TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/4 W136 2161272-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2018
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Entscheidungsdatum

04.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W136 2161269-1/18E

W136 2161272-1/11E

W136 2161276-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 04.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerden

1.) des XXXX , geb. XXXX , 2.) der XXXX , geb. XXXX , und 3.) des XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 19.05.2017, Zlen.

1.) 1082344002-151073769, 2.) 1082352004-151074115 und 3.) 1082346704-151073882, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2018 zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) dem XXXX , 2.) der XXXX und 3.) dem XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) dem XXXX ,

2.) der XXXX und 3.) dem XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 12.08.2015 für sich und seine damals minderjährigen Kinder, die Zweit- und den Drittbeschwerdeführer, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, Staatsangehöriger Afghanistans und muslimischen Glaubens zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Zum Nachweis seiner Identität legte er insbesondere seinen afghanischen Führerschein vor.

Am 13.08.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers statt. Er sei in Afghanistan geboren. Er habe seine Heimat am XXXX illegal und schlepperunterstützt mit einem PKW in Richtung Tadschikistan verlassen und sei danach über ihm nicht näher bekannte, ehemalige Sowjetländer bis nach Österreich gelangt, wo er am 12.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er sei mit seiner Ehefrau, der Beschwerdeführerin zu W136 2161275-1, traditionell und standesamtlich verheiratet. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen hat, gab der Erstbeschwerdeführer zusammenfassend an, dass ein Fremder eine seiner Töchter heiraten habe wollen. Er und seine Tochter hätten dies aber nicht gewollt. Sie sei vom Fremden bedrängt sowie schikaniert und er selbst sei von diesem auf seiner Arbeitsstelle aufgesucht und mit einer Waffe bedroht worden, damit er ihm seine Tochter gibt. Er sei daraufhin mit seiner Familie geflüchtet und habe ihr nichts von dem Vorfall auf der Arbeitsstelle erzählt, um sie nicht zu beunruhigen. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen verwies er mit darauf, dass in seiner Heimat Leute geköpft würden.

Am 24.08.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er zu seinen Fluchtgründen zusammenfassend im Wesentlichen vor, dass seine Tochter XXXX auf dem Schulweg von einem uniformierten Mann in einem Auto angesprochen worden sei, der ihr seine Liebe gestanden und gewollt habe, dass sie mit ihm mitkommt. Dies habe sie abgelehnt. Sie habe Angst gehabt und nicht mehr zur Schule gehen wollen. Der Erstbeschwerdeführer habe zugestimmt, sie nach zwei oder drei Tagen aber aufgefordert, wieder in die Schule zu gehen. Nach rund zehn Tagen sei auf dem Heimweg von der Schule ein Auto neben ihr stehen geblieben und drei Personen seien ausgestiegen, hätten an ihr gezerrt und ihr an die Brust gegriffen. Als sie geschrien habe und andere Leute gekommen seien, seien die Angreifer davongefahren. Sie habe in der Nacht kaum noch geschlafen und Angst gehabt, entführt zu werden. Der Erstbeschwerdeführer habe sie zwei Tage später zu ihrer Tante mütterlicherseits gebracht, wo sie dann bis zur Ausreise gelebt habe. Einige Tage später hätten sich dann einige Frauen bei ihnen zuhause nach ihren Töchtern erkundigt. Nach rund eineinhalb Monaten seien diese drei Frauen wieder aufgetaucht und hätten um die Hand seiner Tochter angehalten. Sie hätten erklärt, dass sie die Tochter bekommen würden, egal wie. Seine Frau habe daraufhin gemeint, dass der Vater ihrer Tochter dies entscheiden würde. Zwanzig Tage später seien dann drei bewaffnete Männer zu ihm in die Arbeit gekommen und hätten sich nach einem der Autos erkundigt, die er verkauft habe. Sie seien jedoch wieder gegangen, ohne ein Auto zu kaufen, und hätten ihn dann einige Tage später mit einem Auto abgepasst. Sie hätten gewollt, dass er sie mit seinem Auto mitnimmt, was er jedoch abgelehnt habe. Wie er sich gewehrt habe, sei zufälligerweise ein Militärauto vorbeigekommen, sodass diese Männer von ihm abgelassen hätten und auf und davon seien. Einige Tage später seien diese Männer wieder zu ihm in die Arbeit gekommen, um ein Auto zu kaufen. Beim Handeln habe plötzlich einer der Männer eine Pistole sowie einen Bund Dollarscheine aus seiner Tasche gezogen und gemeint, dass sich der Erstbeschwerdeführer entscheiden müsste. Es sei nämlich nicht um das Auto, sondern um seine Tochter gegangen. Er habe dann versprochen, seine Tochter herzugeben. Nochmals nach seiner Entscheidung gefragt, habe er "Geld" geantwortet. Er habe diesen Vorfall zu Hause nicht erzählt, sondern sich einem namentlich genannten Freund anvertraut, der Haus und Auto verkauft bzw. innerhalb einer Woche einen Schlepper besorgt habe. Befragt, teilte er mit, dass es sich beim Brautwerber um einen Kommandanten namens XXXX , bei den drei Frauen um dessen Verwandte und bei den drei Männern um den Kommandanten mit seinen Leibwächtern gehandelt habe. Ergänzend erklärte er, dass seine Tochter kein Einzelfall wäre, dies würde anderen Frauen auch passieren.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 19.05.2017, dem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt am 26.05.2017 bzw. am 29.05.2017 (für den Erstbeschwerdeführer), wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §°57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identitäten der Erst- bis Drittbeschwerdeführer nicht fest und begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Erstbeschwerdeführer mit den von ihm behaupteten Angaben zu seinen Ausreisegründen eine individuelle Verfolgungsgefahr in seiner Heimat nicht glaubhaft darlegen habe können. Bei seinem Vorbringen würde sich vielmehr der Schluss aufdrängen, dass er versucht habe, seinen Fluchtgrund mit den Angaben seiner Tochter XXXX und seiner Ehefrau zu akkordieren, um so - seiner Meinung nach - eine stimmige Geschichte zu präsentieren. Abschließend hätten bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Bestehen einer asylrelevanten Gefahr für seine Person festgestellt werden können. Er habe somit nicht glaubhaft machen können, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Ausreise geführt hätten, als eine individuell gegen ihn aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten seien. Hinsichtlich der damals minderjährigen Zweit- und des damals minderjährigen Drittbeschwerdeführers wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die gesetzliche Vertreterin für die Zweitbeschwerdeführerin keine individuelle Verfolgung oder Gefahr glaubhaft machen habe können und dass der Drittbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht und sich auf die Gründe seiner Eltern bezogen habe und dass für beide Beschwerdeführer auch sonst keine, wie auch immer geartete, besondere Gefährdung für ihre Person bestehen würde.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 22.05.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen die oben genannten Bescheide wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 08.06.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde nach einer Wiederholung des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Sie wäre von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Situation afghanischer Frauen zu ermitteln und hätte der Frau bzw. Mutter und der Tochter bzw. Schwester der drei Beschwerdeführer entsprechende Fragen stellen müssen. Die beiden Angehörigen der Beschwerdeführer seien nämlich zu ihrer westlichen Orientierung nicht ausreichend befragt worden. Die Behörde wäre aufgrund der (einschlägigen) Rechtsprechung verpflichtet gewesen, entsprechende Fragen zur geschlechtsspezifischen Verfolgung von Frauen in Afghanistan zu stellen. Es sei augenscheinlich, dass ihre beiden Familienmitglieder auch aufgrund ihres Auftretens als westlich orientiert gelten würden und sohin nach der höchstgerichtlichen Judikatur asylrechtlich relevanter Verfolgung ausgesetzt wären. Ihre beiden Angehörigen und auch die Drittbeschwerdeführerin seien westlich gekleidet gewesen und hätten in der Einvernahme kein Kopftuch getragen bzw. ihre in Österreich gewonnene Freiheit ausdrücklich betont. Ihre nunmehr liberale Orientierung sei im Bescheid gänzlich ignoriert und als nicht glaubhaft eingestuft worden. Die beiden hätten während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet einen westlichen Lebensstil angenommen, würden in Österreich alleine einkaufen gehen, ein selbstbestimmtes Leben führen und einen (konkreten) Bildungs- bzw. Berufswunsch haben. Sie würden gerne schwimmen und Radfahren, somit Sportarten nachgehen, denen die beiden in Afghanistan nie nachgehen könnten. Wie sich aus einem Sachverständigengutachten von Mag. MALYAR ergeben würde, seien afghanische Frauen in Provinzräten und im Parlament zwar vertreten, müssten sich aber dennoch an die Kleidervorschriften halten, zumal ansonsten mit einer religiösen Verfolgung zu rechnen wäre. Da die Frau bzw. Mutter und die Tochter bzw. Schwester der drei Beschwerdeführer eine westliche Orientierung angenommen hätten und sich westlich kleiden bzw. kein Kopftuch tragen würden, würden sie alleine deshalb einer religiösen Verfolgung ausgesetzt sein, zumal sie keineswegs willens seien, sich an die Kleidervorschriften in Afghanistan zu halten, da sie mittlerweile in Österreich eine westliche Orientierung angenommen hätten. Sie würden von der (afghanischen) Gesellschaft daher verstoßen und keinesfalls akzeptiert werden. Abschließend wurden noch Argumente dafür angeführt, wonach ihnen zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.

Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 13.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 26.09.2018 wurde seitens der Beschwerdeführer eine Stellungnahme abgegeben und wurden Unterlagen zur Dokumentation ihrer Integration im Bundesgebiet vorgelegt.

Am 04.10.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 12.08.2015, der Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers, seiner Ehegattin und der gemeinsamen Tochter XXXX durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.

Die Beschwerdeführer reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 12.08.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer hat in seinem und im Verfahren seiner beiden Kinder hauptsächlich von der ungewollten Brautwerbung bezüglich seiner Tochter XXXX und den konkreten Vorkommnissen berichtet, zu ihn persönlich oder seine Kinder betreffenden Fluchtgründen aber keine Angaben gemacht.

Die Beschwerdeführer sind der Ehemann bzw. Vater und die Kinder bzw. Geschwister der XXXX bzw. der XXXX , denen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2161275-1 bzw. W136 2161273-1, insbesondere wegen ihrer westlichen Lebensart und Orientierung und einer ihnen deshalb drohenden (religiösen) Verfolgung in Afghanistan gemäß § 3 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführern die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrer asylberechtigten Ehegattin bzw. Mutter und ihrer asylberechtigten Tochter bzw. Schwester in einem anderen Staat möglich wäre.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Herkunft, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers, seiner Ehegattin und seiner Tochter XXXX . Die Identität des Erstbeschwerdeführers gründet sich auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere afghanischer Führerschein). Seine Identität wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus unerfindlichen Gründen nicht festgestellt. Die Identitäten der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers konnten mangels Vorlage unbedenklicher Personaldokumente nicht festgestellt werden; die im Spruch angeführten Namen dienen lediglich zur Identifizierung der beiden Beschwerdeführer als Verfahrenspartei. Die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Tazkiras bzw. Geburtsurkunden) waren nämlich nicht geeignet, ihre Identität zweifelsfrei nachzuweisen.

Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers, seiner Ehegattin und seiner Tochter XXXX .

Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich insbesondere aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers.

Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführern um den Ehemann bzw. Vater und die Kinder bzw. Geschwister der XXXX bzw. der XXXX handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben des Erstbeschwerdeführers, seiner Ehegattin und seiner Tochter XXXX im Verfahren.

Dass der Ehefrau bzw. Mutter und der Tochter bzw. Schwester der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus den Gerichtsakten zu W136 2161275-1 und zu W136 2161273-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, hat der Erstbeschwerdeführer eine ihn und seine beiden Kinder betreffende auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien im Verfahren nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihrer Ehegattin bzw. ihrer Mutter und ihrer Tochter bzw. Schwester vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Der Ehegattin bzw. Mutter und der Tochter bzw. Schwester der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2161275-1 und W136 2161273-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten insbesondere wegen ihrer westlichen Orientierung und einer damit drohenden religiösen Verfolgung in Afghanistan zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da der Ehegattin bzw. Mutter und der Tochter bzw. Schwester der Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Erst- bis Drittbeschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz am 12.08.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W136.2161272.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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