TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/20 W185 2149485-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs4
AsylG 2005 §35 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §11
FPG §11a Abs2
FPG §26
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W185 2149485-1/10E

W185 2149484-1/9E

W185 2149486-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Botschaft Kuala Lumpur vom 19.01.2017, Kuala Lumpur-OB/KONS/0024/2017, aufgrund der Vorlageanträge von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX und 3. XXXX , geb. XXXX , sämtliche StA. Syrien, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Kuala Lumpur vom 22.12.2016, Kuala Lumpur-ÖB/KONS/0464/2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, der minderjähriger Drittbeschwerdeführer ist deren Sohn.

Am 30.05.2016 stellten die Beschwerdeführer persönlich bei der Österreichischen Botschaft Kuala Lumpur (im Folgenden: ÖB Kuala Lumpur) unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde der zum Antragszeitpunkt minderjährige Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und Bruder des Drittbeschwerdeführers, XXXX , angegeben.

Der am XXXX geborenen Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 25.05.2016, Zl. XXXX , der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

In der Folge übermittelte die ÖB Kuala Lumpur mit Schreiben vom 30.05.2016 die Einreiseanträge inkl Beilagen an das Bundesamt zur weiteren Veranlassung.

Zu den seitens der ÖB Kuala Lumpur am 30.05.2016 übermittelten Antragsunterlagen der Beschwerdeführer teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 28.06.2016 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson am XXXX geboren worden und zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag am 28.06.2016 somit bereits volljährig sei. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes. Es werde ersucht, den Parteien die Mitteilung und die Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen.

In der angeführten Stellungnahme des Bundesamtes vom 28.06.2016 wurde ausgeführt, dass sich die Einreiseanträge auf XXXX , geb. XXXX , StA Syrien, als Bezugsperson in Österreich beziehen würden. Der Bezugsperson sei mit Bescheid vom 25.05.2016, rechtskräftig seit 25.06.2016, der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Die Bezugsperson sei volljährig. Es würden bereits die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorliegen, weil die Bezugsperson zwar zum Einbringungsdatum des Antrages bei der ÖB das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag am 28.06.2016 volljährig sei und es sich demnach zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr um eine minderjährige Person handeln würde, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Diesbezüglich wurde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2016, Zahl: Ra 2015/21/0230 verwiesen und ausgeführt, dass die Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG nur bei antragstellenden Kindern darauf abstelle, dass ihre Minderjährigkeit "im Zeitpunkt der Antragstellung" vorliegen müsse. Demgegenüber komme es bei antragstellenden Elternteilen darauf an, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei. Sei im Zeitpunkt der Entscheidung die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich bereits gegeben, sei die Einreise der Eltern mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern. Im vorliegenden Fall sei die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag - dem 28.06.2016 - auf Grund des durch vorgelegte Unterlagen vorliegenden Geburtsdatums - den XXXX - gegeben gewesen.

Mit Schreiben vom 29.09.2016, übernommen am 24.10.2016, wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, weil die am XXXX geborene Bezugsperson zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag am 28.06.2016 volljährig gewesen sei. Zugleich erging die Aufforderung, den angeführten Ablehnungsgrund innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen (Parteiengehör).

Mit Schreiben vom 28.10.2016 erstatteten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Behörde die Abweisung der Anträge damit begründet habe, dass die Bezugsperson - obwohl minderjährig zum Zeitpunkt der Antragstellung der Familienangehörigen - mittlerweile volljährig sei und somit keine taugliche Bezugsperson mehr darstelle. Dabei folge die Behörde dem Erkenntnis des VwGH vom 28.01.2016, in welchem die Auffassung vertreten werde, dass bezüglich der Minderjährigkeit seit Inkrafttreten des FNG-Anpassungsgesetzes nicht mehr der Antragssondern der Entscheidungszeitpunkt maßgeblich sei. Dieser Auffassung könne jedoch angesichts der aktuellen rechtlichen Bestimmungen nicht mehr gefolgt werden. So werde in den Materialien zu § 35 Abs. 5 AsylG in keiner Weise die Absicht erwähnt, bei minderjährigen Bezugspersonen auf den Entscheidungszeitpunkt abzuzielen. Wenn der Verwaltungsgerichtshof auf die restriktive Auslegung der Richtlinie und insbesondere auf deren Art. 4 Abs. 2 lit. a verweise, wonach der Nachzug von Eltern nur optional, aber nicht verpflichtend für die Mitgliedstaaten sei, so müsse ihm entgegnet werden, dass bei der Familienzusammenführung von Flüchtlingen nicht Art. 4 Abs. 2 lit. a, sondern Art. 10 Abs. 3 lit. a anzuwenden sei, welcher den Nachzug der Eltern von unbegleiteten Minderjährigen als Pflicht vorschreibe. Im Übrigen dürfte das oben genannte Erkenntnis mit der jüngsten Novellierung des Asylgesetzes obsolet sein. Die Erläuterungen zum "neuen" § 35 Abs. 2a AsylG" würden besagen, dass bei minderjährigen Bezugspersonen auf die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung abzuzielen sei. Dass dies in den Erläuterungen und nicht in Abs. 2a direkt verankert worden sei, weise darauf hin, dass es sich um keine Neuerung durch die Novelle, sondern eine Klarstellung der gesetzgeberischen Absicht generell handle. Damit habe der Gesetzgeber seine Absicht, im Gegensatz zu den vorangegangenen Materialen, hinreichend klar determiniert, weshalb von der seitens der Behörde angeführten Rechtsprechung abgewichen werden müsse. Wenn die Behörde somit davon ausgehe, dass die Volljährigkeit der Bezugsperson als Begründung zur Ablehnung der Einreiseanträge herangezogen werden könne, belaste sie das Verfahren mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Zum Zeitpunkt der Antragstellung der Einreiseanträge bei der ÖB Kuala Lumpur sei die Bezugsperson erst 17 Jahre alt und daher jedenfalls minderjährig gewesen. Da es sich bei den Beschwerdeführern um die Familie der Bezugsperson handle und die Bezugsperson in Österreich asylberechtigt sei, seien die Anträge positiv zu bearbeiten und den Beschwerdeführern die Einreise nach Österreich zu gewähren.

Diese Stellungnahme wurde seitens der ÖB Kuala Lumpur mit Schreiben vom 02.11.2016 an das Bundesamt übermittelt. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 21.12.2016 wurde mitgeteilt, dass - nach Einsicht in die o.a. Stellungnahme - die negative Prognose aufrecht bleibe, da die Bezugsperson zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einreiseanträge der Eltern bereits volljährig gewesen sei.

Mit Bescheiden der ÖB Kuala Lumpur vom 22.12.2016, zugestellt am 27.12.2016, wurden die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen und begründend ausgeführt, dass die Bezugsperson zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einreiseanträge der Eltern bereits volljährig gewesen sei.

Gegen die Bescheide richten sich die am 15.01.2017 fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden, in denen zunächst die Ausführungen aus der Stellungnahme vom 28.10.2016 wiederholt wurden. Zudem wurde kritisiert, dass die Bescheide eine Auseinandersetzung mit Art. 8 EMRK vermissen lassen würden. Der VfGH habe in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen und müsse diese mittlerweile ständige Rechtsprechung auch im Fall der Beschwerdeführer Berücksichtigung finden. Die Beschwerdeführer und die Bezugsperson seien eine Familie und als solche aufeinander angewiesen. Bis zur Ausreise habe die Bezugsperson mit den Beschwerdeführern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Da die Bezugsperson gerade erst 18 Jahre alt geworden sei, sei diese auch weiterhin auf die Pflege und Unterstützung durch die Eltern angewiesen, insbesondere aufgrund der traumatischen Erlebnisse, welche durch die Fluchtgeschichte und die Flucht selbst hervorgerufen worden seien. Die Stellungnahme des Bundesamtes lasse eine Auseinandersetzung mit Art. 8 EMRK nicht erkennen. An dieser Stelle sei auch auf die sich ändernde Rechtsprechung des EGMR hinzuweisen. Der EGMR habe mittlerweile einige Kriterien ausgearbeitet, um zu beurteilen, ob durch die Verweigerung einer Familienzusammenführung das Recht der Familie auf ihr Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK verletzt worden sei. Dabei müsse besonders berücksichtigt werden, wo die Verantwortung für die Trennung der Familie liege; ebenso müsse die Staatsangehörigkeit und der Aufenthaltsstatus der Familienangehörigen, das Ausmaß der Bindungen im Vertragsstaat und im Herkunftsstaat sowie die Tatsache, dass es unüberwindliche Hindernisse gebe, die eine Familie daran hindern würde, im Herkunftsstaat zu leben, Berücksichtigung finden. Unter Verweis auf einen Fall des EGMR (Tandaza-Muzinga gg Frankreich) wurde weiters angeführt, dass die Bezugsperson die Heimat nicht freiwillig, sondern aufgrund des Bürgerkrieges und wegen Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention verlassen habe. Es sei keine freie, bewusste Entscheidung gewesen, die Familie und die Heimat zurückzulassen. Das Bundesamt habe dem Gesuch der Bezugsperson auf internationalen Schutz auch stattgegeben, indem es ihr Asyl zugesprochen habe. Da eine Rückkehr keinesfalls mehr zumutbar sei und auch kein anderes Drittland für eine Familienzusammenführung in Frage komme, sei ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nur in Österreich möglich und wäre die Verweigerung einer solchen ein unverhältnismäßiger und ungerechtfertigter Eingriff in das verfassungsgemäß geschützte Recht auf Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer. Außerdem würden sie als Personen, die aus einem Kriegsgebiet stammen und auch eigenständige Fluchtgründe haben würden, eine Hochrisikogruppe darstellen, wobei die Möglichkeit, zumindest subsidiären Schutz zugesprochen zu bekommen, im Sinne der Wahrscheinlichkeitsprognose gem. § 35 AsylG jedenfalls als wahrscheinlich anzusehen sei. Die Nichtberücksichtigung des Art. 8 EMRK bei der Entscheidungsfindung stelle jedenfalls einen wesentlichen Mangel dar. Wäre die Behörde auf das Recht auf Privat- und Familienleben im erforderlichen Maß eingegangen, so hätte die Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer ausfallen und ihnen die Einreise gestattet werden müssen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 31.01.2017 wies die ÖB Kuala Lumpur die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab:

Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien. Die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes unterliege lediglich einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG Beschwerde erhoben würde. Jenseits und unabhängig von der Bindungswirkung vertrete auch die belangte Behörde - wie das Bundesamt - die Ansicht, dass das Gesetz eindeutig sei und Angehörige einer volljährigen Bezugsperson, somit die Beschwerdeführer, nicht unter den Familienangehörigenbegriff des AsylG fallen würden. Wie der VwGH in seiner Entscheidung vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230 ausgeführt habe, komme es hinsichtlich der Volljährigkeit der Bezugsperson nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Entscheidungszeitpunkt an. Die gegen dieses Erkenntnis vorgebrachte Kritik der Beschwerdeführer vermöge die belangte Behörde nicht zu teilen, zumal vor dem Hintergrund des damals ergangenen Ablehnungsbeschlusses des VfGH vom 18.09.2015, E 360-361/2015-21 gegen die Rechtlage offenkundig keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen würden. Die Rechtslage habe sich diesbezüglich auch nicht durch die in der Beschwerde angeführten Novelle BGBl I Nr. 24/2016 geändert. Soweit die Beschwerdeführer auf die Materialien zu dieser Novelle Bezug nehmen und daraus eine andere Sicht abzuleiten versuchen würden, sei dem zu erwidern, dass der diesbezügliche Normtext unverändert geblieben sei. Eine allenfalls aus den Materialien abzuleitende andere Sicht hätte der Gesetzgeber - hätte er solches gewollt, wobei von seiner Kenntnis der höchstgerichtlichen Judikatur auszugehen sei - vielmehr im Gesetzestext selbst zum Ausdruck bringen müssen. Soweit die Beschwerdeführer dem VwGH eine Verkennung der Rechtslage zum Vorwurf machen würden, weil er auf den nur optional anzuwendenden Art. 4 Abs. 2 lit. a der RL 2003/68/EG - und nicht dessen Art. 10 Abs. 3 lit. a - abgestellt habe, so sei dem schon deshalb nicht zu folgen, weil die RL 2003/68/EG keine Aussage darüber treffe, auf welchen Zeitpunkt - jenen der Antragstellung oder jenen der Entscheidung - abzustellen sei.

Am 23.02.2017 brachten die Beschwerdeführer bei der ÖB Kuala Lumpur Vorlageanträge gem. § 15 VwGVG ein. Hinsichtlich der Beschwerdegründe wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde und die bereits übermittelten, übersetzten Dokumente verwiesen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 07.03.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 09.03.2017, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.

Mit Schreiben der bevollmächtigten Vertreterin der Beschwerdeführer vom 14.07.2017 langte eine "Beschwerdeergänzung" beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde darin unter Bezugnahme auf das anhängige Vorabentscheidungsverfahren Rs C-550/16 beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung durch den EuGH auszusetzen bzw. das Verfahren selbst aufgrund einer offenen Auslegungsfrage betreffend die Richtlinie 2003/86 ("unbegleiteter Minderjähriger") dem EuGH vorzulegen. Die Auslegung des in der Richtlinie verwendeten Begriffs "unbegleiteter Minderjähriger" sei auch in diesem Verfahren beachtlich, weswegen der Ausgang des Vorabentscheidungsersuchens abgewartet werden müsse bzw. das Gericht aufgrund einer überaus ähnlichen Fragestellung selbst ein Vorlageverfahren einleiten müsse, um die unionsrechtliche Zulässigkeit und Unionsrechtskonformität der Abweisung eines Einreiseantrages im Zuge der Familienzusammenführung bei Volljährigkeitseintritt während des Einreiseverfahrens der zu Beginn noch minderjährigen unbegleiteten Bezugsperson beurteilen zu können.

In einer weiteren Beschwerdeergänzung vom 24.04.2018 wurde festgehalten, dass mit dem Urteil C-550/16 des EuGH vom 12.04.2018 die sog. Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) , insbesondere der Begriff des unbegleiteten Minderjährigen, ausgelegt worden sei. Der EuGH komme in dieser Entscheidung zu dem Schluss, dass ein Fremder, der im Laufe des Asylverfahrens volljährig werde und dem später der Asylstatus zuerkannt werde, als Minderjähriger im Sinne der Bestimmung anzusehen sei und daher auch die Bestimmungen zur Familienzusammenführung, insbesondere Art. 12 der Richtlinie, auf ihn anzuwenden seien. Besonders hervorzuheben sei die Erwägung des EuGH zu Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie, welcher die Möglichkeit der Familienzusammenführung von unbegleiteten Minderjährigen regeln würde. Dieser würde den Mitgliedstaaten eine präzise positive Verpflichtung auflegen, der ein klar definiertes Recht gegenüberstehe. Danach wären sie in dem darin genannten Fall verpflichtet, die Familienzusammenführung der Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades des Zusammenführenden zu gestatten, ohne dass sie dabei über einen Wertungsspielraum verfügen würden. Demgegenüber vertrete der VwGH in seinem Urteil vom November 2017 (Ra 2017/19/0218) die Ansicht, dass die Richtlinie nicht auf die Regelungen im AsylG anzuwenden seien und habe diesbezüglich (ehemalige) unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf das NAG als mögliche und zulässige Alternative verwiesen. Der Hinweis auf das NAG sei allerdings für volljährig gewordene und ehemals unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - insbesondere nach den rechtlichen Ausführungen des EuGH - nicht möglich und daher nicht zulässig. Die innerstaatliche Definition des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings widerspreche jener Definition in der Richtlinie bzw. des EuGH, da national davon ausgegangen worden sei, dass die Minderjährigkeit nicht nur zum Antragsdatum auf Familienzusammenführung vorliegen müsse, sondern diese sogar bei Entscheidungsdatum der Behörde über den Antrag auf Familienzusammenführung gegeben sein müsse. Nach der Rechtsprechung des EuGH definiere sich Minderjährigkeit aber nach dem Asylantragsdatum, weshalb das tatsächliche Alter bei Statuszuerkennung und Antragstellung unerheblich sei, sofern der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von 3 Monaten ab Statuszuerkennung gestellt worden sei. Für solche Fälle gebiete die Rechtsprechung des EuGH, dass jede Behörde und jedes Gericht mit Unionsrecht nicht im Einklang stehendes nationales Recht unangewendet zu lassen habe, um auf diese Weise der Wirksamkeit und der Geltung des Unionsrechts zum Durchbruch zu verhelfen. Der unionsrechtlich bedeutsame Begriff des Minderjährigen müsse daher nach Rechtsprechung des EuGH diesem entsprechend ausgelegt werden und dürfe sich nicht nach innerstaatlichen Definitionen richten. Dem Antrag der Beschwerdeführer sei daher entsprechend der Judikatur des EuGH stattzugeben und sei ihnen die Einreise nach Österreich zu gewähren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer stellten am 30.05.2016 persönlich bei der ÖB Kuala Lumpur jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , genannt, welcher der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und Bruder des Drittbeschwerdeführers sei und der seit 25.05.2016 in Österreich asylberechtigt ist.

Die Bezugsperson wurde am XXXX volljährig.

Eine Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden, da die am XXXX geborene Bezugsperson während des Verfahrens über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 volljährig geworden ist. Das Geburtsdatum der Bezugsperson wurde seitens der Beschwerdeführer niemals bestritten; vielmehr wurde auch in der Beschwerde nochmals explizit ausgeführt, dass die Bezugsperson am XXXX , somit während des Einreiseverfahrens, volljährig geworden sei.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Kuala Lumpur, den vorgelegten weiteren Unterlagen, dem Bescheid des Bundesamtes vom 25.05.2016, Zl. XXXX , womit der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Das unstrittige Geburtsdatum der Bezugsperson ( XXXX ) ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführer und den damit übereinstimmenden in den Akten in Kopie einliegenden Unterlagen zur Bezugsperson (Geburtsurkunde, Auszug aus dem Zivilregister) und aus dem Bescheid des Bundesamtes betreffend die Bezugsperson.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uam).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem abweichenden Ergebnis, da die Prognoseentscheidung des Bundesamtes zutreffend ist:

Verfahrensgegenständlich wurden am 30.05.2016 Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte XXXX , geb. XXXX , genannt, welcher der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und Bruder des Drittbeschwerdeführers sei.

Die Vertretungsbehörde hat die Einreiseanträge der Beschwerdeführer, gestützt auf die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes, wonach die Bezugsperson im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig gewesen sei, abgewiesen.

Die Vorgangsweise der Vertretungsbehörde ist unter Zugrundelegung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht zu bemängeln. Geschwister sind im Übrigen von vornherein nicht als Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.

Wie nachstehend dargelegt wird, erfolgte die Abweisung der Einreiseanträge durch die Vertretungsbehörde zu Recht:

Aus den vorliegenden Akten und Unterlagen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Vertretungsbehörde über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 bereits volljährig war. Die unbestrittenermaßen am XXXX geborene Bezugsperson hat die Volljährigkeit am XXXX , somit zwar nach Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Anm: am 25.05.2016), jedoch vor Entscheidung des Bundesamtes über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer (Anm: am 28.06.2016), erreicht, womit der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nicht erfüllt ist (zum mj Drittbeschwerdeführer siehe unten).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Familienverfahren nach § 34 AslG 2005 nicht mehr vor, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig wird (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254 und die in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung jüngst ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 und vom 24.05.2018, Ra 2017/01/0430). In den beiden zuletzt zitierten Erkenntnissen hat der VwGH zudem festgehalten, dass sich auch aus der Entscheidung des EuGH vom 12.04.2018 in der Rs C-550/16 im Hinblick auf den dortigen - nicht vergleichbaren - Ausgangssachverhalt, dass der Asylwerber während des Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht hat, keine abweichende Beurteilung ergibt.

War somit, wie im konkreten Fall, die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über die Einreiseanträge zweifellos (und auch im Verfahren nicht bestritten) nicht mehr minderjährig, sind die Eltern der Bezugsperson (dh. gegenständlich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin) sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.

Was den Bruder der in Österreich lebenden Bezugsperson (hier den mj Drittbeschwerdeführer) betrifft, so handelt es sich weder um einen Elternteil oder Ehegatten, noch um ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, sodass auch dieser vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht erfasst wird. So hat auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, bestätigt, dass aufgrund des - insoweit von vornherein als klar einzustufenden - Gesetzeswortlautes Geschwister nicht als Familienangehörige gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gelten.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt jedoch gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen ein Einreisevisum zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 können somit Fälle erfassen, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig jedoch den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen, als es diese Richtlinie verlange. Es könne allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters bereits darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da diese bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen. Es ist auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2015 zu E 360-361/2015-21, keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der Beschwerdeführer als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen.

Zum weiteren Vorbringen in der Beschwerde ist anzumerken, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Zusammenfassend erweisen sich die Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 im vorliegenden Fall sohin von vornherein als ungeeignetes Instrument, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Die Beschwerdeführer sind vielmehr auf die anderen im NAG und FPG vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung und die Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.

Wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, wurde die Entscheidung der Vertretungsbehörde (Anm: Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin) zu Recht mit der während des Einreiseverfahrens nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 eingetretenen Volljährigkeit der Bezugsperson begründet.

Im Hinblick darauf, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels besteht, war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung, Bindungswirkung, Bürgerkrieg,
Einreisetitel, Entscheidungszeitpunkt, Ermessen, Ermessensspielraum,
Familienangehöriger, Familienverfahren, Familienzusammenführung,
Interessenabwägung, negative Beurteilung, öffentliche Interessen,
Privat- und Familienleben, Prognose, Prognoseentscheidung,
Volljährigkeit, Vorabentscheidungsersuchen,
Vorabentscheidungsverfahren, Vorlageantrag, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2149485.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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