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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §9 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache der N O S S, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. August 2018, G305 2179241-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Irak, reiste am 6. November 2016 mit einem bis 5. Dezember 2016 gültigen Schengen Visum in Österreich ein und stellte am 17. November 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Zur Zulässigkeit der vorliegenden außerordentlichen Revision wird vorgebracht, die Rückkehrentscheidung greife in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben der Revisionswerberin ein. Die Mutter der Revisionswerberin sowie deren Ehegatte - der Stiefvater der Revisionswerberin - und die Schwester der Revisionswerberin seien seit vielen Jahren in Österreich rechtmäßig aufhältig. Der Schutz des Familienlebens umfasse aber das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern selbst dann, wenn es kein Zusammenleben zwischen ihnen gebe. Das Bundesverwaltungsgericht habe wohl zum Aufenthalt der Familienangehörigen der Revisionswerberin Feststellungen getroffen, dies jedoch bei seiner Interessenabwägung unberücksichtigt gelassen, indem es allein auf die Dauer des Aufenthaltes der Revisionswerberin im Inland sowie sonstige "Integrationsmerkmale" abgestellt habe.
7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0061, mwN).
8 Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso jure zu bejahenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0235, mwN).
9 Besondere Merkmale der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen der im Entscheidungszeitpunkt 32 Jahre alten Revisionswerberin und ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen wurden nicht dargetan. Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen der Revision bei seiner Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK - in Hinblick auf einen allfälligen Eingriff in das durch diese Bestimmung ebenfalls geschützte Privatleben (vgl. VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093) - ohnehin auch den Aufenthalt der Familienmitglieder der Revisionswerberin in Österreich berücksichtigt. Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass diese im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar erfolgt wäre.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 12. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190521.L00Im RIS seit
18.01.2019Zuletzt aktualisiert am
21.05.2019