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10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art12 / VersammlungsrechtLeitsatz
Keine Verletzung der Versammlungsfreiheit durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Nichterfüllung der Verpflichtung des Versammlungsleiters zur Sicherung des legalen Verlaufes einer VersammlungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Bundespolizeidirektion Salzburg warf dem Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 11. Juni 1996 vor, er habe es am 17. Oktober 1995 ab ca. 11.00 Uhr in Salzburg, Akademiestraße, im Rahmen einer Demonstration als Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft als Verantwortlicher unterlassen, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen, da von Demonstranten ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug quer über die Akademiestraße gestellt worden sei, sodaß die Lenker anderer Fahrzeuge an der Vorbeifahrt gehindert gewesen seien und das quer abgestellte Fahrzeug schließlich abgeschleppt werden mußte.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß §11 Abs1 und 2 i. V.m. §19 Versammlungsgesetz 1953 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt.
b) Der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg (UVS Slbg.) gab der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung mit Bescheid vom 13. Februar 1997 keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß der Tatvorwurf zu lauten hat:
"Sie haben als Leiter der von der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Salzburg (deren Vorsitzender Sie sind) am 17. Oktober 1995 ab 11:00 Uhr in Salzburg, Akademiestraße, veranstalteten Versammlung (Demonstration) unterlassen, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen, als Sie einer gesetzwidrigen Handlung - von Demonstranten wurde im Zuge dieser Versammlung kurz vor 11:50 Uhr ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug quer über die Akademiestraße gestellt, sodaß die Lenker anderer Fahrzeuge an der Vorbeifahrt gehindert waren und das quer abgestellte Fahrzeug schließlich abgeschleppt werden mußte - nicht sofort entgegengetreten sind."
Dieser Berufungsbescheid wird - nach einer Schilderung des Verwaltungsgeschehens - wie folgt begründet:
"Folgender Sachverhalt steht unbestritten fest:
Am 17. Oktober 1995 ab 11:00 Uhr fand mit dem Ausgang in der Akademiestraße eine von der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Salzburg veranstaltete Demonstration statt, an der rund 2000 Personen teilgenommen haben. Diese Demonstration wurde ordnungsgemäß als Versammlung bei der Behörde angemeldet und nicht untersagt. Als Leiter dieser Versammlung trat der Beschuldigte, als Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Salzburg, auf. Im Zuge dieser Demonstration wurde das Fahrzeug der G... B..., welches am Beginn der Demonstration ordnungsgemäß in der Kurzparkzone der Akademiestraße abgestellt war, kurz vor 11:50 Uhr von unbekannten Demonstranten im Bereich des Objektes Nr. 23 quer über die Akademiestraße gestellt, sodaß durch das dermaßen abgestellte Fahrzeug Lenker anderer Fahrzeuge am Vorbeifahren gehindert waren, weshalb das Fahrzeug gemäß §89a Abs2, 2a litc und Abs3 der StVO 1960 abgeschleppt wurde.
In rechtlicher Hinsicht ist folgendes auszuführen:
Gemäß §11 Abs1 Versammlungsgesetz (VersG) haben für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen. Nach Abs2 leg.cit. haben diese gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten.
Beim gegenständlichen Vorfall ist ganz unmißverständlich von einer gesetzwidrigen Handlung zu sprechen, wurde doch das Fahrzeug der G... B... ohne Wissen und Wollen der Zulassungsbesitzerin in eine verkehrsbehindernde Lage versetzt.
Als Leiter der Veranstaltung der Österreichischen Hochschülerschaft vom 17. Oktober 1995 ist der Beschuldigte Martin Riegler aufgetreten. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg an die Bundespolizeidirektion Salzburg, Abteilung 3, Strafamt, vom 20. März 1996, Zahl 9/03-82845/95/11 und wurde als solches vom Beschuldigten auch nicht bestritten. Er war somit im Rahmen des §11 VersG für die Aufrechterhaltung der Ordnung während dieser Demonstration primär verantwortlich. Ihm oblag auch primär gemäß §11 Abs2 VersG gesetzwidrigen Handlungen sofort entgegenzutreten.
Sein Vorbringen, daß ihm, da er als Redner im Zuge dieser Veranstaltung wie angekündigt aufgetreten ist, keine ständige Beobachtung sämtlicher Vorgänge im Zuge der Demonstration vorgeschrieben werden könne und dies auch nicht möglich gewesen sei, kann ihn nicht von seiner gesetzlichen Verantwortung entlasten. Da dem Leiter einer Versammlung das Recht und die Pflicht zukommt für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zu sorgen, hätte der Beschuldigte, wenn er nicht selbst die nötige Überwachung der Versammlung durchführen konnte, zusätzliche Ordner zur Überwachung einsetzen müssen. Der Beschuldigte bringt jedoch in seiner Rechtfertigung nicht einmal vor, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen zu haben. Er verweist lediglich darauf, daß ihn kein Verschulden an der gesetzwidrigen Handlung treffe.
Gemäß §5 Abs1 VStG genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Einen verantwortlichen Leiter einer Versammlung trifft hinsichtlich einer Übertretung des §11 Abs2 VersG nur dann kein Verschulden im Sinne des §5 Abs1 VStG, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, daß er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im guten Glauben erwarten lassen (Beschränkung auf eine angemessene Kontrolltätigkeit), und zwar auch dann, wenn der Verstoß ohne Wissen und Willen des verantwortlichen Organs begangen worden ist. Das Vorliegen eines solchen wirksamen Kontrollsystems wurde vom Beschuldigten nicht einmal behauptet. Die Übertretung ist somit als erwiesen anzunehmen, wobei die Fahrlässigkeit des Beschuldigten darin zu sehen ist, daß er verabsäumte die Versammlung (selbst oder durch Ordner) entsprechend zu überwachen und er dadurch der gesetzwidrigen Handlung einzelner Versammlungsteilnehmer nicht entgegentreten konnte. Die Präzisierung des Tatvorwurfes ergibt sich aus §44a Z1 VStG.
Zur Strafbemessung gemäß §19 Abs1 und 2 VStG ist auszuführen, daß die Höhe der Strafe nicht bestritten worden ist.
§19 VersG sieht für diese Übertretung einen Strafrahmen von bis S 5.000,-- Geldstrafe oder Arreststrafe bis zu sechs Wochen vor. Die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe liegt somit im unteren Bereich des Strafrahmens. In Anbetracht der vorliegenden Folgen der Tat ist nicht mehr von einem bloß geringfügigen Unrechtsgehalt auszugehen.
Strafmildernd ist die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten zu werten. Bei der Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Einkommen S 1.000,-- jährlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) war zwar von unterdurchschnittlichen Verhältnissen auszugehen, doch vermag dies im vorliegenden Fall sich nicht weiter strafreduzierend auswirken, weil die Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht soweit führen kann, daß es zu einer gänzlichen Aushöhlung der Intentionen des Verwaltungsstrafrechtes im allgemeinen und dem Versammlungsgesetz im besonderen kommt. Die Strafe wird sohin auch von der Berufungsbehörde als schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere der Übertretung gerechtfertigt betrachtet."
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Versammlungsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Zur Begründung dieses Begehrens schildert der Beschwerdeführer zunächst den Sachverhalt und erläutert, weshalb nach seiner Meinung die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Beschwerde gegeben sei.
Sodann führt er wörtlich aus:
"a) Wesen des Versammlungsrechts:
Das Versammlungsrecht als verfassungsmäßig gewährleistetes Recht gewährt das Recht sich zu versammeln und zusammenschließen. Eine Versammlung ist eine Vereinigung von Personen, die einen bestimmten Zweck verfolgt, den sie durch gemeinsames Wirken erzielen will (VfSlg. 4586). Zum Wesen des Versammlungsrechts gehört es, daß eine, auch unbestimmte große Anzahl von Menschen an Versammlungen teilnehmen kann. Diese müssen weder dem Veranstalter noch untereinander bekannt sein, noch zueinander in einer Beziehung stehen. Dies führt aber dazu, daß auch jede Kontroll- oder Ordnungstätigkeit nur in dem Ausmaß zu erbringen sein kann, wie es dem Wesen einer Versammlung mit unbeschränkter Teilnehmerzahl und nicht persönlich bekannten Teilnehmern, über die der Veranstalter weder privat- noch öffentlich-rechtliche Autorität besitzt (ausgenommen §11(2) VersG) entspricht.
Wäre aber jeder Vorgang, der sich im Zuge einer Demonstration bzw. auch nur zeit- und ortsgleich mit dieser ereignet, den Veranstaltern einer Versammlung im verwaltungsstrafrechtlichen Sinne zurechenbar, würde das eine solche Belastung für Veranstalter darstellen, daß dies einem Versammlungsverbot gleichkäme.
Diesbezüglich ist an strafgerichtliche Handlungen (Taschendiebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verletzung des SGG, etc.) oder auch Verwaltungsübertretungen (Unzulässiges Abstellen von Fahrzeugen, Anreise zur Demonstration ohne gültigen Fahrausweis, etc.) zu denken. Diese - in logischer Fortsetzung der Begründung der bekämpften Entscheidung - Taten wären, wenn die Strafbehörden nicht in der Lage wären, den konkreten Täter zu ermitteln (oder womöglich jedenfalls) vom Leiter der Veranstaltung zu verantworten.
§11 VersG normiert eine Verantwortung des Leiters der Versammlung für die Wahrung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung, sagt aber nichts darüber, wie oder von wem im einzelnen diese Pflichten zu erfüllen sind. Der Leiter einer Versammlung hat auch keine privatrechtliche Verfügungsmacht über die Versammlungsteilnehmer (Hofer-Zeni in Machacek, Grundrechte und Menschenrechte in Österreich, Band 2, 383 ff), ebensowenig ist dem Gesetz eine öffentlich-rechtliche Handlungsbefugnis zu entnehmen. Auch wenn das Gesetz bestimmt, daß gesetzwidrigen Nußerungen oder Handlungen sofort 'entgegenzutreten' ist, ist vom Gesetzgeber für den Fall der Nichtbefolgung von Anordnungen als einzige Konsequenz die Auflösung der Versammlung vorgesehen. Meine einzige Verfügungsgewalt hätte daher nur im Anordnen bzw. als Konsequenz einer Nichtbefolgung der Anordnung im Auflösen der Versammlung bestehen können (Fessler, aaO, 57).
Hierbei ist aber zu bedenken, daß im vorliegenden Fall gar nicht erwiesen ist, daß die gesetzwidrige Handlung von an der Versammlung teilnehmenden Demonstranten verübt wurde. Denn wenn in sämtlichen Sachverhaltsfeststellungen von 'unbekannten Demonstranten' ausgegangen wird, ist dem entgegenzuhalten, daß tatsächlich nur feststeht, daß 'Unbekannte' das Fahrzeug umgestellt haben. Nicht-Teilnehmern der Versammlung gegenüber hätte ich aber nicht einmal etwas 'anordnen' können.
Unklar ist auch, wie im gegebenen Fall tatsächlich reagiert hätte werden müssen, wenn klar gewesen wäre, daß das Versetzen des Autos jedenfalls nicht mit der Versammlung zu tun hatte. Diesfalls wäre auch ein Auflösen der Versammlung als einziges mir zur Verfügung stehendes Reaktionsmittel, ohne jede Wirkung oder Bedeutung gewesen, da die Verschiebung des Autos jedenfalls nichts mit dem Zweck der Versammlung zu tun hatte (Hofer-Zeni, aaO). Eine Auflösung durch die Behörde (Fessler, aaO, 73) oder durch mich wäre mangels Zusammenhang nicht möglich gewesen. Festzuhalten ist daher, daß mir, ebensowenig wie den für die Hochschülerschaft als Ordner tätigen Personen, keine Hoheitsgewalt, mit welchem rechtswidrige Handlungen verhindert hätten werden können, zur Verfügung stand, die den vorliegenden gesetzwidrigen Akt verhindern hätten können. Es könnte mir eine allfällige Unterlassung daher jedenfalls nicht vorgeworfen werden.
Diese Autorität hätte allerdings bei den in großer Zahl anwesenden Beamten der Bundespolizeidirektion sehr wohl bestanden!
Da sich aus der Versammlungsfreiheit die Pflicht des Staates, eine zulässige Versammlung zu schützen ergibt, (Fessler, aaO, 86) ist nicht nach meiner Verantwortung - die, wenn sie, wie vom bekämpften Bescheid angenommen, bestünde, das Versammlungsrecht aushöhlen würde - sondern nach dem Verschulden der Polizei zu fragen. Dem Schutz der Versammlungsfreiheit dient nämlich auch die Pflicht, Personen, die die Versammlung stören (z.B. durch Verschieben von KFZ) zu strafen oder anzuzeigen (Fessler, ebendort).
b) Rechtswidrigkeit der Gesetzesanwendung:
Unrichtigerweise geht die bekämpfte Entscheidung davon aus, daß im vorliegenden Fall mein Verschulden, ohne Notwendigkeit des Eintritts eines Schadens jedenfalls anzunehmen sei. Tatsächlich kann das vermutete Verschulden jedoch nur bei bloßen Ungehorsamsdelikten widerleglich vermutet werden (Walter, Mayer, Grundriß des Verwaltungs(verfahrens)rechts6, Rz 735). Im vorliegenden Fall liegt aber gerade kein Ungehorsamsdelikt vor, da auch §11 Abs2 Versammlungsgesetz bestimmt, daß gesetzwidrigen Äußerungen und Handlungen also Erfolgen entgegenzutreten ist. Ein gesetzwidriger Erfolg liegt auch tatsächlich vor. Daher obliegt es nicht mir, den Entlastungsbeweis zu erbringen, sondern vielmehr hätte die Behörde tatsächlich ein mir persönlich zurechenbares Verschulden behaupten und beweisen müssen. Wie bereits in meiner Berufung ausgeführt, habe ich aber vom gesetzwidrigen Vorfall nichts gewußt, noch war ich in der Lage, tatsächlich oder rechtlich (wie oben dargelegt) etwas zu unternehmen. Mangels Kenntnis der gesetzwidrigen Vorgänge, ebenso wie mangels Handlungsmöglichkeit, liegt daher die Vorwerfbarkeit nicht vor.
Auch meine Verantwortung als Leiter kann nicht zu einem Verschulden führen, wenn die Behörde jede Sachverhaltsermittlung zur Frage der vorhandenen Ordner, wobei alle Informationen bei der Bundespolizeidirektion liegen, ihrer Zahl und ihres Einsatzgebietes vor allem auch zu den eingesetzten Polizeibeamten unterlassen hat. Ich habe die Versammlung angemeldet und alle polizeilichen Auflagen erfüllt und hatte keine Kenntnis von gesetzwidrigen Vorgängen - somit habe ich auch nicht fahrlässig gehandelt.
Der Vorwurf des fehlenden wirksamen Kontrollsystems hat gegen das Überraschungsverbot verstoßen, entbehrt aber auch jeder sachlichen Grundlage. Der bekämpften Entscheidung fehlt die Erklärung der Zurechnung der gesetzwidrigen Handlung an mich. Diese Zurechnung fehlt aber sogar dann, wenn die Handlung tatsächlich von Teilnehmern der Demonstration gesetzt worden wäre (VwGH 1995/06/26, 93/10/0188), auch (für) meine Verantwortlichkeit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ für die Hochschülerschaft fehlt im bekämpften Bescheid jede Begründung.
Diesbezüglich ist wieder anzuführen, daß das Versammlungsgesetz mich verpflichtet, gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen entgegenzutreten, was deren Kenntnis voraussetzt.
c) Verfahrensmängel:
Die bekämpfte Entscheidung leidet am Verfahrensmangel der unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhaltsermittlung, da es die Behörde unterlassen hat, Feststellungen darüber zu treffen, wer tatsächlich die Verschiebung des Autos vorgenommen hat. Selbst die Feststellung, daß es sich um unbekannte Demonstranten gehandelt habe, scheint nur insofern richtig zu sein, als die Verschiebung des Fahrzeuges durch Unbekannte gleichzeitig mit der Demonstration vorgenommen wurde. Ebenso mangelhaft ist die Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der mit Ordnungsfunktion befaßten Personen. Da die Abstimmung hinsichtlich der Zahl der Ordner, der Kenntlichmachung und der zeitlichen Anwesenheit gemeinsam mit den Verantwortlichen der Bundespolizeidirektion vereinbart wurde, lagen der Behörde sämtliche diesbezügliche Unterlagen vor. Nicht nur wurde diese Tatsache in der bekämpften Entscheidung nicht berücksichtigt, sondern vielmehr mit dem Argument, ich hätte keine entsprechenden Angaben gemacht, gegen das Überraschungsverbot (VwSlg.N.F 12.662 A) verstoßen, wenn die Behörde in ihre rechtliche Würdigung das Sachverhaltselement einbezog, daß es bei der Versammlung keine Ordner gegeben hätte, ohne mir in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit gegeben zu haben, dazu Stellung zu nehmen.
Die Zurechnung der rechtswidrigen Handlung an die Hochschülerschaft ist im bekämpften Erkenntnis durch nichts begründet. Wie bereits ausgeführt, kann allein die zeitliche und örtliche Parallelität nicht ausreichen.
Überdies stellt es einen Verfahrensmangel dar, daß keine mündliche Verhandlung vor dem UVS stattgefunden hat und ich daher keine Gelegenheit hatte, meine Angelegenheit direkt zu vertreten.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß mir kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann, daß ich nicht als Vertreter im Sinne von §9 VStG iVm §11 VersG haftbar bin, daß darüber hinaus wegen mangelnder Sachverhaltsfeststellung jedenfalls noch keine Entscheidungsreife in der gegenständlichen Angelegenheit vorgelegen hat. Eine Zurechnung im Sinne einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit jeder gleichzeitig und örtlich parallel stattfindenden strafbaren Handlung trotz Unkenntnis des Veranstaltungsleiters oder der von ihm eingesetzten Personen (wie auch der die Versammlung begleitenden Organe der Polizei) führt zu einem tatsächlichen Versammlungsverbot und somit zur Verletzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit."
3. Der UVS Salzburg legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 8685/1979, 9107/1981, 9603/1983; VfGH 30.11.1995 B1495/94) kann auch eine Bestrafung wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG 1953) in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingreifen.
Jede Verletzung des VersG 1953, die in die Versammlungsfreiheit eingreift, ist als Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. Auch Verfahrensmängel können dieses Recht verletzen. Auf die Einhaltung des im VersG 1953, im AVG und sonst in der Rechtsordnung geregelten Verfahrens besteht ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Anspruch, der unter Berufung auf die Versammlungsfreiheit geltend gemacht werden kann, sofern sich der unterlaufene Mangel als wesentlich darstellt, d.h., wenn die Behörde bei Beachtung der Verfahrensnormen zu einem anderen Spruch hätte kommen können (vgl. z.B. VfGH 28.2.1997 B1453/96 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
2. Eine Verletzung des VersG 1953 oder von Verfahrensvorschriften ist nicht hervorgekommen:
a) Die hier in erster Linie maßgebenden Bestimmungen des VersG 1953 lauten:
"§11.(1) Für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung haben zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen.
(2) Sie haben gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen."
"§13.(1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§16 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.
(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt."
"§19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 5000 S zu ahnden."
b) Aus §11 VersG 1953 ergibt sich die (unter Verwaltungsstrafsanktion stehende) - primär den Leiter der Versammlung treffende - Pflicht, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zu sorgen; dies auch dann, wenn es sich - wie hier - um eine allgemein zugängliche, unter freiem Himmel stattfindende Versammlung handelt. Als zur Leitung und Ordnung der Versammlung berufene Person gilt bis zu einem allfälligen anderslautenden Beschluß der Versammelten der Versammlungsveranstalter (ist dieser eine juristische Person: deren verantwortliches Organ). Wenn er es zur Erfüllung der geschilderten Aufgaben für erforderlich hält, hat er ausreichend Ordner zu bestellen, die ihn bei Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen.
Diese Regelung liegt auch im Interesse der Versammlungsfreiheit. Solange nämlich der Leiter und die Ordner ihren Aufgaben nachkommen, bleibt die Wahrung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung im autonomen Bereich des Versammlungsveranstalters.
c) Die in Rede stehende Versammlung wurde von der Ysterreichischen Hochschülerschaft an der Universität Salzburg der Bundespolizeidirektion Salzburg gemäß §2 VersG 1953 angezeigt. Der Beschwerdeführer war damals deren Vorsitzender. Aus dem zur vorstehenden litb Gesagten ergibt sich, daß er - mangels anderslautender Verfügungen - Leiter der Versammlung war.
d) Die in der Beschwerde vorgebrachten Einwände gehen zusammengefaßt dahin, daß der Beschwerdeführer nicht wahrnehmen konnte, daß ein Auto quer über die Fahrbahn gestellt wurde, daß gar nicht feststehe, ob dies überhaupt von Versammlungsteilnehmern bewerkstelligt wurde und daß ihm keinerlei Zwangsgewalt zugekommen sei, um dieses Verhalten zu verhindern. Vielmehr hätte die Behörde im Rahmen ihrer Schutzpflicht gegen dieses Verhalten einschreiten müssen.
e) Damit geht der Beschwerdeführer offenbar davon aus, daß sich die Pflichten des Veranstalters einer Versammlung (und sodann deren Leiters) darin erschöpfen, die beabsichtigte Abhaltung einer allgemein zugänglichen Versammlung der Behörde anzuzeigen; daß also der Leiter in der Folge - unter Berufung auf seine vermeintliche Hilflosigkeit gegenüber den Versammlungsteilnehmern - zur Untätigkeit berechtigt sei und alles der Behörde im Rahmen ihrer Schutzpflicht überlassen dürfe.
Wenn sich der Beschwerdeführer hiebei auf die Verpflichtung der Behörde beruft, legale Versammlungen zu schützen (vgl. z.B. VfSlg. 8609/1979, 12501/1990), so kann er damit schon deshalb nichts gewinnen, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht um das Hintanhalten von Störungen der Versammlung durch Außenstehende geht, sondern - wie die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Recht annehmen konnte - um rechtswidriges Verhalten von Versammlungsteilnehmern.
Die Auffassung des Beschwerdeführers ist auch im übrigen unzutreffend. Ihr steht der klare und deutliche Wortlaut des §11 VersG 1953 entgegen. Der Veranstalter und Leiter einer Versammlung hat die Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um deren legalen Verlauf zu sichern. Er hat sich ernsthaft darum zu bemühen, daß die Versammlung gesetzmäßig abläuft und daß Rechte und Freiheiten von Personen, die nicht an der Versammlung teilnehmen, möglichst wenig beeinträchtigt werden, daß also die Versammlungsfreiheit nicht zu Lasten Dritter mißbraucht wird.
Nur wenn sich der Leiter der Versammlung - ungeachtet sinnvoller und zumutbarer Bemühungen - gegenüber den Teilnehmern der Versammlung nicht durchsetzen kann, ist er verhalten, behördliche Assistenz anzufordern oder selbst die Versammlung aufzulösen (s. §13 VersG 1953).
Die Behörde konnte im vorliegenden Fall zumindest vertretbar annehmen, daß der Beschwerdeführer den erwähnten Pflichten nicht nachgekommen ist. Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, irgendwelche Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten getroffen zu haben.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der UVS im Ergebnis richtig entschieden hat.
f) Der UVS Slbg. hat den im erstinstanzlichen Straferkenntnis umschriebenen Tatzeitraum nicht unzulässigerweise ausgewechselt, sondern die Tat nur präziser umschrieben.
g) Der UVS Slbg. hat zwar keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Da aber gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von lediglich 1.000 S verhängt wurde und er eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat, war eine solche gemäß §51e Abs2 VStG entbehrlich. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 11855/1988, 13432/1993; VfGH 28.2.1997 B1453/96).
3.a) Im Hinblick darauf, daß der Bescheid - wie dargetan - inhaltlich und verfahrensrechtlich unbedenklich ist, ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
b) Gegen die angewendeten Rechtsvorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.
c) Die Beschwerde war also abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VersammlungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B873.1997Dokumentnummer
JFT_10029381_97B00873_00