TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/9 W202 1427093-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2018
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Entscheidungsdatum

09.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W202 1427093-4/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2016, Zl. 13-583196503/140196954, zu Recht erkannt:

A)

I.) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. gemäß §§ 55, 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG wird festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

II.) Der Beschwerde zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das befristete Einreiseverbot ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 09.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seiner eigenen Person gab der Beschwerdeführer an, er sei in Jammu in Indien geboren, sei ledig und sei Hindu. Von 1992 bis 2004 habe er in Jammu die Grundschule besucht und von 2004 bis 2007 sei er in Jammu an der Universität gewesen. Beruflich sei er von 2007 bis 2010 bei der Sicherheitsfirma XXXX in Jammu Informatiker gewesen. Danach habe er von 2010 bis Februar 2012 in Delhi bei der Firma XXXX im Marketing gearbeitet. Als letzte Wohnadresse in der Heimat nannte der Beschwerdeführer: XXXX New Delhi.

Zu seinen nahen Angehörigen befragt nannte der Beschwerdeführer die Namen und Geburtsjahre seiner Eltern. Beide würden an folgender Adresse leben: XXXX. Der Beschwerdeführer habe zwei Brüder und eine Schwester. Einer der beiden Brüder sei bereits im Jahr 2012 verstorben, der andere lebe bei den Eltern. Seine Schwester lebe auch in Jammu, näheres unbekannt.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 29.03.2012, Zahl: 12 02.866-BAL, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

Der Bescheid des Bundesasylamtes wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 ZustellG durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Am 03.04.2012 langte beim Bundesasylamt die aktuelle Meldebestätigung des Beschwerdeführers ein.

Am 10.05.2012 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24.05.2012, Zahl: 12 05.725-EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer per Fax vom 31.05.2012 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Der Asylgerichtshof erkannte der Beschwerde mit Beschluss vom 13.06.2012, Zahl: C19 427.093-1/2012/2Z, gemäß § 37 AsylG die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.12.2012, Zahl: C19 427.093-1/2012/5E, wurde der bekämpfte Bescheid in Erledigung der Beschwerde gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Dabei ging der Asylgerichtshof davon aus, dass keine rechtswirksame Zustellung des Bescheides vom 29.03.2012, Zl. 12 02.866-BAL erfolgt sei. Demgemäß sei das Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz noch nicht abgeschlossen. Demzufolge hätte das Bundesasylamt den auf § 68 Abs. 1 AVG gestützten Zurückweisungsbescheid nicht erlassen dürfen. Aus diesem Grund sei der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu beheben.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 30.08.2013, Zahl: 12 02.866-BAL, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 03.12.2013, Zl: C4 427.093-2/2013/6E, abgewiesen.

Begründend führte der Asylgerichtshof aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation in Indien nicht den Tatsachen entspreche, sollte man von seinen Angaben ausgehen, ihm überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde. Eine Existenzsicherung in Indien sei ihm möglich, und eine Ausweisung sei jedenfalls in Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

Am 06.11.2014 brachte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Dem Antrag legte er ein Diplom A2 Grundstufe Deutsch 2 des BFI Tirol, eine Einstellungszusage, einen Meldezettel, eine Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer die XXXX auf selbstständiger Basis verkaufe, einen Mietvertrag, eine Mieterbestätigung sowie ein Wohnungsübergabeprotokoll sowie eine Bestätigung des Erhalts der Kaution hinsichtlich der Mieterin Frau XXXX, alle Urkunden in Kopie, bei. Mit Schreiben vom 21.01.2016 teilte die Finanzpolizei dem BFA mit, dass der Beschwerdeführer bei der Tätigkeit als Zeitungsausträger beziehungsweise bei den vorbereitenden Maßnahmen für diese Tätigkeit angetroffen, angehalten und kontrolliert worden sei. Diesbezüglich wurde der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Innsbruck zur Anzeige gebracht.

Mit Schreiben vom 24.05.2016 wurde die LPD in Tirol seitens des BFA auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebietes hingewiesen und um Prüfung der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens ersucht.

Mit Schreiben vom 24.05.2016 erging an den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ein Verbesserungsauftrag sowie ein Parteiengehör, in dem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, eine schriftliche Begründung der Antragstellung, ein gültiges Reisedokument, eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument, eine Bestätigung der Botschaft seines Herkunftsstaates, dass er einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses gestellt habe und ihm dieser auch in Zukunft nicht ausgestellt werden könne, erforderlichenfalls Heiratsurkunden vorzulegen, allenfalls einen begründeten Antrag auf Heilung des Umstandes, dass es ihm nicht möglich sei, die Dokumente vorzulegen, einzubringen. Weiters wurde ihm die Möglichkeit geboten hinsichtlich seiner Integration im Bundesgebiet ein Vorbringen zu erstatten. Zudem wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass einem Bericht der Finanzpolizei zufolge der Beschwerdeführer im Rahmen einer illegalen Tätigkeit als Zeitungsausträger angehalten und kontrolliert worden sei. Aus diesem Grund beabsichtige das Bundesamt gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen.

Hierzu brachte der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 10.06.2016 vor, dass er seit März 2012 im Bundesgebiet lebe. Er habe sich sehr gut integriert und habe im Mai 2014 eine Deutsch A2 Prüfung abgelegt und lerne auf B1. Er lebe in Lebensgemeinschaft mit Frau XXXX, die eine Rot-Weiß-Rot Plus Karte habe. Sie bekämen im Oktober ihr erstes gemeinsames Kind, sie wohnten zusammen. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Einstellungszusage der Firma XXXX. Er arbeite als XXXX Verkäufer. Er habe viele Unterstützer, die sich wünschten, dass er ein Bleiberecht erhalte. Zum Vorfall vom 10.05.2015 verwies er auf die beigeschlossene Rechtfertigung vom 25.02.2016. Er habe keine Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes begangen. An Herkunftslanddokumenten verfüge der Beschwerdeführer über eine Geburtsurkunde in Kopie. Er habe in Österreich eine Familie gegründet und werde im Oktober 2016 Vater. Er habe mangels Dokumenten keine Möglichkeit über eine Eheschließung einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Ein gemeinsames Familienleben sei nur in Österreich möglich. Er wäre bei Arbeitsmarktzugang selbsterhaltungsfähig. Es werde beantragt, zur Vorlage weiterer Urkunden die Frist um weitere 14 Tage zu erstrecken. Dem Schreiben wurde ein Diplom betreffend XXXX A2 Grundstufe in Deutsch 2 der VHS Innsbruck, ein Schreiben des BFI, wonach der Beschwerdeführer die Prüfung auf Niveau auf B1 vom 18.09.2015 nicht bestanden habe, eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus betreffend Pech Maya, ein Mutter-Kind-Pass, ein Meldezettel, jeweils in Kopie, eine Einstellungszusage, neun Unterstützungserklärungen, eine Rechtfertigung von XXXX hinsichtlich des Verdachtes einer Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsrecht, wonach XXXX den Beschwerdeführer gebeten habe, einmal für sie als Zeitungszusteller einzuspringen, was als Unterstützungsleistung im Rahmen einer Lebensgemeinschaft zu werten sei und in keinster Weise ein wie auch immer geartetes Beschäftigungsverhältnis darstelle, eine Geburtsurkunde betreffend den Beschwerdeführer in Kopie sowie ein Führerschein, ebenfalls in Kopie.

Mit am 24.06.2016 beim BFA eingelangter Stellungnahme des nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer beim BFA vorgesprochen habe und den Mutter-Kind-Pass seiner Verlobten XXXX vorgelegt habe. Er habe weiters die Meldebestätigung als Beweis dafür überreicht, dass er tatsächlich mit Frau XXXX in einer Lebensgemeinschaft sei. Die Verlobte des Beschwerdeführers werde Ende September/Anfang Oktober 2016 ein Kind zur Welt bringen und sei der Beschwerdeführer der Kindesvater. Aufgrund der gegebenen Umstände beziehungsweise der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in naher Zukunft Frau XXXX heiraten werde und er in wenigen Monaten Vater eines Kindes werde, hoffe der Beschwerdeführer, dass seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK stattgegeben werde.

In einer Mitteilung des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers wurde ein Bericht betreffend Kaschmir vorgelegt, das die Lage im Gebiet Jammu und Kaschmir widerspiegle. In einer weiteren Mitteilung verwies er auf die zuvor erstattete Mitteilung und führte aus, dass ein Zurückschicken des Beschwerdeführers in sein Heimatgebiet bereits aus humanitären Gründen nicht möglich sei, weswegen der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines humanitären Aufenthaltstitels ausdrücklich aufrecht erhalten werde.

Mit Schreiben vom 08.09.2016 brachte der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen ein. Darin beantragte der Beschwerdeführer über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zu entscheiden, in eventu das Bundesamt für Fremdenrecht und Asyl in Innsbruck anzuweisen, über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zu entscheiden, sowie die Erlassung der Festnahmeanordnung bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegenständlichen Verwaltungssache aufzuheben, in eventu die erlassene Festnahmeanordnung bis zur rechtskräftigen Erledigung über die gegenständlichen Verwaltungssache aufzuschieben.

In einem Schriftsatz an das BFA wies er darauf hin, dass die Verlobte des Beschwerdeführers hochschwanger sei. Diese sei zuckerkrank und aufgrund der nervlich angespannten Situation sei eine Gesundheitsbeeinträchtigung sowohl für die Verlobte als auch für das ungeborene Kind zu befürchten.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vom 28.01.2015 gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Zu Spruchpunkt I. führte das BFA eine Abwägung durch und kam nach Abwägung des Familien- und Privatlebens gegenüber dem öffentlichen Interesse zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an einem geregeltem Fremden- und Einwanderungswesen, sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dem Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers überwiegen würden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG komme daher nicht in Betracht.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass bereits zum Zeitpunkt der abschlägigen Entscheidung des Asylgerichtshofes die Lage in Jammu/Kaschmir angespannt gewesen sei, seine Ausweisung und Abschiebung sei als zulässig erachtet worden. Eine wesentliche Änderung bzw. Verschlechterung der Lage in diesem Gebiet sei den Länderinformationen nicht zu entnehmen. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei vorliegendem § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 VBG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, dass keine Gründe im Sinne des § 55 FPG hätten festgestellt werden können, weshalb der Beschwerdeführer zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verpflichtet sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer bereits am 13.12.2013 rechtskräftig wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu einer Geldstrafe von 100 Euro verurteilt worden sei, ein weiteres Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz derzeit durch die Landespolizeidirektion geführt werde, er zudem von der Finanzpolizei bei einer Beschäftigung als Zeitungsausträger betreten worden sei, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Die Behörde erachte sein Fehlverhalten als ausreichend, um gegen ihn ein auf ein Jahr befristetes Einreiseverbot zu erlassen.

Gegen diesen Bescheid wurde durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben, der im Wesentlichen folgendes Vorbringen erstattete:

Der Beschwerdeführer lebe seit Jänner 2013 in einer Lebensgemeinschaft mit einer nepalesischen Staatsangehörigen, die ihrerseits über einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte Plus verfüge. Am 20.09.2016 sei das gemeinsame Kind des Paares geboren worden. Der Beschwerdeführer habe zudem in der Zwischenzeit als Verkäufer für die XXXX gearbeitet und habe dieser bei Antragstellung eine Beschäftigungszusage vorgelegt sowie mehrere Unterstützungsschreiben. Ebenfalls spreche der Beschwerdeführer Deutsch und sei strafrechtlich unbescholten. Die Behörde hätte den Umstand der baldigen Geburt des Kindes in die Abwägung miteinfließen lassen müssen. Die Behörde habe nicht ausgeführt, wie das Familienleben zu seinem Kind aufrechterhalten werden könne. Der Kontakt über Telekommunikation oder durch Briefe vermöge das Interesse des Kindes am Kontakt zum Vater nicht zu ersetzten und ein Besuch der Lebensgefährtin mit ihrem Kind in Indien sei aufgrund der finanziellen und gesundheitlichen Situation der Lebensgefährtin nicht möglich. Die Ausführungen der Behörde, dass der Beschwerdeführer allenfalls einen legalen Aufenthaltstitel aus dem NAG anstreben könnte, könne insofern nicht gefolgt werden, als dass es für die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde, die dementsprechenden Einkommensvoraussetzungen zu erfüllen. Zudem habe die Behörde gerade diese legale Möglichkeit zumindest für die Dauer eines Jahres verunmöglicht, indem sie ein Einreiseverbot und somit ein absolutes Erteilungshindernis erlassen habe. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch und könne sich im Alltag unterhalten. Im Zuge seiner Tätigkeit als Verkäufer der XXXX habe er zudem einige Personen kennen gelernt, mit denen er ein freundschaftliches Verhältnis pflege. Dass der Beschwerdeführer über ein breites soziales Netzwerk verfüge, sei aus den sich im Akt befindlichen Unterstützungsschreiben klar ersichtlich. Eine sonstige Tätigkeit als die des selbstständigen Verkäufers sei aus gesetzlichen Gründen nicht möglich gewesen. Der Beschwerdeführer sei grundsätzlich bereit, eine Arbeit aufzunehmen. Er habe eine Einstellungszusage vorgelegt, dass sich der Inhaber der Firma nicht an diese erinnern könnte bzw. diese auch nicht mehr aufrecht sei, erscheine aufgrund des langen Zeitraums nicht verwunderlich. Der Beschwerdeführer habe während seines Verfahrens in Österreich seine wahre Identität angegeben. Der Umstand, dass er durch die Nichtvorlage seines Reisepasses die Mitwirkungspflicht verletzt habe, vermöge im Hinblick auf das stark ausgeprägte und jedenfalls schützenswerte Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers eine Ausweisung nicht zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer habe große Angst gehabt, seinen Reisepass vorzulegen, da dieser vermutet habe, dass er in weiterer Folge abgeschoben werden sollte. Genau dies sei im gegenständlichen Fall auch eingetreten.

Die Gründe zur Erlassung eines Einreiseverbotes seien nicht nachvollziehbar. Die rechtskräftige Geldstrafe vom 13.12.2013 habe der Beschwerdeführer beglichen und liege die Verurteilung bereits drei Jahre zurück. Der Beschwerdeführer sei in Innsbruck gemeldet gewesen und habe sich dem Verfahren zu keinem Zeitpunkt entzogen. Die weiteren gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahren seien nicht rechtskräftig. Die von der Behörde angenommene, vom Beschwerdeführer ausgehende, "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" könne keinesfalls nachvollzogen werden, da der Beschwerdeführer kein Verhalten gesetzt habe, das eine solche Annahme rechtfertigen würde.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof ein. Am 02.08.2018 erließ der Verwaltungsgerichtshof eine verfahrensleitende Anordnung, wonach dem BVwG aufgetragen wurde, binnen drei Monaten in der Angelegenheit betreffend Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG die Entscheidung zu erlassen.

Am 26.09. 2018 wurde die Gattin des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren im Rahmen einer Verhandlung vor dem BVwG zeugenschaftlich befragt, wobei diese im Wesentlichen Folgendes angab:

Sie sei mit dem Beschwerdeführer seit 26.08.2017 verheiratet, die zuvor bestehende Lebensgemeinschaft habe seit 2013 bestanden. Die Gattin des Beschwerdeführers sei bereits zuvor mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen, daraus seien keine Kinder entstanden. Die Zeugin habe aber in Nepal zwei Kinder gehabt, ein Kind lebe bei ihrer Schwester in Österreich, das andere Kind lebe in Nepal, sie habe zu beiden aber keinen Kontakt. Sie habe ihren jetzigen Gatten in Indien geheiratet, sie sei nicht bei ihrem Gatten in Indien geblieben, da ihr Kind in Österreich geboren sei und sie Österreich möge. Das Kind sei damals auch mit in Indien gewesen. Ihr Gatte wohne bei seinen Eltern in Jammu. Sie sei für drei Monate bei ihren Schwiegereltern in Indien gewesen. Sie könne wieder zu ihrem Gatten hingehen, aber man wisse nie, wann wieder Krieg ausbreche oder eine Bombe explodiere. In Österreich verpacke sie selbstständig Zeitungen, sie verdiene zwischen 1.000 und 2.000 Euro. Befragt, ob sie mit ihrem Mann in Nepal leben könnte, führte sie aus, in Nepal habe sie nichts. Ihr gefalle Österreich und sie wolle hier bleiben. Sie telefoniere ein bis zwei Mal täglich mit ihrem Gatten. Sie würden sich untereinander in Hindi unterhalten. Vor Kurzem habe ihr Mann von Indien aus einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Sie selbst habe Probleme mit dem Kopf, sie leide an heftigen Kopfschmerzen. Sollte sie starke Schmerzen haben, müsse sie den Arzt aufsuchen, sie müsse auch regelmäßig Medikamente nehmen. Mit Diabetes habe sie derzeit keine Probleme. Sie leide aber jetzt unter ihren Kopfschmerzen und habe diesbezügliche Probleme. In Nepal lebten noch zwei Schwestern. Ihre Eltern seien bereits verstorben. Derzeit besuche sie keinen Deutschkurs. Ihr Gatte könne Deutsch lesen und verstehen, er spreche auch ganz OK. Ihr Gatte habe ein ähnliches Sprachniveau wie sie selbst. Als ihr Gatte noch in Österreich gewesen sei, hätten sie in Innsbruck in einer Wohnung gelebt. Diese sei unweit von der jetzigen gewesen, es sei eine kleine Küche und ein Zimmer gewesen. Jetzt wohne sie in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Einmal in der Woche sei ihr Gatte als Zeitungszusteller in Österreich tätig gewesen. Wenn Sie mit ihrem Gatten telefoniere, rufe ihr Sohn "Papa, Papa". Er freue sich, wenn er ihn höre. Es gebe auch eine Videokonferenz. Ihr Sohn erkenne seinen Vater, er spreche mit ihm. Die Gespräche dauerten zwischen 20 und 30 Minuten. Wenn ihr Sohn mit seinem Vater spreche, habe sie Ruhe, um zu essen. Er spiele auch mit ihm. Gestern hätten sie noch miteinander gesprochen. Befragt, warum sie jetzt nicht mehr nach Indien fahre, führte sie aus, sie habe auf eine Entscheidung gewartet, dass ihr Mann zu ihnen nach Österreich kommen könne. Befragt, ob sie jederzeit zu ihrem Gatten nach Indien fahren könnte, führte sie aus, das Flugticket sei teuer. Ihr Mann habe kein Haus, keine Arbeit, er wohne bei seinen Eltern. Ihr Sohn sei hier geboren. Es sei in Indien nicht sicher. Es sei alles sehr teuer in Indien, hier habe sie die E-Card und müsse nichts bezahlen. Das betreffe auch ihren Sohn. In Indien könne jederzeit etwas passieren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt ursprünglich aus dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir und stellte am 06.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Vor seiner Einreise in das Bundesgebiet arbeitete der Beschwerdeführer von 2007 bis 2010 bei einer Sicherheitsfirma in Jammu als Informatiker, danach von 2010 bis Februar 2012 in Delhi bei einer Firma im Marketing und nannte als letzte Wohnadresse in der Heimat eine Adresse in New Delhi. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.03.2012 wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes von 03.12.2013, Zahl C4427.093-2/2013/6E, abgewiesen.

Seit dem Jahr 2013 lebte der Beschwerdeführer mit einer nepalesischen Staatsangehörigen in einer Lebensgemeinschaft. Am 20.09.2016 kam im Bundesgebiet deren gemeinsamer Sohn zur Welt. Am 26.08.2017 schlossen sie in Indien die Ehe. Die Gattin des Beschwerdeführers verbrachte anlässlich ihrer Heirat in Indien drei Monate beim Beschwerdeführer, ebenso das gemeinsame Kind.

Der Beschwerdeführer hat erfolgreich die Prüfung Deutsch A2 am 08.05.2014 absolviert, die Prüfung zu Deutsch B1 bestand er nicht. Der Beschwerdeführer spricht Hindi auf muttersprachlichem Niveau. Die Ehegattin des Beschwerdeführers spricht ebenfalls Hindi, untereinander sprechen Sie Hindi. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, seine Gattin geht im Bundesgebiet einer Arbeit nach, und bringt dabei zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Monat ins Verdienen. Die Gattin des Beschwerdeführers leidet oftmals an Kopfschmerzen, im Falle starker Schmerzen, muss sie den Arzt aufsuchen, sie nimmt Medikamente. Hinsichtlich Ihrer Diabetes hat sie gegenwärtig keinerlei Probleme. Im Bundesgebiet war der Beschwerdeführer als Verkäufer der XXXX tätig. Im Zuge dieser Tätigkeit lernte er mehrere Österreicher kennen, die für ihn Unterstützungserklärungen ausstellten. Der Beschwerdeführer war seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Besitz eines gültigen Reisepasses, den er jedoch erst im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens am 23.06.2016 den Behörden vorlegte.

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 22.09.2016 wurde das Verfahren betreffend die Gattin des Beschwerdeführers wegen illegaler Beschäftigung des Beschwerdeführers eingestellt.

Am 31.05.2017 wurde der Beschwerdeführer in sein Herkunftsland Indien abgeschoben und ist er seitdem bei seinen Eltern im XXXX Indien aufhältig. Der Beschwerdeführer hält mit seiner Gattin und seinem Kind über Telefonie bzw. Videotelefonie den Kontakt aufrecht. Die Gespräche dauern zwischen 20 und 30 Minuten, dabei nimmt der Sohn seinen Vater wahr, der Beschwerdeführer spricht mit seinem Sohn, und spielt mit ihm, sodass die Gattin des Beschwerdeführers in dieser Zeit Ruhe hat. Der Beschwerdeführer hat vor Kurzem einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt.

Zur Lage in Indien:

Sicherheitslage:

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien:

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Jammu und Kaschmir

Erhebliches Unruhepotential besteht weiterhin im Bundesstaat Jammu und Kaschmir, wo Angriffe eindringender Militanter, der ungeklärte Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die Region, die Unzufriedenheit der mehrheitlich muslimischen kaschmirischen Bevölkerung und teils drakonische Sonderrechte indischer Sicherheitskräfte ein Klima des Misstrauens und der Angst schaffen (AA 9.2016b). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft" (AA 16.8.2016).

Indien zählt weltweit zu den zehn am stärksten vom islamistischen Fundamentalismus betroffenen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden über 6.000 Menschen Opfer islamistischer Gewalt. Den Schwerpunkt bildet dabei der von Indien kontrollierte Teil Kaschmirs. Das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten in Indien bleibt die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.11.2015).

Seit September 2014 ist es wiederholt zu Feuergefechten gekommen. Zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten mussten ihre Häuser verlassen. Indische Regierungsvertreter erklären die Verletzungen des Waffenstillstands als Taktik Pakistans, um Kämpfer und Terroristen in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu schleusen. Die Lage in der Region ist seit Jahrzehnten angespannt, weil dort mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, u.a. militante Separatistengruppen, die den indischen Staat bekämpfen und in Pakistan Zuflucht finden (BPB 20.11.2015). Seit Monaten wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die Unruhen sind in ihrer Intensität stärker als die von 2010. Manche Beobachter interpretieren sie gar als die blutigsten in der Geschichte Kaschmirs (GIZ 11.2016).

Der von 2014 bis 2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen (AA 9.2016b). Pakistanische Streitkräfte haben das Waffenstillstandsabkommen allein im August 2014 16mal verletzt. Berichten zufolge waren Aufständische jedoch nicht in der Lage, die internationale Grenze zu überschreiten (FH 28.1.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 183 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 117, für das Jahr 2013 181, für das Jahr 2014 193 für das Jahr 2015 174 und für das Jahr 2016 267 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BPB 20.11.2015). Unter dem Sonderermächtigungsgesetz für das indische Militär kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Im September 2015 wurden sechs indische Soldaten aufgrund ihrer Rolle bei der Tötung von Zivilisten in Kaschmir von einem Militärgericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Allgemein gilt die steigende Wahlbeteiligung im indischen Unionsstaat Jammu und Kaschmir als Indikator für eine wachsende Anerkennung der Legitimität Indiens in der Region (BPB 20.11.2015). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2016).

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Medizinische Versorgung

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015).

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.8.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung. (BAMF 12.2015) und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.8.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.8.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderen auch stationären Krankenhausaufenthalt. Die Abdeckung variiert je nach Versicherungspolizze (BAMF 8.2014). Die staatliche Krankenversicherung (Universal Health Insurance Scheme) erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. Zudem gibt es viele wohltätige Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 12.2015).

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 16.8.2016). Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 12.2015). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 16.8.2016). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 12.2015).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers sowie den Aussagen seiner Gattin, zur Identität des Beschwerdeführers vor allem aus dem vorgelegten Reisepass des Beschwerdeführers, den vorgelegten Unterstützungsschreiben, dem Diplom A2, dem vorgelegten Mietvertrag, der Geburtsurkunde seines Sohnes, sowie der vorgelegten Heiratsurkunde. Zum Verfahren betreffend internationalen Schutz ergibt sich das Vorbringen aus der Einsicht in die jeweiligen Verwaltungsakten, bzw. die diesbezüglichen Bescheide und Erkenntnisse, zur Einstellung des Verfahrens gegen die Gattin betreffend eine Anzeige der Finanzpolizei wegen illegaler Beschäftigung aus dem Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 22.09.2016, Zahl II-STR-133/2016.

Die allgemeine Lage zu Indien ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Daraus ergibt sich zwar eine allgemein schwierige Lage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, wo sich dieser auch in Jammu bei seinen Eltern derzeit aufhält, jedoch lässt sich daraus nicht eine generelle Verfolgungsgefahr für alle dort lebenden Personen ableiten, was sich schon daran erweist, dass der Beschwerdeführer in diese Herkunftsregion zurückgekehrt ist, obwohl er vor seiner Ausreise aus Indien und seiner Einreise in Österreich zuletzt in Neu-Delhi gelebt hatte, er also nicht etwa dorthin zurückgekehrt ist. Zudem war es auch schon der Gattin des Beschwerdeführers und dessen Sohn möglich, in Jammu bei den Eltern des Beschwerdeführers zu wohnen, ohne dass eine tatsächliche konkrete Gefährdung gegeben gewesen wäre, andernfalls anzunehmen wäre, dass die Gattin des Beschwerdeführers mit ihrem Sohn umgehend wieder nach Österreich zurückgekehrt wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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