TE OGH 2018/11/27 4Ob206/18z

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** H*****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. September 2018, GZ 5 R 95/18d-14, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. Juni 2018, GZ 68 Cg 33/18m-9, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens der klagenden Partei wird es der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des über das Unterlassungsbegehren ergangenen Urteils verboten, das Lichtbild des Klägers und/oder identifizierende Namensbestandteile des Klägers, wie folgt ersichtlich:

 

zu verbreiten, wenn der Kläger im Begleittext als Opfer des Messerangriffs vom 7. März 2018 identifiziert wird oder seine dabei erlittenen Verletzungen geschildert werden.

Das Mehrbegehren, der beklagten Partei die Verbreitung des Lichtbilds des Klägers und/oder identifizierende Namensbestandteile des Klägers ganz allgemein zu verbieten, wenn im Begleittext der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers in einer Weise erörtert bzw dargestellt wird, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 734,20 EUR bestimmten anteiligen Äußerungskosten (darin 122,37 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsantrags vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.201,59 EUR bestimmten anteiligen Kosten des Rekursverfahrens (darin 152,64 EUR USt und 285,75 EUR Barauslagen) und die mit 2.912,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 366,30 EUR USt und 715,50 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Rekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten des Rekursverfahrens sowie die gesamten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung hat sie endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger, seine Ehefrau sowie seine Tochter wurden am Abend des 7. 3. 2018 Opfer einer Messerattacke in Wien und erlitten dabei schwere Verletzungen.

Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Tageszeitung und berichtete über die Messerattacke. Aufgrund des dabei verwendeten Fotos des Klägers, der Verwendung der (abgekürzten) Vornamen samt Altersangabe und sonstiger Informationen im Begleittext war der Kläger im Bericht identifizierbar.

Gestützt auf § 78 UrhG, §§ 16, 43 ABGB iVm § 7 bzw § 7a MedienG begehrt der Kläger zur Sicherung seines gleichlautenden Unterlassungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie folgt:

„Der Beklagten wird ab sofort [...] verboten, das Lichtbild des Klägers und/oder identifizierende Namensbestandteile des Klägers, wie in […] ersichtlich, […] , zu verbreiten, wenn im Begleittext der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers in einer Weise erörtert bzw dargestellt wird, wie insbesondere durch Identifikation als Opfer des Messerangriffs vom 7. 3. 2018 oder durch Schilderung seiner dabei erlittenen Verletzungen, die geeignet sind, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen.“

 

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und formulierte das Verbot wie folgt:

„Der Beklagten wird ab sofort […] verboten, das Lichtbild des Klägers und/oder identifizierende Namensbestandteile des Klägers, wie […] ersichtlich, […] , zu verbreiten, wenn zusammen mit dem im Begleittext berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden, wie insbesondere durch Identifikation als Opfer des Messerangriffs vom 7. 3. 2018 oder durch Schilderung seiner dabei erlittenen Verletzungen.“

 

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten teilweise statt und formulierte das Verbot im Sinne des klägerischen Begehrens. Das Begehren könne sich auf § 78 UrhG und § 43 ABGB stützen und sei auch nicht zu weit gefasst. Das vom Kläger angestrebte Unterlassungsgebot schränke nämlich im Einklang mit der Judikatur eine Verbreitung von Lichtbildern und/oder Namensbestandteilen dahin ein, dass es sich auf den Bericht der Beklagten beziehe. Der erstgerichtliche Beschluss sei allerdings weiter gefasst als das Begehren. Nach der erstgerichtlichen Entscheidung seien davon auch Verbreitungen umfasst, wenn zusammen mit dem Begleittext berechtigte Interessen des Klägers verletzt würden. Der Kläger bezog sich jedoch nur auf seinen höchstpersönlichen Lebensbereich. Der angefochtene Beschluss sei daher mit der geringfügigen Abänderung zu bestätigen. Mangels Rechtsfrage erheblicher Bedeutung sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs wendet sich die Beklagte allein gegen die Fassung des Unterlassungsgebots und macht geltend, es sei gesetzwidrig, dem Beklagten ganz allgemein die Einhaltung gesetzlicher Gebote aufzutragen. Die Beklagte beantragt, den angefochtenen Beschluss unter Abweisung des Mehrbegehrens dahin abzuändern, dass ihr lediglich verboten werde, Bildnisse oder identifizierende Namensbestandsteile des Klägers zu verbreiten, wenn dieser im Begleittext als Opfer des Messerangriffs identifiziert wird oder seine dabei erlittenen Verletzungen geschildert werden.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Insoweit der Kläger auch ins Treffen führt, dass das Rechtsmittel wegen § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei, übersieht er die Bestimmung des § 402 Abs 1 Satz 2 EO.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die höchstgerichtlichen Grundsätze zur Fassung eines Unterlassungsverbots verletzt hat. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Von der Beklagten wird der auf § 78 UrhG und § 43 ABGB gestützte Unterlassungsanspruch nicht bekämpft. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die konkrete Fassung des Unterlassungsgebots.

2.1 Ein Unterlassungsgebot muss das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Diesem Erfordernis genügen näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RIS-Justiz RS0119807).

2.2 Grundsätzlich ist bei Unterlassungs-ansprüchen eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RIS-Justiz RS0037607, RS0000845, RS0079278 [T1]). Einem Beklagten kann aber nicht ganz generell aufgetragen werden, sich rechtmäßig zu verhalten (RIS-Justiz RS0119807 [T3]). Vielmehr hat sich ein Unterlassungsgebot in seinem Umfang stets an dem konkreten Verstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037645)

3. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich das Verbot in der angefochtenen Entscheidung mit dem Wortlaut der Bestimmung des § 7 Abs 1 MedienG deckt. Diese Norm sanktioniert die Erörterung bzw Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereichs eines Menschen, wenn diese geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Mit dem bekämpften Beschluss wird der Beklagten damit die Verbreitung des Lichtbildes und/oder identifizierende Namensbestandteile ganz allgemein untersagt, wenn dies den Tatbestand des § 7 Abs 1 MedienG erfüllt. Damit wird der Beklagten unzulässigerweise generell aufgetragen, nicht gegen § 7 MedienG zu verstoßen.

4. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 95/98v in einer vergleichbaren Konstellation ein Unterlassungsgebot als zu allgemein gefasst qualifiziert. In der dort bekämpften Rekursentscheidung wurde der Beklagten ohne weitere Einschränkung untersagt, das Bildnis des Klägers zu veröffentlichen, wenn dadurch überwiegende berechtigte Interessen des Klägers verletzt werden. Das Verbot, Bildnisse einer Person zu veröffentlichen, wenn deren „berechtigte Interessen verletzt werden“, ist bereits in § 78 UrhG normiert.

5. Für den hier zu beurteilenden Fall ergibt sich das vom Kläger für die Beklagte angestrebte (allgemeine) Verbot eines Eingriffs in seinen höchstpersönlichen Lebensbereich schon aus § 7 Abs 1 MedienG, sodass die vom Senat in der Entscheidung 4 Ob 95/98v vertretene Rechtsansicht auch auf die hier zu beurteilende Konstellation anzuwenden ist. Nach der angefochtenen Entscheidung wird der Beklagten die Veröffentlichung im Sinne des § 7 Abs 1 MedienG ohne jede Einschränkung untersagt.

5.1 Im Anlassfall liegt durch das „insbesondere-Gebot“ keine Einschränkung vor. Nach der gesicherten Judikatur wird damit das Begehrte nämlich nur beispielshaft erläutert, ohne es aber einzuschränken (3 Ob 43/95; 4 Ob 2121/96g, 4 Ob 95/98v; 1 Ob 100/17p; RIS-Justiz RS0037634 [T5]), worauf auch das Rekursgericht zutreffend verwiesen hat.

5.2 Wird aber einem Beklagten – wenn auch in Verbindung mit einem konkreten Einzelverbot („insbesondere ...“) – eine der Bestimmung des § 7 Abs 1 MedienG widersprechende Verbreitung von Lichtbildern oder identifizierenden Namensbestandteilen schlechthin verboten, dann würde ein derartiger Titel dem Kläger die Exekutionsführung wegen jeglicher Verbreitung ermöglichen, die dieser Norm widerspricht (RIS-Justiz RS0037581).

6. Das Begehren war somit zu weit gefasst, sodass dem Revisionsrekurs, der den Zuspruch eines eingeschränkten Verbots als Minus (vgl RIS-Justiz RS0037645 [T12]) anstrebt, Folge zu geben war.

7. Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiten Instanz gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat seinen Sicherungsantrag zu weit gefasst; die Beklagte ist dem Sicherungsbegehren im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren zur Gänze entgegengetreten. Mangels anderer Anhaltspunkte für die Bewertung sind Unterliegen und Obsiegen im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren mit jeweils 50 % zu bewerten. Im Verfügungsverfahren war nur die Äußerung der Beklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig; auf ihre sonstigen Schriftsätze trifft diese Beurteilung nicht zu.

Textnummer

E123750

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00206.18Z.1127.000

Im RIS seit

18.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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