TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W222 1413800-2

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W222 1413800-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX auch XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2016, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 55 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG iVm §§ 46, 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der zweite Satz im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt" ersatzlos behoben wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 01.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.06.2010, Zl. XXXX , gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.10.2010, Zl. C4 413.800-1/2010/5E, gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 idgF abgewiesen. Begründend führte der Asylgerichtshof im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet gewesen sei, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen, zumal er einerseits seine Fluchtgeschichte nur oberflächlich und vage beschrieben habe und seine Angaben in wesentlichen Punkten grob widersprüchlich ausgefallen seien. Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers komme daher weder die Gewährung von Asyl, noch eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG in Betracht, weil sich dieses als unhaltbar erwiesen habe. Auch aus der allgemeinen Situation lasse sich keine asylrelevante bzw. im Bereich des § 8 Abs. 1 AsylG relevante Verfolgungsgefahr betreffend den Beschwerdeführer erkennen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensbedrohliche Notlage geraten würde. Da der Beschwerdeführer keine Familienangehörige oder Verwandte in Österreich habe, nicht Deutsch spreche, keine Kontakte zu Österreichern pflege, keiner dauerhaften legalen Arbeit nachgehe und sein bisheriger Aufenthalt lediglich wenige Monate umfasse, stelle die Ausweisung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers dar.

Am 18.11.2010 und am 11.02.2011 wurde der Beschwerdeführer jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäß § 120 Abs. 2 Z 2 FPG zur Anzeige gebracht. Er wurde am 03.03.2011 gemäß § 39 iVm § 74 FPG festgenommen, am 04.03.2011 vor der Bundespolizeidirektion Wien niederschriftlich einvernommen und anschließend aus der Haft entlassen.

Am 14.03.2011 wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angetroffen, als er verschieden Zeitungen zum Verkauf auf der Straße aufgelegt hatte. Er wurde einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und gemäß § 39 FPG iVm § 120 Abs. 1 Z 2 FPG festgenommen. Nach Anordnung der Anzeige auf freiem Fuß wurde er aus der Haft entlassen.

Am 19.04.2011, 23.05.2011, 20.07.2011, 27.07.2011, 21.01.2012, 08.04.2012, 19.04.2012, 26.04.2012, 27.05.2012, 21.08.2012, 13.10.2012, 16.10.2012, 15.06.2013 und 07.09.2013 wurde der Beschwerdeführer jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts zur Anzeige gebracht.

Am 02.01.2014 wurde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wahrgenommen, wie der Beschwerdeführer auf der Straße Zeitungen verkaufte. Er wurde einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen und gab an, in seiner Wohnung den Arbeitsvertrag für die Tätigkeit als Zeitungsverkäufer zu haben. Die Anzeige auf freiem Fuß wurde angeordnet.

Mit Schreiben vom 23.07.2014 gab der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die "richtigen Daten des Betroffenen" unter Vorlage von Schulunterlagen bekannt.

Anlässlich einer Befragung vor der Landespolizeidirektion Wien am 08.08.2014 gab der Beschwerdeführer an, keinen Reisepass und keine Familienangehörige in Österreich zu haben, bei der Firma XXXX als Zeitungszusteller zu arbeiten und monatlich ungefähr 850 Euro zu verdienen. Er bekomme keinerlei finanzielle staatliche Unterstützung und wohne gemeinsam mit vier anderen Personen in einer Mietwohnung.

Mit Schriftsatz vom 12.08.2014 wurde seitens des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters der "vollständige und richtige Name" des Beschwerdeführers bekannt gegeben.

Am 06.12.2013 führten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine fremdenrechtliche Kontrolle beim Beschwerdeführer durch. Dieser hatte ein Zeitungsregal aufgebaut und Zeitungen verkauft. Auf Befragung gab der Beschwerdeführer in gebrochenem Deutsch an, dass er für einen namentlich genannten Mann arbeite und 500 Euro im Monat bekomme. Wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung gemäß § 35 FinanzstrafG, der Arbeitsaufnahme entgegen den Bestimmungen des § 3 AuslBG und ohne entsprechende Meldung gemäß § 111 ASVG wurde Anzeige erstattet.

Am 30.06.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, wobei er ein Konvolut an Unterlagen in Vorlage brachte.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass nach Prüfung des eingebrachten Antrages und Durchsicht des fremdenpolizeilichen Aktes seine Identität nicht festgestellt werden könne, weshalb er aufgefordert werde, einen Reisepass vorzulegen.

Nachdem mit Schreiben der damaligen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 04.08.2015 um Gewährung einer Fristerstreckung ersucht worden war, jedoch keine weiteren Unterlagen eingelangt waren, gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.09.2015 bekannt, dass beabsichtigt sei, den Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen, zumal seine Identität nach wie vor nicht feststehe und kein schützenswertes Familien- bzw. Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich bestehe. Dem Beschwerdeführer wurde eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Mit Schreiben des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 02.10.2015, 15.10.2015 und 30.12.2015 wurde jeweils um Gewährung einer Fristerstreckung ersucht. Mittels Schriftsatz vom 01.03.2016 wurde eine Farbkopie des Reisepasses (ausgestellt am 24.11.2009 und gültig bis 23.11.2019) in Vorlage gebracht.

Am 08.01.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeige auf freiem Fuß wegen rechtswidrigen Aufenthalts verfügt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2016 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 30.06.2015 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Indien leben würden und daher kein schützenswertes Familienleben bestehe. Der Beschwerdeführer halte sich überwiegend unrechtmäßig in Österreich auf und wisse seit 2010, dass er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht fortsetzen dürfe. Er habe versucht unter Angabe eines falschen Namens und eines falschen Geburtsdatums seine Identität zu verschleiern, habe Dokumente bzw. Kopien nicht zur Vorlage gebracht und wirke so am Verfahren der Behörde nicht mit. Der selbstständigen Beschäftigung als Zusteller dürfe er nicht nachgehen, weil er sich illegal in Österreich befinde, und einen Deutschnachweis habe er nicht erbracht. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen würden die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung höher gewertet werden als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass die Asylgründe durch den Asylgerichtshof als nicht glaubwürdig erachtet worden seien und der Beschwerdeführer keine Gründe angeführt habe, die zu einer neuerlichen Prüfung geführt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, worin im Wesentlichen moniert wurde, dass sich die Behörde nicht mit den übermittelten Unterlagen auseinandergesetzt habe. Wie aus dem beiliegenden Patientenbrief hervorgehe, sei der Beschwerdeführer aktuell nicht reisefähig und müsse aufgrund einer schwerwiegenden TBC-Erkrankung starke Medikamente einnehmen. Eine adäquate medizinische Behandlung im Herkunftsstaat sei nicht möglich und nicht erhältlich. Im Falle einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer in einen lebensbedrohenden Zustand geraten. Die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen werde beantragt. Zudem sei die vorgelegte Geburtsurkunde echt und werde eine Überprüfung ausdrücklich angeregt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Kamboj an. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Gegen ihn wurde mehrmals Anzeige wegen rechtswidrigen Aufenthaltes erstattet.

Der Beschwerdeführer befand sich wegen seit 2015 zunehmender Rückenschmerzen vom 14.03.2016 bis 15.03.2016 in stationärer Behandlung. Vom 21.03.2016 bis 02.04.2016 wurde er wegen einer TBC-Spondylodiszitis mit paravertebralem Abszess stationär behandelt und konnte in gebessertem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden. Empfohlen wurden eine ambulante Kontrolle am 07.04.2016, eine Vorstellung an der Augenambulanz und die Einnahme der Medikamente Etibi und Rifoldin (zur Behandlung von Tuberkulose) sowie Klacid (ein Antibiotikum).

Nachdem er schlepperunterstützt und unrechtmäßig am 30.05.2010 in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, stellte er am 01.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.10.2010 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer nach Indien ausgewiesen. Am 30.06.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Der Beschwerdeführer war bis zum 18.11.2016 behördlich gemeldet. Seither besteht keine aufrechte Wohnsitzmeldung mehr in Österreich und der Beschwerdeführer ist unbekannten Aufenthalts. Er trat im Asylverfahren unter einer anderen Identität auf als im gegenständlichen Aufenthaltstitelverfahren. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl berichtigte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung zwei Mal seine Personalien. Die Kopie seiner Geburtsurkunde und seines Reisepasses legte er erst im Laufe des gegenständlichen Verfahrens vor.

In Österreich verfügt der ledige Beschwerdeführer weder über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Er eignete sich während seines Aufenthalts Grundkenntnisse der deutschen Sprache an, brachte bis dato jedoch keine Unterlagen über besuchte Deutschkurse oder absolvierte Deutschprüfungen in Vorlage. Er lebte zuletzt in einer Mietwohnung mit einer Nutzfläche von 30 m² und verfügt über einen Freundes- bzw. Bekanntenkreis in Österreich. Seit dem 01.10.2010 arbeitete er als Zeitungszusteller, wodurch er in Österreich seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Abgesehen von wenigen Tagen bezog er keine Leistungen im Rahmen der Grundversorgung. Darüber hinaus konnten weitere maßgebliche Anhaltspunkte, die für die Annahme einer besonderen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen würden, nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Bundesstaat Punjab. In Indien besuchte er fünf Jahre lang die Grundschule und sieben Jahre lang ein Gymnasium. Er lebte bei seinen Eltern und bestritt mit den Einkünften aus der im Familienbesitz befindlichen Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

1. Grundversorgung/Wirtschaft

Indien gehört trotz Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 5 Prozent (2012/13; 2011/12 dagegen noch 6,2 Prozent, 2013/14 - geschätzt - : 4,9Prozent) nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (weltweit an 10. Stelle). Bei derzeit 1,2 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen (AA 3.2013).

Indien ist die drittgrößte Wirtschaft in Asien und ist durch eine hohe Inflation, einer schwachen Währung und einem Rückgang an ausländischen Investitionen belastet. Eine Flaute im Bergbau und Manufaktur, haben ihr restliches dazu beigetragen (BBC 31.1.2014).

Laut Zahlen der Weltbank betrug im Jahre 2012 das Pro-Kopf-Einkommen in Indien US Dollar 1.489. Das jährliche Wirtschaftswachstum in Indien sei zwar von 7,5 auf 5 Prozent gefallen, das aber sei immer noch ein sehr ansehnlicher Wert. Dies umso mehr, als der Internationale Währungsfonds für das laufende und das kommende Jahr eine Belebung des Wachstums erwarte. Das Land hat die im Jahre 2008 in den Vereinigten Staaten ausgebrochene Krise schlechter weggesteckt als China. Während China Leistungsbilanzüberschüsse und damit Devisenreserven ansammelt, ist die indische Leistungsbilanz negativ geworden. Während Peking seine Währung künstlich vor zu einer starken Aufwertung schützt, hat die indische Rupie erheblich an Wert verloren (FAZ 23.1.2014).

Das hohe Wachstum der letzten Jahre hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70 Prozent aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Die erhofften massiven Beschäftigungseffekte des Wachstums sind bislang ausgeblieben (AA 3.2014).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Es hat große Fortschritte wie zum Beispiel im IT-Bereich gemacht, dessen große Facharbeitskräfte es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen machen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da das Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist. Diskriminierungen auf Basis der Kaste ist gegenwärtig illegal und mehrere Maßnahmen wurden eingeführt um benachteiligte Gruppen zu stärken und ihnen Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern - wie zum Beispiel Bildung und Arbeit. Armutsbekämpfung und Alphabetisierungskampagnen sind im Gange (BBC 16.5.2014 vgl. auch: BBC 11.12.2013).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Kopf und Tag. Rund 70 Prozent haben weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index der UNDP (2013) steht Indien auf Platz 136 unter 186 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem von den Vereinten Nationen veranschlagten Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, problemlos ausgeglichen werden (AA 3.3.2014).

Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg Indiens und die Überwindung des über Jahrzehnte schwachen Wachstums war die sukzessive Deregulierung und Öffnung der indischen Volkswirtschaft nach der Finanzkrise von 1991. Dieser Prozess ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Das Wirtschaftswachstum wird ganz wesentlich von der Binnennachfrage getragen, für deren weiteren Anstieg schon die demographische Entwicklung spricht. Die industriepolitische Strategie strebt den weiteren Auf- und Ausbau einer eigenen industriellen Produktion an. Dabei erfolgt gelegentlich ein Rückgriff auf protektionistische Maßnahmen wie Importzölle, Exportquoten, Lokalisierungszwänge oder Buy Indian-Vorgaben in öffentlichen Ausschreibungen. Seit September 2012 hat die indische Regierung weitere Liberalisierungsschritte eingeleitet und damit einen längeren Stillstand der Reformpolitik überwunden. So wurde die hoch umstrittene Zulassung ausländischer Investitionen auch in Supermarktketten beschlossen, ferner u.a. die Zulassung ausländischer Beteiligung an Fluggesellschaften und Strombörsen. Auch in anderen Branchen wurden die Grenzen für ausländische Kapitalbeteiligungen heraufgesetzt. Weitere wichtige Reformvorhaben zur Öffnung des Finanzsektors wie z.B. die Anhebung der Schwelle für Auslandsinvestoren an Versicherungsunternehmen sind allerdings noch nicht beschlossen worden (AA 3.2014).

Die globale Rezession, hat die indische Wirtschaft besonders stark getroffen - die Regierung sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, da sie kein integratives Wachstum zu garantieren konnte (AI 5.2013). Im April stiegen die Verbraucherpreise 8,6 Prozent im Jahresvergleich (FAZ 16.5.2014). Arme und marginalisierte Gemeinschaften, die geschätzt 30 - 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen, waren besonders stark vom Preisanstieg betroffen (AI 5.2013).

Nur ca. 8 Prozent aller Beschäftigten stehen in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 92 Prozent werden dem sog. "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 3.2014).

Backsteinöfen sind ein wichtiger Bestandteil von Indiens wachsender Wirtschaft. Es gibt mehr als zwei Millionen ZiegelarbeiterInnen in Indien. Viele Ofenanlagen haben ArbeiterInnen, die unter fast sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten und höchstens £1.50 für einen 12 Stunden Tag verdienen. Viele leiden unter Krankheiten aufgrund des beizenden Rauches der Öfen und den rauen Arbeitsbedingungen (BBC 4.1.2014). Das Ausmaß von Zwangs- und Kinderarbeit in den Backsteinöfen in Indien nimmt epidemische Ausmaße an. Schwangere Frauen, Kinder und junge Mädchen arbeiten 12 - 18 Stunden pro Tag. Sie sind schlecht ernährt, es gibt kein sauberes Wasser und sie leben wie Sklaven (BBC 2.1.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

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AA - Auswärtiges Amt (3.2014): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.8.2014

-

AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

-

BBC (4.1.2014): India brick industry: Calls to improve working conditions, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25595093, Zugriff 6.8.2014

-

BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 6.8.2014

-

BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 17.3.2014

-

BBC (2.1.2014): Why India's brick kiln workers 'live like slaves', http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25556965, Zugriff 14.8.2014

-

BBC (31.1.2014): World Bank chief economist on future of India's economy, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-25742983, Zugriff 17.3.2014

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FAZ- Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.1.2014): Ein Wirtschaftswunder und ein fragiler Subkontinent, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum/china-und-indien-ein-wirtschaftswunder-und-ein-fragiler-subkontinent-12766222-p2.html, Zugriff 6.8.2014

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 7.8.2014

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USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

1.1. Sozialbeihilfen

In Indien haben derzeit von 400 Mio. Arbeitskräften nur etwa 35 Mio. Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein. Von diesen 35 Mio. sind 26 Mio. Arbeiter Mitglied der Organisation des Arbeitnehmervorsorgefonds ("EPFO"). Ein weiterer wichtiger Beitrag des EPF ist der Vorschlag zur Ausweitung der kritischen Lebensbeihilfen auf die Gewährung von Obdach. Der Shramik Awas Yojana zielt auf die Bereitstellung kostengünstiger Siedlungsprojekte ab. Dies geht einher mit einer Zusammenarbeit von Organisationen wie HUDCO, Wohnungsbauagenturen, der Regierung, Arbeitnehmern und "EPF"-Mitgliedern, wobei die "EPFO" eine Vermittlerrolle einnimmt. Die Investitionen fließen in die beschriebenen Sicherheiten und Portfolios nach einem durch das Finanzministerium vorgegebenen Muster ein (BAMF 8.2013)

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren könnte. Die Nummern ausstellenden Behörden pflegen eine Datenbank von Nummern, die mit persönlichen Informationen, inklusive biometrischer Daten, wie zum Beispiel Fingerabdrücke, verbunden werden (FH 3.10.2013).

Die wichtigsten Gesetze der sozialen Sicherung in Indien:

(i) Das staatliche Arbeitnehmerversicherungsgesetz, 1948 ("ESI Act"), das Fabriken und Einrichtungen mit mehr als 10 Mitarbeitern umfasst und eine umfangreiche Versorgung der Mitarbeiter und ihrer Familien vorsieht, ebenso wie finanzielle Hilfen bei Krankheit und Mutterschaft und monatliche Zahlungen im Todesfall oder im Falle einer Behinderung.

(ii) Das Gesetz zum Arbeitnehmervorsorgefonds & sonstigem, 1952 ("EPF & MP Act"), das sich auf bestimmte Fabriken und Werke und Einrichtungen bezieht, die 20 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, und das die abschließenden Leistungen des Vorsorgefonds, des Pensionsfonds und des Familienfonds im Todesfall während des Dienstverhältnisses regelt. Es existieren gesonderte Gesetze für vergleichbare Leistungen für Arbeiter in Kohleminen und auf Teeplantagen.

(iii) Das Arbeiterkompensationsgesetz, 1923 ("WC Act"), das im Falle von arbeitsbedingten Verletzungen, die tödlich verlaufen oder eine Behinderung nach sich ziehen, Kompensationszahlungen an den Arbeiter oder seine Familie verlangt.

(iv) Das Mutterschaftsleistungsgesetz, 1961 ("M.B. Act"), das 12 Wochengehälter während der Mutterschaft vorsieht, sowie bezahlten Urlaub bei anders gelagerten Eventualitäten.

(v) Gesetz zur Zahlung einer Abfindung, 1972 ("P.G. Act"), wonach Arbeitnehmern, die in einem Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern 5 oder mehr Jahre gearbeitet haben, 15 Tageslöhne für jedes Dienstjahr gezahlt werden (BAMF 8.2013).

Quellen:

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014

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FH- Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 24.3.2014

2. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard (AA 24.3.2014).

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 3.3.2014). Nur 10 Prozent der heutigen indischen Bevölkerung verfügen über einen Krankenversicherungsschutz. 75 Prozent der Ausgaben für medizinische Versorgung müssen noch immer von Konsumenten selbst finanziert werden. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Industriezweig infolge des Markteintritts zahlreicher Privatinvestoren, in den nächsten Jahren enorm wachsen wird. 17 Versicherungsgesellschaften und 3 Krankenversicherungsunternehmen bieten derzeit Krankenversicherungen an. In Anbetracht der wachsenden Arzneimittelanwendungen und Gesundheitskosten steigt die Versicherungssummengrenze von 500.000 Rs. stetig an, so dass viele Unternehmen Policen in Höhe von 100.000 Rs. ausstellen. Max, Apollo Munich und Fortis sind die drei größten Gesellschaften. Royal Sundaram, Bharati AXA, ICICI Lombard etc. bieten Krankenversicherungen in Indien an (BAMF 8.2013).

Da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Insbesondere im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 3.3.2014).

In staatlichen Krankenhäusern, von denen einige zu den besten Krankenhäusern Indiens gehören, erfolgt die Behandlung zu Steuerzahlerkosten. Die privaten medizinischen Einrichtungen bieten hohe Qualitätsstandards zu hohen Kosten. Die Gesundheitskosten in Indien sind im Vergleich zu den entwickelten Teilen der Welt verhältnismäßig niedrig. Nachfolgend die Durchschnittskosten einiger Einrichtungen in US $:

Knochenmarkstransplantation - $70.000, Lebertransplantation - $70.000, kardiologischer Eingriff - $10.000, orthopädischer Eingriff - $8.000, Katarakt-OP $1.250, Zahnimplantation - $800 etc. Die Primären Gesundheitseinrichtungen ("PHC") sind die Eckpfeiler der ländlichen Gesundheitsversorgung. Die Primären Gesundheitszentren und ihre nachgeordneten Stellen sollen die medizinischen Versorgungsbedürfnisse der Landbevölkerung gerecht werden. Jedes primäre Gesundheitszentrum ist für 100.000 Menschen zuständig und auf etwa 100 Dörfer verteilt. Die notwendige Ausstattung zur Verrichtung kleinerer operativer Eingriffe ist vorhanden. Auf der Gebietsebene besteht die Gesundheitsverwaltung aus einer Vielzahl von Bediensteten und Ärzten, die durchschnittlich 10-15 Krankenhäuser, 30-60 Primäre Gesundheitszentren und 300-400 nachgeordnete Zentren betreuen. Jeder Bezirk hat zudem ein Zivilkrankenhaus, um den Bedürfnissen der dortigen Bevölkerung zu begegnen (BAMF 8.2013).

Es gibt regierungsgestützte Vorhaben und Programme für die Gesundheit und Wohlfahrt der Bürger, die von der Zentralregierung durchgeführt werden. Diese Programme streben einen verbesserten Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie niedrigere Erkrankungszahlen und Todesfälle durch Krankheiten an. Die regierungsgestützten Programme umfassen Immunisierungsaktionen, besonderen Umgang mit Epidemien, Pläne zur Ausrottung gefährlicher Krankheiten und zahlreiche Bildungs- und Trainingsprogramme (BAMF 8.2013). Dank einer massiven Impfkampagne unter Beteiligung einer gewaltigen Armee von Helfern konnte die Kinderlähmung in Indien ausgerottet werden. Dennoch leben noch viele mit den Folgen der Erkrankung, gelähmten beziehungsweise deformierten Gliedmaßen und gesellschaftlicher Ächtung. Noch vor fünf Jahren entfiel die Hälfte aller neuen Polio-Erkrankungen auf Indien. Es ist ein großer Erfolg, dass es in den vergangenen drei Jahren keine neuen Fälle gab (DW 16.1.2014).

Die Nationale Ländliche Gesundheitsmission "NRHM" ist ein Regierungsvorhaben zur landesweiten Bereitstellung nützlicher medizinischer Dienstleistungen in den Haushalten ländlicher Regionen. Im Fokus stehen vor allem die 18 Staaten Arunachal Pradesh, Assam, Bihar, Chhattisgarh, Himachal Pradesh, Jharkhand, Jammu and Kashmir, Manipur, Mizoram, Meghalaya, Madhya Pradesh, Nagaland, Orissa, Rajasthan, Sikkim, Tripura, Uttarkhand und Uttar Pradesh (BAMF 8.2013).

Der Zugang zu öffentlichen oder privaten Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen in den ländlichen Gebieten ist, im Gegensatz den Städten, weiterhin eine Herausforderung. Eine steigende Zahl der Bevölkerung verwendet private Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen, sowohl für stationäre als auch ambulante Behandlungen. Lange Wartezeiten und das Fehlen von Diagnoseeinrichtungen sind mitunter die Hauptgründe warum private Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen, statt den öffentlichen Zentren, für die stationäre Behandlung ausgewählt werden. Für die ambulante Behandlung werden die Verfügbarkeit oder der Arzt und die Behandlungsqualität als Grund für die Auswahl der privaten Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen genannt. Jedoch wären die Patienten bereit zu einem öffentlichen Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen zu wechseln, wenn die genannten Probleme thematisiert werden würden. Patienten sind oft gezwungen aufgrund von Entfernung der schlechten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sich an teurere Institute zu wenden., Wenngleich es Verbesserungen gab, gibt es auch weiterhin signifikante Herausforderungen im Bereich des Gesundheitsvorsorgezugangs für die indische Bevölkerung, speziell in ländlichen Gebieten (IMS-Institute 6.2013).

Fast alle gängigen Medikamente sind auf dem Markt erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien selbst ist der weltweit größte Hersteller von Generika, Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 3.3.2014). Die Durchimpfungsrate ist extrem gestiegen. Zum Beispiel ist die Diphtherie-Tetanus-Pertussis Impfung unter den 1-jährigen um 60 -70 Prozent gestiegen die von Hepatitis B hat sich von 68 Prozent im Jahr 2005 auf 91 Prozent im Jahr 2010 gesteigert. Nationale Programme haben erfolgreich die Erkennungs- und Heilraten für Tuberkulose und Leprose verbessert (IMS-Institute 6.2013). [Zur Müttersterblichkeitsrate siehe Kapitel 18]

Die Säuglingssterblichkeitsrate hat sich in einem Zeitraum von 2000 - 2009 um mehr als 25 Prozent gesenkt, 50 Totgeburten pro 1.000 Lebendgeburten. Auch die unter -5jährigen Kindersterblichkeitsrate ist gesunken, 64 Toten pro 1.000 Lebendgeburten. Der städtische Bereich konnte die anvisierte Zahl der MDGs von 42 Toten pro 1.000 Lebendgeburten erreichen, jedoch ist der ländliche Bereich hinter dem Ziel mit 71 Toten pro 1.000 Lebendgeburten (IMS-Institute 6.2013). Die indische Regierung förderte regionale Krebszentren (HRW 29.1.2013).

Die "Accredited Socia lHealth Activist" (ASHA) ist eine Gesundheitsaktivisten-Initiative innerhalb der Gemeinden. Sie soll die Wahrnehmung für das Thema Gesundheit und die sozialen Begleiterscheinungen schärfen, sowie die Gemeinde zu örtlicher Gesundheitsplanung anleiten, ebenso wie zum vermehrten Gebrauch von und der Verantwortung für die existierenden medizinischen Dienste, die von der Regierung bereitgestellt werden. Die ASHA- Initiative bietet auch ein Mindestpaket an Heilpflege an, wie es auf dieser Ebene angemessen und realisierbar ist. Außerdem sorgt sie für termingerechte Überweisungen. Die kostenlose Notrufnummer in Indien ist die 1-0-8. Die Notrufe werden vom GVK EMRI (GVK Emergency Management and Research Institute) entgegengenommen, dem einzigen professionellen Notruf Service Provider in Indien, der medizinische Notrufe und Notrufe für Polizei und Feuerwehr entgegennimmt (BAMF 8.2013).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

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AA - Auswärtiges Amt (24.3.2014): Indien: Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 18.2.2014, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_9FEE4C8FB03B6BE38D455A53869D3ADC/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IndienSicherheit.html?nn=346896#doc346804bodyText7, Zugriff 24.3.2014

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014

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DW - Deutsche Welle (16.1.2014): Neues Leben für Polio-Opfer in Indien,

http://www.dw.de/neues-leben-f%C3%BCr-polio-opfer-in-indien/a-17366908, Zugriff 5.2.2014

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Human Rights Watch (29.1.2013): World Report 2013, India, http://www.hrw.org/world-report/2013/country-chapters/india?page=3; Zugriff 7.8.2014

-

IMS-Institute (6.2013): Understanding Healthcare Access in India, http://www.imshealth.com/deployedfiles/imshealth/Global/Content/Corporate/IMS%20Institute/India/Understanding_Healthcare_Access_in_India.pdf, Zugriff 29.4.2014

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USDOS - US Department of State(27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

3. Behandlung nach Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme von Seiten des Staates zu befürchten. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen. Zu staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Im Einzelfall wäre die Aufnahme in ein Waisenhaus oder bei Verwandten mit Hilfe der Botschaft sicherzustellen. Vor allem bei Jungen ist jedoch davon auszugehen, dass sich Verwandte finden werden (AA 3.3.2014).

Indien sieht sich als Teil des weltweiten Trends in Richtung einer zunehmenden Verstädterung. Das Land hat laut dem Zensus 2011 eine Gesamtbevölkerung von 1.210 Mio. Menschen, von denen 29% in städtischen Gebieten leben. Der Beitrag des städtischen Sektors zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird gegenwärtig auf 50-60% geschätzt. In diesem Zusammenhang ist es zu einem Hauptgegenstand politischer Ankündigungen des Ministeriums für Stadtentwicklung geworden, dass die Produktivität der städtischen Gebiete erhöht werden soll. Das Ministerium für Stadtentwicklung ist verantwortlich für die Ausgestaltung politischer Maßnahmen, Förderprogramme und Kontrollprogramme, sowie für die Koordinierung der Aktivitäten verschiedener Bundesministerien, Staatenregierungen und weiterer Schnittstellenbehörden, insofern als die städtische Entwicklung nahezu alle Belange des Landes betrifft. Nach 1950 entwarf die Indische Regierung einen Zehn-Jahres-Plan für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, der in das Programm zur Verminderung städtischer Armut (Nehru Rojgar Yojana - NRY) mündete. Dieser Plan legte Wert auf die Schaffung von Institutionen und die Errichtung von Wohnungen für Staatsbedienstete und schwächere Gruppen. Das im Folgenden erweiterte Industrielle Wohungsbauprogramm bezog sich auf alle Arbeitergruppen. Als Nachfolger der Globalen Obdachstrategie (Global Shelter Strategy - GSS) wurde im Jahr 1988 die Nationale Wohnungspolitik (NHP) ausgerufen, deren langfristiges Ziel die Lösung des Wohnungsmangels, die Verbesserung der Wohnumstände der inadäquat lebenden Personen und die Bereitstellung eines Mindestlevels an Grundversorgung und Zusatzleistungen für jedermann war. Die Regierung trug dabei die Aufgabe, die ärmsten und gefährdetsten Gruppen zu versorgen und durch die Beseitigung von Hindernissen und Bereitstellung von Land und Dienstleistungen als Vermittler für andere Einkommensgruppen und den privaten Sektor aufzutreten. Das Hausbauprogramm für Bedienstete der Zentralregierung ist darauf ausgerichtet, Regierungsmitarbeitern Unterstützung beim eigenständigen Haus- bzw. Wohnungsbau zukommen zu lassen. Bei der Suche nach einer privaten Mietwohnung können die örtlichen Immobilienagenturen in der entsprechenden Stadt weiterhelfen (BAMF 8.2013).

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist sehr leicht. Gegen entsprechende Zahlungen ist jedes Dokument zu erhalten und wird von den entsprechenden Behörden ohne Vorbehalte ausgestellt, da es sich nach dem dortigen Verständnis lediglich um "Embassy Requirements" zur Verwirklichung des allseits bestehenden Ausreisewunsches handelt. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größere Anstrengung zu ändern. Angesichts der hohen Zahl der Fälschungen wurde im Jahr 2000 das Legalisierungsverfahren für indische Urkunden eingestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Z. B. besteht zwischen zahlreichen Personen aus dem Punjab, Delhi und Haryana eine Namensidentität, so dass die Zuordnung eines Haftbefehls häufig problematisch ist. Der Namenszusatz männlicher Sikhs ist "Singh" (Löwe), der aller weiblicher Sikhs "Kaur" (Löwin); Singh ist zudem ein verbreiteter Hindu-Nachname in Nordindien. Die Mitteilung sämtlicher Vornamen sowie des Geburtsdatums und des Namens der Eltern ist daher für die eindeutige Zuordnung unerlässlich. Hinzu kommt, dass die indischen Gerichte keine einheitlichen Formulare verwenden. Die vorgelegten Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung sehr häufig als gefälscht heraus. Zudem wird die Überprüfung dadurch erschwert, dass die Behörden sowie die anderen Beteiligten nur zögerlich oder überhaupt nicht kooperieren. Hinweise auf Fälschungen sind insbesondere unvollständige Siegelstempel, fehlende Unterschriften sowie bei Rechtsanwälten fehlende Adressangaben und Aktenzeichen, zudem sind Fotos äußerst hilfreich. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben gewöhnlich, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 3.3.2014).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern Identitätsnummern (UID) auszustellen. Das neue System wird Aadhaar genannt. Damit sollen gefälschte und doppelte Identitäten ausgeschlossen werden. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details verbunden und ermöglicht dem Träger sich selbst auszuweisen und überall in Indien Zugang zu Dienstleistungen und Beihilfen zu erhalten. Der Erhalt einer UID geschieht auf freiwilliger Basis, es gibt keine rechtlichen Anforderungen zum Registrieren (UKBA 30.3.2012).

Die Regierung bereitet derzeit ein nationales Bevölkerungsregister vor (National Population Register - NPR) um nationale Personalausweise auszustellen (The Indian Tribune 8.7.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014

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The Tribune India (8.7.2014): National ID cards soon, says Rajnath, http://www.tribuneindia.com/2014/20140709/main8.htm, Zugriff 7.8.2014

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Times of India (20.7.2014):

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88% people in Punjab have Aadhar cards, http://timesofindia.indiatimes.com/city/chandigarh/88-people-in-Punjab-have-Aadhar-cards/articleshow/38746366.cms, Zugriff 13.8.2014

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UKBA - UK Border Agency - Home Office (30.3.2012): Country of Origin Information Report; India / Unique Identification Authority of India: Unique identification project - Background, http://uidai.gov.in/index.php?option=com_content&view=article&id=141&Itemid=164, Zugriff 7.8.2014

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Verfahrensablauf ergeben sich aus dem Akteninhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des abgeschlossenen Asylverfahrens. Dass er strafrechtlich unbescholten ist, wurde einem aktuellen Strafregisterauszug entnommen. Die Feststellungen betreffend die Anzeigen wegen rechtswidrigen Aufenthaltes gründen auf den im Verwaltungsakt einliegenden Anzeigen der Sicherheitsbehörden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Patientenbrief vom 01.04.2016. Da der Beschwerdeführer bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren medizinischen Unterlagen ins Verfahren eingebracht hat, der letzte vorgelegte medizinische Befund vom 01.04.2016 stammt, der Beschwerdeführer damals schon in gebessertem Allgemeinzustand nach Hause entlassen wurde, lediglich ambulante Kontrollen und die Einnahme von Medikamenten empfohlen wurde und der Beschwerdeführer zudem seit dem 18.11.2016 über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet verfügt, war von einer erfolgreichen Behandlung der Erkrankung auszugehen. Insofern in der Beschwerde die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen beantragt wird, ist festzuhalten, dass es sich dabei um keinen zulässigen Beweisantrag handelt, zumal der Beschwerdeführer Ausführungen zum Beweisthema vermissen lässt. Der Beschwerdeführer macht keine Angaben darüber, welcher Umstand durch den medizinischen Sachverständigen bewiesen werden soll. Im Übrigen ist die Erkrankung des Beschwerdeführers durch den in Vorlage gebrachten Patientenbrief hinreichend dokumentiert und wurde vom Bundesverwaltungsgericht als wahr unterstellt.

Dass der Beschwerdeführer am 30.05.2010 schlepperunterstützt und unrechtmäßig nach Österreich eingereist ist, erschließt sich aus seinen Angaben im abgeschlossenen Asylverfahren. Aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass für den Beschwerdeführer seit dem 18.11.2016 keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet besteht. Aus den Angaben des Beschwerdeführers im abgeschlossenen Asylverfahren, seinen Angaben im Formblatt zur Stellung eines Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK und den Schriftsätzen seines ehemaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 23.07.2014 und vom 12.08.2014 geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren unter einer anderen Identität als im Aufenthaltstitelverfahren auftrat und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Personalien zwei Mal abänderte. Hinsichtlich seines Reisepasses gab der Beschwerdeführer im Asylverfahren bei seiner Befragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.05.2010 zunä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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