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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter und Erlassung von Rückkehrentscheidungen irakischer Staatsangehöriger mangels Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Herkunftsregion der Beschwerdeführer sowie den Länderberichten betreffend Kinder als Opfer kriegerischer AuseinandersetzungenSpruch
I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§57 Asylgesetz 2005), gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei und gegen die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.662,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige. Sie gehören der muslimischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung an. Der Erstbeschwerdeführer gehört der kurdischen Volksgruppe an. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Araberin und bezeichnet sich als Angehörige der turkmenischen Volksgruppe. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind die Eltern der minderjährigen weiteren Beschwerdeführer, die im Entscheidungszeitpunkt im Alter zwischen einem Jahr und zehn Jahren waren.
2. Die Beschwerdeführer stellten am 2. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Fluchtgründen gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er und seine Familie Mossul verlassen hätten, weil die Stadt von Islamisten kontrolliert und Kurden bedroht worden seien. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass ihr Leben und das ihrer Familie auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit und der Konfession bedroht gewesen sei; sie gab zudem an, dass sie ihren Lehrerberuf auf Grund der Bedrohung durch fanatische Moslems nicht mehr ausüben habe können.
3. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. November 2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG gegen die Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß §46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.), und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
4. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. März 2018 – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – abgewiesen.
4.1. In den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes finden sich zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene folgende Ausführungen:
"Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.
Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem [in] ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.
Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.
Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine[,] angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden."
4.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.
Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.
Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor[t] lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen – ihnen bekannten – sunnitisch mehrheitlich bzw ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR."
4.3. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten führt das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dass die Beschwerdeführer keine Fluchtgründe glaubhaft hätten machen können und verweist darauf, dass "sich der BF[1] zum Islam sunnitischer Glaubensrichtung bekennt und im Herkunftsstaat zahlreiche innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten für die beschwerdeführenden Parteien bestehen. So erweist sich gerade jetzt die Lage in den kurdisch besiedelten Landesteilen als stabil und bieten sich darüber hinaus die mehrheitlich sunnitisch besiedelten Stadtbezirke in BAGDAD bzw in und um BASRA als Fluchtalternativen für die beschwerdeführenden Parteien an".
4.4. Zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"Beim BF1 handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt darüber hinaus durchaus über eine gewisse Schulausbildung und ist im Herkunftsstaat bereits erfolgreich erwerbstätig gewesen. So ging er im Herkunftsstaat einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Autohändler nach, bei der er ein[en] überdurchschnittliche[n] Verdienst erzielte und es sich leisten konnte, mit seiner damals schon mehrköpfigen Familie in einem eigenen Haus in einem bevorzugten und ruhigen Stadtteil seiner Heimtatstadt MOSSUL zu leben. In Anbetracht dessen kann daher davon ausgegangen werden, dass er in seinem Herkunftsstaat, dessen Sprache er vollkommen mächtig ist, grundsätzlich in der Lage sein wird, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, um seine mehrköpfige Familie auch zu erhalten.
Auch bei der BF2 handelt es sich um eine arbeitsfähige und gesunde Frau, bei der die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Sie verfügt über eine abgelegte Matura und die Voraussetzungen, als Volksschullehrerin zu unterrichten. Auch bei ihr kann bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet werden, dass sie in der Lage sein wird, ihren Beitrag zur Erzielung eines ausreichenden Familieneinkommens zu leisten.
Im Lichte dessen kann auch nicht erkannt werden, dass den beschwerdeführenden Parteien im Falle ihrer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art3 EMRK überschritten wäre (vgl VwGH vom 16.07.2003, Zl 2003/01/0059), haben sie doch selbst kein entsprechendes substantiiertes Vorbringen dahin erstattet, dass ihnen im Falle ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre[n]. Ferner kann das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht der familiären Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien und der grundsätzlichen Erwerbsfähigkeit des BF1 und der BF2 nicht erkennen, weshalb sie gerade dort keine Existenzgrundlage vorfinden sollten. Der BF1 und die BF2 haben zahlreiche im Herkunftsstaat lebenden Verwandten, mit denen sie laufend in Kontakt stehen. Es kann daher angenommen werden, dass die beschwerdeführenden Parteien nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine entsprechende Unterstützung durch ihre Verwandten erfahren werden.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH vom 21.08.2001, Zl 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl 2000/01/0453; und vom 18.07.2003, ZI. 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass die beschwerdeführenden Parteien den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit ihrer Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten sind und in weiterer Folge auch nicht nachvollziehbar dargelegt haben, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit sie konkret durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre[n].
Die von der BF2 ins Treffen geführten Gründe, dass die Kinder langsam ihre Muttersprache verlernen würden und sie damit rechnen müssten, dass sie nicht mehr auf die Schule geschickt werden könnten, [können] nicht als Risikofaktor einer extremen Gefahrenlage gesehen werden.
Wenn die beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerdeschrift ausführen, dass schon auf Grund der Familiengröße von einer erhöhten Vulnerabilität auszugehen und anzunehmen sei, dass die Versorgung der sechs minderjährigen Kinder mit einem erhöhten Geld- und Arbeitsaufwand verbunden wäre, die ohne staatliche Unterstützung und ohne stabiles Sicherheitsfeld im Herkunftsstaat nicht gewährleistet werden könnte, so ist ihnen zu entgegnen, dass der BF1 im Herkunftsstaat als selbständiger Verkäufer von Neu- und Gebrauchtwagen überdurchschnittlich gut verdiente und er nach eigenen Angaben – auch ohne das von der BF2 als Volksschullehrerin erzielte (Zusatz-)einkommen – in der Lage war, seine siebenköpfige Familie allein zu ernähren und er sich überdies leisten konnte, mit seiner Familie in einem bevorzugten Stadtviertel MOSSULS in einem Eigenheim zu leben. Bedenkt man, dass die Familie nach erfolgter Flucht um einen (einzigen) weiteren Kopf gewachsen ist, so ist davon auszugehen, dass die Familie nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in keine Notlage geraten wird, zumal sie sich auf das Netz ihrer eigenen, im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten stützen kann."
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die "Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK, sowie – hinsichtlich der Dritt-, Viert-, Fünft-, Sechst-, Siebt- und Achtbeschwerdeführer zusätzlich – auf Beachtung des Kindeswohls gemäß Art24 GRC" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak richtet, begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:
3.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
3.2. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass dieses ausführt, die Familie würde – angesichts der Erwerbsfähigkeit der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, der möglichen Unterstützung durch im Irak aufhältige Verwandte und des Umstandes, dass der Erstbeschwerdeführer bislang in der Lage war, seine siebenköpfige Familie allein zu ernähren und mit ihnen in einem Eigenheim zu leben – nach ihrer Rückkehr in keine Notlage geraten. Zur Frage, in welche Region eine Rückkehr der Beschwerdeführer möglich wäre, verweist das Bundesverwaltungsgericht – an verschiedenen Stellen der Entscheidung – pauschal darauf, dass für die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten bestehen (so etwa "in den kurdisch besiedelten Landesteilen", in den "mehrheitlich sunnitisch besiedelten Stadtbezirke[n] in BAGDAD bzw in und um BASRA" oder "Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR"). Betreffend die Herkunftsregion der Beschwerdeführer stellt das Bundesverwaltungsgericht zunächst fest, dass diese aus Mossul stammen. Im Widerspruch dazu führt es an anderer Stelle aus, dass die Beschwerdeführer "aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates" kommen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat es bei seinen Ausführungen hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unterlassen, sich konkret mit der aktuellen allgemeinen Lage in jener Region auseinanderzusetzen, aus der die Beschwerdeführer stammen bzw die als innerstaatliche Fluchtalternative fungieren soll, und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Beziehung zu setzen (zu diesen Anforderungen in den Irak betreffenden Fällen vgl zB VfSlg 20.140/2017, 20.141/2017; 9.6.2017, E3235/2016; 9.6.2017, E566/2017; 27.2.2018, E2927/2017; 11.6.2018, E4317/2017; 26.6.2018, E4387/2017). Einer solchen Auseinandersetzung kommt im vorliegenden Fall besondere Bedeutung zu, weil die Sicherheitslage im Irak von Provinz zu Provinz variiert (s VfSlg 20.141/2017) und es sich bei den Beschwerdeführern um eine Familie mit sechs minderjährigen Kindern und somit – betreffend die Minderjährigen – um besonders vulnerable Personen handelt (vgl die Definition schutzbedürftiger Personen in Art21 der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen [Aufnahmerichtlinie]), s. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0089; vgl auch VfGH 11.6.2018, E1815/2018).
3.3. Zudem unterlässt das Bundesverwaltungsgericht eine nähere Auseinandersetzung mit den von ihm selbst wiedergegebenen Passagen in den Länderberichten, aus denen unter anderem hervorgeht, dass insbesondere Kinder als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen sind (s zur gebotenen Auseinandersetzung mit den getroffenen Feststellungen VfGH 11.6.2018, E1815/2018; 11.6.2018, E4469/2017 ua mwN). Auf welche Quellen das Bundesverwaltungsgericht seine Ausführungen stützt, wonach nicht festgestellt werden könne, dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt würden (zB in Bagdad, Erbil oder Basra), von einer über die allgemeine, angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, ist für den Verfassungsgerichtshof – vor dem Hintergrund der zitierten Quellen – nicht nachvollziehbar.
3.4. Soweit sich das Erkenntnis auf die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführer und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht, ist sie somit mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.
4. Im Übrigen (hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
4.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
4.2. Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
III. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 610,40 enthalten. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießen.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E1764.2018Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019