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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung eines ägyptischen Staatsangehörigen mangels näheren Datums- und Quellenangaben hinsichtlich der Situation von KoptenSpruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§57 Asylgesetz 2005), gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger mit christlicher Religionszugehörigkeit (Kopte), stellte am 6. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer begründet seine Flucht aus Ägypten überwiegend mit der allgemein schlechten Situation der Kopten in Ägypten sowie mit telefonischen Drohungen ausgehend von einem ehemaligen Geschäftsfreund seit dieser von der christlichen Konfession des Beschwerdeführers Kenntnis erhalten habe.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 23. März 2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§57 und 55 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG iVm §9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten gemäß §46 FPG zulässig ist.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 6. September 2017 als unbegründet abgewiesen. Im Erkenntnis führt das Bundesverwaltungsgericht u.a. an, dass das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtvorbringen nicht nur nicht glaubhaft sei, sondern dem Vorbringen auch keine asylrechtliche Relevanz zukomme. Der Beschwerdeführer räume selbst ein, dass es weder einen körperlichen Angriff auf seine Person noch einen Anschlag auf sein Geschäft gegeben hätte. Außerdem bestehe ganz allgemein in Ägypten keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne des Art2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des BVG BGBl Nr 390/1973) geltend gemacht wird und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Das Bundesverwaltungsgericht würde gegen das aus ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl 390/1973 erwachsende Willkürverbot verstoßen, wenn es insbesondere in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlasse. Es werde im Erkenntnis die Situation der koptischen Christen in Ägypten vollkommen verkannt.
5. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor, sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Erwägungen
A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten richtet, ist sie begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
1.1. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Bundesverwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
1.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde die Entscheidung mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Schließlich ist von einem willkürlichen Verhalten auch auszugehen, wenn die Behörde die Rechtslage gröblich bzw in besonderem Maße verkennt (zB VfSlg 18.091/2007, 19.283/2010 mwN, 19.475/2011).
2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht hier unterlaufen:
Die Feststellungen zur Lage in Ägypten übernimmt das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze "aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes" (Pkt. 2.1.). Im Erkenntnis ist nicht ersichtlich, wie aktuell diese sind. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt eine nähere Angabe von Datums- und Quellenangaben in seinem Erkenntnis (Pkt. 1.2.1.) und führt lediglich kurz und allgemein in einem Absatz die Situation der Kopten in Ägypten aus.
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.614/2008 in Bezug auf eine Entscheidung des Asylgerichtshofes ausgesprochen hat, kommt das erken-nende Gericht, wenn es die Begründung des bei ihm angefochtenen Bescheides im Wege der Verweisung zum Inhalt seiner eigenen Entscheidung macht, ohne diese Begründung zumindest in seiner Entscheidung wiederzugeben, nicht nur den Anforderungen des §60 AVG nicht nach, sondern es entspricht auch die Entscheidung den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht. Zwar ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung der Bescheide der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Be-gründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpf-te Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl VfSlg 17.901/2006, 18.000/2006).
Abgesehen von der Wiedergabe vorgefertigter Textbausteine – denen kein auf den konkreten Fall bezogener Begründungswert zukommt – erschöpft sich die Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz darin, auszuführen, dass ganz allgemein in Ägypten – und dies gelte auch für die koptische Minderheit – keine solche extreme Gefährdungslage besteht, dass jeder, der nach Ägypten zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und Nr 13 zur EMRK ausgesetzt ist.
Auf welchen Erkenntnisquellen die Feststellungen über die Lage in Ägypten beruhen und die Aktualität dieser ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Damit ist das angefochtene Erkenntnis aber im erheblichen Punkt der Refoulementprüfung mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet (VfSlg 18.646/2008, 19.181/2010; VfGH 7.10.2011, U1060/10), weil die maßgebliche Erwägungen der Entscheidung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus der Begründung der Entscheidung selbst hervorgehen müssen (VfSlg 18.614/2008).
B. Soweit die Beschwerde sich im Übrigen gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Asylstatus richtet, wird ihre Behandlung aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Asylstatus richtet, abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, ReligionsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E3365.2017Zuletzt aktualisiert am
17.01.2019