TE Vwgh Beschluss 2018/12/13 Ra 2018/22/0280

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58;
AVG §60;
AVG §69 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der F Y, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. September 2018, VGW- 151/073/4105/2018-8, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Revisionswerberin, eine chinesische Staatsangehörige, beantragte aufgrund ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger einen Aufenthaltstitel gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am 19. Jänner 2018 holte die Revisionswerberin diesen Aufenthaltstitel beim Landeshauptmann von Wien (Behörde) ab, obwohl ihr Ehemann bereits am 1. Jänner 2018 verstorben war. Am 25. Jänner 2018 beantragte sie eine Zweckänderung ihres Aufenthaltstitels aufgrund des Ablebens ihres Ehemannes.

5 Mit Bescheid vom 20. Februar 2018 nahm die Behörde das Verfahren betreffend die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 (Erschleichen eines Bescheides) iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf und wies sowohl den Aufenthaltstitel gemäß § 47 Abs. 2 NAG mangels Familienangehörigeneigenschaft als auch den Zweckänderungsantrag mangels gültigen Aufenthaltstitels ab.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, aufgrund der - näher dargestellten - widersprüchlichen Aussagen der Revisionswerberin in der Verhandlung sei das VwG zu der Überzeugung gelangt, dass die Revisionswerberin gewusst habe, dass sie nach dem Tod ihres Ehemannes keinen Anspruch mehr auf den Aufenthaltstitel als Familienangehörige gehabt habe. Der Tatbestand des Erschleichens im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG sei somit erfüllt.

7 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin vor, das VwG sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht gemäß §§ 58 und 60 AVG abgewichen (Hinweis auf VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055) und habe die Grundsätze eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens verletzt. Die Revisionswerberin habe nicht die Absicht gehabt, die Behörde in die Irre zu führen, sondern sei aufgrund des Ablebens ihres Ehemannes "angeschlagen" gewesen und habe sich auf den Rat eines Rechtsanwaltes und einer Bekannten verlassen. Das VwG hätte daher den Rechtsanwalt und die Bekannte als Zeugen befragen müssen. Diese Personen hätten "über den Vorgang der Abholung des Aufenthaltstitels unmittelbare Wahrnehmungen gemacht, die für die Beurteilung der Frage einer Erschleichung wesentlich waren." Das VwG gehe allein deshalb von der Unglaubwürdigkeit der Aussagen der Revisionswerberin aus, weil diese "angeblich im Jahr 2016 unter einer unrichtigen Identität Asyl beantragt und als Prostituierte gearbeitet haben soll."

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG dann vor, wenn dieser in der Art zu Stande kam, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt wurden, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0174, Rn. 7, mwN).

9 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung auf die Begründungspflicht gemäß § 58 und § 60 AVG verwiesen wird, ist darauf zu verweisen, dass in der Zulassungsbegründung auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang darzulegen ist. Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist konkret darzulegen, was die betreffenden Personen im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätten bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/22/0174, Rn. 9, mwN).

Der nicht weiter substanziierte Verweis auf die unterbliebene Vernehmung des vormaligen Rechtsanwaltes und einer Bekannten der Revisionswerberin enthält keine ausreichende Relevanzdarstellung (im soeben dargelegten Sinn). Dass diese Personen "über den Vorgang der Abholung des Aufenthaltstitels unmittelbare Wahrnehmungen gemacht (hätten), die für die Beurteilung der Frage einer Erschleichung wesentlich" wären, lässt völlig offen, was die betreffenden Personen ausgesagt hätten und welche anderen Feststellungen das VwG auf Grund dessen treffen hätte können. In der vom nunmehrigen Rechtsvertreter verfassten Beschwerde wurde lediglich die Anhörung der Revisionswerberin beantragt. Auch während der Verhandlung, bei der die Revisionswerberin anwaltlich vertreten war, wurde weder die Vernehmung des vormaligen Rechtsanwaltes noch der Bekannten beantragt (siehe zu einer unterbliebenen Zeugenvernehmung auch VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0135, Rn. 13, mwN).

10 Darüber hinaus trifft es nicht zu, dass das VwG allein deshalb von der Unglaubwürdigkeit der Aussagen der Revisionswerberin ausgegangen sei, weil diese im Jahr 2016 unter einer unrichtigen Identität Asyl beantragt und als Prostituierte gearbeitet habe. Das VwG führte vielmehr aus, dass der Revisionswerberin aufgrund ihrer Asylantragstellung im Jahr 2016, der Zurückziehung dieses Antrages, ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet und der Beantragung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige von Ausland aus durchaus bewusst gewesen sei, dass die Verehelichung mit einem österreichischen Staatsbürger die Grundlage für den beantragten Aufenthaltstitel gewesen sei und sie daher absichtlich das Ableben ihres Ehemannes bei der Abholung des Aufenthaltstitels - die einer Bescheiderlassung gleichzusetzen ist (vgl. etwa VwGH 7.12.2016, Fe 2015/22/0001 Pkt. 6.2.) - verschwiegen habe. Die Unglaubwürdigkeit der Revisionswerberin begründete das VwG auch mit zahlreichen widersprüchlichen Aussagen in der Verhandlung vor dem VwG. Diese Widersprüche wurden in der Zulässigkeitsbegründung weder bestritten noch aufgeklärt.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220280.L00

Im RIS seit

15.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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