TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/25 LVwG-AV-1032/001-2018

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Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

WRG 1959 §138 Abs1 litc
AVG 1991 §59 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde von A und B, beide in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 14. August 2018, Zl. ***, betreffend einen gewässerpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

I.  Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 138 Abs. 1 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idgF)

§§ 59, 60, 76 Abs. 1 bis 3 sowie 77 Abs. 1 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF)

§§ 24, 27, 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF)

Entscheidungsgründe

1.    Verfahren der Verwaltungsbehörde und angefochtener Bescheid

Nach Durchführung einer Erhebung eines Gewässeraufsichtsorgans sowie einer mündlichen Verhandlung am 13. August 2018, bei der verschiedene Feststellungen zur Situation auf einer Liegenschaft von A und B (die nunmehrigen Beschwerdeführer) getroffen wurden, erging mit Bescheid der Bezirkshauptmann-schaft Gmünd vom 14. August 2018, Zl. *** an die (nunmehrigen) Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 1 lit. c WRG 1959 folgender Auftrag:

„Die Bezirkshauptmannschaft Gmünd verpflichtet Frau A und Herrn B, bis spätestens 31. Dezember 2018 die Ableitung und Versickerung von nicht gereinigtem Abwasser einzustellen.“

„Gleichzeitig“ wurden die Adressaten des Auftrages zur Bezahlung von

Verfahrenskosten (Kommissionsgebühren für die mündliche Verhandlung vom 13. August 2018) gemäß § 77 AVG verpflichtet.

Begründend weist die Behörde auf die durchgeführten Ermittlungen und gibt das

Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen C aus der Verhandlungsschrift vom 13. August 2018 im Wortlaut wie folgt wieder:

Befund:

Regenwasserkanal

Die Dach?ächen werden mit entsprechenden Regenrinnen entwässert. Im Bereich

des Schafstalles ist eine Regenwasserrinne mit einer Länge von rund 3,0 m vorhanden. Laut Aussage von Frau A werden auch die Wässer des Stalles

(Scheune) in diese Rinne entwässert. Das Ableitungsrohr führt unter dem Gebäude

durch und mündet an der südlichen Objektseite frei in der Böschung aus. Die

sichtbaren Betonfalzrohre sind nicht mehr in ihrem ursprünglichen Verband

vorhanden. Zumindest beim letzten und vorletzten Rohr ist ein Spalt von rund 3 cm

gegeben. Ein freier Ab?uss ist augenscheinlich bedingt durch eine Sediment- bzw.

Sandablagerung nicht möglich.

Brunnen

Im nördlichen Bereich des Areals ist außerhalb der Grundstückseinzäunung ein

Trinkwasserbrunnen vorhanden. Herr und Frau A und B geben bekannt, dass dieses

Wasser für die Versorgung des Hauses dient, und 1x jährlich die Qualität von einem

Labor untersucht wird. Die Abdeckung des Brunnens besteht aus einem 1-teiligen

Betondeckel, welcher ein Eisenrohr als Entlüftungseinrichtung beinhaltet. Dieses

Rohr ist mit keiner Gitterabdeckung gesichert. Der Brunnenschacht selbst ist mit

Granitsteinen und Mörtel ausgemauert worden. Eine dichte Ausführung von dieser

Mauer zum Betondeckel ist nicht gegeben. Frau A teilt mit, dass bei der

Probenahme der Deckel mit schwerem Gerät abgehoben wird. Die Brunnentiefe wird

mit 1,5 m angegeben. Die Fassung wurde laut Frau A im Bereich einer

Quellschüttung errichtet.

Abwasserentsorgung

Im Zuge des Lokalaugenscheines wurde auch die Abwasserentsorgung besichtigt.

Vorgefunden wurde ein Betonkonus mit einem DM von etwa 2,20 m. Die Tiefe ist

nicht bekannt, der Deckel war zum Teil mit Sand überdeckt und konnte auch mit Hilfe

von Herrn B nicht gehoben werden. Frau A gibt bekannt, dass die

„Senkgrube“ 1xjährlich entleert wird, wobei die letzte Entleerung im Oktober durch

einen Landwirt erfolgt ist.

Etwa 15 Meter von dieser Abwasserentsorgungseinrichtung wurde eine rund 1,0x2,0

m große Wasser?äche vorgefunden. Sowohl das vorhandene Wasser als auch der

vom Boden aufgewühlte Schlamm ergaben einen fäkalähnlichen Geruch. Dies wurde

auch von Frau A so bestätigt. Im Zuge der Verfassung der Verhandlungsschrift

wurde durch die Baubehörde ein Bescheid vom 22.11.1978 zur Errichtung einer 3-

Kammer-Faulanalge des Typs F-1-20—8 mit einer Sickerdrainage vorgelegt.

Gutachten:

Regenwasserkanal

Die Einleitung von Abwässern aus einer Stallhaltung darf nicht in den

Regenwasserkanal erfolgen. Die Funktionstauglichkeit der vorhandenen

Regenwasserentwässerung wird kritisch hinterfragt, da eine freie Ab?ussmöglichkeit

durch die südlich des Gebäudes zu tagegetretenen Ab?ussrohre nicht gegeben ist.

Eine Möglichkeit zur gezielten Sammlung von Fäkalien aus dem Stall und zu dessen

kontrollierten Entsorgung ist zu schaffen.

Brunnen

Die Brunnenabdeckung entspricht nicht dem Stand der Technik, da eine Möglichkeit

zur visuellen Kontrolle und zur Probenahme nicht gegeben ist. Weiters ist das

Belüftungsrohr mit einem Gitterkorb gegen das Eindringen von Kleinlebewesen und

Insekten auszustatten. Der Brunnendeckel ist entsprechend gegen die

Brunnenmauer dicht auszuführen. Es ist ein genormter Brunnendeckel entsprechend den gültigen Ö-Normen auf dem

Brunnen aufzusetzen. Lagerungen im unmittelbaren Brunnenbereich sind nicht

gestattet und ist dieser zu Erhaltung der Trinkwasserqualität einzuzäunen.

Abwasserentsorgung

Die von der Fam. A und B bekannt gegebene Senkgrube und deren Entsorgung stellen

sich im Zuge der Erstellung der Verhandlungsschrift als 3-Kammer-Faulanalge

heraus. Solche Abwasserentsorgungseinrichtungen entsprechen nicht mehr dem

Stand der Technik und ist für das Anwesen eine ordnungsgemäße

Abwasserentsorgung vorzusehen. Durch die dauerhafte Versickerung von nicht

ausreichend gereinigtem Abwasser kann es zu einer Verschmutzung bzw.

Beeinträchtigung des Grundwassers kommen. Die Abwasserreinigungsanlage

befindet sich westlich des Gebäudekomplexes und im Grundwasserabstrombereich

der Trinkwasserversorgung. Die Entleerung von „Senkgruben“ ist durch einen

befugten Landwirt möglich. Ob dies so erfolgt wird kritisch hinterfragt.

3-Kammer-Faulanlagen können als Vorreinigungsstufe für eine Abwasserreinigung

herangezogen werden, jedoch sind diese entsprechend nachzurüsten und an den

Stand der Technik anzupassen. Hierfür sind bei der Wasserrechtsbehörde

entsprechende Projektsunterlagen einzureichen. Alternativ hierfür kann die

Abwasserentsorgung mittels einer Senkgrube erfolgen, hierzu wäre bei der

Baubehörde ein Projekt vorzulegen.“

Weiter heißt es in der Begründung:

Nach § 138 Abs. 1 lit. c des Wasserrechtsgesetzes ist derjenige, der Bestimmungen dieses Gesetzes übertreten hat, von der Wasserrechtsbehörde zu verpflichten, auf

seine Kosten die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Missstände zu

beheben, wenn es das öffentliche Interesse erfordert oder der Betroffene es verlangt.

Da das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergeben hat, dass die oben genannte

Gewässerverunreinigung vorliegt und aus den im § 105 des Wasserrechtsgesetzes

normierten öffentlichen Interessen bzw. zum Schutz fremder Rechte gewahrt werden

muss, hatte die Behörde die Beseitigung der Maßnahme spruchgemäß anzuordnen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die angeführten Bestimmungen.“

Weitere Ausführungen sind der Begründung nicht zu entnehmen.

2.    Beschwerde

Dagegen erhobenen A und B rechtzeitig Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen. Begründend führten sie im Wesentlichen aus, dass sowohl der Befund als auch das darauf basierende Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik „nicht der Wahrheit oder den Tatsachen“ entsprechen würden; dies legen sie unter Bezugnahme auf die drei Themenkomplexe des Gutachtens näher dar.

3.    Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

3.1.         Feststellung und Beweiswürdigung

Die unter den Punkten 1. und 2. getroffenen Feststellungen zum Verfahrensverlauf und Inhalt von Schriftstücken ergeben sich aus den Akten der belangten Behörde; sie sind insoweit unstrittig und können daher der Entscheidung des Gerichts zugrunde gelegt werden.

Weiterer Feststellungen bedarf es, wie sich aus der rechtlichen Beurteilung ergeben wird, nicht.

3.2.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a)

eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b)

Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist,

c)

die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,

d)

für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.

(2) In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

(…)

AVG

§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.

(2) Wird die Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen, so ist im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder Herstellung zu bestimmen.

§ 60. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

VwGVG

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.

(…)

§ 77. (1) Für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes können Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.

(…)

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche

mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder

bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene

Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig

zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den

angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls - und Zwangsgewalt und

die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang

der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die

Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden,

wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen

oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(…)

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision

gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Art. 133 (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer

Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe

Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

3.3.     Rechtliche Beurteilung

Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen Leistungsbescheid, und zwar in der „Hauptfrage“ (im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG) um einen gewässerpolizei-lichen Auftrag.

Angesichts der von der belangten Behörde getroffenen Formulierung stellt sich die Frage nach dem Inhalt der den Beschwerdeführern aufgetragenen Maßnahmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv, auszulegen. Für die Bedeutung einer spruchmäßigen Aussage ist weder maßgeblich, wie sie die Behörde verstanden wissen wollte, noch wie sie der Empfänger verstand. Da Bescheide Gesetzen (im materiellen Sinn) näher stehen als privatrechtlichen Verträgen, ist es vielmehr angebracht, bei ihrer Auslegung analog den Grundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB vorzugehen. Folglich stellt der Wortlaut des Spruchs Anfang und Grenze jeder Auslegung dar. (zB VwGH 20.9.2012, 2011/07/0149)

(Nur) wenn der Spruch des Bescheides auslegungsbedürftig in dem Sinne ist, dass er für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt aufkommen lässt, dann kann und muss seine Begründung zur Deutung (nicht aber Ausweitung) von Sinn und Inhalt herangezogen werden. Diesfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen ist und Spruch und Begründung des Bescheides eine Einheit bilden (zu all dem vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 59, RZ 110 bis 113, Stand 1.7.2005, rdb.at) und die dort ausführlich zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Ein Spruch, mit dem der Partei eine Verpflichtung auferlegt wird, muss zum einen so bestimmt gefasst sein, dass dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen. Zum anderen bedeutet die von § 59 Abs. 1 AVG für Leistungsbefehle geforderte Deutlichkeit eine Bestimmtheit – und nicht bloß Bestimmbarkeit – in dem Sinn, dass ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung nach dem VVG im Rahmen einer allfälligen, ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme ergehen kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 90, Stand 1.7.2005, rdb.at mwH).

Diesem Erfordernis wird durch den gegenständlichen gewässerpolizeilichen Auftrag nicht Rechnung getragen. Die Verpflichtung „die Ableitung und Versickerung von nicht gereinigtem Abwasser einzustellen“ lässt nicht erkennen, welche Abwässer im Konkreten nicht mehr abgeleitet und versickert werden dürfen. Darüber hinaus bedürfte es bei gewässerpolizeilichen Aufträgen auch der Angabe der konkreten Maßnahmen, also der Festlegung, wie dem Auftrag nachgekommen werden soll (vgl. VwGH 24.10.1995, 94/07/0175). Solche sind jedoch nicht angegeben.

In seinem in der Begründung wiedergegeben Gutachten thematisiert der Amtssachverständige sowohl den Regenwasserkanal unter Bezugnahme auf die Einbringung von Abwässern aus einer Stallhaltung sowie den Trinkwasserbrunnen, als auch die Abwasserentsorgung in Form einer „3-Kammer-Faulanlage“.

Ob sich die (nicht näher konkretisierten und daher einer Vollstreckung nicht zugänglichen) Maßnahmen zur Einstellung der Ableitung und Versickerung auf das Abwasser vom Stall, das gesamte Regenwasser, auf die mechanische Kläranlage oder etwa auf die etwa 15 m neben der Abwasserentsorgungseinrichtung befindliche 1 m x 2 m umfassende Wasserfläche – von den Beschwerdeführern in der Beschwerde als „Biotop“ bezeichnet – bezieht, geht aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht hervor. Schließlich lässt der Spruch auch nicht erkennen, ob der vom Amtssachverständigen bemängelte und in der Begründung des Bescheides thematisierte Brunnen vom gewässerpolizeilichen Auftrag erfasst sein soll.

Dabei führt auch die Heranziehung der im vorliegenden Fall in keiner Weise dem

§ 60 AVG entsprechenden Begründung zum Ziel.

Vielmehr kann auch unter Berücksichtigung der Begründung nicht festgestellt werden, worauf sich der Wille der Behörde überhaupt konkret erstreckte, dh über welche „Verwaltungssache“ abgesprochen werden sollte.

Denn die Behörde beschränkte sich auf die Wiedergabe eines Gutachtens, ohne in der Folge Feststellungen zu treffen und davon ausgehenden eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen, aus der erkennbar wäre, welche(n) der vom Amtssachverständigen beschriebenen Sachverhalt(e) sie als Übertretung des WRG 1959 wertete und mit den Konsequenzen des § 138 leg. cit. belegen wollte. Dazu kommt noch, dass eine Anordnung, „die Ableitung und Versickerung von nicht gereinigtem Abwasser einzustellen“ auch bei näherer Konkretisierung nicht Inhalt einer Anordnung nach § 138 Abs. 1 lit. c leg.cit. sein könnte, welcher auf die Folgenbeseitigung einer Gewässerverunreinigung abzielt. Die angewendete Norm steht daher auch mit der angeordneten Maßnahme in Widerspruch.

Somit ist auch aus der Begründung nichts weiter zu gewinnen.

Zusammenfassend ergibt sich also, dass angesichts der völligen Unbestimmtheit des Spruches (§ 59 Abs. 1 AVG) in Verbindung mit der Mangelhaftigkeit des Begründung (§ 60 AVG) eine bestimmte „Verwaltungssache“ als Inhalt des angefochtenen Bescheides gar nicht festgestellt werden kann.

Dieser Mangel kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht saniert werden.

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032).

Wenn aber eine bestimmte „Sache“ gar nicht vorliegt, bedeutete jeder inhaltliche Abspruch über Verpflichtungen der Beschwerdeführer die Entscheidung in einer (anderen) „Sache“, die dem angefochtenen Bescheid nicht zugrunde liegt, und damit eine Überschreitung der Kompetenz des Gerichts und damit die Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführer auf Beachtung der Zuständigkeitsordnung.

Dies ist vom Gericht, welches nach der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes (vgl. z.B. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077) nicht an die geltend gemachten Beschwerdegründe gebunden ist, auch dann aufzugreifen, wenn die Beschwerdeführer in ihrem Vorbringen nicht darauf eingegangen sind.

Die Entscheidung des Gerichts kann nach dem zuvor Gesagten nur in der ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides bestehen. Das Schicksal des gewässerpolizeilichen Auftrages als „Hauptfrage“ teilt im Hinblick auf die aus § 59 Abs. 1 AVG ableitbare Akzessorietät der Kostenentscheidung (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2017/04/0079) auch der Ausspruch betreffend die Verpflichtung zur Bezahlung von Kommissionsgebühren. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass dem angefochten Bescheid auch nicht der konkrete (Rechts)grund für die Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Bezahlung von Kommissionsgebühren zu entnehmen ist (vgl. dazu § 76 AVG, insbesondere die Abs. 2 und 3).

Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Erkenntnis nicht der Erlassung eines (hinreichend konkreten) gewässerpolizeilichen Auftrags entgegenstünde, da es sich dabei um eine andere als die gegenständliche Verwaltungssache handelte. Für ein allfälliges weiteres Verfahren in Bezug auf die „Drei-Kammer-Kläranlage“ wird auf

§ 33g WRG 1959 hingewiesen.

Im Falle einer neuerlichen Entscheidung wird die Behörde auch die Anforderungen des § 60 AVG an die Begründung von Bescheiden zu beachten haben.

Da der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (Art. 133 Abs. 4 B-VG) war im vorliegenden Fall nicht zu lösen, da die Rechtslage eindeutig ist und diese Entscheidung im Einklang mit der nicht widersprüchlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die angegebenen Judikaturbelege) steht. Die Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; gewässerpolizeilicher Auftrag; Verfahrensrecht; Bescheidspruch;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1032.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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