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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags eines Staatsangehörigen von Gambia auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung mangels eigenständiger Auseinandersetzung mit dem als unglaubwürdig bewerteten Vorbringen des BeschwerdeführersSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Gambia, welcher der Volksgruppe der Mandingo angehört und sich zum moslemischen Glauben bekennt. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 3. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er bei der am Folgetag stattgefundenen Erstbefragung an, er habe gegen den Willen seines Vaters Fußball gespielt, weshalb er von diesem mit dem Tod bedroht worden sei. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27. Juli 2017 fügte der Beschwerdeführer noch hinzu, dass er eine geschlechtliche Beziehung zu einem Kollegen unterhalten habe und beide auf Grund dessen Anfeindungen zu ertragen gehabt hätten.
2. Mit Bescheid vom 4. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 im Hinblick auf die Gewährung von Asyl und gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Darüber hinaus erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG 2005 und stellte gemäß §52 Abs9 FPG 2005 fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia gemäß §46 FPG 2005 zulässig sei. Gleichzeitig setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG 2005 ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30. Mai 2018 – mit der Maßgabe, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs2 FPG 2005 14 Tage betrage – als unbegründet ab. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und auf Grund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat fest, dass der Beschwerdeführer in Gambia auf Grund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung nicht verfolgt würde. Zur Identität des Beschwerdeführers, insbesondere zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum, konnten keine Feststellungen getroffen werden.
4. Gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Weder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch das Bundesverwaltungsgericht hätten sich mit der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers hinreichend auseinandergesetzt, sondern sich bloß auf das Aufzeigen von Widersprüchen in den Schilderungen des Beschwerdeführers konzentriert. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht die behördlichen Ermittlungsergebnisse übernommen und – obwohl beantragt – keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Es sei nicht möglich, ohne das Gewinnen eines persönlichen Eindruckes des Beschwerdeführers herauszufinden, ob dieser homosexuell sei oder nicht, und ihm demnach im Fall einer Rückkehr eine Gefährdung drohe oder nicht.
5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- und die Verwaltungsakten der belangten Behörde im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten und eines subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise richtet, begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hierfür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungs-sphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall unterlaufen:
In der – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen – angefochtenen Entscheidung stützt sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen auf die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getroffenen Feststellungen sowie dessen Beweiswürdigung. Die beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde, die insgesamt die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen, werden vom Bundesverwaltungsgericht wortwörtlich wiedergegeben. Insbesondere wird in diesen Ausführungen das Vorbringen zur Homosexualität als unglaubwürdig und als bloße Behauptung, um einen positiven Ausgang des Asylverfahrens zu erwirken, qualifiziert.
Die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes beschränkt sich auf einen Verweis auf die Beweiswürdigung:
"1.2. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er als Homosexueller in Gambia bedroht worden wäre.
Diesem Vorbringen war jedoch, wie in der Beweiswürdigung dargetan wurde, die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar."
Da sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung in der Wiedergabe und dem Verweis auf die verwaltungsbehördlichen Erhebungen erschöpft und eine eigenständige Auseinandersetzung zu den entscheidungsrelevanten Umständen fehlt, wird den nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes statuierten Anforderungen an eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht entsprochen:
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.614/2008 in Bezug auf eine Entscheidung des Asylgerichtshofes ausgesprochen hat, ist es zwar nicht unzulässig, Teile der Begründung der Bescheide der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichtes, wenn sich der Sachverhalt, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, weil nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl VfSlg 17.901/2006, 18.000/2006; vgl jüngst VfSlg 20.141/2017 und VfGH 9.6.2017, E3235/2016).
Das Bundesverwaltungsgericht geht hinsichtlich des Fluchtgrundes der Homosexualität von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus, ohne sich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers eigenständig auseinanderzusetzen. Vielmehr schloss sich das Gericht in diesem Punkt – ohne weitergehende Prüfung – durch Übernahme der im Bescheid getroffenen Ausführungen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an. Da die Entscheidung diese eigene Auseinandersetzung vermissen lässt, ist sie mit Willkür belastet (vgl VfSlg 18.861/2009 mwN).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Da der als Kostenersatz vorgesehene Pauschalsatz € 2.180,– beträgt und die Umsatzsteuer davon zu berechnen ist, ist das Mehrbegehren abzuweisen.
Schlagworte
Asylrecht, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E2786.2018Zuletzt aktualisiert am
17.01.2019