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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §28 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der M C in R, vertreten durch Mag. Dr. Anton Schäfer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Montfortstraße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 19. Dezember 2017, Zl. LVwG-1-297/2017, betreffend Übertretung des Vorarlberger Landes-Sicherheitsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Mit seiner im Rechtszug ergangenen Entscheidung legte das Verwaltungsgericht (VwG) der Revisionswerberin eine Übertretung des § 15 Abs. 1 lit. d iVm § 7 Abs. 1 lit. b des Landes-Sicherheitsgesetzes, LGBl. Nr. 1/1987 idgF (LSG) zur Last, weil diese an öffentlichen Orten unter Mitführung einer unmündigen minderjährigen Person gebettelt habe. Nach § 15 Abs. 2 lit. a LSG wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe von EUR 450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 216 Stunden) verhängt.
2 Begründend hielt das VwG insbesondere fest, dass die Revisionswerberin am 25. Juli 2016, um 9.25 Uhr, vor dem Khaus in B - somit an einem öffentlichen Ort - unter Mitführung einer minderjährigen Person die dort vorbeigehenden Leute um Geld angebettelt habe. weil sie dabei ihr Kleinkind bei sich getragen habe. Öffentliche Orte iSd § 7 Abs. 1 LSG seien solche, die unter den gleichen Bedingungen von jeder Person betreten und genutzt werden dürfen. Das Verbot des § 7 Abs. 1 lit. b LSG stelle darauf ab, ob ein Kind bei der Bettelei mitgeführt würde. Aus den Gesetzesmaterialien (105. Beilage im Jahr 2015 zu Sitzungsberichten des XXX. Vorarlberger Landtags, Beilage 105/2015) zu der in Rede stehenden Bestimmung des LSG ergebe sich, dass damit eine Verschärfung dahingehend vorgesehen werde, dass damit ein Verbot der Mitführung unmündigen minderjähriger Personen eingeführt werde; es sei bekannt, dass von bettelnden Personen häufig Kinder mitgeführt würden, um dadurch verstärkt an die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zu appellieren; sowohl aus gesundheitlichen Gründen (Kälte, Nässe) aber auch zum Schutz der Ausbeutung und unter Umständen auch Kinderhandel erscheine es zweckmäßig, bereits die "Mitführung" unmündiger Minderjähriger zu verbieten. Die Verfassungskonformität dieser Bestimmung ergebe sich aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2012, VfSlg. 19.719/2012, zum Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetz, in der der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht habe, dass keine Bedenken gegen ein Verbot des Bettelns unter Mitführen unmündiger minderjähriger Personen bestünden.
3 Zur Strafbemessung hielt das VwG unter Hinweis auf § 19 VStG fest, dass die revisionswerbende Partei sorgepflichtig für drei Kinder sei und ihre persönlichen Verhältnisse ungünstig seien. Dennoch sei auf Grund der massiven Anzahl der einschlägigen Vorstrafen seit dem Jahr 2015 die verhängte Strafe in der Höhe von EUR 450,-- als gerechtfertigt anzusehen. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und auf der Basis des festgestellten Sachverhalts qualifiziere es die festgesetzte Strafe als schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.
4 Das VwG erachtete eine Revision gegen diese Entscheidung gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als unzulässig.
5 B. Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. Dort wird unter Punkt "3. Bezeichnung der verletzten Rechte (Revisionspunkte)" Folgendes ausgeführt: "Die Revisionswerberin ist durch den Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde Bludenz und das diesbezüglich bestätigende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes in Vorarlberg zu Lasten der Revisionswerberin in Bezug auf ihre Rechte verletzt. Gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts in Vorarlberg wendet sich daher die vorliegende Beschwerde, in welcher der Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze, Verstoß gegen die Grundsätze der Strafbemessung nach § 19 VStG und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, geltend gemacht wird".
6 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Bezirkshauptmannschaft (BH) erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung, ferner brachten die Revisionswerberin sowie die BH mehrere Schriftsätze (Repliken und Dupliken) ein.
7 C. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Zufolge § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen, wobei diese gesondert darzustellen sind (vgl. VwGH 24.2.2016, Ra 2016/05/0010, mwH).
8 D. Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte zu enthalten hat, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte; zum Folgenden vgl. etwa VwGH 11.2.2016, Ra 2015/02/0250; VwGH 12.9.2018, Ra 2018/13/0070). Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich.
9 Die Verletzung von Verfahrensvorschriften - vorliegend auch mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze (vgl. dazu etwa VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0073) geltend gemacht - als solche stellt keinen Revisionspunkt dar, sondern zählt zu den Revisionsgründen (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG), die nur in Verbindung mit der Verletzung eines aus einem materiell-rechtlichen Vorschrift ableitbaren subjektiven Rechtes zielführend vorgebracht werden können (vgl. etwa VwGH 12.4.2018, Ra 2017/17/0839, mwH). In welchem konkreten, aus einer Rechtsnorm ableitbaren subjektiven Recht die revisionswerbende Partei durch das angefochtene Erkenntnis verletzt sein soll, wird durch die Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht dargestellt.
10 Die Revisionswerberin konnte somit insoweit in den geltend gemachten Revisionspunkten nicht verletzt werden, weshalb sich die Revision insoweit als unzulässig erweist (vgl. VwGH 11.2.2016, Ra 2015/02/0250). Der Verwaltungsgerichtshof ist derart nicht zuständig, auf ein Revisionsvorbringen außerhalb des verbleibenden Revisionspunktes betreffend die Strafbemessung nach § 19 VStG einzugehen. Dies betrifft das eingehende Vorbringen gegen das in Rede stehende Bettelverbot selbst unter Hinweis insbesondere auf verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorgaben (etwa Art. 7 B-VG, Art. 8 und 10 EMRK, und Art. 15 GRC).
11 E.a. In der Revision werden aber auch bezüglich der Strafbemessung nach § 19 VStG keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
12 E.b. Entgegen dem Verwaltungsgericht steht zwar § 25a Abs. 4 VwGG diesbezüglich der Zulässigkeit der vorliegenden Revision deshalb nicht entgegen, weil im vorliegenden Fall eine Geldstrafe von über EUR 400,-- verhängt wurde (vgl. dazu etwa VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0014, mwH).
13 E.c. Dennoch erweist sich die Revision als unzulässig, weil das VwG bei der Handhabung der Bestimmung des § 19 VStG die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtete.
14 Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision im Grunde des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird bezüglich der Handhabung des § 19 VStG damit argumentiert, dass die verhängte Strafe weit über der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Revisionswerberin liege, deren Einkommensverhältnisse gar nicht erhoben worden seien, und zudem die Strafe im Verhältnis zu den Sorgepflichten und den Vermögensverhältnissen der Revisionswerberin zu hoch ausgefallen sei, worin eine systematische Verletzung der Rechte des § 19 VStG der Revisionswerberin als Migrantin stehe. Derart habe das VwG die Regelung des § 19 VStG nicht hinreichend beachtet.
15 Die Strafbemessung nach § 19 VStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung, die nicht rechtswidrig ist, wenn vom Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wird. Demgemäß obliegt es der Verwaltungsbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht, in der Begründung ihrer Entscheidungen die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insofern aufzuzeigen, als das die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verfahrens und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich macht (vgl. etwa VwGH 29.4.2011, 2008/09/0246).
16 Auf dem Boden dieser Leitlinie hat das VwG angesichts der unstrittigen massiven Anzahl der einschlägigen Vorstrafen der revisionswerbenden Partei seit dem Jahr 2015 nach dem von ihm zur Strafbemessung anzuwendenden § 19 VStG ausreichend begründet, warum die vorliegend festgesetzte Strafe dieser Ermessensbestimmung entspricht. Das VwG hat seinen Ermessensspielraum entgegen der Revision nicht überschritten. Dem vom Verbot des § 7 Abs. 1 lit. b LSG geschützten Rechtsgut kommt - wie das VwG unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien zutreffend festhält - ein hoher Stellenwert und damit eine erhebliche Bedeutung iSd § 19 VStG zu. Obwohl der Partei ausgehend von den schon erfolgten Bestrafungen die vorliegend nach ihrem Revisionspunkt gar nicht in Zweifel gezogene Strafbarkeit ihres Verhaltens bekannt war, hat sie sich von der vorliegenden Straftat nicht abhalten lassen. Derart hat die Revisionswerberin dieses Rechtsgut durch ihr Fehlverhalten auch gravierend beeinträchtigt. Auf dieser Grundlage vermögen die Hinweise der Revisionswerberin auf ihre Sorgepflichten und ihre Vermögensverhältnisse ("Armutsmigrantin") nicht entscheidend zu ihren Gunsten auszuschlagen.
17 F. Die Revision war daher schon deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weshalb es entbehrlich war, auf das weitere Vorbringen der Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof einzugehen.
Wien, am 19. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030045.L00Im RIS seit
18.01.2019Zuletzt aktualisiert am
01.02.2019