Entscheidungsdatum
20.11.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W257 2185062-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, geboren am XXXX, Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wien, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.06.2018, W257 2185062-1/7E, abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 iVm § 32 Abs. 2 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer stellte am 20.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.04.2016 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, stamme aus dem Dorf XXXX, in der Nähe der Stadt XXXX, sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er sei ledig und kinderlos.
Aus Afghanistan sei er geflohen, weil die Taliban mit der Regierung in seiner Region Streit hätten. Er könne nach Afghanistan nicht mehr zurückkehren, weil er in Österreich bleiben wolle.
1.4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.06.2017 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er aus dem Dorf XXXX stamme. Dieses Dorf befände sich im Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar. Er wisse sein genaues Alter nicht, sei aber der älteste Sohn in der Familie. Seine Kernfamilie bestehe aus seinem Vater, seiner Mutter, seinen zwei Brüdern und seinen zwei Schwestern. Sie hätten in einem Eigentumshaus gewohnt. Er sei nicht zur Schule gegangen, wobei die Möglichkeit dazu bestanden habe. Er könne allerdings lesen und schreiben. Sein Vater habe ein Geschäft, einen Gemischtwarenhandel betrieben, wo er des Öfteren ausgeholfen habe. Ihnen habe es aus wirtschaftlicher Seite an nichts gefehlt.
In Ihrem Dorf gebe es keine Polizei, die Daesh und die Taliban hätten seit jeher für die Sicherheit gesorgt. Einige in seinem Dorf hätten sich auch den Taliban angeschlossen.
Eines Tages sei er im Geschäft gewesen als ein Mann, offenbar ein Taliban, ihn angesprochen habe. Er habe ihn gefragt, ob er bei Ihnen mitarbeiten wolle. Er habe dem Mann gegenüber geäußert, dass der Islam es nicht wolle, dass man mit Waffen kämpfe und er würde lieber hierbleiben wollen. Nach ein paar Tagen sei der Mann wiedergekommen und habe ihm die gleiche Frage gestellt. Beim dritten Mal, seien sie zu zweit gekommen und als er ihnen auch diesmal entgegnet habe, dass er nicht mitkämpfen wolle, hätten Sie ihn geschlagen und getreten. Er habe zu seinem Onkel, welcher auch in dem Dorf wohne, flüchten können. Dort sei er verarztet worden und in der gleichen Nacht habe sein Onkel die Ausreise organisiert. Am Morgen sei er nach Kabul gebracht worden und von dort sei er mit anderen jungen Männern über den Iran nach Österreich geflohen. Er habe vor ca einem Jahr (Anm.: das ist das Jahr 2015, zu dem Zeitpunkt war er XXXX Jahre alt) sein Dorf verlassen. Der Beschwerdeführer begründete in verschiedenen betreuten Unterkünften seinen Wohnort.
1.5. Im XXXX 2017 war er von einem Flüchtlingsquartier abgängig, weswegen bei einer Polizeiinspektion von der Heimbetreuung eine Abgängigkeitsanzeige erstattet wurde. In dem gleichen Quartier wurde er im XXXX 2017 mit einer weiteren Person seitens der Heimbetreuung wegen Sachbeschädigung an dieser Unterkunft angezeigt. Eine gerichtliche Verurteilung folgte nicht.
Er wurde im XXXX 2018 wegen des Besitzes und Weitergabe von Suchtgift zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
1.6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 02.01.2018, Zl. XXXX, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab und erkannte auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei. Der Beschwerdeführer bekam eine zweiwöchige Frist für seine Ausreise zugestanden.
Die Behörde begründete die Nichtzuerkennung des Asylantrages im Grunde damit, dass sie - außer dem tätlichen Angriff auf den Beschwerdeführer in dem Geschäft - keine Gefahrenlage erkennen habe könne und sie nicht den Eindruck habe, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme tatsächlich über etwas selbst Erlebtes berichtet habe. Ihm wurde damit die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens abgesprochen. Subsidiärer Schutz wurde wegen der Möglichkeit der Rückkehr nach Kabul nicht gewährt.
1.7. Gegen den Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers, wobei er im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machte.
1.8. Das Bundesverwaltungsgericht lud die Verfahrensparteien unter Anschluss folgender Berichte zu einer mündlichen Verhandlung:
-
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.01.2018
-
UNHCR - Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender
Den Parteien wurde die Möglichkeit eingeräumt binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme langte dazu nicht ein.
1.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der nunmehr volljährige Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Behörde übermittelt.
Der Beschwerdeführer wiederholte im Grunde das bisherige Vorbringen, wobei im Einzelnen gegenüber der Einvernahme vor der Behörde Widersprüche auftraten.
1.10. Die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 02.01.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.06.2018, W257 2185062-1/7E, als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht unter Berücksichtigung seiner Minderjährigkeit im Zeitpunkt seiner Flucht im Wesentlichen aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe habe, glaubhaft zu machen. Eine Rückkehr des Antragstellers in seine Herkunftsprovinz Nangarhar wurde vom Bundesverwaltungsgericht für nicht möglich erachtet, weil ihm dort aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Jedoch kam das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung zu dem Schluss, dass es dem Antragsteller möglich und zumutbar ist, sich stattdessen in der Hauptstadt Kabul, Herat oder auch in Mazar-e Sharif niederzulassen. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Bindung des nunmehrigen Antragstellers zu Afghanistan für deutlich intensiver als jene zu Österreich. Mit näherer Begründung wurde dargetan, dass eine Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers keinen unzulässigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen würde.
1.11. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2018 wurde beiden Verfahrensparteien am 20.06.2018 wirksam zugestellt.
1.12. Mit Eingabe des bevollmächtigten Rechtsvertreters des Wiederaufnahmewerbers vom 14.09.2018 wurde der im Spruch genannte, auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützte Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2018 (im Wiederaufnahmeantrag wohl irrtümlich mit 09.08.2018 datiert), Zl. W257 2185062-1, abgeschlossenen Verfahrens gestellt. Unter einem wurde mit näherer Begründung der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht auf Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw. auf Hintanhaltung der Abschiebung gestellt.
Zur Begründung seines Antrages brachte der Wiederaufnahmewerber vor, es seien nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen, welche im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Konkret wurde ausgeführt, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative damit begründet worden, dass dem Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe.
Nunmehr sei der Antragsteller in den Besitz der "Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan" des UNHCR vom 30.08.2018 gelangt, aus denen sich ergebe, dass Kabul oder andere Großstädten als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht kommen würden. Die neuen UNHCR-Richtlinien würden ein neues Beweismittel darstellen, welches jene Tatsachen in Zweifel ziehe, auf welche sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative tragend gestützt habe. Aus den neuen UNHCR-Richtlinien gehe eindeutig hervor, dass Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative darstelle.
Wie den neuen UNHCR-Richtlinien zu entnehmen sei, hätten bereits zum Entscheidungszeitpunkt Umstände in Kabul geherrscht, die eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative ausschließen würden. Wären entsprechende Richtlinien bereits zum Entscheidungszeitpunkt vorgelegen, hätte das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss kommen müssen, dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigen zuzusprechen. Damit liege ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vor, der geeignet sei, ein im Hauptinhalt des Spruchs des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.08.2018 (richtig 15.06.2018) anderslautendes Erkenntnis herbeizuführen.
Zur Rechtzeitigkeit wurde ausgeführt, dass die Rechtsvertretung des Antragstellers die Informationen zu den UNHCR-Richtlinien am 31.08.2018 erhalten habe, sodass die zweiwöchige Wiederaufnahmefrist gewahrt sei.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 wurde dem Antragsteller die Verspätung seines Wiederaufnahmeantrages vorgehalten und ihm eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.
Eine Stellungnahme langte selbst nach drei Wochen nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Das im Spruch genannte Erkenntnis vom 15.06.2018, betreffend die Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2018, Zl. XXXX, wurde am 20.06.2018 den Verfahrensparteien zugestellt und damit erlassen.
Der Antragsteller hat durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter am 14.09.2018 um 23:05 Uhr mittels Telefax einen auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2018, GZ W257 2185062-1/7E, zugestellt am 20.06.2018, abgeschlossenen Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt bzw. wurde der gegenständliche Antrag um 23:14 Uhr von XXXX dem Bundesverwaltungsgericht gesendet.
Der im Spruch genannte Antrag langte am 17.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Die Rechtsvertretung des Antragstellers hat die Informationen zu den UNHCR-Richtlinien am 31.08.2018 erhalten.
2. Beweiswürdigung
Diese Feststellungen ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten des Beschwerdeführers. Die Feststellungen hinsichtlich der Übermittlung und des Einlangens des Antrages beim Bundesverwaltungsgericht ergeben sich einerseits aus den Kopfzeilen der Faxnachricht und aus dem Protokollierungsvermerk zur OZ 1.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Abweisung des Wiederaufnahmeantrages:
§ 32 VwGVG lautet wie folgt:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
..."
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP, 7f) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung der IV. Teiles des AVG im vorgeschlagenen § 17 sind Auslegungsprobleme, die sich aus der subsidiären Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG ergeben, ausgeschlossen.
In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0136, aus, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann.
Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG einerseits die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren (vgl. VwGH 20.09.1994, 94/05/0209; 30.04.2008, 2007/04/0033) und dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht abgeschlossen ist, dh., dass res iudicata vorliegt (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte Aufl. 2 (2017) zu § 32 VwGVG, Rz 7). Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes werden mit ihrer Erlassung rechtskräftig (vgl. VwGH 13.09.2016, Ro 2015/03/0045 mwH).
Der Antrag auf Wiederaufnahme muss schriftlich nach den Vorschriften des § 20 VwGVG beim Verwaltungsgericht eingebracht werden. Er muss das wiederaufzunehmende Verfahren bezeichnen, den Wiederaufnahmegrund darlegen und angeben, wann der Wiederaufnahmewerber von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Sämtliche Voraussetzungen für die Wiederaufnahme muss der Wiederaufnahmewerber darlegen (Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte Aufl. 2 (2017) zu § 32 VwGVG, Rz 41 mit Hinweis auf VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051).
Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003). Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040).
Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080).
Der Antragsteller, welcher im Verfahren Parteistellung hatte, stellte am 14.09.2018 den vorliegenden, auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2018, W257 2185062-1/7E, zugestellt am 20.06.2018, abgeschlossenen Verfahrens.
Ausgehend von den Angaben im Wiederaufnahmeantrag, wonach die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers am 31.08.2018 (also nach Zustellung des Erkenntnisses vom 15.06.2018) von der Veröffentlichung der für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag ausschlaggebenden UNHCR-Richtlinien in der Fassung vom 30.08.2018 Kenntnis erlangt habe, war von einer zweiwöchigen Frist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG, beginnend mit Freitag, den 31.08.2018, auszugehen. Der Fristlauf endete damit am Freitag, den 14.09.2018 gemäß § 32 Abs. 2
AVG.
Der Antragsteller hat durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter am 14.09.2018 um 23:05 Uhr mittels Telefax den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt bzw. wurde der gegenständliche Antrag um 23:14 Uhr von XXXX dem Bundesverwaltungsgericht gesendet. Das Postlaufprivileg iSd § 33 Abs. 3 AVG kommt bei einer Einbringung durch Fax nicht in Betracht (VwGH 26.06.2009, Zl. 2009/02/0174, wonach es auf den Zeitpunkt der Entgegennahme durch die Behörde ankommt).
Die Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts lautet auszugweise:
"§ 20. Amtsstunden
(1) Die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes sind an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages, des 24. und des 31. Dezember, von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr.
(2) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) können nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden.
[...]
(5) Elektronische Eingaben mit Telefax oder E-Mail sind an die dafür allgemein vorgesehene Telefax-Nummer oder E-Mail-Adresse des Bundesverwaltungsgerichtes zu übermitteln.
(6) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.
(7) Für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG gelten die Bestimmungen der BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV), BGBl. II Nr. 515/2013."
§ 1 BVwG-EVV lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1. (1) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen können nach Maßgabe technischer Möglichkeiten auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:
1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;
2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982;
3. im Wege des elektronischen Aktes;
4. im Wege einer standardisierten Schnittstellenfunktion;
5. mit auf der Website www.bvwg.gv.at abrufbaren elektronischen Formblättern;
6. mit Telefax.
E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 17.11.2015, Ra 2014/01/0108, mit den rechtlichen Folgen eines nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO BVwG festgesetzten Amtsstunden einlangenden Schriftsatzes auseinandergesetzt. Das Erkenntnis lautet auszugsweise:
"2.2. [...]
Nach § 20 Abs. 7 GO BVwG gelten für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG die Bestimmungen der BVwG-EVV. Diese Verordnung enthält - worauf der Revisionswerber zu Recht hinweist - keine Regelungen zur Frage, wann Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Es kann dem Normsetzer der GO BVwG aber nicht unterstellt werden, dass er sämtliche Formen der elektronischen Einbringung von schriftlichen Anbringen an die Amtsstunden bindet (Abs. 2 iVm Abs. 6 des § 20 GO BVwG), um diese Bindung für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG durch bloßen Verweis auf die Bestimmungen der BVwG-EVV entfallen zu lassen (Abs. 7 des § 20 GO BVwG), ohne dies explizit zum Ausdruck zu bringen. Hätte der Normsetzer der GO BVwG Derartiges beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies unmissverständlich regelt. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass § 20 Abs. 7 GO BVwG nicht dahin zu verstehen ist, dass für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG die in § 20 Abs. 2 und 6 GO BVwG vorgesehenen Regelungen nicht gelten sollen.
[...]
2.4. Die vorliegende Revision gegen das am 16. Oktober 2014 zugestellte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde unbestritten im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "IMD" am 27. November 2014 (Donnerstag) um 16:41:31 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 21 Abs. 7 BVwGG eingebracht. Damit wurde die Revision am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO BVwG festgesetzten Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, sodass diese gemäß § 20 Abs. 6 GO BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages (das ist Freitag, der 28. November 2014) als eingebracht gilt. Sie erweist sich demnach als verspätet."
Wird somit ein beim Bundesverwaltungsgericht einzubringendes, fristgebundenes schriftliches Anbringen am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht, sodass dieses gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt, ist es verspätet (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198; zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0027).
Verfahrensgegenständlich folgt daraus, dass der gegenständliche Antrag zwar am letzten Tag der Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages, jedoch nach Ablauf der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts übermittelt worden ist. Somit gilt der gegenständliche Antrag gemäß § 20 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages, Montag, den 17.09.2018, als eingebracht.
Dieser Umstand wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 29.10.2018 vorgehalten. Eine Stellungnahme langte dazu nicht ein.
Da die in § 32 Abs. 2 VwGVG geforderte Frist der Antragstellung von zwei Wochen ab Kenntniserlangung des Wiederaufnahmegrundes nicht erfüllt ist, war der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als nicht rechtzeitig eingebracht anzusehen und somit als verspätet zurückzuweisen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die mündliche Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erklärt werden.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages war die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Antragstellung. Der Antragsteller hat hierzu bereits im Antrag alle erforderlichen Angaben gemacht und konnten die übrigen zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit notwendigen Informationen dem Akt entnommen werden, weshalb eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Weiters stehen einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Überdies hat der Antragsteller die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fristversäumung, Verspätung, Wiederaufnahme, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W257.2185062.2.00Zuletzt aktualisiert am
14.01.2019