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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der SG in W, geboren am 14. Oktober 1973, vertreten durch Dr. Mario Schiavon, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Georg-Coch-Platz 3/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. August 1998, Zl. 204.341/0-XI/35/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin reiste am 22. Juni 1998 in das Bundesgebiet ein. Sie ist Staatsbürgerin der BR Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Ihren Asylantrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 21. Juli 1998 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, ab (Spruchpunkt I.); zugleich sprach das Bundesasylamt aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Jugoslawien gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Gegen die Abweisung ihres Asylantrages erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Hierauf wurde ihr vom unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) mit Schreiben vom 10. August 1998 mitgeteilt, dass er bei der Berufungsentscheidung von folgenden Tatsachen auszugehen beabsichtige:
"Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsanghörige durch serbische Behörden oder diesen nahe stehende Personen beschränken sich auf den Kosovo. So sind insbesondere aus Zentralserbien (hier wiederum primär aus Belgrad) keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt. Aber auch in Montenegro, wo ca. 7 % der Bevölkerung der albanischen Minderheit angehören, fanden bislang keine Übergriffe auf Albaner statt. Zwischenzeitig halten sich in Montenegro rund 13.000 albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge auf (Die Presse 3.7.1998)."
Die Beschwerdeführerin werde daher - so die belangte Behörde in ihrer Mitteilung vom 10. August 1998 weiter - gemäß § 45 Abs. 3 AVG eingeladen, hiezu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen; sofern sie der Ansicht sei, dass die genannten Ausführungen die derzeitige Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht korrekt umschreiben, mögen die Gründe hiefür dargelegt und durch geeignete Unterlagen belegt werden.
Die Beschwerdeführerin gab am 17. August 1998 zu diesem Vorhalt eine Stellungnahme ab. Hierin führte sie aus, weder in Montenegro noch in einem anderen Gebiet Jugoslawiens Sicherheit finden zu können; in Montenegro sei die Lage für sie nicht sicher; nach den jüngsten Erfahrungen müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Übergriffe gegen die albanische Bevölkerung auf ganz Jugoslawien ausdehnen; es bestehe höchste Kriegsgefahr für die gesamte Region; auch in Montenegro sei die serbische Polizei stationiert und überprüfe alle albanischen Flüchtlinge "auf allfällige Verfahren"; das selbe gelte auch für alle anderen Provinzen Jugoslawiens.
Mit dem hier bekämpften Bescheid vom 20. August 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab. Dabei traf sie - nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen - ihrem Vorhalt vom 10. August 1998 entsprechende Feststellungen (siehe oben) zum "Lagebild der BR Jugoslawien". Daran anknüpfend führte sie aus, dass der Beschwerdeführerin - lasse man ihren Hinweis genügen (was allerdings zweifelhaft erscheine), aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe Verfolgung befürchten zu müssen - "insoweit eine inländische Fluchtalternative offen gestanden wäre". Die Verfolgungsgefahr müsse sich nämlich auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; bestehe für den Asylwerber die Möglichkeit, sich in einen anderen Teil des Staatsgebietes zurückzuziehen, in dem er vor asylrelevanter Verfolgung sicher sei, so fehle es an der für die Gewährung von Asyl erforderlichen Verfolgungsgefahr; die Annahme einer inländischen Fluchtalternative erfordere regelmäßig entsprechende Ermittlungen durch die Behörde, wobei dem Asylwerber zu den Ermittlungsergebnissen Parteiengehör einzuräumen sei; einem konkreten, begründeten Vorhalt des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative habe der Asylwerber substanziiert entgegenzutreten; nicht näher konkretisierte Befürchtungen, die Situation könne sich in Zukunft ändern, könnten diesem Erfordernis nicht genügen.
Im konkreten Fall hätten entsprechende Ermittlungen - so die belangte Behörde weiter - ergeben, dass außerhalb des Kosovo, insbesondere im Bundesstaat Montenegro sowie in Zentralserbien (insbesondere Belgrad), dem Staat zurechenbare asylrelevante Verfolgungshandlungen an unter anderem aus dem Kosovo stammenden ethnischen Albanern nicht bekannt geworden seien und dass sich sogar rund 13.000 Flüchtlinge unbehelligt in Montenegro aufhielten. Die Beschwerdeführerin habe lediglich entgegengehalten, dass dem nicht so wäre und die Befürchtung geäußert, dass sich die Lage auch im übrigen Staatsgebiet verschlechtern könne. Dieses Vorbringen sei jedoch nicht geeignet, die Annahme einer inländischen Fluchtalternative zu erschüttern; es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, ihre Behauptung durch entsprechende Belege zu substantiieren. Es ergebe sich daher, dass es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen wäre, den Verfolgungen im Kosovo durch eine Übersiedlung etwa nach Montenegro zu entgehen, sodass ihr eine inländische Fluchtalternative offen gestanden sei, weshalb es an der für die Gewährung von Asyl erforderlichen Verfolgungsgefahr fehle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Ablehnung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht im Kern geltend, dass die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen habe, wie sich die politische Situation im "Heimatland" der Beschwerdeführerin (dem Kosovo) darstelle; es seien aber auch keine ihren Ausführungen entgegengesetzte Feststellungen getroffen worden, wonach die politische Situation in ihrem Heimatland nicht geeignet sei, in ihr begründete Furcht vor Verfolgung hervorzurufen; dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass Albanern aus dem Kosovo im Falle ihrer Rückkehr dorthin politische Verfolgung in Form von Gruppenverfolgung drohe.
Mit diesen Ausführungen übersieht die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde jedenfalls vom Vorliegen einer "inländischen Fluchtalternative" ausgegangen ist und dass sie deshalb eine nähere Beurteilung einer drohenden Verfolgungsgefahr im Kosovo unterlassen hat.
Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (so schon das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1980, Slg. Nr. 10.255/A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht.
Die Annahme des Bestehens einer "inländischen Fluchtalternative" gründete die belangte Behörde auf die Feststellungen, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsangehörige durch serbische Behörden oder diesen nahe stehende Personen auf den Kosovo beschränkten; insbesondere aus Zentralserbien (primär aus Belgrad) seien keinen Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt; auch in Montenegro mit 7%igem albanischen Bevölkerungsanteil hätten bislang keine Übergriffe auf Albaner stattgefunden, es hielten sich dort rund 13.000 albanisch-stämmige Flüchtlinge aus dem Kosovo unbehelligt auf.
Diese Feststellungen lässt die Beschwerdeführerin unbekämpft. Legt man sie daher der rechtlichen Beurteilung zugrunde, so ergibt sich Folgendes: Was zunächst das nicht näher umschriebene, jedenfalls aber Belgrad umfassende Gebiet "Zentralserbien" anlangt, so ist diesbezüglich nur bekannt, dass dort keine Verfolgungshandlungen gegenüber Kosovo-Albanern stattfinden. Dieser Umstand allein vermag jedoch die Annahme einer "inländischen Fluchtalternative" nicht zu rechtfertigen, weil offen bleibt, ob überhaupt Fluchtbewegungen von Kosovo-Albanern nach "Zentralserbien" stattfinden konnten bzw. stattgefunden haben. Dass dort keine Verfolgungshandlungen an aus dem Kosovo stammenden ethnischen Albanern bekannt geworden sind, könnte mithin auch darauf zurückzuführen sein, dass sich keine Kosovo-Albaner in "Zentralserbien" in nennenswerter Zahl aufhalten. Anders ist die Situation bezüglich Montenegro. Gemäß den behördlichen Feststellungen halten sich in dieser Teilrepublik der Bundesrepublik Jugoslawien rund 13.000 albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge unbehelligt auf, ohne dass Übergriffe bekannt geworden wären. Dies lässt - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - in der Tat den Schluss zu, auch die Beschwerdeführerin könne dort Schutz vor Verfolgung finden. Daran vermögen auch ihre in der Stellungnahme vom 17. August 1998 geäußerten Bedenken nichts zu ändern; die Befürchtung, die Übergriffe gegen die albanische Bevölkerung würden sich auf ganz Jugoslawien ausdehnen, wurde nicht näher begründet; die behauptete Überprüfung albanischer Flüchtlinge auf "allfällige Verfahren" hin ist nicht asylrelevant, abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht behauptet, von einem "Verfahren" betroffen zu sein.
Dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthalt in Montenegro nicht zumutbar sei oder dass sich dort die Verhältnisse während des Asylverfahrens geändert hätten, hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht. Auch die Beschwerde enthält dazu, wie insgesamt zum Komplex der "inländischen Fluchtalternative", keine Ausführungen. (Solche Ausführungen wären im vorliegenden Fall ungeachtet des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes deshalb beachtlich gewesen, weil die belangte Behörde in unzulässiger Weise von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absah, obwohl sie selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche, neue Sachverhaltsfeststellungen traf; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475).
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde den Kosovo mit ihrem "Heimatland" gleichsetzt, ist ihr zu entgegnen, dass auch die Teilrepublik Montenegro ihrem Herkunftsstaat, der Bundesrepublik Jugoslawien, angehört und damit grundsätzlich als eine "inländische Fluchtalternative" in Frage kommt.
Insgesamt geht die vorliegende Beschwerde, die im Übrigen fälschlich auf das Asylgesetz 1991 Bezug nimmt und der belangten Behörde aktenwidrig vorwirft, diese habe den Verfolgungsbegriff der GFK auf "strafrechtliche Sanktionierung" eingeschränkt und das Vorbringen der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig eingestuft, damit am entscheidungswesentlichen Thema vorbei. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010503.X00Im RIS seit
20.11.2000