TE Vwgh Beschluss 2018/12/13 Ra 2018/20/0541

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.12.2018
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Revisionssache des C B , vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2018, Zl. I405 2009931- 1/26E, betreffend Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. April 2018, Zl. I405 2009931-1/21E betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 14. Juni 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 21. Juni 2014 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

3 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. April 2018 wies es die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ab. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in dessen erstem Satz "Eine ,Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt" und in dessen letztem Satz "Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" zu lauten habe. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 2. In der Folge wurde dem Revisionswerber mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2018 Verfahrenshilfe (unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwalts) bewilligt.

5 3. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Steiermark vom 27. Juli 2018 erfolgte eine Umbestellung des ursprünglich bestellten Verfahrenshelfers auf den nunmehr einschreitenden Verfahrenshelfer. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers laut eigenen Angaben am 27. Juli 2018 zugestellt.

6 4. Der Revisionswerber begehrte mit Antrag vom 12. September 2018 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes. Unter einem wurde die versäumte Handlung durch Ausführung der Revision nachgeholt.

7 Begründet wurde der Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit, dass die seit 22 Dienstjahren bei dem einschreitenden Verfahrenshelfer beschäftigte und grundsätzlich zuverlässige Kanzleikraft es verabsäumt habe, den Bescheid über die Umbestellung der Rechtsanwaltskammer Steiermark vom 27. Juli 2018 dem Rechtsanwalt in der Postsitzung zur Kontrolle und Abzeichnung der Frist vorzulegen. Der Vertreter sei daher in Unkenntnis von der Umbestellung gewesen und habe eine allfällige Kontrolle und Abzeichnung der Frist nicht vornehmen können. Von diesem Umstand habe der Rechtsvertreter erst am 12. September 2018 Kenntnis erlangt.

8 5. Mit Beschluss vom 25. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGG ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, es sei in der Kanzlei des bestellten Vertreters ein Kontrollsystem eingerichtet gewesen, welches unter normalen Umständen sämtliche Eintragungsfehler ausschalten könne sowie des Weiteren, es könne von Rechtsanwälten nicht erwartet werden, dass sie selbst den Posteingang entgegennehmen und den Eingang sämtlicher Faxnachrichten, vermöge er nicht darzutun, inwiefern der Rechtsanwalt seiner Überwachungspflicht - in einer Konstellation wie der vorliegenden - nachgekommen sei. Dies gehe aus dem Wiedereinsetzungsantrag auch nicht hervor. Es wäre zumindest eine stichprobenartige Kontrolle des Posteingangs erforderlich gewesen.

10 Wer aber einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, habe schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden treffe. Damit sei bereits ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag von einem nicht mehr bloß minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters des Revisionswerbers auszugehen.

11 6. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und/oder Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben oder in der Sache selbst zu entscheiden und dem Antrag stattzugeben.

12 7. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 7.1. Die Revision verweist in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf die vorgebrachten Wiedereinsetzungsgründe und darauf, dass es sich bei der Tätigkeit der Kanzleiangestellten um einen rein manipulativen Vorgang gehandelt habe, dessen Überwachung die den Rechtsanwalt treffenden Sorgfaltspflichten überspannen würde. Die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung ab, wonach ein Rechtsanwalt rein manipulative Tätigkeiten seiner Kanzleikraft überantworten dürfe.

16 7.2. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird (vgl. VwGH 29.5.2015, Ra 2015/08/0013, 0014, mwN). Macht ein Wiedereinsetzungswerber ein Versehen eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, dass es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über das vom Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichtete Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der Revisionsfrist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage nach dem Letzteren nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus (vgl. VwGH 18.6.2009, 2009/22/0156, mwN).

17 Nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Beschluss wurde im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag zwar vorgebracht, dass die Kanzleikraft das fristauslösende Poststück nicht vorgelegt habe. Es wurde jedoch kein Vorbringen betreffend die Organisation und die Tätigkeiten der zentralen Posteingangsstelle in der Kanzlei des Vertreters des Revisionswerbers dargetan und nicht behauptet, dass organisatorische Maßnahmen getroffen worden seien, die die tatsächliche Vorlage eingelangter Schriftstücke an den Rechtsvertreter gewährleisten sollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu insofern gleichgelagerten Sachverhalten betreffend im Postweg eingelangter Sendungen ausgesprochen, dass im Wiedereinsetzungsantrag darzutun ist, inwiefern die Vorlage der Eingangsstücke überwacht werde, das heißt mit welchen organisatorischen Maßnahmen dem etwaigen "Verschwinden" von Eingangsstücken zu begegnen versucht werde (vgl. dazu etwa VwGH 26.4.2013, 2013/07/0045, mwN). Ein Mangel in der Kanzleiorganisation ist nämlich auch dann anzunehmen, wenn der Kanzleibetrieb nicht derart eingerichtet ist, dass dem Parteienvertreter sämtliche Schriftstücke zukommen (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 63).

18 Inwiefern der angefochtene Beschluss von dieser Rechtsprechung abweicht ist nicht ersichtlich, zumal im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargestellt wurde, welches unvorhergesehene Ereignis trotz des "grundsätzlich funktionstüchtigen Organisationssystems" denn nun eigentlich zu der Unterlassung geführt habe.

19 7.3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200541.L00

Im RIS seit

14.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten