TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/12 W230 2195897-1

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Veröffentlicht am 12.10.2018
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Entscheidungsdatum

12.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs4

Spruch

W230 2195890-1/8E

W230 2195741-1/8E

W230 2195895-1/8E

W230 2195880-1/8E

W230 2195897-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., über die Beschwerden von 1. XXXX (geb. XXXX ), 2. XXXX (geb. XXXX , 3. XXXX (geb. XXXX ), 4. XXXX (geb. XXXX ), und 5. XXXX (geb. XXXX ), alle Staatsangehörige Afghanistans, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2018, 1. Zl. XXXX ,

2. Zl. XXXX , 3. Zl. XXXX , 4. Zl. XXXX und 5. Zl. XXXX , (jeweils Spruchpunkt I.) betreffend Abweisung von Wiedereinsetzungsanträgen, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und - unstrittiger - Sachverhalt:

1. Mit Schreiben vom 17.05.2018 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) dem Bundesverwaltungsgericht fünf Beschwerden gegen fünf Bescheide vor, mit denen es Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführer abwies (Spruchpunkt I.) und den Wiedereinsetzungsanträgen die aufschiebende Wirkung zuerkannte (jeweils Spruchpunkt II.). Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um eine Mutter (Erstbeschwerdeführerin) und deren vier Kinder (Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer), die im Wege von Anträgen im Familienverfahren in Österreich internationalen Schutz beantragt hatten, nachdem dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (Vater der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer) subsidiärer Schutz zuerkannt worden war. Die mit den angefochtenen Bescheiden abgewiesenen Wiedereinsetzungsanträge wurden im Hinblick darauf gestellt, dass die Erhebung von Beschwerden gegen Bescheide, die durch Hinterlegung am 29.11.2017 zugestellt worden seien, ohne Verschulden der Antragsteller verspätet gewesen sei.

2. Die Schreiben, mit denen die belangte Behörde die Beschwerden vorgelegt hat, lauten (auszugsweise, soweit hier relevant) wie folgt:

"An das Bundesverwaltungsgericht

...

BESCHWERDEVORLAGE

Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Bundesamt informiert über gegenständliches Verfahren, in welchem eine Entscheidung gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen) ergangen ist. Gleichzeitig wird die dagegen eingebrachte Beschwerde zur do. Verwendung weitergeleitet. Zugleich erlaubt sich das BFA[,] den Akt zu übermitteln.

Bemerkungen zum Verfahren

-

Die Behörde verzichtet auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

-

Es wird hiermit die Abweisung der Beschwerde beantragt

-

Familienverfahren (§ 34 AsylG) Bezugszahlen:

[...]

-

EAT - internationaler Schutz wurde ebenfalls mitgesendet:

[...]".

3. Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden, von der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in Vertretung der Beschwerdeführer verfassten und per E-Mail vom 27.03.2018 bei der belangten Behörde eingebrachten Anträge lauteten wie folgt:

"[Seite 1:]

An das BFA

Regionaldirektion Niederösterreich

Außenstelle Wiener Neustadt

[...]

Wien, 20.03.2018

Beschwerdeführerln (BF) 1: [...]

BF 2: [...]

BF 3: [...]

BF 4: [...]

BF 5: [...]

Alle StA Afghanistan

Alle vertreten durch: ARGE Rechtsberatung/Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH

(Vollmacht anbei)

Belangte Behörde: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu den o.a. Zahlen vom 27.11.2017, zugestellt am 15.03.2018, wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gern § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 abgewiesen und den BF gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie eine befristet[e] Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.11.2018 erteilt. Gegen diese Bescheide erheben die BF binnen offener Frist gegen Spruchpunkt l. dieser Bescheide

BESCHWERDE

an das Bundesverwaltungsgericht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

In eventu ergeht der

ANTRAG AUF WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND

sowie diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

[Seite 2:]

Die Beschwerdeführer (BF) stellen folgende

Anträge:

das Bundesverwaltungsgericht möge

l. die hier angefochtenen Bescheide hinsichtlich des SPP. l wegen Rechtswidrigkeit beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt zurückverweisen (§ 66 Abs 2 AVG, § 28 Abs 3 und 4 VwGVG);

In eventu

II. eine mündliche Verhandlung gem § 24 Abs. 1 VwGVG zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts durchführen;

III. die hier angefochtenen Bescheide - behelfsweise unter Heranziehung anderer als der hier geltend gemachten Rechte - beheben und den BF Asyl gemäß § 3 AsylG gewähren;

IV. falls nicht alle zu Lasten der BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufgreifen (vgl. zur Verpflichtung des BVwG inhaltliche Rechtswidrigkeit) bzw. allenfalls den BF einen Verbesserungsauftrag erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können;

In eventu ergeht der ANTRAG AUF WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN

STAND

gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde, sowie diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

[Seite 3:]

Begründung

I. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Die oa. Bescheide wurden den BF 15.03.2018 zugestellt. Die Beschwerdeerhebung erfolgt somit binnen offener Frist.

Zum Zustellvorgang ist auszuführen, dass die Bescheide mit 27.11 .2017 datiert sind, den BF jedoch postalisch bis dato nicht zugestellt wurden. Die BF waren durchgehend an der Adresse Vereinsgasse 16/25, 1020 Wien, gemeldet und wohnhaft. Sie haben bis dato keine Briefsendung mit den Bescheiden erhalten und keine Benachrichtigung über eine etwaige Hinterlegung.

Erst kürzlich suchte der Familienvater, Herr [...], gemeinsam mit einem seiner Söhne die Beratungsstelle Interface auf, um seinen Sohn für einen Deutschkurs anzumelden. Dort wurde Herrn [...] mitgeteilt, dass die ‚weiße Karte' des Sohnes "nicht mehr gültig sei' und sich sein Sohn anscheinend nicht mehr im offenen Asylverfahren befindet, sondern ihm rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Da die Familie jedoch bis dahin keine Bescheide erhalten hatte, suchten sie umgehend die Beratungseinrichtungen der Caritas sowie der Diakonie auf, um dem Verfahrensstand nachzugehen. Beim BFA in Wien wurde der Familie die Aushändigung der Bescheide bezüglich Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten mit dem Hinweis verweigert, dass dies nur bei der Regionaldirektion Niederösterreich in Wiener Neustadt möglich sei. Herr [...] suchte daraufhin am 15.03.2018 das BFA Regionaldirektion Niederösterreich in Wiener Neustadt auf, wo ihm auch die Bescheide bezüglich seiner Familienangehörigen ausgehändigt wurden und die Zustellung durch die tatsächliche Kenntnisnahme der BF über die Bescheide am selben Tag erfolgte.

II. In eventu Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Die Ast waren durchgehend an der Adresse [...], gemeldet und wohnhaft. Sie kontrollieren täglich zumindest einmal die Post, welche ihnen an diese Meldeadresse gesandt und zugestellt wird. Sofern die Ast über eine Hinterlegung eines Schriftstückes informiert werden, [...]

[Seiten 5ff:]

Beschwerde

[wird näher ausgeführt ...]".

4. Diese Anbringen erledigte die belangte Behörde mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 16.04.2018, deren Spruchpunkte I. und II. wie folgt lauten:

"I. Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 27.03.2018 wird gemäß § 33 Abs. 1 vwGVG abgewiesen.

II. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt."

5. Die Beschwerden richten sich jeweils gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide.

In den Beschwerden wurden - neben dem Antrag auf Abänderung der die Wiedereinsetzungsanträge abweisenden Aussprüche - folgende Anträge gestellt:

"Gebührenpflicht und Eventualantrag auf Verfahrenshilfe

Gemäß § 70 AsylG sind Eingaben nach dem AsylG von der Gebührenpflicht befreit. Der Antrag auf Wiedereinsetzung steht in einem engen rechtlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Asyl. Daher besteht auch für diesen keine Gebührenpflicht. Für die Beschwerde ist daher keine Gebühr zu entrichten.

In diesem Zusammenhang wird auf folgende Entscheidung des BVwG vom 06.11.2017,

Zl [...] verwiesen:

‚[...]'

In eventu wird der Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt, die entsprechenden, ausgefüllten Formulare liegen bei. Begründend wird ausgeführt, dass die BF bei einem Haushaltseinkommen von € 1150 monatlich eine monatliche Miete von € 841 zu zahlen haben und sich die seitens des BFA vorgeschriebene Gebühr von € 30 pro Person nicht leisten können.

[...]".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide

1. Die belangte Behörde erledigte die Anbringen der Beschwerdeführer vom 20.03.2018 mit Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung. Dabei hat sie jedoch übersehen, dass diese Anträge nur "in eventu" gestellt waren, also die Antragstellung an eine Bedingung geknüpft war. Als Bedingung für die Wiedereinsetzungsanträge stellten die Anbringen nach ihrem - insoweit deutlichen und unmissverständlichen - Inhalt auf eine negative Erledigung der Beschwerden gegen die die Asylanträge abweisenden Bescheide ab. Eine solche Erledigung ist aber nicht ergangen und die Antragsbedingung daher noch nicht eingetreten: Weder die belangte Behörde hat diese Beschwerden (mit Beschwerdevorentscheidung) erledigt noch das Bundesverwaltungsgericht, Letzterem wurden diese Beschwerden im Übrigen noch gar nicht vorgelegt, zumal das Vorlageschreiben (s. oben Pkt. I.2.) den behördlichen Willen zur Beschwerdevorlage nur hinsichtlich der Beschwerden gegen die die Wiedereinsetzungsanträge abweisenden Bescheide erkennen lässt (und die sonstigen Aktenteile erkennbar nur informationshalber vorgelegt wurden). Über einen Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu entscheiden, solange der Eventualfall nicht eingetreten ist (VwGH 19.06.2015, Ra 2014/02/0178; 30.11.2017, Ra 2017/18/0293). Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalls erledigt, so ist der Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet und ist daher von der Rechtsmittelinstanz - von Amts wegen (vgl auch § 27 VwGVG) - ersatzlos zu beheben (vgl. dazu, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung, Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 4 [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Die angefochtenen Spruchpunkte der Bescheide vom 16.04.2018 hätten daher nicht ergehen dürfen und waren daher ersatzlos zu beheben. Eine solche Entscheidung kann trotz entgegenstehenden Antrags ohne mündliche Verhandlung erfolgen (vgl. die Anordnung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, die auch in einem dem BFA-VG unterliegenden Verfahren zur Anwendung kommt, siehe zB VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0226 mwN).

2. Der Vollständigkeit halber ist Folgendes zu erwähnen: Soweit in den Beschwerden gegen die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge auch Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt wurden, handelt es sich um unzulässigerweise bedingte Anträge und daher unwirksame (somit: unbeachtliche, nicht erledigungsbedürftige) Anträge.

Bedingte Verfahrenshandlungen sind im Verwaltungsprozess grundsätzlich unzulässig und damit unwirksam. Die Ausnahme bilden sog. innerprozessuale Bedingungen. So darf ein Antrag unter der aufschiebenden Bedingung gestellt werden, dass ein Primärantrag erfolglos bleibt. Mit einem solchen Antrag könnte zB in erster Linie begehrt werden, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgericht ersatzlos aufgehoben wird, und hilfsweise, dass eine inhaltlich (zum Teil) anders lautende Entscheidung getroffen wird (s dazu mwN zB Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 VwGVG Rz 44 [Stand 15.2.2017, rdb.at]).

Unzulässig sind jedoch Eventualanträge, die nicht an eine innerprozessuale Bedingung geknüpft sind, sondern - beispielsweise - "für den Fall der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer bestimmten Auslegung (etwa der angefochtenen Entscheidung)" gestellt werden. Derartiges ist im Fall der vorliegenden Verfahrenshilfeanträge gegeben, weil diese an die Bedingung geknüpft wurden, dass der Gebührenbefreiungstatbestand des § 70 AsylG in einer bestimmten Weise auszulegen ist (in letzter Konsequenz also: vom hiefür zuständigen Finanzamt in einer bestimmten Weise ausgelegt wird). Über die in den Beschwerden "in eventu" gestellten gestellten Verfahrenshilfeanträge war daher schon aus diesem Grund nicht zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Pkt. II1. und II.2. zitierten Judikaturachweise); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

bedingter Verfahrenshilfeantrag, Behebung der Entscheidung,
ersatzlose Behebung, Eventualantrag, Rechtswidrigkeit,
Unzuständigkeit, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W230.2195897.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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