Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
W198 2178257-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch RAe Mag. Knirsch, Mag. Braun, Mag. Fellner, Rudolfsplatz 12/7, 1010 Wien, gegen den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) der Wiener Gebietskrankenkasse vom 09.11.2017, Bezugszeichen: XXXX, wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 58 Abs. 5 ASVG iVm § 83 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) hat mit Bescheid vom 29.09.2017, Bezugszeichen: XXXX, festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) als Geschäftsführerin (nunmehr Liquidatorin) der Beitragskontoinhaberin XXXX (im Folgenden: Beitragsschuldnerin) verpflichtet ist, der WGKK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2016 bis Oktober 2016 von € 9.603,11 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 29.09.2017 3,38 % p.a. aus €
8.807,11 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Begründend wurde ausgeführt, dass sämtliche Einbringungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Ein Insolvenzantrag wurde am 28.06.2017 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Die Uneinbringlichkeit der Beiträge gegenüber der Beitragsschuldnerin stehe daher fest. Da die Firma keine Tätigkeit mehr ausübe, sei die Hereinbringung der Forderung nicht mehr möglich. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen würden die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden könnten.
Diesem Bescheid angefügt war der Rückstandsausweis vom 29.09.2017.
Gegen diesen Bescheid erhob die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 11.10.2017 (einlangend) fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass es richtig sei, dass der Insolvenzantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei und dass mangels Vermögens die Beiträge bei der Gemeinschuldnerin nicht einbringlich seien. Weiters sei es richtig, dass die Beitragsschuldnerin keine Tätigkeit mehr ausübe. Die Beschwerdeführerin hätte bereits mehrfach bekannt gegeben, dass sie keinerlei Mittel zu verwalten gehabt hätte, da die juristische Person (Beitragsschuldnerin) über keinerlei Mittel verfügt hätte. Dies ergebe sich auch aus der Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens. Die Beschwerdeführerin hätte auch eine Gläubigerliste übermittelt und sei aus dieser ersichtlich gewesen, dass mehrere Forderungen unberichtigt aushaftend gewesen seien und keinerlei dieser Forderungen bedient worden seien. Richtig sei, dass die Gemeinschuldnerin (Beitragsschuldnerin) die Beiträge bei Fälligkeit nicht entrichtet hätte, da diese nicht zur Verfügung gestanden seien und hätte daher die Beschwerdeführerin auch keinerlei Beiträge verwalten können, welche sie in schuldhafter Verletzung ihrer Verpflichtung nicht weitergeleitet hätte. Die Gemeinschuldnerin (Beitragsschuldnerin) hätte seit Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Beitragszeiträume 7/2016 bis inkl. 10/2016 keinerlei Zahlungen mehr geleistet und sei daher der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten worden.
Im Verfahren über die Beschwerde erließ die WGKK als belangte Behörde eine mit 09.11.2017 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin erstmalig mit Schreiben vom 03.08.2017 Gelegenheit geboten worden sei darzutun, aus welchen Gründen ihr die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei. Mit Schreiben vom 22.08.2017 wurde die zwischenzeitlich rechtsfreundlich vertretene Geschäftsführerin unter Setzung einer vierwöchigen Frist angeleitet und aufgefordert nachzuweisen, welche Zahlungen von der Beitragsschuldnerin seit Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Beiträge in den Beitragszeiträumen 07/2016 bis inklusive 10/2016 geleistet worden seien und ob der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten worden sei.
Die nachfolgend mit Schreiben vom 21.08.2017 vorgelegte Gläubigerliste sei nicht geeignet gewesen, die Gleichbehandlung nachzuweisen. Daraus sei lediglich ersichtlich, welche Gläubiger die Firma hatte, deren offenen Forderungen und der jeweilige Rechtsgrund. Nicht daraus ersichtlich sei, ob an diese Gläubiger im haftungsrelevanten Zeitraum Zahlungen geleistet wurden und ob dabei die Sozialversicherung benachteiligt worden sei. Ein Nachweis für die behauptete Zahlungseinstellung im haftungsgegenständlichen Zeit erfolgte nicht. Die Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens sei als Nachweis nicht geeignet, da dieser erst am 28.06.2017 erfolgt sei, der haftungsgegenständliche Zeitraum jedoch Zeiten von 07/2016 bis 10/2016 betreffe.
Mit Schreiben vom 23.11.2017 stellte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Vorlage.
Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 30.11.2017 zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht bot der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 05.12.2017 noch einmal die Gelegenheit zur Vorlage von Nachweisen der Gläubigergleichbehandlung. Sie wurde aufgefordert, diese Nachweise bis längstens 02.01.2018 einlangend vorzulegen.
Eine Reaktion auf dieses Schreiben blieb aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin war vom 14.01.1992 bis 22.07.2017 als selbstständig vertretungsbefugte handelsrechtliche XXXX. Seit 20.07.2017 vertrat sie die Beitragsschuldnerin als Liquidatorin.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.06.2017, Aktenzahl XXXX, wurde ein Insolvenzverfahren hinsichtlich der Beitragsschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet (Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit). Die Gesellschaft (Beitragsschuldnerin) wurde infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst und aus dem Firmenbuch gelöscht.
Die rückständigen Beiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.
Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem die Beschwerdeführerin XXXX war. Im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände war sohin die Beschwerdeführerin für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich.
Es wird festgestellt, dass keine Gläubigergleichbehandlung erfolgte.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden.
Der Beginn und das Ende der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als XXXX ergibt sich aus dem Firmenbuch (XXXX).
Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus dem dem Bescheid vom 29.09.2017 angefügten Rückstandsausweis vom 29.09.2017. Ebenso ergibt sich der Zeitpunkt der Entstehung der aushaftenden Beiträge aus dem Rückstandsausweis.
Dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin gegeben ist, ergibt sich daraus, dass die Gesellschaft (Beitragsschuldnerin) infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde und aus dem Firmenbuch gelöscht wurde (Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.06.2017, Aktenzahl XXXX).
Festzuhalten ist weiters, dass die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht hat und ist darin eine mangelnde Mitwirkung der Beschwerdeführerin erkennbar. Die einzige Verantwortung, die vorgebracht wurde, ist, dass eine Gläubigerliste (im Vorlageantrag Auflistung der offenen Forderungen) vorgelegt worden sei und die Gesellschaft als auch die Beschwerdeführerin nicht über die finanziellen Mittel verfügt hätte und keine Geldmittel mehr vorhanden gewesen seien.
Es ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die vorgelegte Gläubigerliste (Auflistung der offenen Forderungen im Vorlageantrag genannt) als nicht geeignet betrachtet, die Gleichbehandlung nachzuweisen. Es ist in der Tat daraus lediglich ersichtlich, welche Gläubiger die Firma hatte, deren offenen Forderungen und der jeweilige Rechtsgrund. Es ist nicht daraus ersichtlich, ob an diese Gläubiger im haftungsrelevanten Zeitraum Zahlungen geleistet wurden und ob dabei die Sozialversicherung benachteiligt wurde. Ein Nachweis für die behauptete Zahlungseinstellung im haftungsgegenständlichen Zeitraum erfolgte nicht. Völlig richtig wertet die belangte Behörde auch die Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens nicht als Nachweis für eine Gläubigergleichbehandlung, da dies erst am 28.06.2017 erfolgte, der haftungsgegenständliche Zeitraum jedoch den Zeitraum von 07/2016 bis 10/2016 betrifft.
Festzuhalten ist weiters, dass die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderung keine ausreichenden Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht hat und ist darin eine mangelnde Mitwirkung der Beschwerdeführerin erkennbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die WGKK.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst, sodass die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter obliegt.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdeführerin (im Vorlageantrag) zwar einen Antrag auf eine mündliche Verhandlung, allerdings ergab sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde. Es handelt sich um eine Beurteilung einer reinen Rechtsfrage. Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMR, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.
Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind.
Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.06.2017, AktenzahlXXXX, ein Insolvenzverfahren hinsichtlich der Beitragsschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet (Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens) wurde und die Gesellschaft (Beitragsschuldnerin) infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst und aus dem Firmenbuch gelöscht wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Zl. Ra 2014/08/0028, zur ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags wie folgt aus: "... so legte die Revisionswerberin ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 2. Oktober 2012 zugrunde; in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde schränkte sie nach teilweiser Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds den Haftungsbetrag ein und legte einen modifizierten Rückstandsausweis vom 6. Juni 2013 vor. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert; die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. OGH RIS-Justiz RS0040429 mwN). Indem die Revisionswerberin ihrem Bescheid den Rückstandsausweis zugrunde legte, brachte sie damit zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sich die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt. Auf Grund der Heranziehung des Rückstandsausweises, einer öffentlichen Urkunde mit erhöhtem Beweiswert, sind freilich keine (krassen bzw. besonders gravierenden) Ermittlungslücken im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 5.) zu erkennen. ..." Und weiters: "... Was die Frage nach dem Vorliegen einer kausalen schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, so ist eine solche schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das VwGH, Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.). ..."
Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die WGKK ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 29.09.2017 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens des Rückstandsausweises ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.
Die Beschwerdeführerin war des Weiteren ab 14.01.1992 bis 22.07.2017 (ab 20.07.2017 vertrat sie die Beitragsschuldnerin als Liquidatorin) XXXX für die gesamte Beitragsschuld herangezogen werden. Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem die Beschwerdeführerin XXXX war. Somit ist zu untersuchen, ob die Beschwerdeführerin infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der WGKK haftet.
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 - 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im § 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) § 67 Rz 77a).
Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).
Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderung im gesamten Verfahren keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass sie ihrer Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Beitragsschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH, 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung der Beschwerdeführerin für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
Generell hat die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung zur Verfahrensförderung gem. § 39 Abs. 2a AVG nicht entsprochen und hat nicht auf das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.12.2017 reagiert. Somit war mangels Mitwirkung der Beschwerdeführerin von Zahlungen an andere Gläubiger als die WGKK und somit von einer Gläubigerungleichbehandlung auszugehen.
Ergänzend wird darauf verwiesen, dass - wie beweiswürdigend dargelegt - in der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gläubigerliste (Auflistung der offenen Forderungen im Vorlageantrag genannt) und in der Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens kein Nachweis für eine Gläubigergleichbehandlung zu erblicken ist.
Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2178257.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.01.2019