Entscheidungsdatum
15.04.2016Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Spruch
W173 2117627-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Caritas der Erzdiözese Wien, Asylberatung, Blindengasse 44, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 4.11.2015, Zl 1025818309-14801917, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4.4.2016 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.4.2017 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge BF) stellte am 17.7.2014 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.
2. Bei der am 18.7.2014 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizeidirektion XXXX gab der BF an, am XXXX in XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren zu sein. Er habe vier Jahre die Grundschule besucht und als Bäcker gearbeitet. Er habe fünf Geschwister (vier Schwestern und einen Bruder). Vor zehn Monaten sei er aus Afghanistan mit Hilfe von Schleppern über den Iran, wo es sich sechs Monate aufgehalten habe, und die Türkei nach Österreich geflohen und illegal eingereist.
Als Fluchtgrund gab der BF an, mit seinem Vater von den Taliban aufgefordert worden zu sein, das Brot für das Dorf zu vergiften. Da sie dieser Aufforderung nicht nachkommen hätten wollen, seien er und sein Vater geflohen. Im Fall der Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.
3. Im Rahme der Befragung am 4.8.2014 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestätigte der BF in Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters, ARGE - Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, die Richtigkeit seiner bisherigen Angaben. Der BF gab an, im Jahr 1377 geboren und damit 16 Jahre alt zu sein. Im Schulzeugnis der 4. Klasse sei als sein Geburtsjahr 1388 angegeben, sodass er mit 7 Jahren mit dem Schulbesuch begonnen habe. Dazu legte der BF ein Schulzeugnis vor. Seine Taskira habe er in Afghanistan verloren. Seine Taskira könnte auch nicht mehr über seine Eltern in Afghanistan organisiert werden, da er mit ihnen keinen Kontakt mehr seit seiner Ausreise habe. Das Schulzeugnis habe er sich aus dem Iran von seinem dort ansässigen Onkel schicken lassen. Er habe mit diesem Onkel im Iran in der selben Taschenfabrik gearbeitet. Da der BF an seiner Minderjährigkeit festhielt, wurde eine ärztliche Untersuchung zur Altersfeststellung angeordnet, mit der sich der BF einverstanden erklärte. Zum Vorhalt, von den ungarischen Behörden bereits angehalten worden zu sein, konnte der BF keine Angaben machen. Er habe aber keinen internationalen Schutz beantragt. Nach der Rückübersetzung der Niederschrift bestätigte der BF deren Richtigkeit und Vollständigkeit mit seiner Unterschrift.
4. Nach Beauftragung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zur Altersfeststellung des BF erfolgte eine körperliche Untersuchung und Befragung des BF, ein Röntgen der linken Hand des BF, eine computertomographische Aufnahme des Schlüsselbeines und ein Panoramaröntgen des Gebisses sowie eine zahnärztliche Untersuchung des BF. Im abschließenden gerichtsmedizinischen Gutachten vom XXXX wurde in Zusammenschau der Ergebnisse der Untersuchungen am XXXX ein wahrscheinliches Lebensalter des BF von ca. 18 bis 20 Jahren festgestellt. Unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite der Untersuchungsergebnisse ergebe sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 17 Jahren. Das vom BF angegebene Geburtsdatum mit XXXX (entspreche zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX einem Alter von 16 Jahren und 8 Monaten) könne aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden.
5. Nach einer Bestellung von namentlich genannten Vertretern der Asyl-Rechtsberatung, Caritas der Erzdiözese Wien, zur gesetzlichen Vertretung des BF am 9.12.2014 fand am 19.2.2015 eine weitere Einvernahme des BF in Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters des BF bei der belangten Behörde statt. Der BF korrigierte die Niederschrift vom 18.7.2014 dahingehend, nicht gemeinsam mit seinem Vater sondern alleine ausgereist zu sein. Er habe vielmehr gemeint, dass er vielleicht nachkommen werde. Darüber hinaus bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisherigen Aussagen.
Zum Ergebnis des medizinischen Gutachtens die Altersfeststellung betreffend verwiesen der BF auf die Angaben im vorgelegten Schulzeugnis. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass in diesem Schulzeugnis kein Alter angegeben sei.
Der BF gab an, in Österreich keine Verwandten zu haben. Er besuche einen Deutschkurs. In seiner Freizeit spiele er Tischtennis. Er habe aber keine soziale Bindung in Österreich. Er spreche auch Urdu, das er über das Sehen von Filmen erlernt habe. Er sei als Afghane im Dorf XXXX , das sich im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX befinde, geboren und in der Stadt XXXX , im Stadtteil XXXX aufgewachsen. Er sei Hazara mit moslemischer Religionszugehörigkeit (Schiit). Er habe im genannten Stadtteil vier Jahre die Schule besucht. Er habe - wie sein Vater - als Bäcker von seinem 11.Lebensjahr an gearbeitet. Die Bäckerei habe sich in der Stadt XXXX im Stadtteil XXXX befunden. Er habe vier Schwestern und einen neunjährigen Bruder. Zum Aufenthaltsort seiner Eltern und seiner Geschwister könne er keine Angaben machen, da er zu ihnen keinen Kontakt habe. Zum Zeitpunkt seiner Flucht hätten sie sich aber in der Stadt XXXX aufgehalten. Die wirtschaftliche Lage der Familie stufte der BF mit "mittelmäßig" ein. Über seine Eltern und Geschwister hinausgehend habe er keine Verwandten in seiner Heimat. Sein Onkel lebe im Iran. Er habe immer in der Stadt XXXX gelebt und sei von dort aus vor einem Jahr und sechs Monaten in den Iran zu seinem Onkel geflohen, wo er in einer Taschenfabrik gearbeitet habe. Er hätte aus dem Iran aber jederzeit nach Afghanistan abgeschoben werden können, wo sein Leben in Gefahr gewesen sei. Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt im Iran habe er sich in der Türkei zwei Monate aufgehalten und sei anschließend nach zwei Monaten nach Österreich geflohen. Seine Flucht sei von seinem Onkel finanziert worden. Sein Vater habe den Schlepper für seine Flucht aus Afghanistan in den Iran organisiert. Auf den Rat seines Onkels habe er als Zielland Österreich angestrebt.
Der BF führte aus, dass in Afghanistan sein Leben in Gefahr sei. In der sich im Stadtteil XXXX der Stadt XXXX befindenden Bäckerei seines Vaters, wo sie als Bäcker tätig gewesen seien, hätten auch Polizisten eingekauft. In Abwesenheit des BF sei sein Vater von Taliban aufgefordert worden, dem Brot Gift beizumischen und dieses den Polizisten zu verkaufen. Auch im Distrikt XXXX habe ein Bäcker vergiftetes Brot an Soldaten verkauft, die daran verstorben seien. Sein Vater habe sich aber geweigert. Sein Vater habe am Abend davon erzählt. Als sie 6 bis 7 Tage später gegen 20:00 bis 20:30 Uhr nach Hause gefahren seien, seien sie von in einem Pick-up fahrenden Taliban (drei bewaffnete Personen) angehalten worden. Nach dem erzwungenen Einsteigen seien sie gefesselt und die Augen verbunden worden und nach einer 1,5 bis 2 Stunden dauernden Fahrt an einen unbekannten Ort in einen Stall gebracht worden. Abends habe eine Person Paschtu gesprochen, das sein Vater jedoch nicht verstanden habe. Am folgenden Tag habe ein Dari-sprechender Mann zum Jihad und zum Vergiften des Brotes aufgefordert. Da sich sein Vater geweigert habe, dem nachzukommen, hätten am nächsten Tag wieder zwei Personen seinen Vater zu dieser Tat aufgefordert. Auf Grund des Festhaltens seines Vaters an der Weigerung sei sein Vater verprügelt, mit dem Gewehrkolben geschlagen und ausgepeitscht worden. Da sein Vater nicht von seiner Weigerung Abstand genommen habe, sei mit der Tötung des BF gedroht worden. Auch der BF sei gepeitscht worden. Da sein Vaters schließlich nachgegeben habe, seien sie mit der Drohung von einer Anzeige bei der Polizei bzw. den Behörden Abstand zu nehmen, freigelassen und in die Stadt XXXX zurückgebracht worden. Am nächsten Tag habe sein Vater die Flucht des BF zu seinem Onkel in den Iran organisiert. Seine Familie werde nachkommen. Über den weiteren Verbleib seiner Familie könne er keine Angaben machen. Der BF stellte auch in den Raum, dass die Möglichkeit des Todes seiner Familie bestehe.
Dieser Vorfall habe sich vor mehr als einem Jahr und 6 Monate zugetragen. Zuerst hätten sich die Taliban abends an seinen Vater in der Bäckerei gewandt, als der BF beim Training im Kickboxverein gewesen sei. Angehalten seien sie im Stadtteil XXXX worden. Die Taliban seien an der nationalen Tracht und dem Turban erkannt worden. In der Bäckerei sei von 4:00 Uhr oder 5:00 Uhr morgens bis 20:00 Uhr gearbeitet worden. Nach dem Vorfall in der Bäckerei sei sein Vater zunächst von einem einmaligen Versuch der Taliban ausgegangen. Über das vorgesehene, dem Brot beizumischende Gift konnte der BF keine Auskunft geben. Der BF betonte, dass die Taliban auch ihn während der Gefangenschaft im Stall aufgefordert hätten, seinen Vater zur Vergiftung des Brotes zu bewegen.
Auf den Vorhalt der belangten Behörde, warum sein Vater nicht mit dem BF geflüchtet sei, gab der BF an, dass von den Taliban eine einwöchige Frist gesetzt worden sei, nach dessen Ablauf das dem Brot beizumischende Gift von ihnen geliefert werde. Sein Vater habe ihn allein weggeschickt, da das Verschwinden der gesamten Familie zu sehr aufgefallen wäre. Nach dem Vorfall habe sich der BF noch zwei Tage in XXXX aufgehalten und sei anschließend nach Kandarhar und von dort noch in der selben Nacht nach XXXX geflohen. Trotz seines sechsmonatigen Aufenthaltes im Iran wisse er nicht, ob seine Familie in den Iran oder in ein anderes Land geflohen sei. Sein Onkel habe keine Auskunft geben können. Sein Vater habe seinen Onkel telefonisch von der beabsichtigten Flucht des BF zum Onkel erzählt. Warum sein Vater von einem weiteren Kontakt zu seinem Onkel im Iran Anstand genommen habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Der BF wies darauf hin, sich auch nicht in einem anderen Gebiet in Afghanistan ansiedeln zu können. Im Fall der Rückkehr würde er getötet werden, da seine Familie nicht den Aufforderungen der Taliban nachgekommen sei. Über seine Familie könne er keine Auskunft geben. Zu den übergebenen Länderberichten zu Afghanistan wurde eine zweiwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt. Nach einer Rückübersetzung der Niederschrift ergänzte der BF, dass im Distrikt XXXX ein Koch und nicht ein Bäcker das Essen vergiftet habe. Darüber hinaus wurde die Richtigkeit und Vollständigkeit mit der Unterschrift bestätigt. Der BF legte darüber hinaus Bestätigungen über seinen Besuch von Deutschkursen vor.
6. In der Stellungnahme vom 17.3.2015 führte der BF an, dass der Vater den BF auf Grund der Lebensgefahr für seinen Sohn weggeschickt und beabsichtigt habe, sobald genug Geld vorhanden gewesen sei, mit dem Rest der Familie nachzukommen. Den Länderberichten zur Sicherheitslage in Afghanistan wurde nicht entgegengetreten. Zudem wurde auf aktuelle Berichte zur Lage in der Provinz Ghanzi verwiesen. Die Weigerung der Vergiftung sei mit einer unterstellten politischen Gesinnung gleichzusetzen. Der BF werde daher als Talibangegner aus politischen Gründen verfolgt. Dazu wurde auf die Judikatur verwiesen. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da die Taliban über ein Netzwerk verfügen würden, jede Person ausfindig zu machen. Dies gelte auch für Personen in der Kabul. Dem BF sei die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
7. Mit Bescheid vom 4.11.2015, Zl 1025818309-14801917, wurde der Antrag des BF unter Spruchpunkt I. auf internationalen Schutz vom 17.7.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG leg.cit abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es erging darüber hinaus die Feststellung zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan. Unter Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges wurde festgestellt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Er sei afghanischer Staatsbürger und gehöre der Religionsgruppe der schiitischer Moslems und der Volksgruppe der Hazara an. Seine Altersangaben seien unzutreffend. Vielmehr sei auf Grund des eingeholten Gutachtens das Mindestalter des BF mit 17 Jahr zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX anzugeben. Das Gutachten zur Altersfeststellung sei schlüssig und nachvollziehbar. Das Geburtsdatum des BF laute daher XXXX . Der BF stamme aus Ghazni, sei dort aufgewachsen und habe sich dort bis zur Ausreise aufgehalten. Seine Familie halte sich dort nach wie vor auf. Der BF habe 4 Jahre die Schule besucht und in der Bäckerei des Vaters gearbeitet.
Die Angaben zu seinen Fluchtgründen seien unglaubwürdig. Dem BF drohe keine asylrelevante Verfolgung. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan bestehe für den BF auch keine Gefährdung iSd Art 2 und 3 EMRK. Im Herkunftsland würde dem BF auch nicht gänzlich die Lebensgrundlage entzogen und der BF käme im Rückkehrfall in keine existenzbedrohende Notlage. Es liege auch keine Verletzung des Privat- und Familienlebens vor.
Beim Fluchtvorbringen des BF handle es sich um auf in den Raum gestellte Behauptungen, die vage und ohne Substanz seien und sich durch mangelnden Realitätsbezug auszeichnen würden. Die nicht nachvollziehbaren Aussagen des BF würden auf eine konstruierte Geschichte schließen lassen. Warum sollte der in der Öffentlichkeit stehende Vater trotz mehr als 10-jähriger-Bäckertätigkeit nie Bedrohungen oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sei, warum Probleme erst kurz vor der Ausreise des BF begonnen hätten und warum der Vater trotz der behaupteten Bedrohung seiner Familie durch die Taliban in Afghanistan zurückgeblieben sei. Warum der BF im Fall der Rückkehr in seine Heimat getötet werden sollte, sei in diesem Zusammenhang nicht verständlich. Der BF sei sogar mit seinem Vater von den Taliban in die Stadt zurückgebracht worden. Zudem hätte bei einer Bedrohung sich der Vater mit seiner Familie in ein anderes Gebiet begeben können. Die Familie sei jedoch in Ghazni verblieben. Der BF wäre daher auch nicht im Rückkehrfall bedroht. Die Rückkehrbefürchtungen des BF seien nicht glaubhaft gemacht worden. Es bestünde für den BF keine extreme Gefährdungslage iSd Art. 2 und 3 EMRK. Vielmehr könne der BF als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Familiennetzwerk in Afghanistan seinen Lebensunterhalt bestreiten, zumal es für ihn auch im Iran möglich gewesen sei, Arbeit zu suchen und zu finden. Es wäre auch die Heimatprovinz Ghazni erreichbar.
Dem BF drohe keine asylrelevante Verfolgung in seinem Heimatstaat. Einer Ausweisung des BF stünde auch nicht Art. 8 EMRK entgegen.
8. Mit Verfahrensanordnung vom 4.11.2015 wurde dem BF die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.
9. Gegen den Bescheid vom 4.11.2015 erhob der BF am 18.11.2015 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wesentlicher Verfahrensfehler. Sämtliche Spruchpunkt wurden bekämpft. Der BF gehöre zur Volksgruppe der Hazara. Bei den Einschätzungen der belangten Behörde zu den Fluchtgründen des BF würde es an einer entsprechenden Sachverhaltsgrundlage fehlen. Die Taliban würden auf die Nahrungsmittelsicherheit gegenüber staatlichen Sicherheitskräften und ausländischen Militärs an frequentierten Orten Einfluss nehmen. Sie würden auch nicht mehr über genügend Ressourcen für offene Kampfhandlungen verfügen und sich zunehmend auf subtile Terroranschläge verlegen. Die Todesdrohung habe zudem primär dem BF und nicht dem Vater gegolten. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig.
Der BF sei außerdem bei den bisherigen Einvernahme minderjährig gewesen. In einem solchen Fall bedürfe es nach der Judikatur des VwGH einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung. Der BF habe sich bereits auf Grund seiner Weigerung, mit den Taliban zusammenzuarbeiten, als politischen und religiöser Gegner der Taliban geoutet, womit ihm aus politischen Gründen Verfolgung drohe. Der BF könne auch in keinem anderen Teil in Afghanistan ausreichend Schutz finden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den BF nicht. Er könne sich auch nicht in Kabul niederlassen. Im Fall der Rückkehr würde der BF in eine ausweglose Situation geraten. Es wären ihm die notdürftigsten Lebensgrundlagen entzogen. Eine Rückkehr des BF in seine Heimat sei unzumutbar. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
10. Am 24.11.2015 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem BF im Zuge der Anberaumung der mündlichen Verhandlung die Länderfeststellung zu Afghanistan unter Einräumung einer Stellungnahmefrist. Im Schriftsatz vom 18.2.2016 verwies der BF auf die prekären Verhältnisse in seiner Heimatprovinz Ghazni. Weitere aktuelle Berichte würden diese Situation bestätigen. Die Anzahl der Entführungen und Tötungen der Hazara würde ansteigen.
11. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 4.4.2016 bestätigte der BF, in den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Das Einvernahmeprotokoll vom 19.2.2015 korrigierte der BF dahingehend, dass es sich nicht um einen Pick-Up, sondern um ein Combi-Fahrzeug gehandelt habe.
Als seinen Namen gab der BF XXXX an und bestätigte, am XXXX geboren zu sein. Er sei Hazara, afghanischer Staatsbürger und muslimischer Schiit. Als seine Muttersprache gab der BF Dari an. Er sei ledig und im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX , in der Provinz XXXX geboren. Dieses Dorf sei ca. zweieinhalb bis drei Stunden Autofahrt von der Stadt XXXX entfernt. Zum Distrikt XXXX führte der BF aus, dass dieser an den Distrikt XXXX angrenze. Das genannte Dorf befinde sich in einem vom Gebirge umgebenen Tal. Der höchste Berg werde als XXXX bezeichnet. Der kleine Fluss entspringe in der Region XXXX und fließe in Richtung der Provinz XXXX. XXXX unterteile sich in mehrere Unterdörfer. Er sei im Unterdorf XXXX geboren. Dieses grenze an das Dorf XXXX . Andere Unterdörfer würden als XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX bezeichnet. Die Einwohnerzahl von XXXX sei ihm nicht bekannt, da er nicht in dieser Gegend aufgewachsen und ca. alle fünf Jahre dort auf Besuch gewesen sei. Sein Geburtsdorf XXXX mit der Ortschaft XXXX , wo er geboren sei, bestehe aus ca. 30 bis 35 Häusern. Im Alter von einem Jahr sei er mit seinen Eltern [Vater ( XXXX - ca. 49-59 Jahre) und seine Mutter ( XXXX - 40-41 Jahre)] in die Stadt XXXX übersiedelt, da sein Vater im Dorf keine Arbeit gefunden habe. Er sei im Kreise seiner Familie im Stadtteil XXXXXXXX in der Stadt XXXX aufgewachsen. Er habe vier Schwestern und einen Bruder. Zu seiner Familie habe er seit zwei Jahren und sechs Monaten keinen Kontakt mehr.
Nach vier Jahren Grundschule habe er im Alter von elf Jahren in der von seinem Vater angemieteten, sich im Stadtteil XXXX der Stadt XXXX befindenden Bäckerei zu arbeiten begonnen. Acht bis neun Lehrlinge seien angestellt gewesen. Die Kundschaft habe sich aus der Laufkundschaft, den Bewohnern in der Umgebung und aus Geschäftsführern der benachbarten Geschäfte sowie aus Personen aus zwei bis drei Hotels und der Polizei zusammengesetzt. Der Stadtteil, in dem sich die Bäckerei befunden habe, sei unsicher gewesen. Die Bewohner seien terrorisiert und die Polizeistützpunkte angegriffen worden.
Wie der BF aus einem Gespräch zwischen seiner Mutter und seinem Vater erfahren habe, sei sein Vater von den Taliban als Moslem aufgefordert worden, ihnen zu helfen und mit ihnen gemeinsam den Jihad zu betreiben. Er sollte das Brot vergiften und es an die Leute und die Polizei verkaufen. Sein Vater habe sich geweigert und die Aufforderung in der Meinung, nicht wieder von den Taliban diesbezüglich kontaktiert zu werden, nicht ernst genommen.
Die Taliban bezeichnete der BF als "wilde Personen", die lange Bärte und Haare sowie einen Turban tragen würden und die Absicht hätten, Leute zu töten. Taliban würden Schiiten nicht als Moslem betrachten, sondern sie vielmehr als Ungläubige einstufen, die getötet werden müssten.
Der beigezogene länderkundige Sachverständige, XXXX , wies darauf hin, dass Taliban Schiiten nicht dazu auffordern würden, mit ihnen am Jihad teilzunehmen. Schiiten könnten zwar von den Taliban zur Begehung von Taten gezwungen werden, würden jedoch nicht von Taliban aufgesucht und zur Teilnahme am Jihad auffordert werden.
Der BF blieb dabei, dass die Taliban zum Jihad und zur Unterstützung aufgefordert hätten. Dies sei seinem Vater gesagt worden. Es sei seinem Vater auch für die Vergiftung des Brotes Geld angeboten worden. Sein Vater hätte mit den Taliban aus finanziellen Gründen und im Hinblick auf den Jihad kooperieren sollen.
Die Taliban definierte der BF als Personen, die vormals Andersgläubige mit dem Schwert bekämpft hätten. Die Daesh (oder die IS) würden den Jihad auf die ganze Welt ausdehnen, während die Taliban sich nur auf Afghanistan beschränken würden. Für den BF habe der Jihad, der auf die Tötung und Enthauptung von Menschen hinauslaufen würden, keine Bedeutung. Sein Vater sei zur Vergiftung des an die Kundschaft verkauften Brotes aufgefordert worden. In der Folge wären die Taliban gekommen und hätten alle getötet. Die Taliban hätten vermutlich die Absicht gehabt, die Stadt XXXX einzunehmen. Genaueres könne er nicht sagen.
In der Folge zog der BF seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zurück und hielt seine Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides aufrecht.
Der BF legte weiters Unterlagen zum Beweis seiner Integrationsabsicht vor. Er besuche derzeit einen B2-Deutschkurs und verwies in diesem Zusammenhang auf seine Bestätigungen zu den abgeschlossenen Deutschkursen. Die Prüfung für den B2-Kurs sei für den Sommer vorgesehen. Derzeit strebe der BF den Pflichtschulabschluss an. Er sei bei der XXXX als freiwilliger Mitarbeiter und Dolmetscher tätig. Dies ergebe sich auch aus der vorgelegten Bestätigung. Die vorgelegten Unterlagen würden auch dokumentierten, dass er bei " XXXX " arbeite, in dessen Rahmen Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern abwechselnd kochen würden. Zu seinen bereits gewonnenen österreichischen Freunden zählte der BF auch die in der Verhandlung anwesende Frau XXXX und den Zeugen XXXX
.
Der BF gab weiter an, Mitglied des Boxvereins zu sein und an Trainings teilzunehmen. Der Fitnessbox Verein befinde sich in XXXX und gehöre zum XXXX sportverein ( XXXX SV). Dies würde auch durch die vorgelegten Unterlagen belegt. Er habe auch schon viele Freunde unter den XXXX gewonnen.
Der BF führte aus, in Österreich keine Verwandten zu haben. Er habe auch keine Verwandten mehr in Afghanistan. In Österreich lebe er als Volljähriger nicht mehr im Caritas-Heim XXXX , sondern bei der österreichischen Familie von Frau Dr. XXXX , die auch seine Deutsch-Nachhilfelehrerin sei. Nach dem Pflichtschulabschluss plane er, in Österreich eine Lehre zu beginnen oder weiter zu lernen. Er würde auch gerne Polizist werden.
Der zeugenschaftlich einvernommene Mag.Dr. XXXX , Obmann des XXXX sportvereins Sektion Fitnessboxen und XXXX im Ruhestand, verwies auf seine vorgelegten schriftlichen Ausführungen vom März 2016. Er habe den BF im Rahmen seiner Tätigkeit bei der XXXX kennen gelernt. Aufgrund des Interesses des BF für den Box-Sport habe er mit dem BF vor ca. einem halben Jahr Kontakt aufgenommen. Der Fitness-Sportverein bestehe aus ca. 50 aktiven Mitgliedern (ca. durchschnittlich 30 - jährige Männer und Frauen). Beim Fitnessboxen finde kein Kampf statt, sondern werde paarweise geübt. Der BF habe sich im Fitnessbox-Verein gut integriert und sei sehr hilfsbereit. Der BF helfe auch im Verein bei den Kinderkursen mit. Der Zeuge betonte, dass der BF in Österreich bereits bestens integriert sei. Er habe den BF auch schon über die österreichischen politischen und geschlechtsspezifischen Prinzipien aufgeklärt. Dies sei vom BF positiv aufgenommen worden.
Der beigezogenen länderkundige Sachverständige, XXXX , führt zu den nachfolgenden Fragen folgendes aus:
" 1. Stammt der BF aus Afghanistan?
2. Stimmen seine Angaben zu seiner Herkunft aus Afghanistan?
3. Wie ist die derzeitige Lage in XXXX in der Stadt XXXX zu beurteilen? Kann diese Provinz und der Distrikt erreicht werden?
Zu den Fragen 1. und2.:
Die Angaben des BF zu seiner Herkunft, Afghanistan, stimmen mit den Tatsachen überein. Der BF spricht einerseits Hoch-Dari, welche in der Stadt XXXX und Kabul gesprochen wird. Andererseits ist auch aus seinen Angaben während der heutigen Beschwerdeverhandlung Hazaragi-Dialekt herauszuhören, welcher seine Herkunft aus einer Provinz, wo Großteils Hazaras wohnen bestätigt. Der BF müsste demnach aus der Provinz Ghazni stammen. Ich gehe auch davon aus, dass der BF auch in der Provinzhauptstadt XXXX gelebt und sein Vater dort gearbeitet hat. Ob er aus dem Distrikt XXXX und vom genannten Dorf stammt, möchte ich ausführen, dass ich zwar nicht ausschließe, dass die Eltern des BF aus XXXX stammen könnten, aber ich gehe nicht davon aus, dass der BF in XXXX , vor allem im Dorf XXXX , gelebt hat. Seine Beschreibung des Dorfes war nicht spontan und auch nicht authentisch. Die Angaben des BF betreffend das Dorf von allgemeiner Natur und er konnte zwischen einem Dorf und einer großen Region nicht unterscheiden. Die Ortschaften, die der BF als Teil seines Dorfes, XXXX , genannt hat, kommen als selbstständige Ortschaften auf der Landkarte von XXXX vor. XXXX kommt auf der Landkarte nicht vor. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ein Dorf mit dieser Bezeichnung in XXXX geben kann, aber die Beschreibungen des BF betreffend des Dorfes XXXX während der Verhandlung waren nicht authentisch.
Zur 3. Frage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach meiner Information, die ich während meiner Forschungsreise vom 21.März bis 02. April 2016 in Afghanistan gesammelt habe, weiterhin prekär. Im Gegensatz zu Großstädten wie Kabul ist die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni sehr prekär. Mehr als die Hälfte der Distrikte und Ortschaften dieser Provinz werden direkt von den Taliban kontrolliert. Die von Hazaras bewohnten Distrikte und Dörfer werden von den Hazaras selbst kontrolliert, ausgenommen einige Hazara-Dörfer, die sich in den Distrikten befinden, wo mehrheitlich Paschtunen wohnen. Die Stadt XXXX wird immer wieder von den Taliban angegriffen. Dabei werden hunderte von Zivilisten Opfer ihrer Angriffe. Taliban haben 2015 die Stadt angegriffen und das Gefängnis gestürmt und mehr als 400 Gefangene des Zentralgefängnisses dieser Provinz freigelassen. Sie greifen die Sicherheitsorgane des Staates an. Dabei werden dutzende Polizisten und auch zivile Beamte getötet. Hierzu möchte ich auch auf folgende Internetquellen hinweisen, in denen die prekäre Sicherheitslage in XXXX verdeutlicht wird:
http://newafghanpress.com/?p=11055
http//www.khaama.com/severe-clashes-erupting-between-rival-taliban-groups-in-ghazni-3-killed-27-wounded-4582
http://www.dw.com/de/taliban-st%C3%BCrmen-gef%C3%A4ngnis-in-afghanistan/a-18712380
http://indianexpress.com/article/world/world-news/ghazni-province-official-says-taliban-kill-provincial-judge-in-afghanistan/
http://news.xinhuanet.com/english/2016-03/23/c_135215983.htm
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/24262-mps-concerned-over-security-situation-in-ghazni-helmand
Die Taliban kontrollieren teilweise die Hauptstraßen die von Kabul über Ghazni nach Süden führen. Seit 2013 werden die Reisenden auf dieser Strecke von den Taliban angehalten. Die Taliban nehmen ihnen unliebsame Personen mit, Später stellte sich heraus, dass einige von diesen Leuten von den Taliban getötet worden sind und ein anderer Teil als Faustpfand behalten und von der Regierung verlangt, bestimmte Taliban, die sich in Gefolgschaft der Regierung befinden, freilassen und sie würden im Gegenzug ihre Geiseln freilassen.
In Ghazni gibt es keinen Flughafen. Die Rückkehrer können über den Luftweg nach Kabul reisen oder über Pakistan auf dem Landweg über Kandahar oder über andere Provinzen, die dem Pakistan angrenzen, nach Ghazni gelangen. Auf dieser Reise kann es passieren, dass die Passagiere der Reisebusse oder Taxis, von den Taliban angehalten und entführt werden."
Der BF betonte, dass die Region seiner Geburt nicht gefunden werden könne, verwundere nicht, da nicht alle Ortschaften auf der Landkarte vermerkt seien. Auf weitere Beweisanträge wurde verzichtet.
Folgende Unterlagen wurden vom BF in der mündlichen Verhandlung am 4.4.2016 vorgelegt:
1. Empfehlungsschreiben von Frau Dr. XXXX , 2.Bestätigung der XXXX über die ehrenamtliche Tätigkeit des BF vom 20.2.2016 und vom 2.3.2016 in Form von Dolmetschtätigkeiten, Vorbereitung und Ausgabe von Mahlzeiten sowie Unterstützungstätigkeiten bei diversen Arbeiten, 3.Bestätigungsschreiben des sich im Ruhestand befindenden
XXXX und Obmanns des XXXX sportvereins Wien - Sektion Fitnessboxen Dr. XXXX vom März 2016, 4.Kursbesuchsbestätigungen über den Besuch des BF von Deutschkursen, 5.Certifikat des ÖSD für den BF zu seinem erreichten Deutschniveau B1, 6.Bestätigung über die Teilnahme am Pflichtschulabschlusskurs vom 18.12.2015, 7.Bestätigung über den Besuch des Basisbildungskurses der Diakonie, 8.Bestätigung über den Gewinn des Pub-Quizes vom 27.5.2015, 9.Besuchsbestätigungen zum Deutschkurs vom 29.5.2015, 30.4.2015, 27.3.2015, 27.2.2015, 21.11.2014 und 24.10.2014, 10.Dankesschreiben des Bundesministeriums für Familie und Jugend zum Beitrag des BF beim Wettbewerb " XXXX ",
11.
Bestätigung über die Teilnahme am XXXX -Meilenlauf und
12.
Bestätigungsschreiben der Gründerin und Obfrau von " XXXX " vom 20.3.2016 [Mag.(FH) XXXX ].
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1.Der BF ist afghanischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben mit schiitischem Bekenntnis. Der BF ist am XXXX in der Provinz Ghazni als Sohn eines Bäckers geboren und im Alter von einem Jahr mit seinen Eltern aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni, wo er geboren wurde, in die Stadt XXXX der XXXX Provinz gezogen und hat sich dort niedergelassen. Dort ist der BF im Kreise seiner Familie aufgewachsen. Er hat dort 4 Jahre die öffentliche Schule besucht und bereits im Alter von 11 Jahren im Bäckerbetrieb seines Vaters in der Stadt XXXX zu arbeiten begonnen.
1.2. Der BF ist von aus Afghanistan in den Iran geflohen, wo er sich sechs Monate bei seinem Onkel in Teheran aufgehalten und gearbeitet hat. Anschließend ist der BF über die Türkei nach Österreich illegal eingereist und hat am 17.7.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
1.3. In Österreich hat der BF keine Angehörige. Der BF besuchte in Österreich mehrere Deutschkurse und beabsichtigt, im Sommer 2016 die Prüfung für Niveau B-2 zu absolvieren. Außerdem strebt der BF den Pflichtschulabschluss an. Der BF ist bemüht, die deutsche Sprache zu lernen und versucht, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Er übt im XXXXsportverein Sektion-Fitnesssport den Sport Fitnessboxen aus und unterstützt dort auch Kinder bei der Ausübung des Sports. Er ist auch in einem Boxverein tätig. Der BF hat auch schon im Rahmen seiner sportlichen Betätigungen österreichische Freunde gewonnen. Zu seinen österreichischen Freunden zählen unter anderem der sich im Ruhestand befindende XXXX und Obmann des genannten XXXXsportvereins Mag.Dr. XXXX und Frau Mag.(FH) XXXX . Der BF fand bereits Aufnahme bei der österreichischen Familie XXXX, die den BF nach seinem Aufenthalt im Caritas-Heim für Minderjährige ( XXXX ) bei sich aufnahm und ihn auch beim Erlernen der deutschen Sprache unterstützt. Der BF ist auch beim gemeinnützigen Verein " XXXX " tätig, in dem abwechselnd verschiedene Gerichte von Asylwerbern unterschiedlicher Herkunftsländer zubereitet werden. Der BF engagiert sich auch bei der XXXX gemeinnützig, indem er als Dolmetscher auftritt und verschiedene Arbeiten erledigt.
1.4. Ein Kontakt des BF zu seiner Familie in Afghanistan besteht nicht mehr. Der BF hat auch darüber hinaus keine Angehörigen in Afghanistan.
1.5. Die Frage der asylrelevanten Verfolgung des BF in seinem Heimatstaat ist nach Zurückziehung der Beschwerde gegen die Abweisung in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
1.6. Der BF würde im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose und existenzbedrohende Lage kommen.
1.7. Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Die allgemeine Sicherheitslage hat sich seit der Verkündung der Wahlergebnisse ein wenig stabilisiert. Für afghanische Verhältnisse kann man sogar von einer Verbesserung sprechen. Solange sich die neue Regierung aber noch nicht formiert hat und die Ministerien noch nicht neu besetzt sind, kann davon ausgegangen werden, dass radikale Gruppierungen nach wie vor durch Anschläge, speziell gegen Regierung und ISAF (International Security Assistance Force), die Lage destabilisieren wollen, um die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis zu stellen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).
* Die Motive der Gruppierungen in Afghanistan sind einerseits politisch/religiös, andererseits rein wirtschaftlich bedingt. Die Maßnahmen der neuen Regierung wurden von der Zivilbevölkerung positiv aufgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass Gruppierungen, die die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis stellen wollen, diesen Winter vermehrt Aktionen setzen werden. Mit nächstem Jahr wird auch ISAF in RSM (Resolut Support Mission) umfunktioniert und auf internationaler Seite eine massive Truppenreduktion eingeleitet. Auch das kann noch einmal zu einer Verschärfung der Lage führen. Sollte die Masse der Bevölkerung nicht ausreichend informiert werden, wird von radikalen Gruppen versucht werden, die planmäßige Reduktion der Truppen als Rückzug auf Grund des massiven Drucks gegen die IC (International Coalition) zu verkaufen. Trotzdem ist die Anzahl der Anschläge im Gesamten leicht rückgängig, ihre "Qualität" hat aber zugenommen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).
Der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan läuft zum Jahresende aus. Einen Vertrag über einen neuen internationalen Militäreinsatz wollte der bisherige afghanische Präsident Hamid Karzai nicht unterschreiben. Nach monatelanger Verzögerung hat die afghanische Regierung den Weg für einen internationalen Militäreinsatz über den Jahreswechsel hinaus freigemacht. Dem NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan soll ein kleinerer Einsatz zur Ausbildung und Unterstützung afghanischer Sicherheitskräfte mit rund 12.000 Soldaten folgen. Deutschland will sich mit bis zu 800 Soldaten an dieser Mission mit dem Namen "Resolute Support" beteiligen (FAZ 30.9.2014).
Im Zeitraum 1.6.-15.8.2014 registrierte die UNO landesweit 5.456 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Steigerung von 10,7% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres und von 18,7% zu 2012. Jedoch bedeuten diese Zahlen auch einen Rückgang von 12,6% im Vergleich zu 2011. Die erhöhte Zahl der Vorfälle ist auf Operationen unter Führung der ANSF zurückzuführen, die sich auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen konzentrierten, und auf die andauernde "Khaibar"-Offensive der Taliban, aber auch auf Versuche der Rebellen, den Wahlprozess zu stören. Während des Berichtszeitraumes machten bewaffnete Zusammenstöße 47,3% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle aus, während 29,1% auf IEDs zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum wurden 36 Selbstmordattentate registriert, was, verglichen mit 32 Selbstmordattentaten im vorigen Berichtzeitraum, einen geringen Anstieg bedeutet. 2013 wurden im gleichen Zeitraum 33 Selbstmordattentate registriert. Insgesamt wurden von 1.6.-15.8.2014 211 Attentate und 30 Attentatsversuche registriert, was einen Anstieg von 7,1% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 bedeutet (UN GASC 9.9.2014).
Im Zeitraum 1.3.-31.5.2014 verzeichnete die UNO landesweit 5.864 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf die Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan, speziell jene Vorfälle, die eine Rolle in festgelegten Aktivitäten und Programmen spielen. Dies deutete eine Steigerung von 22% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011 an. Bewaffnete Zusammenstöße machten 45% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die hohe Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ist hauptsächlich der Wahlzeit zuzuschreiben, was auf die Räumungsoperationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Versuche der Taliban den Wahlprozess zu stören, zurückzuführen ist. Vorfälle im Süden, Südosten und Osten des Landes machten 3.917 aller Vorfälle während des Berichtszeitraumes aus. Nennenswert ist speziell der Anstieg im Osten, wo mehrere al-Qaida Zweige, wie z.B. Tehrik-e-Taliban Pakistan, Lashkar-e-Tayyiba, Lashkar-i-Jhangvi und Islamic Movement of Uzbekistan regelmäßig Angriffe auf die afghanischen Sicherheitskräfte durchgeführt haben, parallel zu den Bemühungen der Taliban und dem bewaffneten Flügel Hezb-e Islami (UN GASC 18.6.2014).
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin volatil. Die Vereinten Nationen (UNO) registrierten 20.093 sicherheitsrelevante Vorfälle im Jahr 2013, es ist damit nach 2011 das gewaltreichste Jahr seit dem Fall der Taliban. 70% dieser Angriffe wurden im Osten, Südosten und speziell im Süden registriert. Bewaffnete Zusammenstöße und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) machten 75% aller Vorfälle aus. Bewaffnete Zusammenstöße sind im Vergleich zu 2012 um 51% gestiegen. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben bewiesen, dass sie fähig sind Gebiete gegen Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente zu verteidigen und Territorien zurückzuerobern, wenn auch unter signifikanten Opferzahlen (UN GASC 7.3.2014).
Zwischen 1.1. und 30.6.2014 registrierte die UNAMA 4.853 zivile Opfer (1.564 Tote und 3.289 Verletzte) - dies deutet einen Anstieg um 17% bei getöteten bzw. um 28% bei verletzten Zivilisten. Es wurde damit ein Anstieg von 24% im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2013 verzeichnet. Zum ersten Mal seit 2009 wurden mehr Zivilisten in Bodenkämpfen und Kreuzfeuer zwischen regierungsfeindlichen Elementen und den ANSF getötet oder verletzt, als durch andere Taktiken. In den vergangenen Jahren wurde die Mehrzahl der Zivilisten durch IEDs getötet oder verletzt (UNAMA 7.2014).
Konflikt-bedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2014 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Die UNAMA verzeichnete 1.071 minderjährige Opfer (295 Kinder starben und 776 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 34% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2013. Es gab 440 weibliche Zivilopfer, davon wurden 148 Frauen getötet und 292 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 24% gegenüber 2013. Laut UNAMA waren 74% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 9% regierungsfreundlichen Kräften (8% den ANSF, und 1% internationalen militärischen Kräften), 12% aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Kräften und den ANSF. UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer explosiven Munitionsrückständen des Krieges zu und die übrigen 1% grenzübergreifenden Bombardements von Pakistan nach Afghanistan. Im Gegensatz zu den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 (599), verdoppelte sich die Zahl der von regierungsfeindlichen Elementen getöteten Zivilisten auf 1.208 im Jahr 2014. Während sich die Zahl der von regierungsfreundlichen Kräften getöteten Zivilisten halbierte - von 302 auf 158. Dies ist auf die Luftoperationen der internationalen militärischen Kräfte zurückzuführen. Die Intensivierung von Bodenkämpfen in bevölkerungsreichen Gegenden führte zu hohen Opfern bei Frauen und Kindern. Die Zahl der minderjährigen Opfer aufgrund von Bodenkämpfen verdoppelte sich auf 520 (112 Kinder starben und 408 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 110%. Bodenkämpfe führten zu 256 weiblichen Zivilopfer (64 Frauen starben und 192 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 61% (UNAMA 7.2014).
In insgesamt 41 Distrikten, ungefähr 10% aller Distrikte in Afghanistan, gab es mindestens eine große Talibanoffensive. Die meisten dieser Offensiven wurden zurückgedrängt, oftmals mit hohen Opfern auf Seiten der Taliban. Fast jede größere Stadt, angefangen von Kabul über Jalalabad, Kandahar City, Mazar-e-Sharif und Sangin, hatte eine Offensive vor den eigenen Toren zu verzeichnen. Kunduz City ist weiterhin komplett von Talibankräften umzingelt. Gleichzeitig zeigen diese Daten nur Distrikte an, in welchen die Taliban die Regierungsautoritäten offen herausforderten. Nicht angezeigt werden Gegenden (z.B.: Wardak, Ghazni und Logar) wo bereits eine Talibandominanz besteht (WP 20.10.2014). Die afghanischen Streitkräfte haben in den meisten Teilen des Landes die Sicherheitsverantwortung übernommen (Die Welt 5.10.2014). Das Innenministerium verlautbarte, dass von April bis September 1.523 Polizisten und 800 Soldaten der ANA im Zuge von Kämpfen mit Aufständischen getötet wurden (Tolo 17.9.2014; vgl. WP 20.10.2014). Auch die Taliban verzeichneten schwere Verluste (WP 20.10.2014). Die Vereinten Nationen melden, dass allein in der ersten Jahreshälfte 24% mehr Zivilisten umkamen als im gleichen Zeitraum 2013. Und zum ersten Mal seit Beginn der Statistik starben die meisten im Zuge von Kampfhandlungen, nicht aber durch Terror-Akte (Die Welt 5.10.2014). Als Waffe ihrer Wahl verwenden Rebellengruppen oft IEDs um afghanische und Koalitionssicherheitskräfte anzugreifen. Jedoch werden meist Zivilisten Ziel der Angriffe (Khaama Press 20.9.2014). Die Taliban versuchten die Sicherheit in Teilen vor allem der östlichen, westlichen und nördlichen Provinzen zu stören. Offizielle Vertreter der Provinzen gaben an, dass sie auch weiterhin ihre Truppen für eine schnelle und effektive Reaktion mobilisierten (Tolo 13.8.2014).
Quellen:
Die Welt (5.10.2014): Unverhüllter Widerstand, http://www.welt.de/print/wams/politik/article132921470/Unverhuellter-Widerstand.html
* FAZ - Frankfurter Allgemeine (30.9.2014): Afghanische Regierung unterzeichnet Abkommen über Militäreinsatz, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/vereinigte-staaten-und-nato-afghanische-regierung-unterzeichnet-abkommen-ueber-militaereinsatz-13181946.html
* Khaama Press (20.9.2014): 6 militants blown up by own explosives in Kabul province,
http://www.khaama.com/6-militants-blown-up-by-own-explosives-in-kabul-province-6724
* Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (10.11.2014):
Memo, per Mail.
* Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):
Sicherheitslage, per Mail.
* Tolo News (13.8.2014): Baghlan Police Chief: No Mercy for Taliban, http://www.tolonews.com/en/afghanistan/15953-baghlan-police-chief-no-mercy-for-taliban
* Tolo (17.9.2014): ANSF Casualties on the Rise, http://www.tolonews.com/en/afghanistan/16410-ansf-casualties-on-the-rise
* UNAMA (7.2014): Afghanistan: Mid-Year Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict 2014, July 2014, http://www.unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human%20rights/English%20edited%20light.pdf, 27.10.2014
* UN GASC (7.3.2014): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG-report-Afghanistan-March2014.pdf
* UN GASC (18.6.2014): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2014_420.pdf
* UN GASC (9.9.2014): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2014_656.pdf
WP - Washington Post (20.10.2014): A (fighting) season to remember in Afghanistan,
http://www.washingtonpost.com/blogs/monkey-cage/wp/2014/10/20/a-fighting-season-to-remember-in-afghanistan/
Aufständische Gruppen
Rebellengruppen, internationale Terroristen und damit verbundene Netzwerke nutzten die die Wahlkrise aus, um landesweit große Angriffe durchzuführen. Speziell in der Provinz Helmand im Süden, den Provinzen Faryab und Ghor im Westen, der Provinz Logar im Zentralraum, den Provinzen Nangarhar und Nuristan im Osten und der Provinz Kunduz im Nordosten. Es gab Versuche ein Gebiet nicht nur einzunehmen, sondern auch zu halten, indem durch mehrere hundert sogenannter "Schwarmangriffe" administrative Bezirkszentren und Sicherheitscheckpoints überrannt wurden. Dies resultierte in einer beträchtlichen Opferzahl unter Zivilisten, Sicherheitspersonal und Rebellen. Das Ziel scheint zu sein, den Einfluss der Rebellen größer erscheinen zu lassen, als dies der Fall ist. Die afghanischen Sicherheitskräfte demonstrierten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit in der Bekämpfung des Großteils der Rebellenoffensiven und der Rückeroberung von Distriktzentren und Sicherheitsanlagen, selbst wenn ihnen die Ressourcen fehlen, um die Rebellenpräsenz einzudämmen und ihre Bewegungsfreiheit, speziell in abgelegenen ländlichen Distrikten, eingeschränkt ist. Diese Entwicklungen gingen unter großer öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit von statten, speziell in Bezug auf die negativen Auswirkungen der Wahlkrise auf die afghanische Sicherheit, das bevorstehende Ende der ISAF-Mission und die militärische Operation Pakistans in Nordwaziristans (UN GASC 9.9.2014).
Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten, gruppenstarken oder stärkeren Angriffe von Aufständischen auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte "harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb dieser "Fighting Season" kommen alle Aufständischen, die weiterkämpfen wollen in die Städte, da hier die Gründe für die Unterbrechung nicht vorliegen (ungünstige Witterung) (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
Taliban: Die Talibanbewegung ist nach vor der Kern der Rebellenaktivitäten in Afghanistan. Berichten zufolge operieren sie noch immer von Pakistan aus, wahrscheinlich aus Gegenden in der Nähe der Grenze oder der Stadt Quetta. In den letzten Jahren verloren die Taliban hochrangigen Vertraute und Kommandanten aufgrund von Kämpfen oder Verhaftungen. Der Führungskreis Mullah Muhammad
* zunehmend bereitwillig gegenüber einer politischen Einigung ist (CRS 9.10.2014). Talibankämpfer sind eine erhebliche Kraft - deren Zahl der auf etwa 30.000 geschätzt wird. Es wird aber berichtet, dass die Unterstützung für die Taliban auch in Gegenden in welchen sie auf die Hilfe von Dorfbewohnern zählen konnten, schwindet und dass ihnen die Mittel fehlen um größere Städte zu erobern oder sich in frontale Kämpfe verwickeln zu lassen (Reuters 7.4.2014). Zum Beispiel war den Rebellen in Distrikten wie Marjah, Nawa, Garmser und Nad Ali - alle in der Provinz Helmand -ein Wiedererstarken nicht möglich. NATO und afghanische Kräfte hatten diese in intensiven Kämpfen 2010 und 2011 erobert und sie werden nun meist von den ANSF kontrolliert. Ein spezielleres Beispiel ist eine Gegend in Ghazni, in welcher einst der Aufstand begann. Anders als früher, ist es dort seit 2009 immer schwieriger neue Rekruten für den Aufstand zu finden (AAN 25.3.2014). Die von den Taliban ausgehende Gewalt in Afghanistan hält an. Auf den Druck afghanischer Sicherheitskräfte in unruhigen Provinzen antworteten die Taliban mit Bomben und bewaffneten Angriffen (Xinhua 21.9.2014). Die Taliban sind zwar nicht besiegt, aber die afghanischen Kräfte übernehmen nun die volle Verantwortung (BBC 26.10.2014). Am 8. Mai verkündeten die Taliban in einem Statement, dass ihre Frühlingsoffensive "Khaibar", hochrangige Regierungsvertreter, Parlamentsmitglieder, Sicherheitsoffiziere, Anwälte und Richter aber auch ausländische Kräfte, sowie deren diplomatische Zentren und Konvoys, zum Ziel hatte (UN GASC 18.6.2014). Am angekündigten Startdatum, dem 12.5.2014, wurde ein komplexer Angriff auf ein Justizgebäude in Jalalabad verübt, bei dem acht Menschen getötet wurden (UN GASC 9.9.2014; vgl. NYT 12.5.2014). Am 20.5. nahmen etwa 300 Rebellen das administrative Bezirkszentrum Yamgan der nordöstlichen Provinz Badakhshan ein. Der Regierung gelang es die Kontrolle am 23.5 wieder zurück zu erlangen (UN GASC 18.6.2014).
Al-Qaida: Die Zahl der al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan wird von amerikanischen Behörden mit 50 bis 100 beziffert. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Quaida angegliedert und in den Provinzen Faryab und Kunduz aktiv sind, wie zum Beispiel zum Islamic Movement of Uzbekistan (CRS 9.10.2014).
Haqqani-Netzwerk: Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Die Gruppe ist mit der al-Qaida und den afghanischen Taliban verbündet, sowie anderen terroristischen Organisationen in der Gegend (Khaama Press 16.10.2014a). Es wird angenommen, dass das Netzwerk der al-Qaida näher ist als den Taliban (CRS 9.10.2014). Das Haqqani-Netzwerk ist für unzählige Attacken gegen die afghanische Regierung und ihre westlichen Verbündeten verantwortlich. Zwei ihrer hochrangigen Führer wurden im Oktober 2014 festgenommen (NYT 17.10.2014). Das Netzwerk operiert von Pakistan aus, wo sich in manchen Gegenden dessen ursprüngliche Unterstützung durch die Bevölkerung in Feindseligkeit umgewandelt hat (NYT 5.11.2013). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014). Der Aufstand des Haqqan-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden(DW 17.10.2014).
Hezb-e Islami Gulbuddin: Die radikale islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt, ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. Berichten zufolge rief Hikmatyar im Jänner 2014 dazu auf, am 5. April wählen zu gehen. Dies wird als Versuch interpretiert die HIG für eine politische Rolle zu positionieren (CRS 9.10.2014).
Quellen:
AAN - Afghan Analyst Network (25.3.2014): Can the Taleban outwrestle the government? An assessment of the insurgency's military capability,
https://www.afghanistan-analysts.org/can-the-taleban-outwrestle-the-government-an-assessment-of-the-insurgencys-military-capability/
* BBC (26.10.2014): UK ends Afghan combat operations, http://www.bbc.com/news/uk-29776544
* CRS - Congressional Research Service (9.10.2014): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, http://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf
* DW - Deutsche Welle (17.10.2014): Capture of senior leaders to 'further weaken' Haqqani network, http://www.dw.de/capture-of-senior-leaders-to-further-weaken-haqqani-network/a-18001448
* Khaama Press (16.10.2014): Top Haqqani Network leaders arrested by Afghan intelligence,
http://www.khaama.com/top-haqqani-network-leaders-arrested-by-afghan-intelligence-8821
* Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):
Sicherheitslage, per Mail.
* NYT - The new York Times (12.5.2014): Taliban Wage Deadly Attacks in 3 Afghan Provinces,
http://www.nytimes.com/2014/05/13/world/asia/taliban-afghanistan.html?_r=0
* NYT - The new York Times (17.10.2014): 2 Haqqani Militant Leaders Are Captured, Afghan Officials Say, http://www.nytimes.com/2014/10/17/world/asia/haqqani-leaders-arrested-afghanistan-khost.html?_r=0
* NYT - The new York Times (5.11.2013): Afghan Militant Group Faces Unusual Discontent,
http://www.nytimes.com/2013/11/06/world/asia/afghan-militant-group-faces-unusual-discontent.html?pagewanted=1
* Reuters (7.4.2014): Smooth Afghan election raises questions about Taliban's strength,
http://www.reuters.com/article/2014/04/07/us-afghanistan-election-idUSBREA331N920140407
* UN GASC (18.6.2014): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2014_420.pdf
* UN GASC (9.9.2014): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2014_656.pdf
* Xinhua (21.9.2014): Afghanistan says 51 militants killed in fresh operations,
http://news.xinhuanet.com/english/world/2014-09/21/c_133660018.htm
Sicherheitslage in Kabul
In einem Artikel vom Jänner 2013 schreibt Fabrizio Foschini vom Afghanistan Analysts Network (AAN), dass die Taliban bislang nicht all ihre Ressourcen für Angriffe in Kabul aufgewendet haben. Abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt liegt ihr Fokus auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollen. Die Taliban bevorzugen daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe ("high-profile attacks"), durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen wird. Wie Foschini ausführt, scheinen die Taliban nicht daran interessiert zu sein, relativ machtlose Personen zu verletzten. Vielmehr wollen sie ihre Kämpfer für Angriffe auf öffentlichkeitswirksame Ziele in Kabul aufsparen. (Foschini, 21. Jänner 2013)
In einem Artikel über einen am 24. Mai 2013 verübten Taliban-Angriff in Kabul schreibt Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), dass es in der afghanischen Hauptstadt wiederholt zu Taliban-Angriffen (in Form von koordinierten Selbstmordanschlägen und Feuergefechten) auf wichtige ("high profile") afghanische und internationale Einrichtungen gekommen ist. (RFE/RL, 24. Mai 2013)
Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) schreibt in einem Artikel vom Juni 2013, dass die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt verüben und zeigen, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden können. Dies zielt anscheinend darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher "Geldgeber" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen