TE Vwgh Beschluss 2018/12/13 Ra 2018/07/0461

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §20
VStG §45 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 2. August 2018, Zlen. LVwG-500371/14/Wg, LVwG- 500372/13/Wg, LVwG-500373/13/Wg, LVwG-500374/13/Wg, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (mitbeteiligte Parteien:

1. E G und 2. Dipl.-Ing. C G, beide in M, 3. S S und 4. Dr. O S, beide in M und vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl und Mag. Alexander Lirk, Rechtsanwälte in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 50/2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis wurde im Jahr 1997 von einer auf dem heute im Eigentum der 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien stehenden Grundstück Nr. 390, KG M., befindlichen Wasserversorgungsanlage (WVA) zum Bezug von Grundwasser eine Wasserleitung zu dem im Eigentum der 1.-

und 2.-mitbeteiligten Parteien stehenden Grundstück Nr. 388/1, KG M., gelegt; der Anschluss deren Liegenschaft an die WVA erfolgte bei Errichtung des Wohnhauses im Jahr 1999. Die 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien vereinbarten mit dem damaligen Eigentümer des Grundstückes Nr. 390 lediglich mündlich, Strom- und Erhaltungskosten auf die beiden Grundstücke jeweils zur Hälfte aufzuteilen. Ein Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung wurde nicht gestellt; der 2.-Mitbeteiligte hatte zuvor die "private Auskunft" eines Nachbarn, eines damals für Wasserrecht zuständigen Sachbearbeiters der Bezirkshauptmannschaft, eingeholt, wonach nach dessen Einschätzung keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei.

2 Im Jahr 2006 erwarben die 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien das Grundstück Nr. 390. Sie wussten bei Abschluss des Kaufvertrages nichts von der genannten Wasserleitung, in weiterer Folge wurden aber wie zuvor die Strom- und Erhaltungskosten jeweils zur Hälfte weiterverrechnet.

3 Die Bezirkshauptmannschaft Braunau (BH) erlangte im Jahr 2017 Kenntnis von der Wasserleitung. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 wies sie die mitbeteiligten Parteien auf die gemäß § 10 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) bestehende Bewilligungspflicht hin und forderte sie auf, bis spätestens 30. August 2017 ein Einreichprojekt zur Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung vorzulegen.

4 Mit Eingabe vom 25. August 2017 informierten die 1.- und 2.- mitbeteiligten Parteien die BH von ihrer Absicht, einen eigenen Hausbrunnen zu errichten und dazu Angebote einzuholen, weil die WVA laut Information eines fachkundigen Unternehmens nicht bewilligungsfähig sei und nach ihren Erhebungen bei der Gemeinde auch ein Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage nicht in Betracht komme.

5 Die BH forderte die 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien mit Schreiben vom

6 24. Oktober 2017 auf, bis längstens 30. November 2017 die Bestätigung eines Fachkundigen über die Trennung der Leitung zum alten Brunnen vorzulegen.

7 Davon erlangten auch die 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien Kenntnis. Der 4.-Mitbeteiligte erkundigte sich am 17. November 2017 bei der BH, ob die 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien bereits eine Bestätigung vorgelegt hätten. Nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (LVwG) wäre - bei Trennung der Leitung zum Grundstück Nr. 388/1 - der fortan als Einzelwasserversorgung für das eigene Grundstück der 3.- und 4.- mitbeteiligten Parteien betriebene Brunnen nicht mehr bewilligungspflichtig gewesen. Die 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien hätten den 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien aber nicht von heute auf morgen durch Trennung der Leitung die Wasserversorgung entziehen wollen, zumal diese auf die Versorgung mit Trink- und Nutzwasser aus der WVA angewiesen gewesen seien.

8 Mit E-Mail vom 26. November 2017 ersuchten die 1.- und 2.- mitbeteiligten Parteien um einen neuerlichen Aufschub. Daraufhin leitete die BH gegen die mitbeteiligten Parteien mit Aufforderungen zur Rechtfertigung vom 11. Dezember 2017 Verwaltungsstrafverfahren ein (die Zustellung erfolgte am 18. Dezember 2017). Der Vorwurf lautete, im Zeitraum 24. Mai 2017 bis 11. Dezember 2017 die WVA ohne Bewilligung betrieben (3- und 4.-mitbeteiligte Parteien) bzw. benutzt (1.- und 2.-mitbeteiligte Parteien) zu haben.

9 Mit E-Mail vom 18. Dezember 2017 informierten die 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien die BH über die Auftragserteilung zur Errichtung eines Bohrbrunnens. Das Angebot des Unternehmens D. ist mit 16. Dezember 2017 datiert.

10 Die BH verhängte mit Straferkenntnissen vom 8. Jänner 2018 über die mitbeteiligten Parteien jeweils Geldstrafen in der Höhe von EUR 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 20 Stunden).

11 Der Brunnen der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien wurde am 9. Mai 2018 fertiggestellt. Die Leitung zur WVA der 3.- und 4.- mitbeteiligten Parteien wurde getrennt; diese Anlage wird seither als Einzelwasserversorgungsanlage verwendet.

12 Mit den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG vom 2. August 2018 wurde den Beschwerden der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien gegen die jeweiligen Straferkenntnisse insoweit Folge gegeben, als die als erwiesen angenommene Tatzeit gemäß § 44a Z 1 VStG auf 1. Dezember 2017 bis 11. Dezember 2017 eingeschränkt wurde. Die Geldstrafe wurde jeweils auf EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Stunden) herabgesetzt.

13 Unter Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses wurden die gegen die 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien erlassenen Straferkenntnisse behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eingestellt.

14 Eine Revision gegen dieses Erkenntnis wurde für unzulässig erklärt.

15 Das LVwG hielt im angefochtenen Erkenntnis - unter anderem - bei der Prüfung der Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG mit näherer Begründung fest, es sei das Verschulden der 3.- und 4.- mitbeteiligten Parteien im gesamten angelasteten Tatzeitraum gering gewesen, das Verschulden der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien jedoch nur im Zeitraum vom 24. Mai 2017 bis 30. November 2017.

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision der BH wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

17 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 2.1. Im Hinblick auf die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG normierten Voraussetzungen für die Einstellung eines Strafverfahrens wird in der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision unter Zitierung von hg. Judikatur (verwiesen wird auf VwGH 18.11.2014, Ra 2014/05/0008 und 0009) ausgeführt, geringfügiges Verschulden liege nicht vor, wenn der Beschuldigte durch vorangegangene Beanstandungen von der Rechtswidrigkeit eines Zustandes oder seines Verhaltens Kenntnis erlangen habe können und dennoch keine Änderung herbeigeführt habe. Das LVwG habe den Begriff des geringen Verschuldens geradezu entgegen der herrschenden Lehre und Rechtsprechung interpretiert, indem es unterstellt habe, dass das wissentliche, konsenslose Weiterverwenden einer Anlage ein geringes Verschulden darstelle, obwohl die ersten wirksamen Schritte zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (Auftrag an Brunnenbauer) erst über sechs Monate nach erstmaliger Aufforderung erfolgt seien.

21 Wie das LVwG bereits im angefochtenen Erkenntnis zutreffend ausführte, kommt der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG bzw. eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 12.1.2018, Ra 2017/08/0043, mwN). Dies gilt auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Verwaltungsgericht selbst vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG für die Einstellung des Strafverfahrens ausgegangen ist.

22 Mit dem Hinweis auf das Schreiben der BH vom 24. Mai 2017, mit dem diese über die wasserrechtliche Bewilligungspflicht informierte, hielt das LVwG fest, dass die mitbeteiligten Parteien die Verwaltungsübertretung im Zeitraum vom 24. Mai 2017 bis 11. Dezember 2017 vorsätzlich wissentlich begangen hätten.

23 Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG berücksichtigte das LVwG jedoch unter anderem auch, dass die mitbeteiligten Parteien weder das Schutzgut Wasser noch die wasserwirtschaftliche Ordnung beeinträchtigt hätten, ferner dass die - sehr kleine - WVA, für die überdies kein Schutzgebiet ausgewiesen sei, jahrzehntelang einwandfrei funktioniert habe und die Intensität der Beeinträchtigung gering sei (mit der Inbetriebnahme der Anlage der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien sei ein rechtmäßiger Zustand hergestellt worden).

24 Vor diesem Hintergrund beurteilte das LVwG das Verschulden der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien im Zeitraum bis 30. November 2017 (dem Ende der von der BH gesetzten Frist für die Vorlage der Bestätigung eines Fachkundigen über die Trennung der Leitung zum alten Brunnen) sowie das Verschulden der 3.- und 4.- mitbeteiligten Parteien im gesamten Tatzeitraum bis 11. Dezember 2017 als gering. Dabei nahm es insbesondere auch auf den Umstand Bedacht, dass die sofortige Einstellung des Wasserbezuges eine massive Beeinträchtigung des Privatlebens der 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien bedeutet hätte. Umgekehrt hätten die 3.- und 4.-mitbeteiligten Parteien durch ein Unterbrechen der Leitung ihren Nachbarn die Wasserversorgung entzogen.

25 Berücksichtigt man neben diesen Gesichtspunkten darüber hinaus auch die vom LVwG getroffenen Feststellungen, wonach die 1.- und 2.-mitbeteiligten Parteien nach der von der BH erhaltenen Aufforderung vom 24. Mai 2017 zur Vorlage eines Einreichprojekts (und somit - wenngleich "zur Herstellung der wasserrechtlichen Ordnung" - zunächst nicht konkret zur Beseitigung bzw. Trennung der Leitung zum alten Brunnen) innerhalb der ihnen damals bis 30. August 2017 gesetzten Frist nicht untätig geblieben seien, sondern - nach Befassung eines fachkundigen Unternehmens und nach ihren Erhebungen bei der Gemeinde - damit konfrontiert worden seien, dass die WVA gar nicht bewilligungsfähig sei und auch ein Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage nicht in Betracht komme (weshalb sie in weiterer Folge die Errichtung eines eigenen Hausbrunnens beabsichtigt hätten), ist nicht zu erkennen, dass das LVwG bei der von ihm vorgenommenen Gesamtbetrachtung eine unvertretbare Einzelfallbeurteilung vorgenommen hätte. Es ist angesichts der dargelegten Umstände im konkreten Fall nicht von der zitierten, die Bedeutung vorangegangener behördlicher Beanstandungen bzw. Aufträge betonenden hg. Judikatur abgewichen.

26 2.2. Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebracht, das LVwG habe seine Entscheidung indirekt auch auf den Grundsatz "Beraten statt Strafen" gestützt, der entsprechende § 33a VStG sei jedoch im Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht in Kraft gewesen.

27 Diese Ausführungen haben den am 1. Jänner 2019 in Kraft tretenden § 33a VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 vor Augen, mit dem - so die Erläuternden Bemerkungen (Regierungsvorlage 193 der Beilagen XXVI. GP) - der Grundsatz "Beraten statt Strafen" in allgemeiner Form verwirklicht werden solle.

28 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wurde zwar dargelegt, dass der 2.-Mitbeteiligte (gemeint offenbar: in der mündlichen Beschwerdeverhandlung) den Grundsatz "Beraten statt Strafen" thematisiert habe. Dass das LVwG bei der Beurteilung des Verschuldens der mitbeteiligten Parteien konkret diesem Aspekt vor dem Hintergrund des im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht in Kraft getretenen § 33a VStG Bedeutung zugemessen hätte, ist dem angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht zu entnehmen. Das in Rede stehende Vorbringen der Revisionswerberin zeigt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

29 Daran vermögen auch die von der Revisionswerberin in dem der Revision beigelegten Verhandlungsprotokoll markierten Textpassagen, wonach der Verhandlungsleiter (auf das entsprechende Vorbringen des 2.-Mitbeteiligten hin) ausgeführt habe, dass es im Zusammenhang mit dem Grundsatz "Beraten statt Strafen" einen entsprechenden Nationalratsbeschluss gebe, ferner die BH von der Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages Abstand genommen und eine Frist bis längstens 30. November 2017 eingeräumt habe und dass "ausgehend von diesen Überlegungen" bis 30. November 2017 ein geringfügiges Verschulden bzw. die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht ausgeschlossen erschienen, nichts zu ändern.

30 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070461.L00

Im RIS seit

01.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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