betriebsstätte auch dann meldepflichtig bzw. zur Entrichtung der Beiträge zuständig, wenn das ASVG aufgrund der VO (EWG) 1408/71 anzuwenden sei.

Nach Anführung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 67 Abs. 10 ASVG sowie 70 Abs. 1 AktienG hält die belangte Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers, er sei bereits im Juni 2009 aus dem Unternehmen ausgeschieden und spätestens mit der Erklärung vom 24.11.2009 als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zurückgetreten, entgegen, dass dieser laut Auszug aus dem Öffentlichkeitsregister Liechtenstein vom 10.01.20012 von 29.06.2009 bis 03.12.2009 und somit im Haftungszeitraum Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Ein Ausscheiden des Beschwerdeführers bereits im Juni 2009 sei nicht belegt worden. Eine Rücktrittserklärung vom 24.11.2009 liege vor, jedoch sei eine Bestätigung über den Zugang der empfangsbedürftigen Kündigung nicht nachgewiesen. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Aufgabe der Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers mit 03.12.2009 geendet habe und daher eine Haftung für die unterlassene Meldung der im Bescheid genannten Beiträge für den Zeitraum 06/2009 - 11/2009 bestehe.

Die Beitragsnachverrechnung vom 27.04.2011 stelle die Grundlage für die Feststellung der schuldhaften Meldepflichtverletzung gem. § 111 ASVG dar. Darin seien der Primärschuldnerin Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet worden. Aufgrund der Melde- und Beitragspflicht hätten die Beitragsgrundlagen, die sich aus dem Gesetz und aus den Lohnunterlagen ergeben, mit Ende des Kalendermonats spätestens aber am 15. des Folgemonats, in dem der Anspruch darauf entstanden sei, bzw. die Entgelte ausgebezahlt worden seien, an die belangte Behörde gemeldet werden müssen, was nicht geschehen sei.

Nicht sämtliche ausbezahlten Bezüge seien der Sozialversicherungspflicht unterworfen worden bzw. seien bei bestimmten Dienstnehmern kollektivvertragliche Sonderzahlungen im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 2 AVRAG nicht als beitragspflichtiges Entgelt bei der Sozialversicherung gemeldet worden und wurden im Rahmen der Konkursabschlussprüfung auf die kollektivvertraglich vorgesehene Höhe berichtigt.

Mit Schreiben der XXXX sei der Primärschuldnerin von der durchgeführten Arbeitgeberkontrolle berichtet und dieser darin mitgeteilt worden, dass sämtliche Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit nicht in Liechtenstein verrichtet hätten, rückwirkend storniert werden mussten und die zuständigen Träger im Ausland (Österreich und Schweiz) schriftlich informiert würden.

Der Beschwerdeführer habe daher vom Vorliegen der Melde - und Beitragsverpflichtung betreffend die angeführten Dienstnehmer sowie von deren Ansprüchen wissen müssen.

Da dieser seinen Meldepflichten als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer nicht zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt nachgekommen sei, obwohl es in seinem Grundwissen stehen habe müssen, habe er verschuldet gehandelt.

Hätte der Beschwerdeführer die genannten Beitragsgrundlagen ordnungsgemäß gemeldet (am 15. des auf den jeweiligen Beitragszeitraum folgenden Monat), hätten die Beiträge zu diesem Zeitpunkt noch einbringlich gemacht werden können, da die Zahlungsunfähigkeit erst im November 2010 eingetreten sei.

2. Mit Schreiben vom 29.07.2015 wurde gegen diesen Bescheid durch den rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass beim Beschwerdeführer kein schuldhaftes Verhalten weder hinsichtlich der Meldepflicht noch hinsichtlich der letztlichen Uneinbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge vorliege, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2010 nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft im November 2009 gar keinen Einfluss auf die Abfuhr der Beträge an die belangte Behörde nehmen habe können.

Auf Grund unüberbrückbarer Differenzen habe der Beschwerdeführer seine Anstellung per 24.11.2009 mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer aufgekündigt und habe für seine operative Tätigkeit im Zeitraum von 01.09.2009 bis 27.11.2009 ein Gehalt von der Primärschuldnerin bezogen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Zeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin nachweislich dafür Sorge getragen, dass der Meldepflicht in sozialversicherungsrechtlicher Sicht nachgekommen werde. Es seien sämtliche Mitarbeiter der Primärschuldnerin, wie auch der Beschwerdeführer selbst, bei der liechtensteinischen Sozialversicherung AHV bei Beschäftigungsbeginn mit der entsprechenden Lohnsumme korrekt gemeldet worden und auch die Sozialversicherungsbeiträge durch die liechtensteinische AHV vorgeschrieben und von der Pimärschuldnerin bezahlt worden.

Im März 2010, als der Beschwerdeführer längst ausgeschieden gewesen sei, habe eine sogenannte Arbeitgeberkontrolle durch die liechtensteinische Sozialversicherungsanstalt AHV stattgefunden. Hier sei der zuständige Ansprechpartner bei der Primärschuldnerin FRANZ F. gewesen und sei dieser von der AHV im Zuge der Kontrolle auf die allfällige österreichische Sozialversicherungspflicht der in Österreich tätigen Dienstnehmer der Primärschuldnerin aufmerksam gemacht worden. Im Zuge der Revision sei die liechtensteinische AHV dann letztlich zum Ergebnis gekommen, dass ein Teil der Dienstnehmer der Primärschuldnerin der Sozialversicherungspflicht in Österreich zu unterstellen sei. In der Folge habe die AHV den österreichischen Sozialversicherungsträger informiert.

Nach Auskunft der AHV Liechtenstein seien nach der Arbeitgeberkontrolle die in Liechtenstein bezahlten Sozialversicherungsbeiträge für jene Dienstnehmer, die nicht in Liechtenstein der Sozialversicherungspflicht unterstehen würden, direkt an die Primärschuldnerin refundiert worden. Diese Beiträge wären unter anderem zur Bezahlung der Beitragsnachforderung der belangten Behörde zu verwenden bzw. bereitzuhalten gewesen.

Die von der liechtensteinischen AHV refundierten Beiträge seien allerdings offensichtlich von der damaligen Geschäftsführung der Primärschuldnerin bzw. von FRANZ S., der Ansprechpartner der AHV im Zusammenhang mit der Revision gewesen sei, anderweitig verwendet worden.

Ein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der österreichischen Beiträge könne nur eine dieser Personen der Primärschuldnerin treffen, welche über die von der AHV refundierten Beträge verfügungsberechtigt gewesen sei. Keinesfalls könne den bereits gegen Ende November 2009 ausgeschlossenen Beschwerdeführer ein Verschulden diesbezüglich treffen.

Den Beschwerdeführer treffe somit weder eine schuldhafte Meldepflichtverletzung noch ein Verschulden an der nunmehrigen Uneinbringlichkeit der Beiträge.

3. Am 03.10.2016 wurde die gegenständliche Angelegenheit der Gerichtsabteilung I412 neu zugeteilt und am 14.11.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war vom 29.06.2009 - 03.12.2009 im Öffentlichkeitsregister Liechtenstein als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen und damit vertretungsbefugte Person der Primärschuldnerin.

Mit Erklärung vom 24.11.2009 ist er als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zurückgetreten, woraufhin am 03.12.2009 die Löschung im Öffentlichkeitsregister erfolgte.

In Folge einer von der XXXX durchgeführten Arbeitgeberkontrolle im April 2010 wurde festgestellt, dass Dienstnehmer der Primärschuldnerin, die in Österreich ihre Tätigkeit verrichten, der österreichischen Sozialversicherungspflicht unterliegen und somit der belangten Behörde zu melden gewesen wären und wurden Beiträge, die für die betreffenden Dienstnehmer entrichtet wurden, an die Primärschuldnerin refundiert.

Von der belangten Behörde wurde schließlich mit Bescheiden vom 15.11.2010 rechtskräftig festgestellt, dass elf dort namentlich angeführte Dienstnehmer in im Bescheid konkretisierten Zeiträumen auf Grund ihrer unselbständigen Beschäftigung als Leasingarbeiter bei der Primärschuldnerin der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 07.03.2011 wurde die Primärschuldnerin infolge Abweisung des Antrages auf Durchführung des Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens zur Deckung der Verfahrenskosten am 24.05.2011 aus dem Öffentlichkeitsregister Liechtenstein gelöscht. Die Beitragsschulden der Primärschuldnerin wurden damit uneinbringlich.

Die belangte Behörde hat anhand der von der XXXX übermittelten Lohnlisten 2009 und der darin angeführten Lohnsummen und Beschäftigungszeiträume für jene elf Dienstnehmer die entsprechenden Beiträge (einschließlich Sonderzahlungen) nachverrechnet, die für den Zeitraum Juni 2009 - November 2011 einen Gesamtbetrag in Höhe von € 26.555,58 ergeben, der im bekämpften Bescheid detailliert aufgeschlüsselt ist.

Darin sind auf den Monat November 2011 entfallende Beiträge in Höhe von € 7.730,22 enthalten sind.

Von der IEF Service GmbH wurde eine Zahlung von € 9.452,31 geleistet.

Von einer Übertragung der Meldepflichten auf einen Bevollmächtigten gemäß § 35 Abs. 3 ASVG ist im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht auszugehen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargelegte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorlegelegten Verwaltungsaktes, insbesondere dem angefochtenen Bescheid sowie aus der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.11.2018.

Die Feststellung zum Beschwerdeführer als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer und zur Primärschuldnerin ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Auszug des Handelsregisters von Liechtenstein zu XXXX und dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zur Insolvenz der Primärschuldnerin erfolgte ebenfalls auf Grund des angeführten Handelsregisterauszuges. Aus dem Umstand, dass der Antrag auf Durchführung des Konkursverfahren mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beiträge bei der belangten Behörde nicht einbringlich sind.

Zu den von der belangten Behörde mit Bescheiden vom 15.10.2015 erlassenen Bescheiden betreffend die Vollversicherungspflicht von elf Dienstnehmern, für die die verfahrensgegenständlichen Beiträge nachverrechnet wurden, wurde vom Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet.

Dass die Sozialversicherungsbeiträge der im bekämpften Bescheid konkret angeführten Dienstnehmer im Beitragszeitrum 06/2009 - 11/2009 nicht ordnungsgemäß gemeldet wurden, ist somit unstrittig. Die von der belangten Behörde im bekämpften Bescheid ausführlich dargelegte Beitragsnachverrechnung wurde weder inhaltlich noch betreffend die Höhe der nachverrechneten Beiträge bekämpft und haben sich auch keine Bedenken an deren Richtigkeit ergeben.

Vom Beschwerdeführer wurde (erstmals im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung) vorgebracht, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine externe Firma mit der Buchhaltung und Lohnverrechnung betraut war.

Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung angehalten war, dem Sozialversicherungsträger alle Dienstnehmer ordnungsgemäß zu melden, die Beiträge ordnungsgemäß abzuführen und sich darüber hinaus alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse und Informationen zu verschaffen. Dass der Bereich Lohnverrechnung und Buchhaltung einer externen Firma überlassen wurde ändert nichts an den gesetzlichen Verpflichtungen des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und ist dem Beschwerdeführer auch ein nicht ordnungsgemäßes Verhalten der Firma, bei der die Lohnverrechnung erfolgte, zurechenbar und stellt dies keine Bevollmächtigung im Sinne des

§ 35 Abs. 3 ASVG dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1 Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 33 Abs 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 34 Abs. 2 ASVG hat der Dienstgeber, wenn die Abrechnung der Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren erfolgt, nach Ablauf eines jeden Beitragszeitraumes mittels elektronischer Datenfernübertragung (§ 41 Abs. 1 und 4) die Gesamtsumme der in diesem Zeitraum gebührender und darüber hinaus gezahlten Entgelte zu melden (Beitragsnachweisung). Die Frist für die Vorlage der Beitragsnachweisung endet mit dem 15. des Folgemonats (...).

Gemäß § 35 Abs. 3 ASVG kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

3.2.2 Wie im Bescheid der belangten Behörde richtig festgestellt wurde, sind die Beiträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, nachdem der Antrag auf Durchführung des Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde und diese am 24.05.2011 aus dem Öffentlichkeitsregister Liechtensteins gelöscht wurde.

3.2.3.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für die Melde- und Auskunftspflichten und für die Verpflichtung zur Abfuhr der einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge, sofern der Verstoß verschuldet und für die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist (vgl. dazu VwGH vom 17.12.2015, Zl. 2013/08/0173).

Zunächst ist zu prüfen, ob die Nichtmeldung rechtswidrig war bzw. ob der Vertreter (der Beschwerdeführer) seiner gesetzlichen Verpflichtung, nämlich für die rechtzeitige Meldung zu sorgen, rechtswidrig nicht nachgekommen ist.

Diese Frage ist infolge des rechtskräftigen Abspruches über die Pflichtversicherung und der damit einhergehenden Beitrags- und Meldepflicht des Dienstgebers nach § 33ff ASVG zu bejahen.

Zur Frage der Kausalität ist drauf hinzuweisen, dass unstrittig zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge bei rechtzeitiger Meldung noch Zahlungsfähigkeit der Primärschuldnerin gegeben gewesen wäre, wie der Beschwerdeführer selbst betont. Die Kausalität der Uneinbringlichkeit beruht daher darauf, dass die Beiträge bei rechtzeitiger gesetzeskonformer Meldung bereits im Jahr 2009 noch entrichtet hätten werden können.

Zum Hauptpunkt des Beschwerdevorbringens, nämlich dass kein Verschulden an der Pflichtverletzung vorliege, ist Folgendes anzuführen:

Für die Haftung eines Vertreters gemäß Abs. 10 wegen eines Meldeverstoßes ist von der belangten Behörde festzustellen, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt hätten gemeldet werden müssen.

Auf Grund des zu unterstellenden Grundwissens eines Meldepflichtigen, sowie der Verpflichtung, dass er sich darüber hinaus alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss, wenn er diese nicht besitzt, liegt es am Meldepflichtigen darzutun, dass ihn kein Verschulden am Unterlassen einer korrekten Meldung trifft (VwGH 2002/08/0212).

Den Meldepflichtigen trifft aber keine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für die richtige Gesetzeskenntnis; erforderlich ist vielmehr eine Vorwerfbarkeit der Rechtsunkenntnis.

Als Schuldform genügt leichte Fahrlässigkeit des Vertreters; diese ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (VwGH 99/08/0075, ZfVB 2000/1575 = ARD 5141/26/2000 = SVSlg 45.036). Der Vertreter hat die Verpflichtung, sich die für seine Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Bestehen Zweifel an der Versicherungspflicht, so ist der Vertreter nur dann entschuldigt, wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der GKK, auf ständige höchstgerichtliche Rsp oder auf sonstige verlässliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag (VwGH 90/08/0060, ZfVB 1991/2174 ecolex 1991, 362; 96/08/0205, ZfVB 1997/1757 = SVSlg 42.167 = SVSlg 45.015).

Wenn eine zum zu unterstellenden Grundwissen des Vertreters zählende Meldepflicht verletzt wurde, kann diese Verletzung ohne weiteres als

verschuldet beurteilt werden (VwGH 99/08/0128, ZfVB 2004/756 = SVSlg

48.027 = SVSlg 48.087 - Schmutzzulage). Persönliche Umstände des

Vertreters spielen bei Beurteilung des Verschuldens hingegen keine Rolle (90/08/0008, ZfVB 1992/478 - viermaliger Konkurs in der Vergangenheit), vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67ASVG (Stand 1.7.2014, rdb.at) Rz 128

Wie bereits dargelegt hat der Beschwerdeführer seine Erkundungspflicht nicht in einer das Verschulden ausschließenden Weise erfüllt, weil das Gericht davon ausgeht, dass die Versicherungspflicht von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sind, zum Grundwissen eines Dienstgebers gehört, bei dem dies, wie der Beschwerdeführer in der Verhandlung auch bestätigt hat, regelmäßig der Fall gewesen sein wird und diese Frage auch durch entsprechende Erkundigungen jederzeit zu klären gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer ist damit seiner qualifizierten Pflicht als vertretungsbefugtes Organ der Primärschuldnerin, eine geeignete Beurteilung des Sachverhaltes vornehmen zu lassen, nicht nachgekommen. Mit seinem Vorbringen legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war.

Es ist somit jedenfalls Fahrlässigkeit gegeben.

Eine Übertragung der Erfüllung der Meldepflichten auf einen Bevollmächtigten gemäß § 35 Abs. 3 ASVG erfolgte darüber hinaus auch nicht, da ein solcher der belangten Behörde nicht bekannt gegeben wurde. Eine das Verschulden von Vornherein ausschließende Abwälzung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Meldevorschriften nach dem ASVG liegt daher nicht vor, sodass der Beschwerdeführer, in seiner Funktion als Geschäftsführer als Vertreter der Dienstgeberin, für die Erstattung der Meldungen verantwortlich und dazu persönlich verpflichtet war.

Es ist damit auch das Verschulden des Beschwerdeführers zu bejahen.

3.2.6.

Nachdem der Beschwerdeführer unstrittig mit Ende November 2009 seine Funktion als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zurückgelegt hat bzw. diese am 03.12.2009 aus dem Firmenbuch gelöscht wurde, ist aufgrund der Tatsache, dass die Beiträge für November 2009 gemäß § 34 Abs. 2 ASVG erst bis 15.12.2009 zu melden gewesen wären, für diesen Monat nicht mehr von einer Haftung des Beschwerdeführers auszugehen und war der entsprechende Betrag herauszurechnen.

Es ist somit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid davon auszugehen, dass darüber hinaus die Voraussetzungen für eine Haftung des Beschwerdeführers als gesetzlichem Vertreter des damaligen Dienstgebers vorliegen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Firmenbuch - Löschung, Geschäftsführer, Haftung, Herabsetzung,
Meldepflicht, Uneinbringlichkeit, Verschulden, Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I412.2113697.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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