Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
AlVG §10Spruch
W198 2209398-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Benjamin NADLINGER und Josef HERMANN als Beisitzer betreffend die Beschwerde des XXXX, XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice St. Pölten vom 16.10.2018,
Zl. XXXX, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 13 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice St. Pölten (im Folgenden: AMS) vom 12.09.2018 wurde festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum 22.08.2018 bis 16.10.2018 verloren hat. Eine Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zur Jobbörse bei der Firma XXXX für die Beschäftigung als Transitarbeitskraft im Altwarenhandel am 22.08.2018 nicht erschienen sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.10.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
3. Mit Bescheid des AMS vom 16.10.2018 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 03.10.2018 gegen den Bescheid des AMS vom 12.09.2018 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG ausgeschlossen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 12.11.2009, unterbrochen lediglich durch eine Rehabilitationsmaßnahme bei der Pensionsversicherungsanstalt und Krankengeldbezüge, Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe. Seit 24.11.2012 beziehe der Beschwerdeführer Notstandshilfe, die lediglich durch Krankengeldbezüge und einer Ausschlussfrist gemäß § 38 iVm § 10 AlVG vom 10.07.2018 bis 20.08.2018 und der gegenständlichen unterbrochen worden sei. Die individuelle Interessensabwägung habe ergeben, dass die zwingenden Interessen des AMS aufgrund der Tatsache, dass Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit vorliege, überwiegen.
4. Gegen den Bescheid vom 16.10.2018 hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.11.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Beschwerde wurden keine relevanten Punkte für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgebacht.
5. Das AMS legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt am 12.11.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer bezieht seit 12.11.2009 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Diese wurden durch eine Rehabilitationsmaßnahme bei der Pensionsversicherungsanstalt, Krankengeldbezüge sowie zwei Ausschlussfristen unterbrochen.
2. Beweiswürdigung:
Der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus den Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, dem Versicherungsverlauf und dem Bezugsverlauf (Anhänge 6, 7 und 8 des vorgelegten Verwaltungsaktes).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das Arbeitsmarktservice St. Pölten. § 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.
Senatszuständigkeit:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer regionalen Geschäftsstelle des AMS das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören. Der Tatbestand, aus dem sich die Senatszuständigkeit ableitet, stellt nur auf die bescheiderlassende Behörde und nicht etwa darauf ab, worüber sie entschieden hat. Die Regelung trägt dem Legalitätsprinzip iSd Art. 18 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0159). § 9 Abs. 1 BVwGG betrifft hingegen nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse. Gegenständlich ist (Haupt)Sache die Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung ausschließenden Bescheid des AMS vom 16.10.2018 (vgl. VwGH vom 07.09.2017,
Zl. Ra 2017/08/0065-5).
Verfahren und anzuwendende Rechtsvorschriften:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zuru¿ckzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung von der Behörde mit Bescheid ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen.
Die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG entsprechen großteils jenen des § 64 Abs. 2 AVG (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet ist (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne Weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.
Dementsprechend genügt für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). "Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).
Schließlich hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits im obzit. Beschluss vom 01.09.2014, Zl. Ra 2014/03/0028, im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG klargestellt, dass die Entscheidung über die Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist.
Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer kein Vorbringen darüber erstattet, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Sein Vorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in unsachlichen (zynischen) Bemerkungen gegenüber der belangten Behörde und deren Mitarbeiter. Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass seine Beschwerde gegen die Verhängung der Sperrfrist wahrscheinlich Erfolg haben wird.
Es ergeben sich allerdings aus dem vorgelegten Verwaltungsakt Anhaltspunkte für die Notwendigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung im Einzelfall wegen Gefahr im Verzug. Der Beschwerdeführer bezieht seit 12.11.2009 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, welche - lediglich - durch eine Rehabilitationsmaßnahme bei der Pensionsversicherungsanstalt, Krankengeldbezüge sowie zwei Ausschlussfristen unterbrochen wurden.
All diese Umstände sprechen dafür, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Anspruchsverlust auch aus spezialpräventiven Erwägungen notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers ehestens zu beenden.
Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen.
Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts ist daher (vorläufig) davon auszugehen, dass die sofortige Bezugsunterbrechung notwendig ist, um den Beschwerdeführer ehestmöglich zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung zu bewegen.
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.10.2018 ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Verwiesen wird auf die im gegenständlichen Beschluss zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2209398.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.01.2019