Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des EB in P, geboren am 1. Februar 1977, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dinghoferstraße 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Oktober 1998, Zl. 205.413/0-XI/35/98, betreffend 1. Asylgewährung und 2. Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 30. Mai 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 2. Juni 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 3. Juni 1998 niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens. Er stamme aus Drenovac im Bezirk Orahovac.
Er gab zu seinen Fluchtgründen ua. an:
"Wir mussten fluchtartig unser Haus verlassen, da dieses von
den Serben zerstört wurde.
F: Wo war Ihr Haus?
A: Mein Haus ist an der Grenze, wo die serbische Armee
Stützpunkte hat.
F: Wann genau wurde Ihr Haus zerstört?
A: Wir waren in diesem Haus bereits seit einem Monat nicht mehr, das Haus wurde jedoch vor drei Wochen zerstört.
F: Geben Sie den genauen Zeitpunkt an!
A: Am 05. oder 06. Mai 1998. Das genaue Datum kann ich nicht
angeben, da ich flüchten musste.
F: Wurden mehrere Häuser zerstört?
A: Ja, zu dieser Zeit kam auch eine Person ums Leben. Der Name
war Fehim Gashi. Auch ein Schwager meines Onkels wurde dabei
getötet.
F: Wie wurden die Häuser zerstört?
A: Das Dorf wurde mit Granaten beschossen und wir mussten auf Grund dieses Umstandes flüchten. Wir reisten bereits eine Woche vorher ab, da wir feststellen konnten, dass die serbische Armee, gemeinsam mit der Polizei, Stellung bezogen hat.
F: Wo hielten Sie sich zu diesem Zeitpunkt auf? A. Die Frauen und Kinder im Dorf Baluza und die Männer versteckten sich im Wald. Dort war ich bis zur Ausreise."
Mit dem Bescheid vom 17. September 1998 wies die Behörde erster Instanz den Asylantrag ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 Asylgesetz zulässig sei. Die dem Beschwerdeführer widerfahrenen Ereignisse seien Ausdruck eines bürgerkriegsähnlichen Zustandes, es läge keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete asylrelevante Verfolgung seitens des Heimatstaates bzw. dessen Behörden vor. Auch ein asylrechtlich relevantes gewaltsames Vertreibungs- oder Ausrottungsprogramm, das jeden ethnischen Albaner im Kosovo in seiner physischen Existenz, seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedrohe, sei nicht gegeben.
Da keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in der BR Jugoslawien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, sei festzustellen gewesen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Heimat zulässig sei. In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass die "Serben generell ethnische Säuberungsaktionen" gegen Albaner im Kosovo durchführten. Es laufe ein "staatliches Vertreibungsprogramm durch die serbische Vorherrschaft in Jugoslawien" ab.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 1998 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsangehörige im Wesentlichen auf den Kosovo beschränkten. So seien, insbesondere aus "Zentralserbien (hier wiederum primär aus Belgrad) keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt." In Montenegro lebten derzeit zwischen 41.800 und 46.425 vielfach albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge unbehelligt. Im Hinblick auf das Memorandum der Regierung der Republik Montenegro vom 11. September 1998 erscheine jedoch eine Überschreitung der Binnengrenze zwischen dem Kosovo und der Republik Montenegro derzeit schwierig bzw. nicht möglich. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass Montenegro von außerhalb des Staatsgebietes nicht zugängig wäre. In der "BR Jugoslawien halten sich außerhalb des Kosovo und Mazedonien rund 20.000 Kosovo-Flüchtlinge auf". Vermehrte Übergriffe auf abgelehnte Asylantragsteller seien lediglich im Falle der Rückkehr in den Kosovo zu verzeichnen, wobei hauptsächlich der Verdacht ausschlaggebend sei, dass derartige Personen im Ausland für die UCK oder ähnliche Organisationen tätig gewesen seien. Geringfügigere Übergriffe seien davon abgesehen nur vom Flughafen Belgrad bzw. ein einziger durch montenegrinische Behörden verzeichnet.
Der Beschwerdeführer nahm - neben ausschließlich den Kosovo betreffenden Ausführungen - im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass der Umstand, dass "aus Zentralserbien keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen meiner Volksgruppe bekannt" seien, nur darauf zurückzuführen seien, weil sich dort keine Kosovo-Albaner aufhielten. Er habe auch nicht die Möglichkeit, nach Montenegro zu gehen, er habe dort keine Verwandte oder Bekannte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt 1. die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte im Spruchpunkt 2. gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Geschehnissen führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht den Zusammenhang zwischen den Bürgerkriegshandlungen und einer individuell gegen seine Person gerichtet Verfolgung dargetan habe.
Die belangte Behörde übersieht hiebei, dass der Beschwerdeführer die Zerstörung seines Dorfes im Verwaltungsverfahren auf allen im Kosovo lebenden Albanern drohende "ethnische Säuberungsaktionen" zurückgeführt hat. Damit gleicht der gegenständliche Fall in der Frage der dem Beschwerdeführer drohenden asylrechtlich relevanten Verfolgung jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566, zugrunde lag. Es genügt demnach, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf den diesbezüglichen Begründungsteil des genannten Erkenntnisses zu verweisen.
Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid des Weiteren damit, dass dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative offen stehe. Sie stützte sich hiebei vollinhaltlich auf das Ergebnis ihrer dem Beschwerdeführer mit dem genannten Vorhalt vom 13. Oktober 1998 bekanntgegebenen Ermittlungen. Daraus ergebe sich
"dass außerhalb des Kosovo, insbesondere im Bundesstaat Montenegro sowie in Zentralserbien (insb. Belgrad), dem Staat zurechenbare asylrelevante Verfolgungshandlungen an (unter anderem aus dem Kosovo stammenden) ehtnischen Albanern nicht bekannt wurden, sondern sich sogar rund 44.000 Flüchtlinge unbehelligt in Montenegro bzw. rund 20.000 Kosovo-Binnenflüchtlinge im übrigen Serbien aufhalten.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass es dem Berufungswerber möglich und zumutbar gewesen wäre, den Verfolgungen im Kosovo durch eine Übersiedlung etwa nach Montenegro oder nach Zentralserbien zu entgehen, sodass ihm eine inländische Fluchtalternative offenstand und es sohin an der für die Gewährung von Asyl erforderlichen Verfolgungsgefahr fehlt.
Wenn der Berufungswerber dazu ausführt, in Montenegro niemanden zu kennen, bei dem er untergebracht werden könne, so vermag ein derartiges Vorbringen an der Fluchtalternative insoweit nichts zu ändern, als nicht erkennbar ist, inwieweit aus dieser Tatsache eine Verfolgungsgefahr in Montenegro abgeleitet werden soll. Allfällige aus der Situation des Berufungswerbers ableitbare wirtschaftliche bzw. soziale Benachteiligungen sind nämlich nicht geeignet, zu einer Verneinung der inländischen Fluchtalternative zu führen, zumal alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden kann (VwGH 24.10.1996, 95/20/0321, 0322, mwN; 10.12.1996, 06/20/0753). Wenn der Berufungswerber ferner meint, dass sich im übrigen Serbien keine Kosovo-Albaner aufhielten, so genügt es auf die - dem Berufungswerber im Verfahren zur Kenntnis gebrachten - Zahlen zu verweisen, die durch die schlichte unsubstantiierte Behauptung des Berufungswerbers nicht erschüttert werden können."
Der gegenständliche Fall gleicht somit hinsichtlich der Annahme einer inländischen Fluchtalternative jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0126, zugrundelag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf den diesbezüglichen Begründungsteil des genannten Erkenntnisses verwiesen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Hinsichtlich der Entscheidung über Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Begründung im Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010620.X00Im RIS seit
20.11.2000