Entscheidungsdatum
12.11.2018Norm
VwGG §30 Abs2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter in der Revisionssache 1. des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde ***, vertreten durch Rechtsanwalt A, ***, ***, und 2. des B in ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte OG, ***, ***, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. August 2018, Zl. LVwG-AV-190/001-2017 über den Antrag des Zweitrevisionswerbers, der von ihm erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (mitbeteiligte Partei: D in ***, Postanschrift ***, ***), den
BESCHLUSS:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag keine Folge gegeben.
Begründung
1. Der Zweitrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. ***, KG *** (in der Folge: Grundstück Nr. ***). Auf diesem Grundstück unterhält er einen landwirtschaftlichen Betrieb.
2. Der Mitbeteiligte ist Eigentümer der in südöstlicher Richtung unmittelbar angrenzenden Grundstücke Nr. *** und ***, KG ***, und des in das Grundstück Nr. *** eingeschlossenen Grundstücks Nr. ***, KG ***.
3. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2016 ordnete der Bürgermeister der Marktgemeinde *** auf Antrag des Mitbeteiligten unter anderem die Entfernung der in den Mastställen 5, 6 und 7 (Spruchpunkt I.b. dieses Bescheides) zu eingebauten Zwangsentlüftungsanlagen an. Weiters ordnete er die Behebung der vorhandenen Baugebrechen bei der im Hühnerstall eingebauten Zwangsentlüftungsanlage sowie in Ansehung dieser Anlage die Herstellung des Zustandes gemäß dem Bewilligungsbescheid vom 5. Mai 1970 an (Spruchpunkt I.c.). Die Stallbezeichnungen beruhen auf einem vom Zweitrevisionswerber am 10. September 2015 erstellten Bestandsplan. Für die Anordnung I.c. wurde eine Frist bis 31. Dezember 2016 gesetzt, diese wurde jedoch ausgesetzt, sofern der Zweitrevisionswerber bis 30. November 2016 um eine nachträgliche Baubewilligung für die jeweiligen Entlüftungsanlagen ansuche. Die Anordnung I.b. wurde vorerst bis zur rechtskräftigen Beendigung des Bauverfahrens betreffend die bereits beantragte nachträgliche Baubewilligung für die Mastställe 5, 6 und 7 ausgesetzt. Die darüber hinaus gehenden Anträge des Beschwerdeführers wurden abgewiesen (Spruchpunkt I.f.).
4. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 gab der erstrevisionswerbende Gemeindevorstand den gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom Zweitrevisionswerber und vom Mitbeteiligten erhobenen Berufungen keine Folge. Er setzte jedoch aus Anlass der Berufung die Frist für die Durchführung der Abbrüche bzw. Instandsetzungen mit 28. Februar 2017 neu fest. Die Frist für die Einreichung eines Antrages auf nachträgliche Baubewilligung wurde mit 31. Jänner 2017 neu festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
5. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde teilweise Folge und änderte mit Spruchpunkt 1.a. den Spruchpunkt I.b. des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 11. Oktober 2016 dahingehend ab, dass die in den Mastställen 5, 6 und 7 eingebauten Zwangsentlüftungsanlagen innerhalb von sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses abzubrechen sind. Die zusätzlich im Bescheid des Bürgermeisters ausgesprochene Aussetzung dieser Anordnung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Bauverfahrens betreffend die beantragte nachträgliche Baubewilligung für die Mastställe 5, 6 und 7 wurde ersatzlos behoben. Darüber hinaus wurde dem Mitbeteiligten jede Nutzung der Mastställe 5 und 6 untersagt. Für die Umsetzung dieses Nutzungsverbotes wurde eine Frist von einem Monat ab Rechtskraft des Erkenntnisses eingeräumt.
Mit Spruchpunkt 1.b. wurde der Spruchpunkt I.c. des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 11. Oktober 2016 dahingehend abgeändert, dass der Abbruch der bestehenden Zwangsentlüftungsanlage sowie die Herstellung der mit Bescheid vom 5. Mai 1970 im Hühnerstall bewilligten Zwangsentlüftungsanlage innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses angeordnet wurde. Die zusätzlich im Bescheid des Bürgermeisters ausgesprochene Aussetzung dieser Anordnung, sofern bis 30. November 2016 um eine nachträgliche Baubewilligung für die Entlüftungsanlage angesucht wird, wurde ersatzlos behoben. Weiters war die Anzahl der im Hühnerstall gehaltenen Hühner innerhalb von drei Wochen ab Rechtskraft des Erkenntnisses auf 1360 zu reduzieren.
Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.). Die Revision erkannte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a VwGG für zulässig (Spruchpunkt 3.).
Mit unter einem gefassten Beschluss erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Zweitrevisionswerber schuldig, dem Land Niederösterreich den Betrag von € 528,– an Barauslagenersatz für die Kosten des dem Beschwerdeverfahren beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Spruchpunkt 4.) Auch gegen diesen Beschluss wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG iVm § 25a VwGG für zulässig erklärt (Spruchpunkt 5.).
6. Gegen dieses Erkenntnis erhoben die beiden Revisionswerber ordentliche Revision, wobei die Revision des Zweitrevisionswerbers mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist. Diese Revision wurde zunächst zur Verbesserung zurückgestellt, die mittlerweile erfolgt ist. Daraufhin wurden die Revisionen den übrigen Parteien sowie der Niederösterreichischen Landesregierung (§ 29 VwGG) übermittelt und diese aufgefordert, innerhalb einer Frist von acht Wochen eine Revisionsbeantwortung einzubringen. Außerdem wurde den übrigen Parteien Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von zwei Wochen zum Antrag des Zweitrevisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Stellung zu nehmen.
7. Der Mitbeteiligte erstattete am 2. November 2018 eine Stellungnahme, in der er zahlreiche Interessen ins Treffen führte, die dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, insbesondere die bereits im Beschwerde-verfahren belegte Erkrankung seiner auf seinen Grundstücken lebenden Ehefrau.
8. Der erstrevisionswerbende Gemeindevorstand erstattete am 5. November 2018 eine Stellungnahme, in dem dieser auf die anhängigen Baubewilligungsverfahren betreffend den landwirtschaftlichen Betrieb des Zweitrevisionswerbers hinwies, außerdem darauf, dass im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen zu einer Gesundheitsgefährdung für die Nachbarn getroffen worden seien. Für die Hühnerhaltung liege eine rechtskräftige Bewilligung vor.
9. Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Diese ist jedoch gemäß § 30 Abs. 2 VwGG bis zur Vorlage der Revision mit Beschluss vom Verwaltungsgericht zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
10. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, dass das angefochtene Erkenntnis einem Vollzug zugänglich ist. Unter Vollzug eines Erkenntnisses ist dessen Umsetzung in die Wirklichkeit zu verstehen, im vorliegenden Fall also die faktische Durchführung der angeordneten Abbrüche und der damit verbundenen Herstellung der konsensgemäßen Zwangsentlüftungsanlage sowie die Durchsetzung der angeordneten Benützungsverbote (vgl. VwGH 17.01.2007, AW 2007/05/0002 mwN). Weiters darf nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Abbruchauftrag nicht vollstreckt werden, solange ein Verfahren auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung anhängig ist (VwGH 03.03.2014, Ro 2014/05/0021).
11. In seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bringt der Zweitrevisionswerber selbst vor, dass bezüglich des gesamten landwirtschaftlichen Anwesens derzeit ein Baubewilligungsverfahren anhängig sei. Dies wird in der Stellungnahme des erstrevisionswerbenden Gemeindevorstandes, speziell im Hinblick auf die Zwangsentlüftungsanlagen, bestätigt. Daraus folgt im Hinblick auf die soeben dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vollzug der Abbruchaufträge für die Zwangsentlüftungsanlagen sowohl in den Mastställen 5, 6 und 7 als auch im Hühnerstall derzeit gehemmt und somit keinem Vollzug zugänglich ist. Dies gilt auch für den mit dem Abbruchauftrag verbundenen Herstellungsauftrag im Hühnerstall. Insoweit kommt schon aus diesem Grund die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
12. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Hemmung der Vollstreckung bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur nachträglichen Erteilung einer Baubewilligung bezieht sich jedoch nur auf Abbruchaufträge und ist auf Nutzungsverbote nicht übertragbar (vgl. VwGH 27.06.1991, 91/06/0035 und 27.05.2008, 2007/05/0037). Sowohl das für die Mastställe 5 und 6 ausgesprochene Nutzungsverbot als auch die für den Hühnerstall angeordnete Reduktion der Zahl der Hühner sind somit einem Vollzug zugänglich, zumal für den Hühnerstall unbestritten ohnehin eine Baubewilligung bereits vorliegt.
13. Hinsichtlich der Mastställe 5 und 6 behauptet hingegen nicht einmal der Zweitrevisionswerber das Vorliegen einer Baubewilligung. Die Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich im angefochtenen Erkenntnis, es liege für die Ställe keine Baubewilligung vor, erachtet der Zweitrevisionswerber vielmehr in der Revision ausdrücklich als richtig. Davon ausgehend kann der von ihm im Antrag geltend gemachte Nachteil einer Räumung der Stelle von sämtlichen Schweinen, wodurch ihm auf Grund des Erfordernisses einer ordnungsgemäßen Vermarktung und Entsorgung im Sinne tierschutzrechtlicher Bestimmungen ein immenser organisatorischen Aufwand entstünde, gegenüber der von der Stallbenützung unbestritten ausgehenden Geruchs- und Feinstaubbelastung (vor allem ersterer kommt nach den Ergebnissen des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens bei den Schweineställen ein durchaus relevantes Ausmaß zu; dazu wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2018 verwiesen), die den Mitbeteiligten laufend trifft, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Die Schweine könnten vorübergehend auch an einem anderen Ort untergebracht werden, der Nachteil wäre somit im Falle einer Aufhebung bzw. Abänderung des Nutzungsverbotes rückgängig zu machen.
14. Tragender Grund der angeordneten Verringerung der Zahl der im Hühnerstall gehaltenen Tiere, war nicht das Fehlen einer Baubewilligung für diesen Stall, sondern die aus der hohen Zahl resultierende Gesundheitsgefährdung durch von der Tierhaltung im Stall ausgehende Feinstaubemissionen. Die Unterbindung einer Gesundheitsgefährdung, die insoweit durch die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zumindest naheliegt, begründet ein zwingendes öffentliches Interesse an der verfügten Nutzungsbeschränkung. Darüber hinaus überwiegt das Interesse des Mitbeteiligten am Schutz seiner Gesundheit bzw. der Gesundheit sonstiger längerfristig auf dem Grundstück aufhältiger Personen das Interesse des Zweitrevisionswerbers an der ungestörten Weiternutzung der 340 Hühner im Stall. Auch diese könnten vorübergehend auch an einem anderen Ort untergebracht werden. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 VwGG liegen hinsichtlich dieser Nutzungsbeschränkung somit in doppelter Hinsicht nicht vor.
15. Zu Spruchpunkt 4. (Auferlegung von Kosten) wird vom Zweitrevisionswerber nichts vorgebracht. Auch insoweit ist somit ein unverhältnismäßiger Nachteil nicht zu erkennen, zumal die Kosten dem Zweitrevisionswerber im Falle der Aufhebung bzw. Abänderung des Kostenausspruches rückerstattet würden.
16. Dem Antrag ist somit zur Gänze keine Folge zu geben.
Schlagworte
Baurecht; baupolizeilicher Auftrag; Abbruchauftrag; Nutzungsverbot; Verfahrensrecht; aufschiebende Wirkung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.190.005.2017Zuletzt aktualisiert am
09.01.2019