TE Vwgh Beschluss 2018/12/13 Ra 2018/18/0076

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §35 Abs4;
AsylG 2005 §35;
AsylG 2005 §59 Abs4;
AVG §56;
FrPolG 2005 §11;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/18/0077 Ra 2018/18/0078 Ra 2018/18/0079 Ra 2018/18/0084 Ra 2018/18/0081 Ra 2018/18/0082 Ra 2018/18/0083 Ra 2018/18/0080

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision

1. A I, 2. S A 3.  M M, 4. H M, 5. H M, 6. H M, 7. M M, 8. B M sowie 9.  F M, alle vertreten durch Dr. Davorka Situm-Ceovic, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Taborstraße 11 B, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2017, Zlen. 1. W212 2172078-1/2E, 2. W212 2172076-1/2E, 3. W212 2172075- 1/2E, 4. W212 2172071-1/2E, 5. W212 2172072-1/2E, 6. W212 2172073- 1/2E, 7. W212 2172074-1/2E, 8. W212 2172068-1/2E und

9. W212 2172069-1/2E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Addis Abeba), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind somalische Staatsangehörige und Mitglieder einer Familie. Mit Bescheiden vom 8. Juni 2017, welche nach Beschwerdeerhebung im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung mit Bescheid vom 4. September 2017 bestätigt wurden, wies die Österreichische Botschaft Addis Abeba die Anträge der revisionswerbenden Parteien vom 3. Dezember 2015 auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, weil deren in Österreich lebende Bezugsperson (die am 17. März 1998 geborene Tochter des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin bzw. die Schwester der mj. dritt- bis achtrevisionswerbenden Parteien und Tante der mj. Neuntrevisionswerberin, der mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 4. September 2015 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden war) bereits volljährig sei.

2 Über Vorlageantrag wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Bescheide vom 8. Juni 2017 gerichtete Beschwerde der revisionswerbenden Parteien mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 35 AsylG 2005 u.a. unter Hinweis auf die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob Prognoseentscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Asylgewährung widerruflich seien. Weiters stellten sich im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 12. April 2018, Rs C-550/16, sowie die Richtlinie 2003/86/EG Rechtsfragen betreffend die Auslegung von § 35 Abs. 5 AsylG 2005 bzw. die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 24 AsylG 2005. Zu klären sei auch, inwiefern eine Umdeutung der verfahrenseinleitenden Anträge in Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bzw. in Anträge auf Familienzusammenführung in Betracht käme bzw. ob ein direkt aus Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG ableitbarer Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung bestehe. Es seien darüber hinaus Rechtsfragen betreffend die amtswegigen Ermittlungspflichten des Verwaltungsgerichts bei Erstattung eines sachverhaltsbezogenen Vorbringens und die Verpflichtung des Gerichts zur Vernehmung von Zeugen zu lösen. Das Bundesverwaltungsgericht habe insbesondere keine Feststellungen zu der Frage getroffen, inwiefern sich die vorliegenden Verfahren von den der zuletzt zitierten Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Ausgangsverfahren unterschieden. Im Übrigen mangle es den vor dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerde bekämpften, als Bescheide bezeichneten Erledigungen der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 8. Juni 2017 sowie der Erledigung vom 4. September 2017 im Hinblick auf § 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) mangels ordnungsgemäßer Genehmigung an der Bescheidqualität. Es fehle Rechtsprechung zu der Frage, inwiefern die Vorschriften des § 11 FPG die Bestimmungen des § 18 AVG und § 58 AVG verdrängten oder ergänzten bzw. ob die zuletzt genannten Vorschriften des FPG und des AVG, weil "alle Vorschriften einen anderen Regelungsgegenstand" beträfen, parallel anzuwenden seien. Schließlich fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob die österreichischen Vertretungsbehörden die Beglaubigungsverordnung anzuwenden hätten.

4 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl um keinen Bescheid. Es ist zwar die Vertretungsbehörde im Ausland an die Mitteilung des Bundesamts über die Prognose einer Asylgewährung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz gebunden, und zwar sowohl an eine negative als auch an eine positive Mitteilung. Allerdings steht es dem Bundesverwaltungsgericht offen, auch die Einschätzung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002-0007).

9 Dass die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, welches eine zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegende negative Prognose des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl im Sinn von § 35 Abs. 4 AsylG 2005 als inhaltlich zutreffend erachtete, nicht im Einklang mit der zuletzt genannten Bestimmung stünde, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Dafür, dass - wie die Revision darzustellen versucht - entgegen § 35 Abs. 4 AsylG 2005 trotz Vorliegens einer mittlerweile negativen Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zwingend die Erteilung eines Einreisevisums zu erfolgen hätte, weil in einem vorangegangenen Verfahrensschritt eine (nachträglich revidierte und zum Entscheidungszeitpunkt durch eine gegenteilige Mitteilung inhaltlich überholte) positive Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erfolgt war, bietet die Rechtslage keinerlei Anhaltspunkte (vgl. hingegen zur "Unwiderruflichkeit" einer gemäß § 59 Abs. 4 AsylG 2005 erfolgten Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, welche jedoch anders als eine Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit einem Übergang der behördlichen Zuständigkeiten verbunden ist VwGH 4.10.2018, Ro 2018/22/0001). Die grundsätzliche Möglichkeit zur Abänderung einer gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 erstatteten Mitteilung im verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass dem Antragsteller in diesem Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme betreffend die Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl einzuräumen ist (vgl. VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002-0007), was wiederum voraussetzt, dass es dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl möglich sein muss, auf eine etwaige Stellungnahme des Antragstellers zu reagieren und eine bereits erstattete Mitteilung allenfalls inhaltlich abzuändern.

10 Zudem war vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall nicht einmal der Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 eröffnet. Somit gelingt es der Revision schon deshalb nicht darzulegen, aus welchem Grund im Zusammenhang mit der Versagung der beantragten Einreisetitel fallbezogen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung mit der Rechtsfrage, wer als "Familienangehöriger" gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen ist, bereits mehrfach beschäftigt. Zuletzt hat er dargelegt, dass es bei der Beurteilung von Anträgen auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 auch im Lichte des Urteils des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, (weiterhin) darauf ankommt, dass die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge noch minderjährig ist. Auch nach der Familienzusammenführungsrichtlinie ist es nämlich nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 über dessen Wortlaut hinaus zu erweitern. Um das unionsrechtliche Ziel einer Familienzusammenführung zu erreichen, ist es hinreichend, dass den Eltern einer im Laufe des Verfahrens volljährig gewordenen (asylberechtigten) Bezugsperson in Österreich im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie bei unionsrechtskonformer Interpretation des nationalen Rechts ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, mwN, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

11 Inwiefern darüber hinaus im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 24 AsylG 2005 sowie bezogen auf die - im Rahmen der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung des AsylG 2005 unverändert gebliebene - Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 fallbezogen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen wären, ist vor dem Hintergrund der Revision nicht ersichtlich. Dass im Lichte der dargestellten Rechtslage durch das Verwaltungsgericht weitere Feststellungen zu treffen gewesen wären bzw. von Amts wegen zu "sachverhaltsbezogenem Vorbringen" der Parteien weitere Ermittlungsschritte zu setzen bzw. betreffend die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 erstatteten Mitteilungen Zeugen oder "handelnde Personen" zu vernehmen gewesen wären, ist ebenso wenig nachvollziehbar.

12 Die vorliegenden verfahrenseinleitenden (unter Verwendung eines entsprechenden Standardformulars gestellten) Anträge waren auch ganz offenkundig nicht auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bzw. "allgemein" auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Familienzusammenführung gerichtet (vgl. zur strengen Zweckgebundenheit eines Antrages nach § 35 AsylG 2005 siehe auch VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034). Im Zusammenhang mit der - im Übrigen einzelfallbezogenen - Auslegung der verfahrenseinleitenden Anträge der revisionswerbenden Parteien zeigt die Revision somit ebenfalls keine Rechtsfragen im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

13 Soweit die Revision das Vorliegen rechtswirksam erlassener Bescheide in Abrede stellt, ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 11 FPG über das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 anzuwenden sind (VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0146). Die in Rede stehenden Bescheide weisen neben dem Siegel der Republik Namenskürzel auf, deren Zuordnung zur Person des Genehmigenden im Sinn von § 11 Abs. 3 FPG möglich erscheint (siehe dazu auch VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070).

14 Welche konkret auf den vorliegenden Fall bezogenen Rechtsfragen im Hinblick auf die "Verdrängung", "Ergänzung" bzw. "parallele Anwendung" von §§ 18 und 58 AVG bzw. hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Beglaubigungsverordnung zu lösen wären, zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht auf (zur - abgesehen von abweichenden verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen (vgl. z.B. § 11 FPG) - gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG grundsätzlich bestehenden Anwendbarkeit des AVG im Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden siehe zudem VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611).

15 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2018

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180076.L00

Im RIS seit

15.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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