TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/8 I414 2106364-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2018
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Entscheidungsdatum

08.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

I414 2106364-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 15.03.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.09.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, reiste im Jahr 2006 aus Nigeria aus. Im Jahr 2007 stellte er in Finnland einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit der Abschiebung nach Nigeria endete. In der Folge reiste der Beschwerdeführer mit dem Flugzeug von Lagos (Nigeria) in die Türkei aus und anschließend weiter nach Griechenland, wo er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Von Griechenland reiste er im Jahr 2013 über Italien illegal nach Österreich weiter (AS 11 ff.).

Am 26.03.2013 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. (AS 11 ff.)

Am selben Tag - 26.03.2013 - fand die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt (AS 11 ff).

Eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) fand am 26.03.2015 statt (AS 57 ff). Im Rahmen der Einvernahme gab der Beschwerdeführer, befragt nach seinen Fluchtgründen, im Wesentlichen an, dass seine Eltern von Jugendlichen wegen des Erdöls getötet worden seien. Aus diesem Grund habe er sein Herkunftsstaat verlassen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 07.04.2015 (AS 123 ff) wurde der Antrag vom 24.03.2013 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet abgewiesen. Zugleich erteilte die Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Ferne wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festgesetzt.

Gegen den oben genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (AS 191 ff).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2015 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.06.2015 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Entscheidung erwuchs am 07.07.2015 in Rechtskraft.

Am 24.02.2016 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer befragt nach seinen Fluchtgründen an, dass sein bisheriges Vorbringen bezüglich seiner Fluchtgründe immer noch bestehen würde und zudem gab er an, dass er homosexuell sei. In seinem Herkunftsstaat Nigeria sei es nicht erlaubt, homosexuell zu sein und dies werde mit einer Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren bedroht. Dass er homosexuell sei, wisse er seit ungefähr einem Jahr.

Am 12.02.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, dabei gab er im Wesentlichen befragt nach seinem Fluchtgrund an, dass er einen Asylantrag gestellt habe, weil er homosexuell sei. Befragt danach, seit wann er von seiner Homosexualität wisse, gab er an, er wisse davon seit 2015.

Mit gegenständlich bekämpftem Bescheid der belangten Behörde vom 15.03.2018, Zl. XXXX wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers wegen mangelnder Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Der Antrag wurde auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Ferne wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festgesetzt.

Mit Verfahrensordnung vom 15.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15.03.2018 erhob der Beschwerdeführer, rechtsvertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Unter anderem wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Am 14.09.2018 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltung abgehalten. Gemeinsam mit der Ladung wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zu Nigeria sowie die Analyse der Staatendokumentation zur Lage sexueller Minderheiten in Nigeria, insbesondere von "MSM" (men who have sex with men), unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria vom 15.-23.11.2015, übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des Asylgesetzes.

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der I(g)bo an.

Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer lebensbedrohlichen Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria drei Jahre die Grundschule besucht.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, in Nigeria war der Beschwerdeführer als Schweißer beschäftigt.

Der Beschwerdeführer spricht Igbo als Muttersprache und Englisch.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 26.03.2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde als unbegründet abgewiesen, ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Diese Entscheidung erwuchs am 07.07.2015 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer verblieb nach der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung unrechtmäßig im österreichischen Staatsgebiet und stellte am 24.02.2016 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Der Beschwerdeführer hat weder einen Deutschkurs absolviert noch eine Deutschprüfung abgelegt. Er ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution. Es konnten daher keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen seiner homosexuellen Orientierung verfolgt wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten habe.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Nicht festgestellt werden kann auch, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 15.03.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden die aktuellen Länderfeststellungen und die im Rahmen der Ladung übermittelte Analyse der Staatendokumentation zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere MSM (men who have sex with men), vom 30. September 2016, erläutert und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt, wobei der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.09.2018 keine Stellungnahme abgegeben hat, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Länderberichten erfolgte auch im Beschwerdeschriftsatz vom 16.04.2018 nicht.

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er arbeitsfähig ist, in Nigeria die Schule besucht hat und bereits gearbeitet hat. Auch wenn dem Beschwerdeführer kein privater Familienverband soziale Sicherheit bietet, kann er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria und die Analyse der Staatendokumentation "Zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere von MSM (men who have sex with men), unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria vom 15.-23.11.2015" vom 30.09.2016 und in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2018. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinem Familienstand, Volljährigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2018 (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 4 und 5).

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments beziehungsweise sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit der Beschwerdeführer namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 12.02.2018 sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.09.2018. In der niederschriftlichen Einvernahme am 12.02.2018 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und er auch keine Medikamente einnehme. Im Gegensatz dazu gab er rund sieben Monate später in der mündlichen Verhandlung an, dass er seit ca. einem Jahr an einer Infektion leide, sich in ärztlicher Behandlung befinde und Medikamente einnehme, jedoch könne er sich nicht an den Namen des Medikamentes erinnern. Diesbezügliche ärztliche Unterlagen konnte der Beschwerdeführer nicht vorlegen und er konnte auch die Medikamente nicht benennen. Auch im Beschwerdeschriftsatz wurde keine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers vorgebracht. Sohin liegt keine gesundheitliche Beeinträchtigung vor, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.

Dass der Beschwerdeführer in Nigeria die Grundschule besuchte, ergibt sich aus seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2018 (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 5).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, in Österreich gerne als Schweißer beschäftigt sein würde und in Nigeria als Schweißer beschäftigt war, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer I(g)bo und Englisch spricht ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 6) und anderseits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeverhandlung in Englischer Sprache durchgeführt wurde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am 26.03.2013 seinen Erstantrag auf internationalen Schutz stellte, welcher vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung negativ entschieden wurde und diese Entscheidung am 07.07.2015 in Rechtskraft erwuchs, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung bis zum gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 24.02.2016 unrechtmäßig im österreichischen Staatsgebiet aufgehalten hat, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, dass er weder einen Deutschkurs besuchte noch eine Deutschprüfung absolvierte, er kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution ist, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.09.2018.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Im gegenständlichen Fall ist der Umstand herauszustreichen, dass Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Glaubhaftmachung ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 2015, Zl. Ra 2015/19/0143). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0279).

Wie oben im Verfahrensgang ausgeführt, hat der Beschwerdeführer bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Rahmen dieses Asylverfahrens habe er bei der Erstbefragung vorgebracht, dass es 2006 zu Streitigkeiten gekommen sei, im Zuge derer seine Eltern getötet worden seien. 2007 sei er dann nach Finnland geflohen, am 03.03.2007 stellte er nachweislich am Helsinki Airport einen Asylantrag. Im Gegensatz dazu habe er vor dem Bundesamt erklärt, dass er unverzüglich nach dem Tod seiner Eltern nach Griechenland gefahren sei. Der Beschwerdeführer sei auch nicht in der Lage gewesen, irgendwelche näheren Angaben zum Tod seiner Eltern zu machen. Widersprüchlich seien auch die Aussagen zu seinem Verbleib nach seiner Abschiebung von Finnland nach Nigeria. Einmal habe er außerdem gesagt, er habe die Schule besucht, dann wieder, dass er keine Schule besucht habe. Der Beschwerdeführer habe auch keine Kenntnisse über Agbor gehabt, wo er angeblich gelebt habe. Der angebliche Tod seiner Eltern würde auch im Falle einer hypothetischen Wahrunterstellung keine Asylrelevanz entfalten, habe der Beschwerdeführer doch keine konkrete Bedrohung gegen seine Person glaubhaft gemacht. Auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.06.2015 gelang es dem Beschwerdeführer nicht, glaubhaft zu machen, dass er aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgung in Nigeria zu befürchten hätte. Das Bundesverwaltungsgericht kam daher - wie schon die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung beziehungsweise Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Der Erstantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde daher negativ entschieden und diese Entscheidung erwuchs am 07.07.2015 in rechtskräftig.

Am 24.02.2016 - rund fünf Monate später - stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er im Wesentlichen an, dass die Gründe seiner ersten Asylantragsstellung weiterhin bestehen würden. Darüber hinaus machte er einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend, indem er im Wesentlichen vorbrachte, in Österreich homosexuell geworden zu sein und Angst habe aufgrund seiner sexuellen Orientierung in Nigeria verhaftet zu werden. Des Weiteren gab er bei der Erstbefragung an, dass er seit ca. einem Jahr einen Freund habe, jedoch mit diesem in keinem gemeinsamen Haushalt wohnen würde.

Vorweg ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer seine im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe aufrecht hält. Da sich diese Fluchtgründe jedoch auf einen bereits rechtskräftig erledigten Antrag beziehen, wird auf die rechtskräftige Entscheidung des Erstverfahrens verwiesen.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.02.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er nach seiner Einreise in Österreich anfangs nicht homosexuell gewesen sei. Zwischen den Jahren 2015 bzw. 2016 habe er mit einem Mann seine ersten gleichgeschlechtlichen Erfahrungen gemacht. Mit diesem Mann habe er über einen Zeitraum von acht Monaten - ca. einmal im Monat - gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr gehabt. Der Beschwerdeführer konnte trotz mehrmaligen Nachfragen weder berichten, wann er diesen Mann kennengelernt habe, noch konnte er nähere Angaben zu diesem Mann machen, obwohl er nach seinen Angaben nach mit diesem seine ersten sexuellen Erfahrungen gemacht habe. Er habe in seinem bisherigen Leben weder mit Frauen noch mit Männern sexuelle Erfahrungen gemacht. Auch zu der Begegnung mit diesem Mann konnte der Beschwerdeführer trotz mehrmaligem Nachfragen der belangten Behörde keine detaillierten Angaben machen.

Die Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.02.2018 gestaltete sich auszugsweise folgenderweise:

[...]

"F: Sie haben am 26.03.2013 einen Asylantrag in Österreich gestellt und somit ein Asylverfahren geführt, welches am 03.07.2015 in zweiter Instanz negativ entschieden wurde. Gegen Sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, welcher Sie nicht nachgekommen sind. Stattdessen stellten Sie erneut einen Asylantrag. In Österreich wird in einer Sache nur einmal entschieden. Warum stellen Sie erneut einen Asylantrag? Nennen Sie alle neuen Fluchtgründe, die seit der Rechtskraft Ihres Vorfahrens entstanden sind! Schildern Sie bitte detailliert und lebensnah!

A: Ich habe einen Asylantrag gestellt, weil ich homosexuell bin, seitdem ich hierher kam.

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Haben Sie keine weiteren Fluchtgründe?

A: Nein. Ich bin schwul und das ist der Grund warum ich nach Afrika ... ich bin schwul.

F: Sexualität generell ist ein sehr intimes Thema. Bei der Homosexualität handelt es um ein sehr intimes Thema. Können bzw. wollen Sie mit, dass die Einvernahme in dieser Konstellation fortgesetzt wird. Können, bzw. wollen Sie frei über Ihre Gefühle und Neigungen sprechen! Sie haben auch die Möglichkeit die Einvernahme von einem andersgeschlechtlichen Team durchführen zu lassen. Wollen Sie das?

A: Nein. Ich habe keine Angst bzw. Hemmungen, ich fühle mich wohl und ich möchte, dass die Einvernahme in dieser Konstellation fortgesetzt wird.

F: Seit wann sind Sie homosexuell?

A: Seit 2015.

Vorhalt: Gerade eben sagten Sie, sie sind homosexuell seitdem Sie nach Österreich gekommen sind (Im Jahr 2013). Jetzt behaupten Sie, sie wären seit 2015 homosexuell. Ihr Vorbringen ist nicht glaubhaft. Was sagen sie dazu?

A: Als ich nach Österreich gekommen bin, war ich anfangs nicht gay. Als mich dann ein weißer Mann angemacht hat, hat es mir gefallen. Ich glaube es war 2015 oder 2016. Ich habe € 20,- bekommen und es gemacht.

F: Heißt das, in Nigeria sind Sie nicht homosexuell gewesen?

A: Nein. Ich bin erst hier homosexuell geworden.

F: Erzählen Sie über Ihre Homosexualität? Wie ist es dazu gekommen?

A: An einem Tag wurde ich von einem weißen Mann angemacht. Er sagte, es wäre gut und er würde mir dann etwas kaufen. Nachdem ich es gemacht habe, hat es mir gefallen und ich habe es genossen.

F: Wann genau war das?

A: Ich kann mich nicht erinnern. Er hat mich einfach gesehen, mich angemacht und mir hat es gefallen.

F: Schildern Sie bitte detailliert über dieses Treffen!

A: Dieser Mann hat mich bei der U-Bahn gesehen. Er hat mich angemacht und mich gefragt, ob ich mit ihm Sex haben will. Ich fragte: "Warum?" Er sagte, es wäre gut und es würde mir gefallen. Er sagte auch, dass er mir etwas kaufen und € 20,- geben würde. Am nächsten Tag haben wir es gestartet und mir hat es gefallen.

F: Das ist vage und unkonkret. Können Sie keine weiteren Details dazu nennen?

A: Wenn mich z. B. jemand anderer fragt, dann würde ich "ja" sagen. Ich mag es.

Wiederholung der Frage! Können Sie keine weiteren Details dazu nennen?

A: Als ich es am ersten Tag machte, hat es mir gefallen. Ich habe keine Affären mit Frauen. Ich habe nur Affären mit Männern. Ich hatte Spaß daran.

F: Machen Sie Angaben über diesen Mann! Erzählen Sie bitte detailliert!

A: Über den Mann?

Wiederholung der Aufforderung! Machen Sie Angaben über diesen Mann! Erzählen Sie bitte detailliert!

Anm.: AW beginnt zu stottern!

A: Manchmal hat er mir Geschenke gekauft. Manchmal gab er mir Geld. Deswegen liebte ich diesen Mann. Er ist gut zu mir.

F: Können Sie keine weiteren Details zu diesem Mann nennen?

A: Nein. Ich kann keine weiteren Details über ihn nennen. Ich machte es privat, ohne dass jemand wusste was wir machen. Ich habe keine schwarze Person davon erfahren lassen.

F: Wie lange haben Sie es mit diesem Mann getan?

Anm.: AW beginnt zu stottern!

A: Nicht immer. Ich habe ihn vielleicht einmal im Monat getroffen. Aber wenn mich auf der Straße jemand anderer anmacht, dann mache ich es.

Wiederholung der Frage! Wie lange haben Sie es mit diesem Mann getan?

Anm.: AW stottert wieder!

A: Nicht mehr als 8 Monate.

F: Können Sie keine weiteren Details zu diesem Mann nennen?

A: Ich weiß nichts über irgendwelche Details zu diesem Mann. Wir hatten nur Sex. Er hat mir über sein Leben nichts gesagt.

F: Wie leben Sie die Homosexualität in Österreich aus?

A: Ich mag es individuell. Ich mag es sehr.

F: Können Sie nichts mehr dazu sagen?

A: Nein.

F: Haben Sie jetzt einen Partner?

A: Es ist nicht so. Ich habe z. B. letzte Woche einen getroffen und wir haben es gemacht.

F: Erzählen Sie über diesen Mann, welchen Sie letzte Woche getroffen haben!

A: Letzte Woche habe ich mich mit ihm getroffen. Er hat mir € 30,-

gegeben. Wir haben es gemacht. Er hat mich berührt. Ich habe es genossen.

F: Das ist vage und unkonkret. Können Sie Details zu diesem Mann nennen?

A: Er lächelte und machte mich an. Er hat mich dann zum McDonald's mitgenommen und mir Essen gekauft. Dann sagte er mir, dass er Sex mit mir haben möchte. Ich fragte: "Was bekomme ich dafür?" er sagte, er würde mir Geld geben.

F: Können Sie keine Details zu diesem Mann nennen?

A: Er ist gut zu mir. Er lächelte mich an und führte mich zum McDonald's aus, kaufte mir Essen und nahm mich mit. Wir hatten dann Sex.

[...]

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.09.2018 gelang es dem Bundesverwaltungsgericht nicht, glaubhaft zu machen, homosexuell zu sein. Befragt danach, seit wann er sich seiner homosexuellen Orientierung bewusst sei, gab er an, dass ihm seit seiner Einreise nach Österreich bewusst gewesen sei, homosexuell zu sein. Im Widerspruch dazu gab er befragt danach, wann das war, an, dass dies im Jahr 2015 oder 2016 gewesen sei, jedoch übersieht der Beschwerdeführer, dass er schon seit dem Jahr 2013 durchgehend in Österreich lebt. ("RI: Seit wann ist Ihnen bewusst, dass Sie homosexuell sind? BF: Seit meiner Einreise in dieses Land weiß ich das, weil ein Mann sich näherte, mir Geld gab und ich habe entdeckt, dass ich Gefallen daran finde. RI: Wann war das? BF: 2015 oder 2016."). Der Beschwerdeführer konnte auch keine konkreten Angaben über seinen behaupteten gleichgeschlechtlichen Partner machen, er konnte nicht mal seinen Namen benennen. Befragt danach wie lange er mit diesem Mann eine Beziehung hatte, gab er an, dass er keine längere Beziehung zu ihm gehabt habe. Im Gegensatz dazu gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er acht Monate mit diesem zumindest eine sexuelle Beziehung gehabt habe, bei der Erstbefragung gab er an, dass er seit einem Jahr einen homosexuellen Freund habe.

Der Beschwerdeführer konnte trotz mehrmaliger Aufforderung seine behauptete Homosexualität nicht glaubhaft darstellen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es sich beim Prozess der Entdeckung der eigenen sexuellen Orientierung jedenfalls um einen langwierigen Prozess handelt. Der Beschwerdeführer konnte keine detaillierten Angaben über diesen Prozess machen. Allgemein bekannt ist, dass sich mit intensiven Gefühlen verbundene Erlebnisse, wie zum Beispiel erste sexuelle Erfahrungen, in das Gedächtnis der betreffenden Person einprägen und diese auch jederzeit abrufbar sind. Aus diesem Grund wäre vom Beschwerdeführer zu erwarten gewesen, dass er über seine Gefühlslage berichtet, sowie detaillierte Angaben über die Person, zu welcher er sich hingezogen fühlt, machen kann.

Insgesamt ist daher auszuführen, dass der behauptete Nachfluchtgrund nicht glaubhaft gemacht werden konnte, da der Beschwerdeführer, wie aus den obigen Ausführungen und den Einvernahmen zu entnehmen ist, in wesentlichen Punkten lückenhafte, widersprüchliche und unplausible Angaben machte. Diese Überlegung stützt sich auf die vagen, unsubstantiierten, oberflächlichen und widersprüchlichen Schilderungen des Beschwerdeführers zu seiner Homosexualität. Diese Ausführungen lassen in ihrer Gesamtbetrachtung den Nachfluchtgrund als rein gedankliche Konstruktion erscheinen, sodass die Angaben zu seiner behaupteten Homosexualität jegliche Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen und davon auszugehen ist, dass diese Geschichte nur zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Zudem ist der Beschwerdeführer aufgrund der widersprüchlichen Angaben in Bezug auf seine Eltern persönlich unglaubwürdig. Im Rahmen seines Erstverfahrens gab er an, dass seine Eltern im Zuge einer Auseinandersetzung wegen Grundstücksstreitigkeiten getötet worden wären (AS 61 ff) und er deshalb Nigeria verlassen habe. Im Widerspruch dazu behauptete der Beschwerdeführer im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.02.2018, dass seine Eltern gestorben wären, als er drei bis vier Jahre alt gewesen sei. Ebenfalls widersprüchliche Angaben machte er hinsichtlich seiner Schulausbildung; vor der belangten Behörde gab er an, keine Schule besucht zu haben. Im Gegensatz dazu gab er in der Verhandlung an, dass er drei Jahre die Schule besucht habe.

Der erkennende Richter kommt daher zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, einen Nachfluchtgrund glaubhaft zu machen.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der arbeitsfähige Beschwerdeführer, der möglicherweise über eine Schulbildung verfügt, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, selbst wenn es an staatlichen Sozialleistungen und familiärer Unterstützung mangeln würde.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Nigeria,

3. Quartal 2016: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 8. November 2016, als auch die Analyse der Staatendokumentation zur Lage von sexuellen Minderheiten in Nigeria vom 30.09.2016 herangezogen.

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Es besteht daher für jeden grundsätzlich die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen.

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 7.2017c), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 21.11.2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 7.2017c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 4.2017c). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 9.2016)

Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 7.2017c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).

Hinsichtlich der Homosexualität ist auszuführen, dass es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch gab, die Zahl ist einstellig. Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert (knapp dreistellig). Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015). Überhaupt gab es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist - wie auch in vielen Staaten dieser Welt - vorhanden (ÖBA 7.2014).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den 12 nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Die Polizei verhaftete 12 Männer im Jänner 2015 in Kano und 21 Männer in Oyo im Mai 2015, da ihnen homosexuelle Handlungen vorgeworfen wurden. Alle wurden nach wenigen Stunden wieder entlassen (HRW 27.1.2016). Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 9.2016).

Da ein Meldewesen nicht vorhanden (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016) ist und auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem nicht existiert, ist es damit in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 9.2016).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 21.11.2016). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 3.3.2017). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 9.2016). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 21.11.2016). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 3.3.2017). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b). Zum Rechtsschutz ist auszuführen, dass das Institut der Pflichtverteidigung erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt wurde. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 21.11.2016). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC); Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 21.11.2016).

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass der ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführte Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe.

Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/336585/479262_de.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

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OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

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CNN (16.1.2014): Group: Nigeria arrests gay 'suspects' under new law banning homosexuality,

http://edition.cnn.com/2014/01/16/world/africa/nigeria-anti-gay-law-arrests/, Zugriff 2.8.2017

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DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

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DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

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DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

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DS4 - Diplomat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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