TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/8 99/01/0177

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des NP in W, geboren am 25. August 1970, vertreten durch Dr. Ronald Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 1/1/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 1998, Zl. 200.179/5-IV/10/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Bundesrepublik Jugoslawien", stellte am 21. Oktober 1997 einen ersten Asylantrag. Dieser wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. April 1998 im Instanzenzug abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0365, abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb zur Vorgeschichte auf das genannte Erkenntnis verwiesen.

Der Beschwerdeführer stellte am 22. Juni 1998 einen neuerlichen Asylantrag. Er behauptete einerseits eine Verschlechterung der allgemeinen Lage, andererseits aber auch, dass seit der Verkündung des den ersten Asylantrag abschließenden Bescheides vom 21. April 1998 ihn persönlich treffende Ereignisse stattfanden, die geeignet seien, seine Verfolgung aufzuzeigen. Die Sicherheitsbehörden hätten im Juni 1998 zwei- bis dreimal bei seinen Eltern nach ihm gesucht und diesen mitgeteilt, sie wüssten, dass der Beschwerdeführer ein UCK-Mitglied sei. Solche Personen seien besonders gefährdet, was durch das Positionspapier des UNHCR vom 25. August 1998 belegt werde.

Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag vom 24. Juni 1998 wegen entschiedener Sache zurück. Die wesentliche Begründung lautet:

"Es kann nicht festgestellt werden, dass die Sicherheitsbehörden nach Ihnen wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft zur UCK im Juni 1998 gesucht haben.

Sie konnten kein genaues Datum angeben, wann die Sicherheitsbehörden angeblich nach Ihnen gesucht hätten, was Sie hätten wissen müssen, wenn tatsächlich nach Ihnen gesucht worden wäre.

Ihr Vorbringen ist somit nicht geeignet, einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen und von der erkennenden Behörde kann auch kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer gegen diese Begründung der Behörde erster Instanz ein:

"Es ist aktenwidrig, wenn die Behörde im angefochtenen Bescheid behauptet, ich hätte kein genaues Datum angeben können, wann die Sicherheitsbehörden nach mir wegen des Verdachtes der UCK-Mitgliedschaft gesucht hätten.

Richtig ist vielmehr, dass ich bei meiner Einvernahme gesagt habe, meine Eltern hätten mir am Telefon kein konkretes Datum gesagt, es sei aber im Juni 1998 zwei bis drei Mal nach mir gesucht worden.

Eine Begründung, warum mein Vorbringen 'somit' nicht geeignet sein sollte, einen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen, bleibt die Behörde schuldig.

Es ist doch durchaus plausibel, dass meine Eltern mir am Telefon nicht ein konkretes Datum nannten, wann nach mir gesucht worden war.

Die Behörde vermeint, dass ich hätte wissen müssen, wann nach mir gesucht worden sei, falls tatsächlich nach mir gesucht worden wäre, obwohl mir meine Eltern dies nicht erzählt hatten und die Behörde aus der Niederschrift Kenntnis davon hatte, dass meine Eltern mir dies nicht erzählt hatten.

Diese Schlussfolgerung widerspricht jeglicher Logik.

Dass die Behörden im Kosovo ständig auf der Suche nach UCK-Mitgliedern sind und Männer im wehrfähigen Alter, die im Verdacht stehen, Mitglieder der UCK zu sein, verhaften, foltern und ermorden, muss mittlerweile als amtsbekannt vorausgesetzt werden. Die Schlussfolgerung der Behörde deckt sich daher auch nicht mit den aktuellen Berichten aus dem Kosovo und ist die Suche nach mir auf Grund des Verdachtes einer UCK-Mitgliedschaft mehr als plausibel."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie führte darin aus, der neuerliche Asylantrag sei "ausschließlich auf allgemeine Informationen über die Verschlechterung der allgemeinen Situation im Kosovo gestützt, ohne jegliches Vorbringen in Hinsicht auf eine persönliche Verfolgung". Die belangte Behörde habe das nicht auf das Refoulement-Verbot gerichtete Vorbringen des Asylwerbers "richtig gewürdigt". Es liege entschiedene Sache vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend mehrmalige Suche nach ihm im Juni 1998 wegen UCK-Zugehörigkeit außer Acht lasse.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Die Behörde erster Instanz hat das Vorbringen als unglaubwürdig wegen mangelnder näherer Umschreibung gewertet. In der dagegen erhobenen Berufung bringt der Beschwerdeführer - eine nicht von vornherein von der Hand zu weisende - Begründung vor, warum er für die Nachforschungen der Behörden seines Heimatstaates kein konkretes Datum genannt habe. Die belangte Behörde befasst sich mit diesem Vorbringen jedoch nicht. Sie übersieht damit, dass der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren nicht behauptet hat, von den Behörden seiner Heimat mit UCK-Aktivitäten im Zusammenhang gebracht worden zu sein. Sollte die Behauptung des Beschwerdeführers stimmen, als UCK-Mitglied nach Erlassung des das erste Asylverfahren abschließenden Berufungsbescheides gesucht worden zu sein, so kann - nicht zuletzt auf Grund des vom Beschwerdeführer im zweiten Asylverfahren vorgelegten Berichtes des UNHCR vom 25. August 1998 (nach welchem Personen im wehrfähigen Alter, welche in den Verdacht geraten, der UCK anzugehören, besonders gefährdet seien) - die Annahme einer den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Indem die belangte Behörde sich begründungslos darauf beschränkte, die Behörde erster Instanz habe das genannte Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers "richtig gewürdigt", ohne sich mit dem die Schlüssigkeit dieser Beweiswürdigung bekämpfenden Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen, hat sie dem Beschwerdeführer in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nicht zugänglichen Weise die Glaubwürdigkeit abgesprochen und damit den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet. Denn sollte das genannte Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich Suche wegen UCK-Mitgliedschaft tatsächlich zutreffen, so läge diesbezüglich nicht entschiedene Sache vor, da ein solches Vorbringen im ersten Asylverfahren nicht verfahrensgegenständlich war.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999010177.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten