TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/10 99/19/0122

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Veröffentlicht am 10.09.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3;
AufG 1992 §6 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §21;
FrG 1997 §23 Abs6;
FrG 1997 §28 Abs2;
FrG 1997 §30;
LichtbildausweisV PrivImmun 1979 §1 Abs1;
LichtbildausweisV PrivImmun 1979 §3 Abs1;
MRK Art14;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1998 geborenen VB in Wien, vertreten durch Mag. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1999, Zl. 309.526/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 24. August 1998 in Wien geboren. Er beantragte am 3. September 1998 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 14 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag könne im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen sei und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt habe. Gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 seien in Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfüge oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genieße; dies gelte jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin bestehe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren und halte sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Seine Mutter habe über keinen Aufenthaltstitel verfügt. Sie sei als kroatische Staatsangehörige am 19. Juli 1998 sichtvermerksfrei eingereist. Aufgrund des Sichtvermerksabkommens zwischen Kroatien und Österreich sei sie berechtigt gewesen, sich drei Monate lang in Österreich aufzuhalten. Die Bestimmungen des § 28 Abs. 2 und des § 23 Abs. 6 FrG 1997 seien auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar. Sein entgegen § 14 Abs. 2 FrG 1997 im Inland gestellter Antrag sei abzuweisen gewesen. Gemäß § 37 FrG 1997 habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen unter Anwendung des Art. 8 MRK zu erfolgen. § 14 Abs. 2 FrG 1997 entspreche allerdings § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG). Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung sei daher auch auf § 14 Abs. 2 FrG 1997 übertragbar. Ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 MRK sei entbehrlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

§ 10 Abs. 4, § 14 Abs. 2, § 23 Abs. 6, § 28 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 47 Abs. 3 und § 49 Abs. 1 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10. ...

...

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. ...

...

§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...

...

§ 23. ...

...

(6) Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist schließlich Fremden auf Antrag zu erteilen, die auf Dauer niedergelassen bleiben, aber bisher österreichische Staatsbürger waren oder als in Österreich geborene Kinder aus dem Grund des § 28 Abs. 2 keinen Aufenthaltstitel benötigten; Abs. 4 gilt. Verfügt jedoch ein Elternteil eines in Österreich geborenen Kindes über eine Niederlassungsbewilligung mit längerer Gültigkeitsdauer, so ist dem Kind eine Niederlassungsbewilligung gleicher Gültigkeitsdauer auszustellen.

...

§ 28. ...

(2) In Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht.

...

§ 30. (1) Fremde, die auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union in Österreich Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießen, benötigen zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel.

...

§ 47. ...

...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1. Ehegatten;

...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; ..."

§ 1, § 2 und § 3 der Legitimationskartenverordnung, BGBl. Nr. 378/1979, lauten:

"§ 1. (1) Der Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten hat auf Antrag an Angehörige jener Personengruppen, die in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677, Privilegien und Immunitäten genießen, einen Lichtbildausweis auszustellen, aus dem die Identität, die Staatsangehörigkeit und die Funktion des Inhabers zu ersehen sind.

...

§ 2. Lichtbildausweise werden in folgenden Kategorien ausgestellt:

1. in roter Farbe für Personen, denen in Österreich eine diplomatische Rechtsstellung zukommt,

2.

in gelber Farbe für Konsulen,

3.

in blauer Farbe für alle Personen, die in Österreich nach den in § 1 genannten Vorschriften Privilegien und Immunitäten genießen, sofern sie nicht österreichische Staatsbürger oder Fremde mit ständigem Aufenthalt in Österreich sind; für private Hausangestellte jedoch unter der weiteren Voraussetzung, dass sie bei unter Z 1 genannten Personen oder bei Berufskonsuln angestellt sind.

§ 3. (1) Auf die Ausstellung von Lichtbildausweisen für die im gemeinsamen Haushalt mit den in § 2 genannten Personen lebenden Familienangehörigen ist § 2 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt jedoch nicht

1. für Familienangehörige der in § 2 Z 1 und 2 genannten Personen, soweit sie österreichische Staatsbürger oder Fremde mit ständigem Aufenthalt in Österreich sind,

2.

für Familienangehörige von Honorarkonsuln,

3.

für Familienangehörige von privaten Hausangestellten.

(2) Familienangehörige im Sinne des Abs. 1 sind

1. der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Hauptberechtigten, ..."

Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, lautet:

"Artikel 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten."

Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über einen Aufenthaltstitel. Gemäß § 23 Abs. 6 FrG 1997 hätte ihm dessen ungeachtet dann eine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden können, wenn er als in Österreich geborenes Kind gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 keinen Aufenthaltstitel benötigt hätte. Dies wäre wiederum dann der Fall gewesen, wenn seine Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genossen hätte. Der Bescheidfeststellung, wonach die Mutter des Beschwerdeführers noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügte, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Zwar genoss seine Mutter gemäß Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, Sichtvermerksfreiheit. Demgegenüber bestehen jedoch keine Hinweise darauf, dass die Mutter des Beschwerdeführers Niederlassungsfreiheit im Verständnis des § 28 Abs. 2 FrG 1997 genossen hätte.

Wie der Beschwerdeführer selbst erkennt, setzt die Befreiung eines in Österreich geborenen Kindes von der Sichtvermerkspflicht nach dem klaren Gesetzeswortlaut voraus, dass die Mutter entweder über einen Aufenthaltstitel verfügte oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt. Er vertritt jedoch die Auffassung, die in Rede stehende Gesetzesbestimmung sei ungeachtet ihres Wortlautes dahingehend zu interpretieren, dass dem Kind die Rechte des § 28 Abs. 2 FrG 1997 schon dann zustehen, wenn die Mutter entweder Niederlassungsfreiheit oder Sichtvermerksfreiheit genießt. Würde eine Mutter nämlich sowohl Sichtvermerks- als auch Niederlassungsfreiheit genießen, wäre es unvorstellbar, dass ihr Kind jemals einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung stellen würde, weil es und seine Mutter eine solche Bewilligung gar nicht bräuchten.

Damit unterstellt der Beschwerdeführer, dass sich die Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit der Mutter notwendigerweise auch auf das von ihr im Inland geborene Kind erstreckte, sodass dieses dann unter keinen Umständen eine Niederlassungsbewilligung benötigte. Wie der Beschwerdeführer zu dieser Auffassung gelangt, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers ist es nämlich sehr wohl denkbar, dass eine Fremde Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt, sich dieses Recht jedoch nicht auf ihr im Inland geborenes Kind erstreckt. Eine solche Konstellation ist etwa bei den in § 3 Abs. 1 zweiter Satz der Legitimationskartenverordnung genannten Kindern von Müttern, auf die die Voraussetzungen des § 30 FrG 1997 und des § 1 Abs. 1 der Legitimationskartenverordnung zutreffen, gegeben.

Nach dem Vorgesagten besteht kein Anlass, § 28 Abs. 2 FrG 1997 entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut dahingehend zu interpretieren, dass die dort umschriebenen Berechtigungen dem im Inland geborenen Kind schon dann zukommen, wenn die Mutter entweder Niederlassungsfreiheit oder Sichtvermerksfreiheit genießt.

Demnach wertete die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. September 1998 zutreffend als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, für dessen Beurteilung § 14 Abs. 2 FrG 1997 maßgebend war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen ist, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde.

Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er die Auffassung vertritt, § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 sei auf in Österreich geborene und seit der Geburt aufhältige Fremde nicht unmittelbar anwendbar. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. März 1999 jedoch ausgeführt hat, ist nach den auch aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Wertungsgesichtspunkten des FrG 1997 die weiterhin bestehende Regelungslücke in Ansehung solcher Fremder, die nicht gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 von der Sichtvermerkspflicht befreit waren, in aller Regel in Analogie zum ersten Satz des § 14 Abs. 2 leg. cit. zu schließen. Grundsätzlich ist für solche Fremde daher zu verlangen, dass sie durch Ausreise aus dem Bundesgebiet den rechtmäßigen Zustand herstellen und vor einer weiteren Einreise nach Österreich ihre Niederlassungsbewilligung vom Ausland aus beantragen.

Aus Überlegungen des Dispositionsschutzes sind von diesem Grundsatz lediglich solche in Österreich geborene und seit der Geburt aufhältige Fremde ausgenommen, die vor dem 1. Dezember 1997 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt und noch unter der Geltungsdauer des AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund dieses Antrages erworben hatten. Nur solche Fremde konnten im Zeitpunkt ihrer Antragstellung noch damit rechnen, jene Bewilligung zu erhalten, auf deren Ausstellung sie einen Rechtsanspruch hatten. Diese Voraussetzung ist jedoch beim Beschwerdeführer nicht gegeben, weil dieser erst nach Inkrafttreten des FrG 1997 geboren wurde.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist daher auch im Falle des Beschwerdeführers eine Analogie zu § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997, wonach Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen sind, geboten. Dieser Beurteilung stehen die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, und vom 13. Juni 1997, Slg. Nr. 14.845, auf die sich die Beschwerde beruft, nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer sich nach dem Vorgesagten seit seiner Geburt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.

Demnach war der hier gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers an § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 zu messen. Da der Beschwerdeführer nicht bestreitet, sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung in Österreich aufgehalten zu haben, ist der in der obgenannten Bestimmung umschriebenen Erfolgsvoraussetzung nicht Genüge getan.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hatte vorliegendenfalls eine Beurteilung gemäß § 37 FrG 1997 nicht Platz zu greifen. Diese Bestimmung regelt ausschließlich die Zulässigkeit von Ausweisungen und Aufenthaltsverboten.

Schließlich macht der Beschwerdeführer Normbedenken gegen § 28 Abs. 2 FrG 1997 geltend. Dieser erscheine im Lichte des Art. 8 MRK problematisch. Die Achtung des Familienlebens schließe für den Vertragsstaat die positive Verpflichtung ein, bei der Normierung familienrechtlicher Verhältnisse so zu verfahren, dass dem Betroffenen die Führung eines normalen Familienlebens ermöglicht werde. Da § 28 Abs. 2 FrG 1997 das Aufenthaltsrecht des Kindes immer an das der Mutter anknüpfe, sei der Gesetzgeber des FrG 1997 dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Ein Kindesvater, der Drittstaatsangehöriger sei, habe nach der geltenden Rechtslage keinerlei Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel für sein in Österreich geborenes Kind zu erlangen, selbst dann nicht, wenn die Mutter während oder kurz nach der Geburt verstorben wäre. Dies erscheine ein unverhältnismäßiger Eingriff im Sinne des Art. 8 MRK. Auch stelle es eine unsachliche Ungleichbehandlung des Familiennachzuges zum Vater gegenüber jenem zur Mutter dar, wenn das Aufenthaltsrecht des Kindes in § 28 Abs. 2 FrG 1997 ausnahmslos an das der Mutter geknüpft sei. Schließlich stehe die in Rede stehende Bestimmung auch in einem Spannungsverhältnis zu Art. 5 des

7. ZPzMRK.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass die hier gewählte Interpretation des § 14 Abs. 2 FrG 1997 dem Art. 8 MRK nicht widerspricht. Sie bewirkt, dass - von dem im zitierten Erkenntnis vom 23. März 1999 umschriebenen Personenkreis (vgl. Seite 7 Mitte des vorliegenden Erkenntnisses) abgesehen - im Inland geborene Kinder von Müttern, die während der ersten drei Lebensmonate des Kindes weder einen Aufenthaltstitel besaßen, noch Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genossen, Neuzuwanderern gleichgehalten werden und zwar auch dann, wenn die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes aufgrund eines Sichtvermerksabkommens zum vorübergehenden Aufenthalt, nicht jedoch zur Niederlassung in Österreich berechtigt war. Solche Kinder sind daher gehalten, das Bundesgebiet zu verlassen und haben einen allfälligen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Vater gemäß § 21 FrG 1997 durch eine Antragstellung vom Ausland aus gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 geltend zu machen. In dieser Form besteht allerdings sehr wohl die Möglichkeit, dass das Kind, auch vertreten durch seinen Vater, einen Aufenthaltstitel erlangen kann.

Dieses Ergebnis erscheint nicht unsachlich, weil damit der Familiennachzug zum Vater in Ansehung von in Österreich geborenen Kindern nicht zur Niederlassung berechtigter Mütter den gleichen Regelungen unterworfen wird, wie jener von im Ausland geborenen Fremden. Art. 8 und 14 MRK gebieten es nicht, den Familiennachzug zum Vater in jenen Fällen zu erleichtern, in denen sich die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bloß aufgrund einer vorübergehenden und kein Niederlassungsrecht umfassenden Berechtigung im Bundesgebiet aufhält.

Damit erweist sich aber ein Eingriff in ein gedachtes, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug zu seinem Vater durch den vorliegenden, auf § 14 Abs. 2 FrG 1997 gestützten Bescheid im Interesse der öffentlichen Ordnung und des Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt.

Es verstößt auch nicht gegen das in Art. 14 MRK bzw. im BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen der rassischen Diskriminierung verankerte Diskriminierungsverbot, wenn die Aufrechterhaltung des Familienlebens eines in Österreich geborenen Kindes mit seiner hier zur Niederlassung berechtigten Mutter aufgrund der Zulässigkeit der Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 6 FrG 1997 gegenüber dem Familiennachzug wo auch immer geborener Fremder, deren Mütter nicht zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt sind, zum Vater, eine Begünstigung erfährt. Im Hinblick auf die besondere Nahebeziehung eines neugeborenen Kindes zu seiner Mutter während der ersten Lebensmonate liegt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers, die Aufrechterhaltung eben jener Nahebeziehung gegenüber dem Familiennachzug eines neugeborenen Kindes zum Vater zu privilegieren, sofern die Durchsetzbarkeit des Anspruches auf Familiennachzug des Kindes zum Vater aufgrund eines vom Ausland aus gestellten Antrages im Rahmen der Quotenpflicht im Hinblick auf die Ausgestaltung der Niederlassungsquoten für den Familiennachzug in vertretbarer Zeit gewährleistet erscheint (vgl. zu all dem das zum Fall einer im Zeitpunkt der Geburt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Mutter ergangene hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 99/19/0004).

An diesem Ergebnis vermag auch der Verweis des Beschwerdeführers auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 AufG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/3352) nichts zu ändern. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der durch § 3 AufG eingeräumte Rechtsanspruch auf Familiennachzug zum Vater eine Versagung der Bewilligung mit der Begründung, die Mutter des Beschwerdeführers sei im Inland nicht aufenthaltsberechtigt, ausschließt. Damit ist aber keine Aussage darüber getroffen worden, ob es im Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers steht, die Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit der im Inland niederlassungsberechtigten Mutter gegenüber dem Familiennachzug zum Vater zu privilegieren oder nicht.

Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch keine Bedenken gegen die in Rede stehende Gesetzesbestimmung zu erwecken, wenn er auf den - bei ihm sachverhaltsbezogen allerdings nicht vorliegenden - Härtefall verweist, wonach die Mutter während oder kurz nach der Geburt des Kindes verstirbt.

Insofern darin eine besondere Härte zu erblicken wäre, ist den Verfassungsbedenken des Beschwerdeführers überdies entgegenzuhalten, dass eine Berücksichtigung derartiger Härten im Rahmen des § 10 Abs. 4 FrG 1997 erfolgen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 98/19/0190). Diese Bestimmung, die unter näher umschriebenen Voraussetzungen u.a. die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen an mit Reise- oder Durchreisevisa, sichtvermerksfrei oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereiste Fremde - wenn auch ohne ein diesbezügliches subjektives Recht des Fremden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 99/19/0097) - vorsieht, ist nämlich kraft Größenschlusses auch auf im Inland geborene Fremde, die die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG 1997 nicht erfüllen, anwendbar. Schon deshalb kann das diesbezügliche Regelungssystem des FrG 1997 auch unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Möglichkeit weder als unsachlich, noch als zu unverhältnismäßigen Eingriffen führend angesehen werden.

Zu bemerken ist aber in diesem Zusammenhang überdies, dass bei Ableben einer Mutter, welche über die in § 28 Abs. 2 FrG 1997 angeführten Berechtigungen verfügt, nach der Geburt dem Kind jedenfalls eine weitere Niederlassungsbewilligung gemäß § 23 Abs. 6 FrG 1997 erteilt werden könnte, weil dieses Kind mit seiner Geburt die in der erstgenannten Bestimmung umschriebene Berechtigung bereits erworben hätte.

Aus diesen Erwägungen teilt der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Normbedenken gegen § 28 Abs. 2 FrG 1997 nicht.

Da nach dem Vorgesagten schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 10. September 1999

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190122.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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