TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/21 B160/94

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Veröffentlicht am 21.06.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/05 Bezüge, Unvereinbarkeit

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
BVG-Bezügebegrenzung
BezügeG 1972 §38

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung eines Antrags auf Ausbezahlung eines Ruhebezuges wegen Ruhen der "Ministerpension" aufgrund eines den Aktivbezug eines Ministers übersteigenden Ruhegenusses als ehemaliger stellvertretender Vorstandsvorsitzender der CA; keine Gleichheitswidrigkeit der Kürzung; keine Verfassungswidrigkeit der Anwendungsfälle der Bezügebegrenzung hinsichtlich des Zusammentreffens mehrerer Einkünfte aus öffentlichen Mitteln einschließlich verstaatlichter bzw der Rechnungshofkontrolle unterliegender Unternehmen; keine Verletzung im Eigentumsrecht und in der Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer war - wie er in der Beschwerde ausführt - vom 4. Oktober 1967 bis 16. Februar 1981 Mitglied des Nationalrates. Vom 21. April 1970 bis 20. Jänner 1981 war er als Bundesminister für Finanzen und ab 1. Oktober 1976 zusätzlich als Vizekanzler Mitglied der Bundesregierung. Vom 1. Februar 1981 bis 30. Juni 1981 war er Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Creditanstalt-Bankverein; vom 1. Juli 1981 bis 31. Jänner 1988 Vorsitzender dieses Vorstands. Aus dieser Funktion bezieht der Beschwerdeführer einen Ruhegenuß, der höher ist als der Bezug, der nach dem Bezügegesetz der Bemessung des Ruhebezugs zugrunde zu legen ist.

Der Beschwerdeführer vollendete das 55. Lebensjahr am 18. April 1993.

Mit Pensionsantrag vom 15. Juli 1993 - ergänzt am 27. Juli 1993 - machte der Beschwerdeführer seinen Pensionsanspruch als ehemaliges Mitglied des Nationalrates geltend.

2. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1993 wies der Präsident des Nationalrates den Antrag gemäß §30a Bezügegesetz, BGBl. 273/1972 idF 334/1993, "iVm §38 litg erster Kürzungstatbestand" ab.

In der Begründung führt der angefochtene Bescheid ua. wörtlich aus:

"Nach §38 des Bezügegesetzes ist bei Zusammentreffen mehrerer in lita bis k dieser Bestimmung aufgezählten Ansprüche der Ruhebezug nur in dem Ausmaß auszuzahlen, um das die Summe der in lita bis k genannten Beträge hinter dem Bezug zurückbleibt, der der Bemessung des Ruhebezuges eines Mitgliedes der Bundesregierung (das sind 200 vH des Gehaltes eines Bundesbeamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse IX, Gehaltsstufe 6) zugrundegelegt wurde. Nach §38 litg fällt darunter ein Einkommen oder ein Ruhegenuß aus der Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes oder als Geschäftsführer von Unternehmungen, die Gesellschaften, Unternehmungen oder Betriebe zum Gegenstand haben, die vom Verstaatlichungsgesetz, BGBl. 168/1946, oder vom zweiten Verstaatlichungsgesetz, BGBl. 81/1947, erfaßt sind, oder von sonstigen Unternehmungen, bei denen oberste Organe der Vollziehung des Bundes einschließlich der Bundesregierung hinsichtlich von Gesellschaftsorganen ein Bestellungs- oder Bestätigungsrecht ausüben oder an denen der Bund mit wenigstens 50 vH beteiligt ist, sowie aus der Tätigkeit als Mitglied des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank.

Aufgrund Ihrer früheren Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein beziehen Sie einen Ruhebezug, der nach Ihrer Mitteilung vom 18. Oktober 1993 den Betrag übersteigt, der der Bemessung des Ruhebezuges eines Mitglieds der Bundesregierung zugrundegelegt wird (§38 des Bezügegesetzes). Die Creditanstalt-Bankverein ist vom Verstaatlichungsgesetz, BGBl. 168/1946 idF 298/1987, erfaßt, weshalb jedenfalls der erste Kürzungstatbestand der litg des §38 Bezügegesetz zur Anwendung gelangt.

Den Ausführungen in Ihrem Antrag, wonach §38 litg des Bezügegesetzes nicht zur Anwendung gelangen kann, da zum Zeitpunkt des Anfallstages Ihrer Pension der Kürzungstatbestand dieser Bestimmung bezüglich der Creditanstalt-Bankverein nicht mehr vorliegt, kann nicht gefolgt werden, da die Creditanstalt-Bankverein nach wie vor in der Anlage I des Verstaatlichungsgesetzes, BGBl. 168/1946 idF 298/1987, namentlich an erster Stelle genannt ist. Diese Behauptung in Ihrem Antrag bezieht sich offensichtlich auf einen weiteren Kürzungstatbestand, nämlich auf jenen, der die Beteiligung des Bundes an der Creditanstalt-Bankverein mit wenigstens 50 vH zum Gegenstand hat. Das Vorliegen dieses Kürzungstatbestandes war allerdings nicht mehr zu prüfen, da bereits die Voraussetzungen des ersten Kürzungstatbestandes gegeben sind. Auch Ihre Einwände im Schreiben vom 18. Oktober 1993, daß Sie in Ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein nicht freiwillig in den Ruhestand gewechselt sind, vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Aus all den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden."

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Bundesbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Erwerbsfreiheit geltend.

4. Der Präsident des Nationalrates legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß der Verfassungsbestimmung des §50 Bezügegesetz obliegen die nach diesem Gesetz zu treffenden Maßnahmen insoweit dem Präsidenten des Nationalrates, als sich die Bestimmungen des Bezügegesetzes auf Mitglieder des Nationalrates beziehen. Der Präsident des Nationalrates ist bei Besorgung dieser Aufgabe den obersten Organen der Vollziehung des Bundes iSd. Art19 B-VG gleichgestellt. Der Instanzenzug ist daher erschöpft.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.1. Der bekämpfte Bescheid stützt sich auf die §§30a und 38 litg Bezügegesetz, BGBl. 273/1972 idF 334/1993.

Diese Bestimmungen lauten:

"§30a. Auf die nach diesem Artikel zustehenden Ansprüche (di. gemäß Abschn. II ArtIV ua. der Anspruch eines Mitglieds des Nationalrats auf monatlichen Ruhegenuß) sind §38 und §43 Abs2 sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß der im §38 vorgesehenen Vergleichsberechnung die Ermittlungsgrundlage für den Ruhebezug eines Mitgliedes der Bundesregierung gemäß §35 Abs2 zugrunde zu legen ist.

§38. Besteht neben dem Anspruch auf Ruhebezug nach §35 (für ein Mitglied der Bundesregierung) ein Anspruch auf

...

g) ein Einkommen oder einen Ruhegenuß aus der Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes oder als Geschäftsführer von Unternehmungen, die Gesellschaften, Unternehmungen oder Betriebe zum Gegenstand haben, die vom Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 168/1946, oder vom zweiten Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 81/1947, erfaßt sind, oder von sonstigen Unternehmungen, bei denen oberste Organe der Vollziehung des Bundes einschließlich der Bundesregierung hinsichtlich von Gesellschaftsorganen ein Bestellungs- oder Bestätigungsrecht ausüben oder an denen der Bund mit wenigstens 50 v.H. beteiligt ist, sowie aus der Tätigkeit als Mitglied des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank,

...

so ist der Ruhebezug nur in dem Ausmaß auszuzahlen, um das die Summe der in lita bis k genannten Beträge hinter dem Bezug zurückbleibt, der der Bemessung des Ruhebezuges zugrunde gelegt wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung sind die Bruttobeträge heranzuziehen."

2.2. §1 Abs1 des (ersten) Verstaatlichungsgesetzes, BGBl. 168/1946, lautet:

"Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gehen die Anteilsrechte an den in der Anlage genannten Gesellschaften und die dort angeführten Unternehmungen und Betriebe in das Eigentum der Republik Österreich über."

Der Eingangssatz und die ZI/1 dieser Anlage lauten:

"Es werden folgende Gesellschaften, Unternehmungen und Betriebe verstaatlicht:

I. Gesellschaften:

1. Aktiengesellschaften:

Creditanstalt-Bankverein, Wien,

..."

3.1. Die Beschwerde macht verfassungsrechtliche Bedenken gegen §38 litg Bezügegesetz unter den Gesichtspunkten des Gleichheitsgrundsatzes, des Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und des Eigentumsschutzes geltend. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem dieser Entscheidung beiliegenden Erkenntnis B288/94 vom heutigen Tag mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß gegen §38 litg Bezügegesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Auf die Ausführungen in diesem Erkenntnis wird verwiesen.

   3.2. Der Verfassungsgerichtshof ist in dem erwähnten

Erkenntnis zu dem Ergebnis gekommen, daß die Wendung "... vom

(ersten) Verstaatlichungsgesetz ... erfaßt" nichts anderes

bedeutet als: in der Anlage zum Verstaatlichungsgesetz aufgezählt und in der Folge entweder

1.

nicht veräußert oder

2.

in einem solchen Maß und unter solchen Bedingungen veräußert, daß die vom Gesetzgeber im §38 litg Bezügegesetz normierte Schwelle nicht erreicht wird, dh. diese Unternehmung - nach dem Zweck der Anspruchsminderungsregel des Bezügegesetzes - einer dominierenden Einflußnahme des Bundes unterworfen bleibt.

3.3. Die belangte Behörde hat zwar bei der Interpretation des ersten Falls des §38 litg Bezügegesetz ("Erfassungstatbestand") ausschließlich auf die Aufzählung der Creditanstalt-Bankverein in der ZI/1 der Anlage zum (ersten) Verstaatlichungsgesetz abgestellt und keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob dieses Unternehmen in der Folge etwa zur Gänze oder in einem bestimmten Maß und unter bestimmten Bedingungen veräußert wurde.

Sie hat sich auch mit der Frage eines tatsächlich dominierenden Einflusses des Bundes auf das Unternehmen Creditanstalt-Bankverein während der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Unternehmen und damit während des Zeitraumes des Erwerbes von Pensionsanwartschaften nicht auseinandergesetzt. Diese mangelhafte Begründung für die zutreffende Annahme, daß der Ruhegenuß des Beschwerdeführers als Vorsitzender des Vorstandes der Creditanstalt-Bankverein zu Lasten öffentlicher Mittel ausbezahlt wird (vgl. die Ausführungen unter Punkt 5 des beiliegenden Erkenntnisses B288/94), bewirkte für sich allein keine denkunmögliche Anwendung der Kürzungsbestimmung des §38 litg Bezügegesetz.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Bei dieser Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Ruhebezug nach dem Bezügegesetz als dem öffentlichen Recht zugehörig überhaupt vom Schutzumfang dieses Grundrechts erfaßt ist.

5. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid in Vollziehung des - verfassungsrechtlich unbedenklichen - §38 litg des Bezügegesetzes weder daran gehindert, (nach den öffentlichen Funktionen) eine Erwerbsbetätigung in einem Bankunternehmen anzutreten, noch diese Erwerbstätigkeit auszuüben. Daß die Kürzungsregelung, die dem Beschwerdeführer im übrigen während der gesamten Dauer seiner öffentlichen Funktionen bekannt war, unter Umständen ein Motiv dafür sein mag, eine bestimmte Erwerbsbetätigung nicht auszuüben, bewirkt keinen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, sondern ist nur eine Reflexwirkung.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Bezüge (für Mandatare), Auslegung verfassungskonforme, Auslegung systematische, Erwerbsausübungsfreiheit, Bezüge Kürzung, Pensionen Politiker-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B160.1994

Dokumentnummer

JFT_10029379_94B00160_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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