Entscheidungsdatum
23.11.2018Norm
ASVG §247Spruch
G302 2170021-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch: XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX, vom 02.08.2017, GZ: XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX, vom 02.08.2017, GZ: XXXX (im Folgenden: belangte Behörde bzw. PVA) wurde der Antrag des Herrn XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz BF) auf Feststellung der Schwerarbeitszeiten gemäß 68 AVG zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 21.04.2016 der Antrag vom 22.03.2016 auf Feststellung der Schwerarbeitszeiten gemäß § 247 Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 Schwerarbeitsverordnung abgelehnt wurde. Bereits im Leistungsfeststellungsverfahren im Zuge des Antrages vom 22.03.2016 wurde bei Prüfung des Anspruches auf Schwerarbeitszeiten bei der Firma XXXX (im Folgenden Firma S) ein Fragebogen zur Klärung der genauen Tätigkeit des Beschwerdeführers ausgeschickt, welcher am 12.04.2016 retourniert wurde und Grundlage für die darauffolgende Bescheidabsprache darstellte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde.
Die Beschwerde und die maßgeblichen Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde am 07.09.2017 dem BVwG vorgelegt und am selbigen Tag der Gerichtsabteilung G302 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 22.03.2016 stellte der BF einen Antrag auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten für den Zeitraum von 01.07.1998 bis 15.01.2016.
Im Zuge des Ermittlungsverfahrens übermittelte die Firma S am 12.04.2016 der belangten Behörde ein Formular mit folgendem Inhalt:
"... der Versicherte hat eine Tätigkeit als Steinmetz (schwere körperliche Arbeit) von 22.5.1978 bis 15.01.2016 ausgeübt.....
maschineller Einsatz 50% ..... manuelle Tätigkeit 50% und zwar
häufig mit Blocksäge, Schleifstraße, Stapler und sonstige
maschinelle Hilfsmittel Winkelschleifer, Flex ... tägliche
Arbeitszeit 9 h, keine Teilzeitarbeit..... häufig Planungs-, Organisations, Kontrolltätigkeiten, Betriebsleitertätigkeit ab 1999.... die ausgeübte Tätigkeit umfasste Folgendes: Verkleben von Marmorplatten - händisches Überheben, Aufbänken und Abbänken von schweren Marmorstücken. Arbeit an der Blocksäge und Schleifstraße-Wasserkühlung - daher ständiger Kontakt mit Wasser. Bei Schleiftätigkeit zusätzliche Staubbelastung. Der BF hat einen Teil der Arbeitszeit im Freien gearbeitet und war jeder Witterung ausgesetzt. Ab 1999 war er auch mit der Betriebsleitung beauftragt
..."
Die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten vom 01.07.1998 bis 15.01.2016 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.04.2016 abgelehnt.
Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht bekämpft und ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 06.06.2017 langte bei der PVA ein neuerlicher Antrag auf Feststellung der Schwerarbeitszeiten ein.
Weiters legte der BF eine Bestätigung der Firma S mit folgendem wesentlichen Inhalt vor:
"... Die Betriebsleitung übernahm den BF im Jahr 1998, dieser hat jedoch vollwertig in der Produktion sowie der Gewinnung weitergearbeitet. Sein Hauptaufgabengebiet war das Auf- - und Abbänken der Bläcke, sowie das Aufbereiten der Unmaßtafeln zur Weiterverarbeitung. Bei diesen Arbeiten sind permanent hohe Gewichte (Platten bis zu 300 kg) zu händeln und zu positionieren. Der Arbeitsplatz des BF stand in permanenter Verbindung mit Kühlwasser, Schlamm sowie Abfallsteinen, welche per Hand entfernt werden mussten. Sein Arbeitsplatz befand sich zu 90% im Freien, wobei bei jeder Temperatur sowie Jahreszeit, auch bei Schnee, Eis und Regen gearbeitet wurde. Im Bedarfsfall wurde der BF, als gelernter Steinmetz, auch für Schneide- und Schleiftätigkeit herangezogen."
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsakts.
Das BVwG erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem BVwG vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Die maßbegebenden Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG lauten:
"...
§ 68 (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden
...."
Die Anordnung des § 68 Abs. 1 AVG zielt in erster Linie darauf ab, die wiederholte Aufrollung einer bereits "entschiedenen Sache" ohne nachträgliche Änderung (d.h. bei Identität) der Sach- und Rechtslage auf Antrag der Partei oder durch die Behörde selbst (von Amts wegen) zu verhindern (VwGH 02.08.1996, 94/02/0364; 25.04.2003, 2000/12/0055; 24.01.2006, 2003/08/0162; vgl. auch Thienel/Zeleny20 AVG § 68 Anm. 4). Anbringen, die darauf abzielen, sind (außer in den hier nicht in Rede stehenden Fällen der §§ 69 und 71 AVG) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn sie nicht (ausnahmsweise) der Behörde (von Amts wegen) "Anlass zu einer Verfügung gem. den Abs. 2 bis 4" des § 68 AVG geben.
Für den VwGH bedeutet die Rechtskraft eines Bescheides "in materieller Hinsicht die Bindung an den einmal erlassenen, formell rechtskräftigen Bescheid" (VwGH 28.11.1991, 90/06/0172; 23.04.2003, 2000/08/0040; vgl. etwa auch VwSlg 8035 A/1971), also die mit dem Bescheid verbundene Bindungswirkung für die Behörden und die Parteien (Thienel/Schulev-Steindl5 234 f; vgl. auch Hauer/Leukauf 6 AVG § 68 Anm. 5; Hellbling 416; ferner VwGH 31. 3. 2016, 2013/07/0156), und zwar nicht nur hinsichtlich der normativen Aussagen, sondern auch hinsichtlich der Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit. Der Gerichtshof übersieht aber nicht, dass die "sogenannte materielle Rechtskraft" ein "von der Lehre entwickelter Begriff" ist, der in der österreichischen Gesetzessprache nicht vorkommt (VwGH 26.09.1984, 84/11/0166).
Auch rechtswidrige Bescheide erwachsen in materielle Rechtskraft (VwGH 18.01.1971, 1311/70; 15.09.1978, 2300/77; 08.02.1994, 93/08/0166), oder anders ausgedrückt, die Gesetzwidrigkeit eines formell rechtskräftigen Bescheides bietet der Verwaltungsbehörde keine Handhabe, ihn aufzuheben oder abzuändern (VwSlg 956 A/1949). Es gehört zum Wesen der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft von Bescheiden, dass ein rechtskräftiger Bescheid selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht (VwGH 18.03.1994, 94/12/0034; 25.03.1997, 96/05/0262; 24.02.2006, 2005/12/0227; vgl. auch VwGH 23.05.2012, 2012/08/0022; 16.10.2017, Fe 2016/05/0001; Leeb, Bescheidwirkungen 20).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).
"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde (nunmehr das Bundesverwaltungsgericht) darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit nur die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 26.02.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169, 15.11.2000, 2000/01/0184).
Die Zurückweisung eines Anbringens gem. § 68 Abs. 1 AVG setzt zweierlei voraus: Zum einen muss sich der Antrag auf eine entschiedene Sache beziehen, die nur dann vorliegt, wenn sich gegenüber dem Bescheid, dessen Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, weder am erheblichen Sachverhalt noch an der maßgeblichen Rechtslage etwas geändert hat und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.07.1992, 92/06/0062; 27.05. 004, 2003/07/0100; 17.12.2009, 2008/22/0275; 13.05.2011, 2011/10/0040). Zum anderen muss die Partei einen rechtlichen Anspruch auf neuerliche Entscheidung in derselben Sache - sei es unter unzutreffendem Vorbringen (vermeintlich) geänderter Sach- oder Rechtslage oder unter einfachem Hinwegsetzen über den bereits rechtskräftig gewordenen Bescheid - geltend gemacht haben (VwGH 28.07.1995, 95/02/0082; 28.03.2000, 99/08/0284; 24.03.2004, 99/12/0114; vgl. auch FB VI 49; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 648 f; Walter/Thienel I2 AVG § 68 Anm 5), der ihr nicht zusteht (Thienel/Schulev-Steindl5 300).
Ob die Behörde ein Anbringen mit Bescheid gem. § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen hat, hängt nicht von seinem Wortlaut ab, sondern von seinem Zweck. Auch wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahingehend lautet, dass eine bereits entschiedene Sache wieder aufgerollt werden soll, es aber im Ergebnis darauf hinausläuft, sind die Voraussetzungen für die Zurückweisung wegen res iudicata gem. § 68 Abs. 1 AVG erfüllt (VwGH 11.12.1990, 90/05/0167; 21.06.2007, 2006/10/0093; 12.10.2010, 2009/05/0317). Auf eine solche neuerliche Aufrollung zielen also nicht nur Anbringen ab, mit denen expressis verbis die Abänderung eines Bescheides begehrt wird, sondern auch solche, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits entschiedenen Sache bezwecken (VwGH 03.11.2004, 2004/17/0215), ohne dass im Wortlaut des Begehrens ausdrücklich die nochmalige Aufrollung der Sache angesprochen wird (VwGH 22.11.2004, 2001/10/0035; 25.04.2006, 2006/06/0038).
Die Prüfung der Frage, ob der Antrag der Partei zurückzuweisen ist oder angesichts des geänderten Sachverhalts eine neuerliche Sachentscheidung ergehen soll, hat ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei bei der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde vorgebracht wurden (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0135). Daher muss die Partei, will sie eine neuerliche Entscheidung über einen abgewiesenen Anspruch herbeiführen, die wesentlichen neuen Umstände, welche die materielle Rechtskraft zu "durchbrechen" geeignet sind, selbst geltend machen. Fehlen solche Gründe im Parteienbegehren, ist die Behörde berechtigt, den neuerlichen Antrag wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs.1 AVG zurückzuweisen (VwGH 04.06.1991, 90/11/0229;
27.06.2001, 98/18/0297). In der Berufung (Beschwerde an das VwG gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (VwSlg 5642 A/1961; VwGH 28.11. 1968, 571/68;
04.06.1991, 90/11/0229).
Ob die Behörde über den neuerlichen Antrag selbst Erhebungen durchgeführt hat oder ob sie sich allein darauf gestützt hat, was von der Partei vorgebracht wurde, ist für die Frage der Zurückweisung wegen entschiedener Sache ohne Bedeutung (VwGH 10.06.1991, 89/10/0078; 27. 6. 2001, 98/18/0297; 24. 4. 2002, 2002/18/0039). Voraussetzung für eine Zurückweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG ist diesbezüglich nur, dass Identität der Sache vorliegt.
Wurde der Antrag von der Unterinstanz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, darf die Berufungsbehörde bzw. das VwG nur über die verfahrensrechtliche Frage der Zurückweisung absprechen und nicht darüber hinaus eine Sachentscheidung fällen. Für eine erstmalige Sachentscheidung ist die Rechtsmittelinstanz nicht zuständig, weil dadurch der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, der allein die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der meritorischen Behandlung des Antrages durch die Behörde zum Inhalt hat, unzulässigerweise überschritten würde (VwGH 29.09.2011, 2010/21/0249; VwSlg 19.009 A/2014). Kommt die Rechtsmittelinstanz zum Ergebnis, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt ist, hat sie den Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Unterinstanz in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelinstanz den gestellten Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; 13.10.2011, 2011/22/0247; VwSlg 18.230 A/2011).
Alle Parteien des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens haben gem. § 68 Abs. 1 AVG einen Rechtsanspruch gegenüber der Behörde (dem VwG) auf Beachtung der eingetretenen Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit; vgl. VwGH 10.06.1991, 89/10/0078; 09.07.1992, 92/06/0062; 12.12.2013, 2012/06/0208; Antoniolli/Koja 586). Deckt sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem Antrag, der dem Vorbescheid zugrunde lag, sind die mitbeteiligten Parteien berechtigt, bei Identität von Sach- und Rechtslage das Vorliegen der res iudicata einzuwenden. Allerdings steht der mitbeteiligten Partei aufgrund der durch den Umfang ihrer subjektiven Rechte beschränkten Mitsprachebefugnis das Recht, dass eine entschiedene Sache nicht neuerlich aufgerollt wird, nur dann und insoweit zu, als sie dadurch in diesen subjektiven Rechten berührt sein kann (VwGH 30.05.1995, 95/05/0049; 09.11.2004, 2003/05/0143).
Setzt sich die Behörde über das Recht der Partei(en) auf Beachtung der Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit) hinweg und erlässt sie in einer schon entschiedenen Sache nochmals gesetzwidrigerweise eine Sachentscheidung, nimmt sie eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch. Durch den inhaltlich rechtswidrigen Bescheid (VwGH 20.06.1985, 84/08/0099; 30.05.1955, 93/05/0023; 14.05.2003, 2000/08/0015) wird die Partei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (VfSlg 6930/1972; 10.086/1984). Eine neuerliche Entscheidung in derselben Sache ist nur amtswegig unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 bis 4 AVG oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung (vgl. § 68 Abs. 6 AVG) zulässig.
Wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, sind keine Unterlagen eingelangt, die eine Änderung der Sachlage darstellen. Es ist weder eine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umständen noch in der maßgebenden Rechtslage eingetreten. Die Angaben des Dienstgebers wurden in der Erstentscheidung vom 21.04.2016 berücksichtigt. Einer neuerlichen Sachentscheidung steht die Rechtskraft des Bescheides vom 21.04.2016 entgegen.
Die Beschwerde erweist sich aus den genannten Gründen als unbegründet und war daher abzuweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH vom 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Im vorliegenden Beschwerdefall handelt es sich ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen. Somit konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G302.2170021.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019