Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** D*****, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1. R***** A*****, 2. G***** B*****, und 3. G*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 32.086 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2018, GZ 6 R 21/18b-59, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 15. Dezember 2017, GZ 36 Cg 34/16a-55, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2002 verletzt. Die Beklagten haben ihre Haftung für künftige Ansprüche des Klägers aus diesem Unfall anerkannt.
Der Kläger war Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH, die sich mit Fenstermontage beschäftigte. Er selbst war ua als Fenstermonteur in der GmbH tätig. Als Folge des Unfalls kann er als Fenstermonteur nicht mehr arbeiten und konnte die Baustellen nicht überwachen, was letztlich zur Liquidierung und Löschung der GmbH und somit zur Schließung des Unternehmens führte.
In zwei Vorprozessen machte der Kläger gegen die Beklagten für vergangene Zeiträume Verdienstentgangsansprüche geltend. Im ersten Vorprozess wurde dem Kläger ein Verdienstentgang für die Jahre 2002 bis 2004 in Höhe eines (so bezeichneten) „Verfügungsbetrags“ von 4.916 EUR monatlich vor Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zuerkannt. Im zweiten Vorprozess wurden dem Kläger für die Jahre 2005 bis 2007, in denen die „Verfügungsbeträge“ weiter gezahlt wurden, Aufwertungsbeträge zugesprochen. Ab 1. März 2016 stellte der drittbeklagte Haftpflichtversicherer seine Zahlungen ein.
Der Kläger begehrt Schadenersatz wegen Verdienstentgangs für die Jahre 2014 bis 2016 in Höhe des Klagsbetrags. Er brachte vor, aufgrund der von 2007 bis Anfang 2013 (letztmals für das Jahr 2012) gehandhabten Praxis der Valorisierung entsprechend der Geldentwertung sei eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen über diese Vorgangsweise abgeschlossen worden. Ab 2014 hätten die Beklagten entgegen dieser Vereinbarung die „Verfügungsansprüche“ nicht mehr aufgewertet (ON 1). In weiterer Folge brachte er – zusammengefasst – vor, der Verdienstentgang errechne sich aus dem Ausfall des hypothetischen Gewinns seiner GmbH, der erzielbar gewesen wäre, hätte das Unternehmen nicht geschlossen werden müssen (ON 8, vgl auch ON 45 und 51).
Die Beklagten bestritten das Vorliegen einer Vereinbarung über die Valorisierung des im ersten Vorprozess ermittelten „Verfügungsbetrags“ entsprechend der Geldentwertung. Grundlage für die Weigerung der Zahlung weiterer Verdienstentgangsansprüche sei in erster Linie die hypothetisch vermutlich negative wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens des Klägers. Die Beklagten hätten in der Vergangenheit Überzahlungen geleistet, die als Gegenforderung eingewendet würden.
Das Erstgericht beurteilte die Klageforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte ua fest, es könne nicht festgestellt werden, dass das vom Kläger geführte Unternehmen auch ohne dessen Unfall, insbesondere als Folge der Insolvenz eines anderen Unternehmens, notwendigerweise insolvent geworden wäre. Ferner stellte es unter Zugrundelegung des im ersten Vorprozess ermittelten „Verfügungsbetrags“ den jeweiligen monatlichen Verdienstentgang des Klägers in den Jahren 2014 bis 2016 fest. Die Valorisierung des „Verfügungsbetrags“ stelle eine angemessene Methode für Verdienstentgangsansprüche dar, da dabei die bloße Geldentwertung, aber nicht Marktchancen und Marktrisiken berücksichtigt würden. Die Berücksichtigung von Chancen und Risken für ein nicht mehr auf dem Markt befindliches Unternehmen wäre in den Bereich der reinen Spekulation einzuordnen.
Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Kläger stütze sein Begehren auf eine zwischen den Parteien bestehende Vereinbarung. Er habe aber kein Vorbringen erstattet, wonach die Parteien eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung geschlossen hätten. In der Zahlung der Beklagten über den Zeitraum von 2007 hinaus liege auch kein konstitutives Anerkenntnis. Ein Vorbringen, wie viel der Kläger in den Jahren 2014 bis 2016 tatsächlich verdienen hätte können, sei er schuldig geblieben. Die Klage sei daher unschlüssig. Da die Beklagten auf die Schwäche des Klagevorbringens hingewiesen hätten, habe es keiner Erörterung der Unschlüssigkeit bedurft und sei das Klagebegehren sofort abzuweisen.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags (in die zweite Instanz) auch berechtigt.
Der Kläger macht geltend, die Beklagten hätten die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens weder in erster Instanz noch in der Berufung behauptet. Auch das Erstgericht sei von der Schlüssigkeit ausgegangen. Sein Vorbringen sei auch tatsächlich insgesamt ausreichend und schlüssig; er mache keinen Anspruch aus einer Vereinbarung, sondern einen Schadenersatz aus Verdienstentgang geltend. Die Entscheidung des Berufungsgerichts sei überraschend.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu wurde erwogen:
1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Diese Voraussetzung trifft hier zu:
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich (nur) auf eine Vereinbarung gestützt, wozu er kein Tatsachenvorbringen erstattet habe, ist – wie schon das oben zusammengefasste Referat des Klagevorbringens zeigt – vom Akteninhalt nicht gedeckt.
Das Klagevorbringen lässt keinen Zweifel daran, dass der Kläger sein konkret beziffertes Begehren auf Ersatz des Verdienstentgangs – wie in den Vorprozessen – auf eine deliktische Anspruchsgrundlage stützt. Das von ihm erstattete Vorbringen ist – wie dies offenbar auch die Beklagten und das Erstgericht aufgefasst haben – in seinem Gesamtzusammenhang eindeutig dahin zu verstehen, dass er bei Fortbestand seines (unfallbedingt geschlossenen) Unternehmens auch noch im klagsgegenständlichen Zeitraum einen Verdienst in Höhe der aufgewerteten „Verfügungsbeträge“ erzielen hätte können. Die mehrfache Erwähnung einer „Vereinbarung“ die sich auf das jahrelang praktizierte Prozedere im Zusammenhang mit der Valorisierung und der Auszahlung der ermittelten Beträge bezieht, steht diesem Verständnis nicht entgegen und macht die Klage nicht unschlüssig. Richtigerweise ist die Klage vielmehr als schlüssig zu beurteilen, weshalb die Begründung des Berufungsgerichts die Abweisung des Klagebegehrens nicht trägt.
2. Die Beklagten haben in der Berufung auch eine Tatsachenrüge erhoben, die das Berufungsgericht nicht erledigt hat. Dort werden ua die vom Erstgericht festgestellten „Verfügungsbeträge“ (bzw die Beträge des monatlichen Verdienstentgangs) für die Jahre 2014 bis 2016 bekämpft. Diese „Verfügungsbeträge“ waren nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts Grundlage für die Berechnung des Verdienstentgangs. Die bekämpften Feststellungen sind daher entscheidungswesentlich.
3. Das Verfahren des Berufungsgerichts ist somit ergänzungsbedürftig, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteils zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der Beklagten führt.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E123751European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00159.18Y.1129.000Im RIS seit
18.01.2019Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019