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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Dezember 2017, VGW- 151/018/16185/2017-1, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: D T, vertreten durch die Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 9. November 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Antrag der Mitbeteiligten, einer syrischen Staatsangehörigen, vom 6. Dezember 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Begründend wurde festgehalten, der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel sei nicht erbracht worden. Daher sei nicht ausgeschlossen, dass der Aufenthalt der Mitbeteiligten zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne.
2 Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten hob das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Dezember 2017 diesen Bescheid auf und verwies das Verfahren zurück an die belangte Behörde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht führte aus, dass das Einkommen des zusammenführenden Ehegatten der Mitbeteiligten im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerde nunmehr EUR 1.614,66 monatlich betrage und damit über dem Richtsatz für ein Ehepaar (in der Höhe von EUR 1.334,17) gemäß § 293 ASVG liege. Anschließend wurde festgehalten, für das erkennende Gericht liege "mit diesen Ausführungen aber ein geänderter Sachverhalt vor, der von der belangten Behörde einer neuerlichen Beurteilung und Prüfung unterzogen werden muss, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurück zu verweisen war."
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
4 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie vorbringt, das Verwaltungsgericht sei zutreffender Weise von einem geänderten Sachverhalt ausgegangen, der von der belangten Behörde einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden müsse.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.
Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) normiert diese Bestimmung einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine solche zu treffen. Zudem hat das Verwaltungsgericht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat - nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt (siehe zu allem VwGH 18.4.2018, Ra 2017/22/0205, Rn. 6, mwN).
7 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu den zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG einen geänderten Sachverhalt als gegeben angenommen, aber keine Sachentscheidung getroffen (vgl. zu ähnlich gelagerten Konstellationen VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0103; 26.3.2015, Ro 2015/22/0011). Festzuhalten ist zunächst, dass der bloße Hinweis auf Ausführungen in der Beschwerde noch keine eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes beinhaltet. Es ist auch unklar, ob das Verwaltungsgericht vorliegend von fehlenden Feststellungen ausgeht. Aus dem bloßen Verweis auf einen geänderten Sachverhalt ergibt sich jedenfalls nicht, dass noch (und bejahendenfalls welche) Ermittlungslücken bestünden bzw. inwieweit der maßgebliche Sachverhalt (etwa im Hinblick auf andere Erteilungsvoraussetzungen) nicht feststehe. Soweit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes noch Feststellungen fehlen, wird nicht dargelegt, weshalb allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht von ihm selbst vorzunehmen wären (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015, Rn. 11; 16.1.2018, Ra 2017/22/0162, Rn. 9, jeweils mwN). Sollte der maßgebliche Sachverhalt hingegen als feststehend angenommen werden, dann hat das Verwaltungsgericht die daraus resultierenden Rechtsfragen selbst zu beantworten (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0006, Rn. 9, mwN). Dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegend nicht erfüllt sind, lässt sich der angefochtenen Entscheidung somit nicht entnehmen; der angefochtene Beschluss lässt dazu eine nachvollziehbare Begründung vermissen.
8 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 13. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220044.L00Im RIS seit
01.08.2019Zuletzt aktualisiert am
02.08.2019