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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1968 geborenen CS in Wien, vertreten durch Dr. Peter Stern, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Februar 1997, Zl. 119.560/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 15. November 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Aufenthaltszweck der selbstständigen Tätigkeit als Heimhilfe. In ihrem Antrag gab sie an, seit 5. September 1995 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet zu sein. Aus einer Niederschrift der Behörde erster Instanz über die Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 9. Jänner 1996 geht hervor, dass dieser seine Ehegattin im Prater kennen gelernt habe. Er habe geheiratet, damit seine Gattin die österreichische Staatsbürgerschaft bekomme. Er führe eine Scheinehe und habe für die Ehe S 15.000,-- vom Exgatten seiner Gattin bekommen. Weiters gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin anlässlich dieser Einvernahme an, er habe gelogen, er habe die Beschwerdeführerin nicht im Prater, sondern durch ihren Exgatten, der für "Junge Panther" arbeite, kennen gelernt. Dieser habe ihm gesagt, wenn er sie (die Beschwerdeführerin) heirate, bekomme sie ein Visum, er werde für sich selbst auf die gleiche Art zum Visum kommen. Eine Ehegemeinschaft habe nicht stattgefunden und sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Er werde zur Staatsanwaltschaft gehen und die Ehe für nichtig erklären lassen.
Aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien vom 12. August 1996 geht hervor, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin am 9. Jänner 1996 eine Scheinehe bekannt gegeben und Klagserhebung gemäß § 23 Ehegesetz angeregt habe. Am 17. Jänner 1996 sei er (neuerlich) in Begleitung eines jüngeren Mannes erschienen und habe die Staatsanwaltschaft um Widerruf seiner früheren Angaben ersucht, die er angeblich im betrunkenen Zustand (dies sei nicht der Fall gewesen) gemacht habe. Es werde eine neuerliche Befragung angeregt.
Daraufhin vernahm die Behörde erster Instanz am 20. Jänner 1997 neuerlich den Ehegatten der Beschwerdeführerin, wobei dieser erneut angab, dass die Ehe eine Scheinehe gewesen sei. Als die Beschwerdeführerin in Österreich gewesen sei, habe sie mit ihrem Exgatten zusammen gelebt. Bei ihm selbst sei nie wohnhaft gewesen, er habe auch nicht bei ihr gelebt. Die Ehe sei nie vollzogen worden und die Ehegemeinschaft sei auch nie geplant gewesen. Er habe den Ex-Ehegatten der Beschwerdeführerin bei einem Behindertenverein kennen gelernt; dieser habe ihn gefragt, ob er nicht seine Exfrau heiraten wolle, da sie nach Österreich kommen möchte. Er habe dies bereits bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz und bei der Staatsanwaltschaft Wien angegeben. Der Exgatte der Beschwerdeführerin habe davon erfahren und sei mit ihm zur Staatsanwaltschaft gegangen und habe ihn überredet zu sagen, dass keine Scheinehe vorliege. Er sei diesen Anweisungen gefolgt. Für die Eheschließung habe er S 15.000,-- als Geschenk erhalten. Da der Ex-Ehegatte der Beschwerdeführerin in weiterer Folge aber kein Geld mehr gehabt habe, habe er ihm einen Teil wieder zurück gegeben. Er werde neuerlich zur Staatsanwältin gehen und um Ehenichtigerklärung ansuchen.
Der Landeshauptmann von Wien wies daraufhin mit Bescheid vom 26. Jänner 1996 den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die Behörde erster Instanz ging vom Vorliegen einer Scheinehe und der dadurch gegebenen Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit aus.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie die Eheschließung bestätigte und vorbrachte, sie habe leider zu diesem Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen die Ehe nicht vollziehen können. Im Oktober 1995 habe sie Österreich verlassen müssen und befinde sich seit diesem Zeitraum in Rumänien. Es sei sicherlich verständlich, dass sie ohne Sicherheiten das Risiko des Eintretens einer etwaigen Schwangerschaft nicht habe eingehen wollen. Aus religiösen Gründen stünde ihr nur die Möglichkeit der Enthaltsamkeit zur Verfügung. Die Möglichkeit eines gewöhnlichen Gespräches mit der Behörde könne sie nicht nützen, weil sie nur ein befristetes Touristenvisum erhalten könne. Aufgrund der derzeit herrschenden Missverständnisse zwischen der Aufenthaltsbehörde und der Beschwerdeführerin sei dies derzeit unmöglich. Um ihrer Tochter aus erster Ehe (geschieden am 31. Juli 1995) ein familiäres Zusammenleben in gesicherten sozialen Verhältnissen zu ermöglichen und vor allem auch um endlich mit ihrem Gatten zusammenleben zu können, ersuche sie um positive Erledigung ihres Ansuchens.
Im Akt erliegt weiters ein Schriftsatz des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom 17. Februar 1997, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 18. Februar 1997, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin nunmehr (durch den auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einschreitenden Rechtsvertreter) anwaltlich vertreten sei.
Mit Bescheid vom 12. Februar 1997 wies der Bundesminister für Inneres gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z 4 FrG die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen führte die belangte Behörde aus, der Gatte der Beschwerdeführerin habe sowohl am 9. Jänner 1996 als auch am 20. Jänner 1997 niederschriftlich angegeben, die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen zu haben, damit die Beschwerdeführerin in den Besitz einer Aufenthaltsbewilligung komme. Die Ehe sei über Vermittlung des Exgatten der Beschwerdeführerin zustande gekommen, es habe nie ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden, die Ehe sei nie vollzogen worden und darüber hinaus habe er für die Heirat S 15.000,-- erhalten. All dies spreche dafür, dass die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, um fremdenrechtliche Vorteile zu erlangen.
Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließende oder überwiegende Absicht durch die Eheschließung die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Die Annahme, der Aufenthalt eines derartigen Fremden gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bestätige auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Aufgrund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG abzulehnen und diese somit vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, dass nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in der Berufung hätte sie keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbei geführt hätte. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen.
Die Behörde erster Instanz versuchte daraufhin diesen Bescheid der belangten Behörde der Beschwerdeführerin persönlich in Rumänien zuzustellen. Dies gelang jedoch nicht. Mit Schriftsatz vom 11. März 1997 gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auch gegenüber der Berufungsbehörde bekannt, die Beschwerdeführerin zu vertreten. Er verband die Vollmachtsbekanntgabe mit einer Wiederholung des bisherigen Vorbringens der Antragstellerin, wonach keine Scheinehe vorliege und beantragte zum Beweis für dieses Vorbringen ausdrücklich die Einvernahme vier näher genannter Zeugen. Die Antragstellerin legte darüberhinaus zum Beweis ihres Vorbringens, wonach ihre Ehe keine Scheinehe sei, Fotos in Kopie vor, welche die Eheschließung vor dem Standesamt, die Hochzeitsfeier sowie "Ausschnitte aus dem Eheleben der Antragstellerin" dokumentieren sollten.
Die belangte Behörde stellte daraufhin - ohne erkennbar auf den letztgenannten Antrag und die vorgelegten Unterlagen zu reagieren - den Originalbescheid vom 12. Februar 1997 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).
Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus den Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin ergibt. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung vorgebracht, aus welchen Gründen die Ehe nicht vollzogen worden sei und beantragte eine positive Berufungsentscheidung, um "endlich mit ihrem Gatten zusammenleben zu können." Dass es sich bei der Ehe der Beschwerdeführerin um keine Scheinehe handle, brachte sie gegenüber der Berufungsbehörde (unter Nennung von Zeugen) auch in ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 11. März 1997 vor. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin glaubhafter seien als das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, das im Übrigen nicht wiedergegeben wird. Weiters hat es die belangte Behörde auch verabsäumt, die von der Beschwerdeführerin zum Beweis dafür, dass keine Scheinehe vorliege, namhaft gemachten Zeugen einzuvernehmen, obwohl nicht von vornherein erkennbar ist, dass diese Einvernahmen nicht geeignet wären, objektiv Beweis zu diesem Thema zu liefern.
Da wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt, nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegeheren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist und Stempelgebührenersatz nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabengebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen ist.
Wien, am 10. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191111.X00Im RIS seit
02.05.2001