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22/03 Außerstreitverfahren;Norm
AufG 1992 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1933 geborenen DK in I, vertreten durch Dr. E, diese vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 101.929/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der unbedenklichen Aktenlage wurde für die Beschwerdeführerin mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 31. Jänner 1991 gemäß § 273 ABGB ein Sachwalter zur Vertretung in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Innsbruck bestellt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17. April 1991 wurde die mit dem oben genannten Beschluss begründete Sachwalterschaft beendet und der Sachwalter seines Amtes enthoben.
Am 15. November 1993 stellte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Innsbruck einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck namens des Landeshauptmannes für Tirol mit Bescheid vom 14. März 1994 gemäß §§ 13 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 sowie 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehende Wohnung nicht als für Inländer ortsübliche Unterkunft anzusehen sei.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom 23. März 1994 Berufung.
Mit Bescheid vom 4. Jänner 1995 setzte der Bundesminister für Inneres als Berufungsbehörde gemäß § 38 AVG "das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das derzeit anhängige Verfahren beim Bezirksgericht Innsbruck, Zl. 2 Sw 22/94", aus. Begründend wurde ausgeführt, im Falle der Beschwerdeführerin sei beim Bezirksgericht Innsbruck unter der genannten Zahl ein "Sachwalterverfahren" anhängig. Da von Seiten des Bezirksgerichtes Innsbruck noch kein Sachverständigengutachten bezüglich der Feststellung der Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin eingeholt worden sei und deshalb nicht beurteilt werden könne, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin vorliege, werde das Berufungsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bis zur Feststellung, ob die Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin beeinträchtigt sei, ausgesetzt. Die Feststellung der Geschäftsfähigkeit stelle zweifellos eine relevante Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar.
Mit Schreiben vom 19. Juni 1995 teilte Dr. V dem Bundeministerium für Inneres mit, sie sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. Juni 1995 zur Sachwalterin gemäß § 273 ABGB für die Beschwerdeführerin bestellt worden. Sie wolle nunmehr mitteilen, dass sie die bisherigen Verfahrensschritte, die der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin gesetzt habe, genehmige. Aus der beigeschlossenen Bestellungsurkunde geht hervor, dass Dr. V u.a. die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gericht zu besorgen habe.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz "gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels korrekter Antragstellung" zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 15. November 1993 beim Magistrat der Stadt Innsbruck einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Dieser habe den Antrag mit Bescheid vom 14. März 1994, zugestellt am 22. März 1994, gemäß §§ 13 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2 sowie 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Dagegen habe die Beschwerdeführerin am 1. April 1994, somit fristgerecht, das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Die Berufungsbehörde habe das Berufungsverfahren mit Bescheid vom 4. Jänner 1995 gemäß § 38 AVG ausgesetzt, weil beim Bezirksgericht Innsbruck für die Beschwerdeführerin ein Sachwalterschaftsverfahren offen gewesen sei. Da dieses Verfahren mittlerweile abgeschlossen sei, nehme die Berufungsbehörde das Verfahren wieder auf und sei dazu erwogen worden:
Für die Beschwerdeführerin sei ein Sachwalter bestellt worden. Dieser Sachwalter habe u.a. die Vertretung vor Ämtern zu übernehmen. Ein Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz sei gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. an einen Antrag gebunden, dazu seien jedoch lediglich geschäftsfähige Personen legitimiert. Da jedoch festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin nicht geschäftsfähig sei, liege "somit keine korrekte Antragstellung vor".
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Beigelegt wurde der Beschwerde eine Kopie der Sachwalterschaftsbestellungsurkunde mit einer handschriftlichen Notiz, der zufolge die bestellte Sachwalterin mit der Erhebung der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde (einschließlich des Antrages, diese allenfalls an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten) einverstanden sei. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Oktober 1995, B 2785/95-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Beim angefochtenen Bescheid handelt es sich nicht um die Abweisung eines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 247 des Außerstreitgesetzes der Beschluss, mit dem ein Sachwalter bestellt wird, mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam wird. Der angefochtene Bescheid enthält zwar über die Zustellung des Bestellungsbeschlusses und über allfällige dagegen erhobene Rechtsmittel keine Feststellungen, es ergibt sich aber, dass die Bestellung des Sachwalters für die Beschwerdeführerin nicht vor dem einschlägigen Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. Juni 1995 wirksam geworden sein kann. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, lag daher weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch dem der Berufungserhebung eine wirksame Sachwalterbestellung vor. Entgegenstehendes hat auch die belangte Behörde nicht festgestellt.
Dennoch wäre die belangte Behörde bei Zweifeln über die Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Zeitraum vor der Sachwalterbestellung nicht gehindert gewesen, hiezu ein über die Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu bestimmten verfahrensrelevanten Zeitpunkten (Stellung des Antrages vom 15. November 1993, Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes für die Einbringung der Berufung) ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und entsprechende begründete Feststellungen zu treffen. Solche Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch nicht getroffen, sondern ihre dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme, die Beschwerdeführerin sei nicht geschäftsfähig, undifferenziert, also ohne auf einen bestimmten Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren Bezug zu nehmen, allein aus dem Umstand der Sachwalterbestellung abgeleitet. Damit fehlt es aber, so man der belangten Behörde nicht schon eine Verkennung der Rechtslage hinsichtlich der zeitlichen Wirkungen einer Sachwalterbestellung vorwerfen will, jedenfalls - bezogen auf die Frage der Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin
- an einer ausreichenden Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes.
Hinzu kommt, dass die belangte Behörde, die ausdrücklich von einer fristgerechten Berufungseinbringung ausgeht, diese Berufung nach dem Spruch des angefochtenen Bescheid zurückgewiesen hat. In der Begründung fehlt aber jegliche Bezugnahme auf Gründe für eine Unzulässigkeit der Berufung. Die belangte Behörde argumentiert vielmehr ausschließlich damit, dass zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 1 AufG nur geschäftsfähige Personen "legitimiert" seien. Diese Ausführungen deuten eher darauf, dass die belangte Behörde Zweifel an einer wirksamen Antragstellung durch die Beschwerdeführerin hegte. Sie sind aber keinesfalls geeignet, die Zurückweisung der Berufung gegen einen den Antrag der Beschwerdeführerin abweisenden (d.h. in der Sache erledigenden) Bescheid der Behörde erster Instanz in einer dem § 60 AVG entsprechenden Weise nachvollziehbar zu begründen.
Da sich der angefochtene Bescheid somit zur Gänze einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof auf seine Vereinbarkeit mit der Gesetzeslage entzieht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. September 1999
Schlagworte
SachwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996190080.X00Im RIS seit
02.05.2001