Entscheidungsdatum
26.11.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W215 1413538-3/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. STARK über die, durch mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, Zahl 790782706-181081763, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, Staatsangehörigkeit Republik Kasachstan:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 22 Abs. 10 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, und § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Kasachstan, reiste mit einem Schengen Visum in ihrem kasachischen Reisepass in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2009 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Nach Vorlage von mehreren XXXX
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.05.2010, Zahl 09 07.827-BAG, wurde der erste Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen. Die Beschwerdeführerin wurde in Spruchpunkt III. des Bescheides gemäß § 10 Abs. 1 Z 13 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kasachstan ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an den damals zuständigen Asylgerichtshof. Mit 01.01.2014 ging das Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht über.
Mit Beschluss vom 02.04.2015 bestellte das Bundesverwaltungsgericht einen Sachverständigen XXXX
Im daraufhin erstellten Gutachten vom XXXX wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich aus XXXX Bei der Beschwerdeführerin bestehe zudem keine Krankheit, die einer Überstellung entgegenstehen würde. Die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei hinsichtlich Tätigkeiten mit mäßig schwierigem geistigem Leistungsvermögen unter allgemein üblichen Zeitdruck und durchschnittlicher psychischer Belastung im Kundenkontakt und Bildschirmtätigkeit gegeben.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.09.2015 wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2015, Zahl W112 1413538-1/24E, bezüglich Spruchpunkt I. und II. des Bescheides gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde aufgehoben und das Verfahren gemäß
§ 75 Abs. 20 Z 1 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 eingerichtete Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Die Beschwerdeführerin befand sich von XXXX
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilte, im fortgesetzten Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, mit Bescheid vom 30.11.2016, Zahl 790782706-1165580, der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Kasachstan zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.).
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.06.2018, Zahl W215 1413538-2/14E, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 52 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen. Eine Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 18.06.2018 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Die Beschwerdeführerin kam nach rechtkräftigem Abschluss ihres ersten Asylverfahrens ihrer Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nach, blieb illegal im Bundesgebiet und in Grundversorgung.
2. Am 13.11.2018 stellt die Beschwerdeführerin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. In der am selben Tag erfolgten niederschriftlichen Befragung gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie keine neuen Fluchtgründe sowie bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, wie bereits im ersten Asylverfahren angegeben, keine Unterkunft habe und berief sich auf ihren Gesundheitszustand.
Am 21.11.2018 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Gründen für die Stellung ihres zweiten Antrages auf internationalen Schutz befragt. Vorab wurden die bereits im ersten Asylverfahren vorgelegten XXXX Die Beschwerdeführerin gab zusammengefasst an, dass sie nach wie vor an den bereits im ersten Asylverfahren angegeben Krankheiten leiden würde. Sie brachte weder neue Asylgründe, noch neue Unterlagen zu einer Integration in Österreich in Vorlage. Auch bezüglich des Umstandes, dass ihre Mutter und ihre Halbeschwester in Österreich, jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin, leben, hat sich nichts geändert. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, Zahl 790782706-181081763, erfolgte gemäß § 12a Abs. 2 AsylG die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß
§ 12 AsylG. Zur aktuellen Lage in der Republik Kasachstan wird aus dem mündliche verkündeten Bescheid zitiert und die folgenden Länderfeststellungen zugleich zum Inhalt dieses Beschlusses erklärt:
"Politische Lage
Das unabhängige Kasachstan hatte sich 1993 seine erste - parlamentarische - Verfassung gegeben. Schon 1995 wurde sie durch eine neue Konstitution ersetzt, die, orientiert an der französischen, einen starken Präsidenten etabliert. Durch mehrere Verfassungsänderungen wurden dessen Kompetenzen auf Kosten von Regierung und Parlament noch erweitert (GIZ 6.2018a).
Mit der am 10. März 2017 verabschiedeten Verfassungsreform erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung. Zudem soll mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt werden. Auch nach der Reform bleiben weitreichende Vollmachten beim Präsidenten: Er ist dem Parlament gegenüber politisch nicht verantwortlich (Präsidentenanklage nur wegen Hochverrats). Auch nach dem Ende seiner Amtszeit genießt er verfassungsmäßig garantiert umfangreiche Immunitäten und das Recht, auf die kasachische Politik Einfluss zu nehmen ("Führer der Nation" seit Mai 2010). 2007 wurde zwar die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre bei nur einer möglichen Wiederwahl reduziert. Präsident Nasarbajew jedoch wurde als "Erster Präsident" Kasachstans von dieser Wiederwahlbeschränkung durch Ausnahme in der Verfassung befreit. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei Nur-Otan, die 1999 gegründet wurde und 2005 mit drei anderen Parteien fusionierte. Von einer echten Opposition kann in Kasachstan nicht gesprochen werden (AA 3.2018a).
Jegliche Art der Gewaltenteilung (checks and balances) im Sinne der Kontrolle der Exekutive ist extrem schwach. Die Exekutive beherrscht alle übrigen Bereiche der Regierung und innerhalb der Exekutive wiederum dominiert der Präsident mit seiner engsten Entourage und der Präsidialverwaltung. Während das gegenwärtige Regime relativ stabil ist, verhindert es das Entstehen neuer politischer Kräfte, verlangsamt die Entwicklung einer Mittelklasse und schafft auf lange Hinsicht Stabilitätsrisiken (BTI 2018).
Die prägende Gestalt des unabhängigen Kasachstan ist Nursultan Nasarbajew. Als Parteichef der KasSSR wurde er 1990 zunächst vom Obersten Sowjet der Unionsrepublik ins neu geschaffene Amt des Präsidenten gewählt und am 1.12.1991 als einziger Kandidat von der Bevölkerung in diesem Amt bestätigt und hat es seither ununterbrochen inne (1995 Verlängerung der Amtszeit per Referendum; 1999 und 2005 reguläre Präsidentschaftswahlen, 2011 um ein Jahr vorgezogene Wahlen). Im Februar 2015 wurden extrem kurzfristig wiederum um ein Jahr vorgezogene Wahlen für den 26.4.2015 angekündigt. Erwartungsgemäß hieß der Sieger erneut Nursultan Nasarbajew. Seine beiden Gegenkandidaten waren in der Bevölkerung unbekannt und ließen auch keinen Zweifel daran, dass sie den Amtsinhaber für die bessere Wahl hielten (GIZ 6.2018a). Nasarbajew wurde mit 97,75% im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 95% (IFES 2018a). Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden regulär 2020 statt (AA 3.2018a).
Senat (Oberhaus) und Mazhilis (Unterhaus) sind die beiden Häuser des Parlaments. Der Senat setzt sich aus 47 Senatoren zusammen: Je Verwaltungsgebiet (Oblast) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslikhate) gewählt; 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt. Bei vorgezogenen Unterhauswahlen am 20. März 2016 hat die Präsidentenpartei "Nur Otan" mit 82,15% den erwarteten Wahlsieg errungen.
Oppositionsparteien boten keine ernst zu nehmende politische Alternative zur dominierenden Präsidentenpartei. Die Kommunistische Volkspartei (7,14%) und die wirtschaftsliberale Partei "Ak Zhol" (7,18%) haben neben "Nur Otan" die 7%-Sperrklausel überwunden. Beide Parteien waren bereits im vorherigen Parlament vertreten (AA 3.2018a). Von den 98 Sitzen des Unterhauses fielen 84 auf "Nur Otan", und je sieben auf die "Kommunistische Volkspartei" sowie auf die "Demokratische Partei Ak Zhol" (IFES 2018b). Die OSZE konstatierte zwar einige Fortschritte, doch hätte das Land noch Wesentliches vor sich, um die OSZE-Verpflichtungen für die Durchführung demokratischer Wahlen zu erfüllen. Der rechtliche Rahmen schränkt die grundlegenden politischen und Bürgerrechte ein, was eine umfassende Reform von Nöten macht. Am Wahltag selbst kam es zu ernsten prozeduralen Fehlern und Unregelmäßigkeiten (OSCE 21.3.2016).
Ende April 2016 kam es in ganz Kasachstan zu zahlreichenden Demonstrationen, gegen eine geplante Landreform, welche von den Gegnern als Ausverkauf kasachischen Bodens an ausländische Investoren aufgefasst wurde (Erhöhung der Pachtdauer von 10 auf 25 Jahre). In mehreren Städten sollen jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Personen teilgenommen haben Die Regierung dementierte, dass dies faktisch dem Verkauf von Land gleichkäme. Präsident Nasarbajew forderte, Provokateure, die bewusst Gerüchte über den Verkauf von Agrarland streuen, streng zu bestrafen. (BBC 28.4.2016; vgl. ZA 27.5.2016). In der Folge suspendierte die Regierung die Änderungen des Landrechts (ODF 20.5.2016), nachdem Präsident Nasarbajew am 5.5.2016 sein Veto bis zur "weiteren Klarstellung" eingelegt hatte. Am selben Tag entließ Nasarbajew den Wirtschaftsminister, dessen Stellvertreter sowie den Landwirtschaftsminister, weil sie es verabsäumt hätten, der Bevölkerung die diesbezügliche Regierungspolitik zu erklären (JF 16.5.2016; vgl. ZA 16.2.2017).
2017 war die Lage in Kasachstan innenpolitisch - im Gegensatz zum eher unruhigen Vorjahr - stabil (AA 3.2018a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 24.5.2018
BBC.news (28.4.2016): Kazakhstan's land reform protests explained, http://www.bbc.com/news/world-asia-36163103, Zugriff 5.6.2018
BTI - Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Kazakhstan Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427412/488344_en.pdf, Zugriff 25.5.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Kasachstan, Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018
IFES - International Foundation for Electoral Systems (2018a):
Election Guide: Republic of Kazakhstan, Election for President, http://www.electionguide.org/elections/id/2612/, Zugriff 5.6.2018
IFES - International Foundation for Electoral Systems (2018b):
Election Guide: Republic of Kazakhstan, Election for Parliament, http://www.electionguide.org/elections/id/2904/, Zugriff 5.6.2018
JF - Jamestown Foundation (16.5.2016): Land Protests Testify to Kazakhstan's Internal Vulnerability, https://jamestown.org/program/land-protests-testify-to-kazakhstans-internal-vulnerability/, Zugriff 5.6.2018
ODF - Open Dialog Foundation (20.5.2016): Mass arrests and threats on the eve of rallies of 21th May: We urge to prevent recurrence of Zhanaozen tragedy,
http://en.odfoundation.eu/a/7528,mass-arrests-and-threats-on-the-eve-of-rallies-of-21th-may-we-urge-to-prevent-recurrence-of-zhanaozen-tragedy, Zugriff 5.6.2018
OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (21.3.2016): Republic of Kazakhstan - Early Parliamentary Elections, 20 March 2016; Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/kazakhstan/229101?download=true, Zugriff 5.6.2018
ZA - Zentralasien Analysen (27.5.2016): Zentralasien-Analysen Nr.101, Chronik Kasachstan 23. April - 20.Mai 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen101.pdf, Zugriff 6.7.2018
ZA - Zentralasien Analysen (16.2.2017): Chronik: Kasachstan im Jahr 2016, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2016.pdf, Zugriff 13.7.2018
Sicherheitslage
Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren islamistisch-terroristische Anschlägen in Kasachstan. Daraufhin wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetzes verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2018a).
2016 kam es zu den ersten größeren Anschlägen seit 2011 (USDOS 19.7.2017). Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Menschen getötet wurden. Zwei Dutzend junger Männer überfielen zwei Waffengeschäfte, dann einen Posten der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen (FR 6.6.2016; vgl. ZA 30.6.2016). Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Soldaten der Nationalgarde (RFE/RL 7.6.2016). Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet (RFE/RL 10.6.2016). Die Staatsführung stufte beide Ereignisse als terroristische Akte ein und beschuldigte ausländische Akteure, obwohl die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zu ausländischen terroristischen Organisationen ergaben (USDOS 19.7.2017). So brachte etwa Präsident Nasarbajew die Anschläge mit den Farbrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan 2010 in Verbindung (ZA 30.6.2016).
Am 18.7.2016 stürmte ein bewaffneter, offenbar islamistischer Einzeltäter mit krimineller Vergangenheit das Bezirkshauptquartier der Polizei in Almaty und tötete fünf Menschen - darunter drei Polizisten - und verletzte drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich (GIZ 6.2018a; vgl. ZA 29.7.2016). Der Hauptangeklagte des Anschlages wurde später zum Tode verurteilt (AA 3.2018a).
Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Die Regierung hat schon seit langem die Möglichkeit einer Rückkehr ausländischer Terroristen aus dem Irak und Syrien befürchtet, doch haben die Anschläge vom Juni und Juli die Aufmerksamkeit der Regierung wieder verstärkt auf einheimische gewalttätige Extremisten gelenkt. Um dieser Bedrohung besser zu begegnen, änderte die Regierung die Anti-Terror-Gesetzgebung. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 19.7.2017).
Im September 2016 wurde offiziell mitgeteilt, dass durch die Gerichte Kasachstans zahlreiche Urteile im Zusammenhang mit Förderung von "Extremismus" und Terrorismus, sowie zu militanten Tätigkeiten in Syrien, sowie wegen Rekrutierung von Terroristen verhängt worden sind. Innerhalb von fünf Jahren wurden 64 terroristische Anschläge vereitelt und 445 Terroristen verurteilt, darunter 33 Heimkehrer aus Konfliktregionen (USDOS 19.7.2017).
Wurde im April 2015 die Zahl der Kasachen in Syrien mit 350 Personen angegeben (150 Kämpfer, der Rest Familienmitglieder) (USDOS 2.6.2016), wurden 2017 keine dahingehenden offiziellen Schätzungen abgegeben (USDOS 19.7.2017). US-amerikanische Quellen schätzten im Oktober 2017 die Zahl der kasachischen Staatsbürger unter den IS-Kämpfern auf 500 (ZA 27.1.2018).
Die Sicherheitslage in Kasachstan kann im Vergleich zu den Nachbarländern als stabil bezeichnet werden (BMEIA 25.4.2018). 2017 gab es keine islamistischen Anschläge (GIZ 6.2018a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 4.6.2018
BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.4.2018): Kasachstan, Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan/, Zugriff 4.6.2018
FR - Frankfurter Rundschau (6.6.2016): Terroranschlag in Kasachstan, http://www.fr-online.de/politik/kasachstan-terroranschlag-in-kasachstan,1472596,34332014.html, Zugriff 4.6.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Kasachstan, Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (10.6.2016): Kazakh Security Forces Kill Five Suspected Militants In Aqtobe, http://www.rferl.org/content/kazakhstan-aqtobe-militant-suspects-killed/27789949.html, Zugriff 4.6.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.6.2016): Kazakh Officials: Death Toll From Aqtobe Attacks Reaches 19, http://www.rferl.org/content/krygyzstan-high-alert-attacks-kazakhstan/27783461.html, Zugriff 4.6.2018
USDOS - US Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1404719.html, Zugriff 4.6.2018
USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Kazakhstan, http://www.ecoi.net/local_link/324728/464426_de.html, Zugriff 4.6.2018
ZA - Zentralasien Analysen (27.1.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2017.pdf, Zugriff 6.7.2018
ZA - Zentralasien Analysen (29.7.2016): Zentralasien-Analysen Nr.103 - 104, Chronik Kasachstan 25. Juni - 22. Juli 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen103-104.pdf, Zugriff 6.7.2018
ZA - Zentralasien Analysen (30.6.2016): Zentralasien-Analysen Nr.102, Chronik Kasachstan 21. Mai - 24. Juni 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen102.pdf, Zugriff 6.7.2018
Rechtsschutz/Justizwesen
Das Gesetz sieht keine unabhängige Justiz vor. Diese wird in der Praxis von der Exekutive eingeschränkt. Überdies dominiert der Staatspräsident generell die Justiz. Die Rekrutierung von Richtern ist von Korruption geplagt, und bedingt oftmals die Bestechung hochrangiger Beamter (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).
Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes und jene der lokalen Gerichte sowie die Mitglieder des Obersten Justizrates. Zwar sieht die Verfassung die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit des Gerichtswesens vor, doch in der Praxis ist die Justiz der Exekutive dienlich und schützt die Interessen der herrschenden Eliten. Zusammen mit der allgegenwärtigen Korruption der Gerichte führt dies zu geringem Vertrauen und Erwartungen der Öffentlichkeit in die Justiz (FH 2018).
Angeklagte genießen die Unschuldsvermutung. Für Verbrechen, welche mit der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie für schwere Verbrechen wie Menschenhandel und die Beteiligung Minderjähriger an kriminellen Aktivitäten, sind Geschworenenprozesse vorgesehen. Aktivisten kritisieren jedoch, dass Geschworene durch Richter, Experten und Zeugen Druck ausgesetzt sind und bei Nichtumsetzung richterlicher "Empfehlungen" kann die Jury leicht aufgelöst werden. Angeklagte in Strafsachen, welche über wenig Einkommen verfügen, haben das Recht auf Beratung und einen von der Regierung zur Verfügung gestellten Anwalt. Laut Beobachtern dominieren Staatsanwälte die Prozesse und Verteidiger spielen eine untergeordnete Rolle. Angeklagte haben das Recht, eine Entscheidung vor einem höheren Gericht anzufechten. Das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit bleibt ein Problem, insbesondere in einigen politisch motivierten Prozessen mit Oppositionellen und in Fällen, in denen es Vorwürfe unzulässiger politischer oder finanzieller Einflussnahme gibt. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter fehlender Zugang zu Gerichtsverfahren, mangelnder Zugang zu staatlichen Beweismitteln, häufige Verfahrensverstöße, Verweigerung von Verteidigungsanträgen und das Versäumnis von Richtern, Vorwürfen gegen die Behörden bezüglich erzwungener Geständnisse nachzugehen. Korruption ist in gerichtlichen Verfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am höchsten bezahlten Regierungsangestellten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Die Staatsanwälte haben eine quasi-richterliche Funktion und sind befugt, Gerichtsentscheidungen auszusetzen. Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden Haftanträge der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ausgestellt. Die Staatsanwälte haben die Macht, Untersuchungen und Festnahmen zu autorisieren. Im ersten Halbjahr 2017 wurden 32 Richter wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft: Zwölf Richter wurden verwarnt, vierzehn gerügt und sechs wurden entlassen (USDOS 20.4.2018)
Nach wie vor kommen Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich vor. In Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Reformanstöße von innen und außen werden zögernd angenommen und umgesetzt (AA 3.2018a).
Fast zwei Drittel der Bürger empfinden die Justiz als korrupt (BTI 2018).
Unternehmen zögern, sich an Gerichte zu wenden. Ausländischen Unternehmen war in der Vergangenheit bei der Anfechtung staatlicher Vorschriften und bei Vertragsstreitigkeiten wenig Erfolg beschieden (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018
BTI - Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Kazakhstan Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427412/488344_en.pdf, Zugriff 25.5.2018
FH - Freedom House (2018): Nations in Transit 2018 - Kazakhstan, https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2018/kazakhstan, Zugriff 5.6.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 25.5.2018
Sicherheitsbehörden
Die Zentralregierung hat das Gewaltmonopol inne. Das Nationale Sicherheitskomitee (KNB), [der kasachische Inlandsgeheimdienst], ist weiterhin die Hauptinstitution, die für die nationale Sicherheit verantwortlich ist und eng mit dem Innenministerium zusammenarbeitet (BTI 2018). Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert (USDOS 20.4.2018).
Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die Polizei, die vor allem für die nationale Sicherheit verantwortlich ist. Das KNB spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze, bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei Anti-Terror-Maßnahmen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z. B. extremistische, militaristische, politische, religiöse Gruppierungen und Gewerkschaften. Der KNB, wie auch der kasachische Auslandsgeheimdienst Syrbar und die Agentur für den öffentlichen Dienst und Korruptionsbekämpfung legen deren Berichte direkt dem Präsidenten vor. Von vielen Ministerien werden Blogs unterhalten, in welchen Bürger Beschwerden einreichen können. (USDOS 20.4.2018).
Am 4.7.2017 unterzeichnete Präsident Nasarbajew Gesetzesänderungen zur Reform der Strafverfolgungsbehörden. Eine dieser Gesetzesänderungen erteilt dem KNB die Befugnis, Korruption durch Beamte der Geheimdienste, des Antikorruptionsbüros und des Militärs zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).
Korruption unter den Gesetzesvollzugsorganen ist weit verbreitet. Personen, die verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt. Die Strafprozessordnung verpflichtet die Polizei, Verhaftete über ihre Rechte aufzuklären. Weiters erlaubt das Gesetz der Polizei, einen Gefangenen bis zu 72 Stunden vor der Anklage festzuhalten. Menschenrechtsbeobachter kritisieren diese Zeitperiode als zu lange und sie sind der Meinung, dass diese Zeit genutzt wird, um Druck auszuüben und ein Geständnis zu erpressen. Durch die Staatsanwaltschaft wurde in den ersten sechs Monaten des Jahres von fünf Vorfällen willkürlicher Festnahme und Inhaftierung berichtet (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
BTI - Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Kazakhstan Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427412/488344_en.pdf, Zugriff 25.5.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 25.5.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet Folter; dennoch existieren Berichte, dass Häftlinge von Polizei- und Strafvollzugsbeamten gefoltert und misshandelt worden wären (USDOS 20.4.2018).
Am 23.11.2016 drängte die EU im Zuge der Aufnahme engerer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit Kasachstan auf konkrete Maßnahmen zur Lösung dringender Menschenrechtsprobleme. Die Untersuchung von Folter- und Misshandlungsvorwürfen bleibt trotz positiver Gesetzesänderungen bei der Meldung und Untersuchung von Straftaten wirkungslos, und Straflosigkeit ist nach wie vor die Regel. Der Kern des Problems liegt in der Zurückhaltung der Behörden, das Strafverfolgungssystem der öffentlichen Kritik auszusetzen (OMCT 23.11.2016).
Der Ombudsmann verzeichnete im Jahr 2016 über 106 Beschwerden über Folter, Gewalt und andere grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen und berichtete dass trotz einiger Fortschritte die Probleme mit Menschenrechtsverletzungen in den provisorischen Haftanstalten nach wie vor gravierend sind. (USDOS 20.4.2018).
Für 2016 wird von mehr als 1.500 Fällen von Folter in kasachischen Gefängnissen berichtet (ZA 27.1.2018).
Amnesty International berichtet, dass die kasachische Generalstaatsanwaltschaft offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2016 insgesamt 700 Anzeigen wegen mutmaßlicher Folter in Haftanstalten erhalten habe und dass in den vergangenen fünf Jahren 158 Beamte wegen Folter schuldig befunden worden seien (AI 22.2.2018).
Quellen:
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425446.html, Zugriff 5.6.2018
OMCT World Organisation Against Torture (23.11.2016): Kazakhstan: EU urged to insist on concrete measures to address pressing human rights issues,
http://www.omct.org/human-rights-defenders/urgent-interventions/kazakhstan/2016/11/d24070/, Zugriff 22.6.2018
OMCT World Organisation Against Torture, IPHR; Koalitsiya Protiv Pytok (25.2.2016): Follow-up to the United Nations Committee Against Torture's Concluding Observations on Kazakhstan, (veröffentlicht von OMCT),
http://www.omct.org/monitoring-protection-mechanisms/reports-and-publications/kazakhstan/2016/02/d23634/, Zugriff 22.6.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 25.5.2018
ZA - Zentralasien Analysen (27.1.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2017.pdf, Zugriff 6.7.2018
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Nichtregierungsorganisationen gibt es im ganzen Land; Schwerpunkt ist Almaty. Die Finanzierung erfolgt überwiegend aus dem Ausland (z.B. Freedom House, Soros-Stiftung oder staatliche Stellen) oder durch die kasachische Regierung. NGOs erhalten nur dann staatliche Zuwendungen, wenn sie von den Behörden gestellte Auflagen erfüllen (AA 3.2018a).
Im NGO-Finanzierungsgesetz von 2015 verabschiedete das Parlament neue Gesetzesbestimmungen hinsichtlich der Finanzierung, Registrierung und Buchführung von NGOs. NGOs, deren Zweigstellen und Vertretungsbüros zu ausländischen und internationalen nichtkommerziellen Organisationen gehören, sind aufgefordert, Informationen über ihre Aktivitäten inklusive ihre Gründer, Finanzquellen und Ausgaben zu liefern. Nicht näherbestimmte "autorisierte Institutionen" können eine Überprüfung der übermittelten Informationen einleiten, wenn Berichte in Massenmedien oder Beschwerden vorliegen. Verspätete oder unrichtige Informationen stellen eine Verwaltungsübertretung dar und können mit bis zu 159 US-Dollar Strafe geahndet werden oder zu einer Suspendierung von drei Monaten führen. Bei einer Einschätzung als Straftat kann die betreffende Organisation sogar geschlossen werden. Das Gesetz verbietet zudem die unrechtmäßige Einmischung von öffentlichen Vereinigungen in die Arbeit der Regierung, was zu einer Geldbuße in der Höhe von bis zu 1.910 US-Dollar oder einer Haft von bis zu 75 Tagen führen kann. Für den Vorsitzenden einer Organisation ist das Strafausmaß noch höher. Der Begriff "illegale Einmischung" ist im Gesetz nicht klar definiert (USDOS 20.4.2018).
Das EU-Parlament brachte im April 2016 seine tiefe Besorgnis hinsichtlich des Gesetzes über NGOs zum Ausdruck, da es die Unabhängigkeit unterminiere oder gar das Bestehen der NGOs selbst gefährde. Das EU-Parlament rief Kasachstan zur Revision des Gesetzes auf (EP 13.4.2016).
Im Juni 2017 rief die NGO International Commission of Jurists die kasachstanischen Behörden dazu auf, sich nicht in die Arbeit unabhängiger Rechtsanwälte einzumischen (ZA 27.1.2018).
Einige internationale und heimische Menschenrechtsgruppen arbeiten im Allgemeinen effektiv mit einem gewissen Grad an Freiheit, Untersuchungen bei Menschenrechtsverletzungen durchzuführen und Ergebnisse zu veröffentlichen. Doch einige Restriktionen bleiben bestehen. Internationale und lokale Menschenrechtsgruppen berichten, dass die Regierung die NGO-Aktivitäten bei sensiblen Themen überwacht, und es zu Belästigungen, inklusive Besuche durch die Polizei, kommt (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018
EP - European Parliament (13.4.2016): Implementation and review of the EU-Central Asia Strategy, European Parliament resolution of 13 April 2016 on implementation and review of the EU-Central Asia Strategy (2015/2220(INI)) [P8_TA-PROV(2016)0121], http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2016-0121+0+DOC+PDF+V0//EN, Zugriff 25.5.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 25.5.2018
ZA - Zentralasien Analysen (27.1.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/, Zugriff 6.7.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Die aktuelle Menschenrechtslage in Kasachstan ist nicht zufriedenstellend und bleibt hinter internationalen Standards und Verpflichtungen zurück (AA 3.2018).
Während von der kasachischen Regierung international hochkarätige Veranstaltungen wie die EXPO 2017, wie auch mehrere Runden der Syrien-Friedensgespräche veranstaltet wurden, verschlechterte sich ihre Menschenrechtsbilanz im Kasachstan weiter. Von den Behörden werden unabhängige Gewerkschaftsaktivitäten unterdrückt und die Behörden richten sich weiterhin mit politisch motivierten Anklagen und anderen Schikanen gegen Regierungskritiker und Journalisten. Mehrere zu Unrecht inhaftierte Aktivisten und Gewerkschaftsführer bleiben inhaftiert. Straflosigkeit für Folter und Misshandlung in der Haft bleibt bestehen (HRW 18.1.2018).
Das Europäische Parlament (EP), forderte eine Umkehr der negativen Tendenzen in Bezug auf die Freiheit der Medien, die freie Meinungsäußerung, sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und die Religionsfreiheit und zeigte sich besorgt über die Einschränkung der Freiheit der Medien, über die Einschränkung der Freiheit der Medien, der freien Meinungsäußerung, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und der Religionsfreiheit, mittels restriktiver Rechtsvorschriften, Druck, Zensur und der strafrechtlichen Verfolgung von Aktivisten (EP 12.12.2017).
Zu den wichtigsten Menschenrechtproblemen gehören Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Bürger, eine weit verbreitete Korruption und Misshandlung durch Strafverfolgungs- und Justizbeamte, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, harte und manchmal lebensbedrohliche Haftbedingungen, Folter sowie andere Misshandlungen von Häftlingen und Gefangenen, sowie willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen (USDOS 20.4.2018).
2014 trat der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) in Kraft. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt (USDOS 20.4.2018).
Die Meinungs- und Medienfreiheit wird rechtlich und faktisch erheblich eingeschränkt. Der Großteil der Medien wird direkt oder indirekt staatlich finanziert. Dadurch kommt es, trotz verfassungsmäßig garantierter Pressefreiheit, häufig zu Selbstzensur. Die Versammlungsfreiheit wird restriktiv gehandhabt. Die Religionsfreiheit ist für traditionelle und nicht traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Im Rechtsbereich kommen nach wie vor Korruption und politische Intervention vor. Im Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Seit 2003 gilt ein Moratorium für die Todesstrafe (AA 3.2018a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018
EP - European Parliament (12.12.2017): Abkommen EU/Kasachstan über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit (Entschließung) [2016/0166(NLE) -2017/2035(INI], http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2017-0485+0+DOC+PDF+V0//DE, Zugriff 6.7.2018
HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422436.html, Zugriff 22.6.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 5.6.2018
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist für traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Voraussetzung für die freie Religionsausübung ist zumeist eine staatliche Registrierung und Beachtung verschiedener Auflagen. In letzter Zeit kam es wiederholt zu international und national kritisierten juristischen Verfahren gegen Vertreter unterschiedlicher Religionen bzw. gegen Gemeinschaften. Die kasachische Regierung betont ausdrücklich die Bedeutung der religiösen Vielfalt (AA 3.2018a).
Laut Schätzungen waren 2016 von den rund 18,5 Millionen Einwohnern Kasachstans 70% sunnitische Muslime, die meisten der Hanafi Schule angehörend. Andere islamische Gruppen, wie die Schiiten, umfassen zusammen weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Die russisch-orthodoxen Christen machen circa 26% aus. Andere Gemeinschaften umfassen weniger als 3% der Bevölkerung (USDOS 29.5.2018).
Kasachstan ist laut Verfassung ein säkularer Staat, Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung der Religionen sind garantiert. Politisch-religiöse Vereinigungen sind verboten (GIZ 6.2018b).
Religiöse Gruppen müssen sich per Gesetz beim Justizministerium registrieren lassen. Die Zugehörigkeit zu einer nicht registrierten religiösen Gruppe ist nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten strafbar. Religiöse Gruppen durften ihren Glauben nur an staatlich genehmigten Orten praktizieren. Zusammenkünfte religiöser Art und die Verteilung religiöser Schriften an nichtgenehmigten Orten wurden mit hohen Geldstrafen geahndet (AI 22.2.2018).
Der Islam wird von der Führung für das "State- und Nationbuilding" verwendet. Seit der Unabhängigkeit wurden mit staatlichem Segen neue Moscheen errichtet. Islamische Feiertage werden eingehalten. Kasachstan ist Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) und hatte dort 2011 sogar den Vorsitz inne. Daneben besteht ein Volksislam, der manches Element der vorislamischen Zeit enthält. Er wird eher kulturell, als streng den religiösen Geboten folgend, gelebt. Im Alltagsleben der Städte spielt der Islam noch kaum eine Rolle, in den traditionelleren Dörfern des Südens ist er stärker verankert, wobei es auch zu Konflikten zwischen den Bestimmungen des säkularen Staates und den religiösen Regeln kommt. Neue, sich unabhängig vom staatlich tolerierten Islam entwickelnde Bekenntnisse zum Islam, werden allerdings kritisch gesehen (GIZ 6.2018b).
Der Pressedienst des Ministeriums für Religionsangelegenheiten und Zivilgesellschaft berichtet, dass die geistliche Direktion der kasachischen Muslime (DSKM) das Verbot des Tragens eines Hidschabs oder des Kopftuches an Schulen, an denen Uniformen getragen werden, unterstützt. Das Verbot war bereits im Januar 2016 verabschiedet worden. Gleichzeitig empfiehlt die DSKM muslimischen Frauen nach Erreichen der Volljährigkeit in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen (ZA 29.6.2018).
Die christliche russisch-orthodoxe Kirche hat im Staat besondere Bedeutung, erst vor zwei Jahren wurde etwa in Astana eine prächtige (von Gazprom gesponserte) russisch-orthodoxe Kathedrale neu eröffnet. In Karaganda wurde ebenfalls vor zwei Jahren eine (vorwiegend aus österreichischen Spendenmitteln finanzierte) katholische Kathedrale neu eröffnet. Man kann davon ausgehen, dass die ethnisch russische Minderheit (ca. 4 Millionen, knapp 30% der Bevölkerung) russisch-orthodox ist. Römisch-katholische Christen zählen etwa 150.000, sie sind v.a. Nachkommen nach Kasachstan exilierter/vertriebener Osteuropäer (v.a. Polen). Es kann keinesfalls von einer Verfolgung der christlichen Bevölkerungsgruppe in Kasachstan gesprochen werden (ÖB Astana 16.2.2015).
Durch die Emigration von vor allem Russen und Ukrainern ist die Zahl der nominell wie tatsächlich russisch-orthodoxen Gläubigen stark zurückgegangen. Gleiches gilt für Protestanten und Katholiken durch die Aussiedlung von Deutschen und Polen. Das Verhältnis zwischen Islam und christlichen Kirchen ist entspannt. Sogenannte "nichttraditionelle Religionen" - Scientology, Hare Krishna, Mormonen - hatten und haben Zulauf, was Widerspruch bei den Amtsträgern der traditionellen Glaubensrichtungen hervorruft und den Staat zum Handeln veranlasst hat. Beobachter beklagen den Versuch des Staates, auch religiöse Angelegenheiten traditioneller Glaubensrichtungen zu kontrollieren (GIZ 5.2018b).
Religiöse Gruppen sind angehalten, sich bei lokalen-, regionalen- oder nationalen Stellen des Justizministeriums zu registrieren. Dabei sind - je nach Verwaltungsorganisation - verschiedene Mitgliederzahlen für eine Registrierung erforderlich. Auf lokaler Ebene sind 50, auf regionaler Ebene 500 und auf nationaler Ebene 5000 Mitglieder erforderlich, um registriert zu werden.
Viele Gruppen konnten diese Schwellenwerte nicht erreichen und so ist die Zahl registrierter Religionsgemeinschaften im Land stark zurückgegangen. Von 48 "nicht-traditionellen religiösen Organisationen" wurden nur 16 neu registriert. Die Union der evangelisch-christlichen Baptisten mit 11.000 Mitgliedern verweigerte aus Gewissensgründen eine Registrierung. Schiiten und Ahmadis wurden für eine Registrierung abgelehnt.
Seit 2013 erfolgt eine Registrierung muslimischer Gruppen nur noch, wenn sie dem staatlich unterstützten muslimischen Vorstand angehören (USCIRF 3.2018).
Im Dezember 2015 bestätigten die Gerichte hohe Geldstrafen gegen zwei Zeugen Jehovas und einen Rentner, wegen Gesprächen über ihren Glauben in der Öffentlichkeit (USCIRF 4.2018). Ein Gericht in Astana verurteilte im Mai 2017 einen Zeugen Jehovas wegen des unerlaubten Abhaltens einer "Versammlung" zu einer Haftstrafe von fünf Jahren. Ende Juni 2017 wurde auf Beschluss eines Gerichts in Almaty das Gebietsbüro der Zeugen Jehovas aus unbekannten Gründen für drei Monate geschlossen und eine hohe Geldstrafe gegen die Religionsgemeinschaft verhängt (ZA 27.1.2018).
Nach NGO-Angaben waren 2017 insgesamt 279 Verwaltungsstrafverfahren mit religiösem Hintergrund bekannt. 259 davon endeten mit Strafen, einschließlich Geldstrafen, einer kurzfristigen Gefängnisstrafe, Abschiebungen, Gottesdienstverboten, Beschlagnahmungen und der Vernichtung religiöser Literatur (Forum 31.1.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425446.html, Zugriff 5.6.2018
Forum 18 (31.1.2018): 279 administrative prosecutions in 2017 - list, https://www.ecoi.net/de/dokument/1423661.html, Zugriff 5.6.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2016b): Kasachstan, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kasachstan/gesellschaft/, Zugriff 5.6.2018
HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422436.html, Zugriff 22.6.2018
ÖB Astana (16.2.2015): Anfragebeantwortung, GZ: Astana-ÖB/RECHT/0014/2015, via E-Mail
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2018):
United States Commission on International Religious Freedom 2018 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435661/1930_1529395242_tier2-kazakhstan.pdf, Zugriff 6.7.2018
USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436797.html, Zugriff 18.6.2018
ZA - Zentralasien Analysen (29.6.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2018,
http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2018.pdf, Zugriff 13.7.2018
ZA - Zentralasien Analysen (27.1.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2017,
http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2017.pdf, Zugriff 6.7.2018
Relevante Bevölkerungsgruppen
Laut Schätzung (2009) sind 63,1% der Einwohner Kasachstans ethnische Kasachen; 23,7% Russen; 2,9% Usbeken; 2,1% Ukrainer; 1,4% Uiguren; 1,3% Tataren; 1,1% Deutsche und 4,4% gehören anderen Ethnien an (CIA 12.7.2018; vgl. ASRK 2011). Von 1999 bis 2009 nahm der Anteil der Kasachen hierbei von 53,5 auf 63,1% zu, jener der Russen als zweitgrößter Gruppe schrumpfte im gleichen Zeitraum von 29,9 auf 23,7%. Mit Ausnahme der Usbeken, haben sich die Anteile aller Minderheiten an der Gesamtbevölkerung verkleinert, auch jener Minderheiten, die in absoluten Zahlen gewachsen sind (ASRK 2011).
Kasachstan ist nicht nur das neuntgrößte Land der Erde, auf seinem Territorium leben auch Angehörige von 120 Nationalitäten. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Sprachen, Religionen, Traditionen und Kulturen - auch wenn früher das "Sowjetische" und heute zunehmend das "Kasachische" im Vordergrund steht. Nach der Unabhängigkeit hat es eine starke Emigration vieler nichtkasachischer Nationalitäten (Russen, Deutsche, Polen u.v.a.) gegeben, gleichzeitig kehrten Kasachen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, der Mongolei und China in ihre "historische Heimat" zurück. Das Zusammenleben war seit der Unabhängigkeit nicht problemfrei, aber abgesehen von ganz kleinen, lokal begrenzten Auseinandersetzungen, friedlich. Nicht nur in der Verfassung, sondern auch in der Realität genossen die Nationalitäten Schutz; Eintracht zwischen den Nationalitäten war ausdrückliches Politikziel. In den letzten Jahren lässt sich aber deutlich eine "Kasachisierungs"-Tendenz erkennen. Nach der Unabhängigkeit wurde Kasachisch in der Verfassung zur Staatssprache erhoben, Russisch erhielt aber eine herausgehobene Sonderrolle als Sprache der interethnischen Kommunikation. Durch die Ereignisse in der Ukraine reagiert das offizielle Kasachstan derzeit sehr nervös auf vereinzelte Forderungen nach Autonomie oder Anschluss an Russland. Offenbar ausgelöst durch die aktuelle Wirtschaftskrise ist seit 2015 eine neue Ausreisewelle von Russen zu beobachten (GIZ 6.2018b).
Quellen:
ASRK - The Agency on Statistics of the Republic of Kazakhstan (2011): Results of the 2009 National Population Census of the Republic of Kazakhstan - Analytical Report, https://www.liportal.de/fileadmin/user_upload/oeffentlich/Kasachstan/40_gesellschaft/Kaz2009_Analytical_report.pdf, Zugriff 22.6.2018
CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, Kazakhstan,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kz.html, Zugriff 13.7.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018b): Kasachstan, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kasachstan/gesellschaft/#c62829, Zugriff 13.7.2018
Frauen
Knapp 52% der Bevölkerung Kasachstans sind Frauen. Sie sind im sozialen Leben und auf der Einkommensskala nicht gleichberechtigt und in Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft trotz ihrer relativ hohen Bildungs- und Erwerbstätigkeitsquote unterrepräsentiert (GZ 5.2018b; vgl. AA 3.2018a). Im Vergleich mit anderen Staaten der Region steht Kasachstan in Sachen Gleichberechtigung jedoch relativ gut da. Das drücken auch die verschiedenen internationalen Gender Indizes aus. Kasachstan hat eine Reihe internationaler Gender Equality Vereinbarungen unterzeichnet (GIZ 6.2018b).
Auf dem Gender Gap Index des World Economic Forum nahm Kasachstan 2017 Rang 52 (2015: 47/145) von 144 Ländern ein.
Überdurchschnittlich war das Abschneiden bei den Subkategorien:
"economic participation and opportunity" (mit Ausnahme der Komponente Einkommen), "educational attainment" und "health and survival". Unterdurchschnittlich rangierte Kasachstan hinsichtlich der politischen Position von Frauen. Infolge der unterdurchschnittlichen Repräsentanz in politischen Vertretungs- und Regierungsorganen gab es hier bloß Platz 93 (2015: 78/145) (WEF 2017).
Das Europäische Parlament hieß in der Resolution zur Implementierung der EU-Zentralasienstrategie die kasachische Strategie zur Geschlechtergleichstellung willkommen, bedauerte jedoch gleichzeitig die mangelnde Vertretung von Frauen in den kasachischen staatlichen Entscheidungsorganen trotz der gesetzlich festgelegten 30%-Quote (EP 13.4.2016).
Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, stellt ein Problem dar. Das Gesetz zur häuslichen Gewalt kennt zahlreiche Arten häuslicher Gewalt, wie physische, psychologische, sexuelle, und ökonomische und beinhaltet die Zuständigkeiten der lokalen und nationalen Regierungen sowie der NGOs bei der Bereitstellung von Unterstützung für Opfer von häuslicher Gewalt. Für häusliche Gewalt können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Vergewaltigung ist strafbar, das Strafmaß beträgt zwischen drei und fünfzehn Jahren Haft; Vergewaltigung in der Ehe ist hier ebenfalls inkludiert. Es gibt jedoch Berichte darüber, dass - insbesondere bei Vergewaltigungen in der Ehe - Polizei und Gerichte eher zögerlich vorgehen. Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem. Rechts- und Genderexperten sehen die Gesetzeslage als unzureichend, da das Gesetz nur bestimmte Formen sexueller Belästigung verbietet. Es gibt Berichte über Fälle von sexueller Belästigung in denen das Opfer keinen Schutz durch das Gesetz gefunden hat und es gibt auch keine Berichte über dahingehende Strafverfolgung. Die Polizei greift in Familiendispute nur ein, wenn sie annimmt, dass der Missbrauch lebensgefährlich ist. Laut Innenministerium bestehen 28 Krisenzentren für Opfer häuslicher Gewalt. NGOs schätzen, dass jährlich mehr als 400 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt sterben. Die Staatsanwaltschaft hingegen zählte 2016 lediglich 36 Todesopfer (Frauen) als Folge häuslicher Gewalt (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018
CRC - UN Committee on the Rights of the Child (2.10.2015):
Concluding observations on the fourth periodic report of Kazakhstan [CRC/C/KAZ/CO/4],
https://www.ecoi.net/en/file/local/1131920/1930_1444381667_crc-c-kaz-co-4-21927-e.doc, Zugriff 12.7.2018
EP - European Parliament (13.4.2016): Implementation and review of the EU-Central Asia Strategy, European Parliament resolution of 13 April 2016 on implementation and review of the EU-Central Asia Strategy (2015/2220(INI)) [P8_TA-PROV(2016)0121], http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2016-0121+0+DOC+PDF+V0//EN, Zugriff 25.5.2018
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018b): Kasachstan, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kasachstan/gesellschaft/, Zugriff 13.7.2018
USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1407971.html, Zugriff 25.5.2018
WEF - World Economic Forum (2017): Kazakhstan - Gender Gap Index 2017, Country Score Card,
http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2017.pdf