TE Bvwg Beschluss 2018/10/8 G305 2197492-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.10.2018

Norm

AlVG §11
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

G305 2197492-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingrid KUSTER und Mag. Robert DRAXLER als Beisitzer über den Antrag des XXXX, geb. XXXX, XXXX, auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Hinblick auf das Beschwerdeverfahren über den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX in Kärnten des Arbeitsmarktservice vom 14.05.2018, VSNR: XXXX, b e s c h l o s s e n:

A)

Der auf die Gewährung der Verfahrenshilfe gerichtete Antrag wird a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Bescheid vom 14.05.2018, VSNR: XXXX, sprach die regionale Geschäftsstelle XXXX in Kärnten des Arbeitsmarktservice (in der Folge: belangte Behörde oder kurz AMS) gegenüber XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) aus, dass er gemäß § 38 iVm. § 11 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) 1977 im Zeitraum 17.03.2018 bis 13.04.2018 keine Notstandshilfe erhalte und Nachsicht nicht erteilt werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass er sein Dienstverhältnis bei der Firma XXXX (in der Folge: so oder kurz: GmbH) während der Probezeit freiwillig gelöst hätte und Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen nicht vorlägen bzw. berücksichtigt werden könnten.

2. Gegen diesen Bescheid richtete sich seine zum 29.05.2018 datierte, am 01.06.2018 bei der belangten Behörde innerhalb offener Frist eingebrachte Beschwerde, die er mit den Anträgen 1.) auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides, 2.) auf Auszahlung der Notstandshilfe für den Zeitraum bzw. auf Begründung der Ablehnung,

3.) auf Durchführung einer Beweisaufnahme und eines "sachgemäßen Verfahrens" und 4.) auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 61 VwGG iVm. § 64 ZPO verband.

Begründend führte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass er am 13.03.2018 von der GmbH der XXXX AG (in der Folge: so oder kurz: AG) überlassen worden sei. Als er im Laufe seiner Arbeitstätigkeit bei der AG die Einteilung für die kommende Woche wahrnehmen konnte, habe er sich in einer Nachtschichteinteilung wiedergesehen. Da für ihn eine Nachtschicht bei den Pendelfahrzeiten nicht in Frage gekommen sei und eine solche auch im Dienstvertrag nicht festgehalten sei, habe er den zuständigen Mitarbeiter der GmbH über eine Kündigung des Dienstverhältnisses in Kenntnis gesetzt. Laut § 26 AngG sei eine wesentliche Vertragsbestimmung verletzt worden, womit ein triftiger Grund für eine Kündigung vorgelegen hätte. Eine Sanktionierung gemäß § 11 AlVG sei daher nicht rechtskonform. Ein weiterer Grund für die Kündigung des Dienstverhältnisses habe für ihn in der Leistung unzumutbarer Schwerstarbeit gelegen, da täglich ca. 1.000 Pakete von einem Laufband in einen LKW-Container geladen worden seien. Ein weiterer Grund sei die Beendigung des Dienstverhältnisses in der Probezeit gewesen.

3. Mit Beschwerdevorlage vom 04.06.2018 legte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 14.05.2018 erhobene Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) vor und wurde diese hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

4. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 03.08.2018 wurde dem BF ein auf die Verfahrenshilfe gerichtetes Antragsformular samt Vermögensbekenntnis und ein Merkblatt per RSa-Brief übermittelt, der ihm am 20.08.2018 durch Hinterlegung zugestellt wurde. Da der BF die Verfahrensanordnung samt Beilagen nicht innerhalb der Hinterlegungsfrist behob, wurde das vorbezeichnete Schriftstück dem BVwG rückgemittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung:

1.1. Zu Spruchteil A): Zurückweisung der Anträge

1.1.1. Gegenständlich hat der BF mit seiner gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14.05.2018 erhobenen Beschwerde einen Verfahrenshilfeantrag verbunden, über den das Bundesverwaltungsgericht abzusprechen hat.

Die relevante Bestimmung des § 8a VwGVG lautet auszugsweise wiedergegeben wie folgt:

"§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

[...]"

1.1.2. Die Artikel 47 und 51 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl 2012/C 326/02, lauten auszugsweise wörtlich wiedergegeben wie folgt:

"Artikel 47

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten."

"Artikel 51

Anwendungsbereich

(1) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in den Verträgen übertragen werden."

1.1.3. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Durch die Bestimmung des § 8a VwGV soll dem Erkenntnis des VfGH vom 25.06.2015 zur Zl. G 7/2015, wonach die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch abseits der Verwaltungsstrafverfahren in Administrativverfahren gewährleistet sein muss, Rechnung getragen werden. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe kommt nach dieser Bestimmung zunächst nur insoweit in Betracht, als durch Bundes- oder Landesgesetz hinsichtlich der Regelung von Verfahrenshilfe nicht anderes bestimmt ist, was zur Folge hat, dass die Bestimmung daher nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Dabei ist wesentlich, dass in den betreffenden Materiengesetzen zur Verfahrenshilfe entsprechende Regelungen, die eine unentgeltliche Unterstützung der Partei im Verfahren gewährleisten, vorhanden sind (siehe dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte,

2. Aufl., Wien 2017, K2 zu § 8a VwGVG). Ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Verfahrenshilfe besteht jedoch nur, wenn nachstehende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

* Art 6 EMRK und Art. 47 GRC erfordern die Bewilligung;

* der notwendige Unterhalt der Partei wird durch die Kosten der Verfahrensführung beeinträchtigt;

* die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar mutwillig erscheinen;

* die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar aussichtslos erscheinen (Eder/Martschin/Schmid, Verfahrensrecht, 2. Aufl., K 5 zu § 8a VwGVG)

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22.12.2010, Rs C-279/09 festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwaltes umfassen können, einzelfallbezogen nach Maßgabe folgender Kriterien zu erfolgen haben: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen (VwGH vom 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verfahrenshilfe nicht in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. In seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung der Bestimmung des § 40 VwGVG führte, fasste der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten zum Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe RV 1255 der Beilagen XXV. GP, Erl. zu § 8a VwGVG).

In Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht grundsätzlich keine Anwaltspflicht. Anlassbezogen hat der Antragsteller seine gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14.05.2018 erhobene Beschwerde mit einem Verfahrenshilfeantrag verbunden.

Anlassbezogen hat es der BF schon in der Beschwerdeschrift verabsäumt, darzutun, dass er außerstande wäre, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Auch ist er der nachträglichen Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensbekenntnisses nicht nachgekommen. Abgesehen davon ist die Führung des Verfahrens vor dem BVwG kostenlos. Auch zeigt sich anhand der vom BF erstellten Beschwerdeschrift, dass er in der Lage sein wird, seine rechtlichen Interessen im anhängigen Beschwerdeverfahren aus eigenem wahrzunehmen.

Ist ein Beschwerdeführer - wie gegenständlich - dem verwaltungsgerichtlichen Auftrag zur Beibringung eines Vermögensverzeichnisses nicht nachgekommen, hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückzuweisen (Eder/Martschin/Schmied, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², Wien 2017, S. 67).

1.2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der fallbezogen maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist im vorliegenden Fall gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verfahrenshilfe, Vermögensbekenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2197492.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten