TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/18 W175 2178624-1

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Veröffentlicht am 18.10.2018
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Entscheidungsdatum

18.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W175 2178624-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , äthiopischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zahl:

1127420900/161512522, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005,

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) brachte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.10.2017 den gegenständlichen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (in Folge: AsylG) ein. Am 08.11.2016 fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Am 31.07.2017 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) eine niederschriftliche Einvernahme des BF im Rahmen des Asylverfahrens statt.

2. In der Erstbefragung am 08.11.2016 gab der BF in Amharisch befragt an, in Adama, Zentral-Äthiopien, geboren zu sein. Er sei volljährig, gehöre der Volksgruppe der Oromo an und sei christlichen Glaubens. Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen äthiopischen Reisepass mit einem Visum der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vor, welcher im Laufe des nachfolgenden Asylverfahrens als authentisch bewertet wurde.

Er habe in Adama 12 Jahre die Grundschule und vier Jahre eine Universität besucht, danach sei er als Bauarbeiter tätig gewesen. Er sei ledig und habe keine Kinder. In Äthiopien lebende Verwandte gab der BF nicht an, ein Bruder lebe in Österreich.

Er habe Äthiopien am 27.09.2016 verlassen und sei mit einem Direktflug nach Österreich gelangt. Die Reise habe er selbst organisiert.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er habe seine Großmutter nach Wien zu einem Krankenhausaufenthalt begleitet. Er werde in Äthiopien politisch verfolgt, er sei dort bereits sieben Monate in Haft gewesen. Er befürchte, bei einer Rückkehr erneut inhaftiert zu werden.

Dem BF wurde das Protokoll der Befragung rückübersetzt, er gab an, keine Verständigungsprobleme gehabt zu haben und bestätigte dies mit seiner Unterschrift.

3. In der Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA vom 23.10.2017 gab der BF nach erfolgter Rechtsberatung in Amharisch befragt an, dass er bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt habe. Seine Angaben seien korrekt protokolliert und ihm rückübersetzt worden.

Der BF gab an, keine gesundheitlichen Probleme zu habe und keine Medikamente zu nehmen.

Seine Familie, zu der er Kontakt habe, lebe nach wie vor in Adama. Er habe mit seiner Großmutter und zwei Onkel mütterlicherseits zusammengelebt. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater habe die Familie bei der Geburt des BF verlassen. Der BF habe im Bauwesen gearbeitet. Sein Bruder lebe seit 16 Jahren in Wien, sei für seinen Lebensunterhalt aufgekommen und habe auch zu seinem Schulgeld beigetragen. Derzeit komme der Bruder nicht für den Unterhalt des BF auf. Der BF glaube, der Bruder sei Österreicher. Von ihm habe er auch die vorgelegten Dokumente auf sein Handy geschickt bekommen, da "dieser Internet habe".

Der BF habe keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religion gehabt. Er sei nie verhaftet worden. Er sei jedoch politisch tätig gewesen.

Zu seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe befragt gab der BF an, dass er mit der amharischen Sprache aufgewachsen sei. Er sei nicht sicher, ob sein Vater ein Oromo gewesen sei, er glaube es jedenfalls. Die Mutter sei eine Oromo gewesen.

Er habe Äthiopien am 27.09.2016 mit einem Direktflug nach Wien verlassen. Auf die Frage, weshalb er seinen Asylantrag erst am 08.11.2016 gestellt habe, meinte der BF, seine Mutter (gemeint: Großmutter) sei nicht früher mit ihrer Behandlung im Krankenhaus fertig gewesen. Er habe eigentlich wieder mit ihr nach Hause reisen wollen, habe sich dann aber anders entschieden, der Bruder habe sie dann zurückbegleitet.

Er habe sich zum Bleiben entschieden, als es "bei uns" Razzien gegeben habe. Nachgefragt was dies bedeute, gab der BF an, "in Äthiopien". Auf die Frage, ob er davon betroffen gewesen sie, gab der BF an, dass diejenigen, die verhaftet worden wären, auch mitgenommen worden wären. Dies seien diejenigen gewesen, die mit ihm sieben Monate im Gefängnis gewesen seien.

Auf die Frage, weshalb er in Haft gewesen sei, gab er an, er habe für seine Partei Jugendliche motiviert, für die Partei zu stimmen und an Demonstrationen teilzunehmen. Mehrmals zu einer Konkretisierung seiner Tätigkeit aufgefordert gab der BF an, dass er Informationen an Jugendliche weitergegeben habe und dass an diesem Tag ein Spion unter den Jugendlichen gewesen sei, dieser habe seine Identität an die Behörden weitergegeben und der BF sei verhaftet worden. Auf neuerliche Frage gab er an, dass es seine Aufgabe gewesen sei, "nonverbal, durch Zeichen/Zeichnungen, an Demonstrationen teilzunehmen, zum Beispiel indem man komplett schwarz gekleidet sei und die Hände über dem Kopf kreuze". Er habe auch durch verschiedene "Zeichnungen", also schriftlich teilgenommen ("ich meine nicht Zeichen, ich meine Zeichnungen, ich meine schriftlich"). Sie seien gegen Ehadig gewesen, dies sei die Regierungspartei. Es sei alles heimlich gewesen. Er habe eigentlich nicht viel erzählen müssen, da die Leute ja wüssten, dass es keine Freiheit gebe. Eigentlich habe er nichts gemacht. Er habe sie aber zu Demonstrationen motiviert. Deshalb sei er festgenommen worden. Nach den Informationen befragt die er weitergegeben habe, meinte der BF, er habe ihnen gesagt, dass sie nichts laut äußern sollten, sondern durch verschiedene Zeichen zeigen sollten, dass sie dagegen seien.

Er habe Wahlwerbung gemacht. Auf die Frage, wie er das konkret gemacht habe, gab er an, er habe es nicht offiziell gemacht, alles sei heimlich gewesen.

Er sei zwei Jahre bei der Partei gewesen und sei für Adama und Addis Abeba zuständig gewesen Werbung zu machen und Informationen zu verteilen. Die Partei trete für die Einheit Äthiopiens auf und sei einfach "Anti-Ehadig". Er habe einfach mitgeholfen und sei nur für Jugendliche zuständig gewesen. Eine bestimmte Position habe er nicht gehabt, da er erst zwei Jahre dabei gewesen sei.

Er sei verhaftet worden, da er gegen die Regierung gewesen sei, es habe auch eine Verhandlung gegeben. Er sei verurteilt worden, da man behauptet habe, er habe die Leute zu Demonstrationen motiviert. Er sei von 12.02.20188 bis 21.09.2008 (äthiopischer Kalender) in Haft gewesen.

Auf die Frage, weshalb er zuvor angegeben habe, dass er nie verhaftet worden sei, meinte der BF "er habe die Frage so verstanden, dass der Referent gemeint habe, ob er verurteilt worden sei, nachdem er diese Zeit im Gefängnis verbracht habe und darüber eine Bestätigung vor der Polizei erhalten habe". Man habe ihn zu sieben Monaten Haft verurteilt, danach habe er gehen können. Nach weiteren drei Monaten sei er nach Wien geflogen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, sofort getötet zu werden. Befragt, weshalb er ursprünglich wieder habe nach Hause fahren wollen, gab der BF an, dass er telefonisch erfahren habe, dass es Razzien gegeben habe, seine Freunde seien verhaftet worden, die Polizei habe bei seinem Onkel nach ihm gefragt.

Auf dem Handy habe der BF eine Bestätigung, dass er im Gefängnis gewesen und entlassen worden sei. Es sei ein Dokument der "Federal Police Commission" Äthiopien. Es sei von seiner Familie an ihn gesendet worden. Weiters zeigte er eine Fotografie einer "Parteimitgliedschaftsbestätigung der All Ethiopia Unity Party". Er werde versuchen, sich diese Unterlagen im Original schicken zu lassen.

Dem BF wurde das Protokoll der Einvernahme rückübersetzt, er gab an, keine Verständigungsprobleme gehabt zu haben und bestätigte dies mit seiner Unterschrift.

Die vorgezeigten Schreiben wurden in Folge übersetzt. Das laut Angaben des BF von der Polizeibehörde am 22.08.2008 (äthiopischer Kalender) ausgestellte Dokument beginnt mit: "An jene, die es betrifft". Der BF sei Mitglied der Äthiopischen Einheitspartei. Er habe in Adama und in Addis Abeba mit anderen Demonstranten gegen den Masterplan Landvertreibung als Organisator und Informant eine große Rolle gespielt. Er sei daher (umgerechnet) am 23.10.2015 festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe bis 29.04.2016 verurteilt worden. Danach sei er mit der Warnung entlassen worden, dass ihm eine härtere Strafe drohen würde, wenn er nochmals bei ähnlichen Aktivitäten erwischt werde. Mit freundlichen Grüßen (...).

Das Schreiben betreffend seine Parteimitgliedschaft, ausgestellt am 19.12.2008 (äthiopischer Kalender) beginnt ebenfalls mit: "An jene, die es betrifft". Der BF habe ohne Klage Tag und Nacht fleißig für

die Partei gearbeitet. ... Er habe zuletzt viele Jugendliche

motiviert, an politischen Aktivitäten mitzuwirken, er habe auch in der Finanzabteilung der Partei aktiv mitgewirkt. (..) Er sei festgenommen und misshandelt worden, noch dazu seien auch seine Familienmitglieder misshandelt worden. Er habe deshalb das Land verlassen müssen. Wir bitten das zuständige Land um volle Unterstützung.

Originale wurden bis dato nicht vorgelegt.

4. Das BFA wies mit dem gegenständlichen Bescheid vom 23.10.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde unter anderem die folgenden Feststellungen zur Lage in Äthiopien:

1. Politische Lage

Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8.2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8.2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8.2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a). Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen

Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).

Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8.2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8.2016).

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).

Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook

-

Ethiopia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

2. Sicherheitslage

Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor, wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten.

In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).

Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017). In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b). Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

AI - Amnesty International (9.11.2016): Ethiopia: After a year of protests, time to address grave human rights concerns, http://www.ecoi.net/local_link/331838/459747_en.html, Zugriff 4.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017a): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Aktuelle Hinweise, http://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/

reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/

reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,

http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 1.2017a). Gesetzlich ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017a), dennoch kommt es regelmäßig zu Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit, zuletzt durch die Erklärung des Ausnahmezustandes für eine Dauer von 6 Monaten am 9. Oktober 2016 (AA 8.2016). Durch den Ausnahmezustand werden den Provinzverwaltungen Kompetenzen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen und bei der äthiopischen Bundesregierung zentralisiert. Diese kann damit auf zukünftige Unruhen schneller reagieren (AA 3.1.2017). Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 1.2017a). Zivilgerichte arbeiten weitgehend unabhängig, die Strafgerichte sind aber weiterhin schwach, überlastet und werden politisch beeinflusst. Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen.

Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Scharia-Gerichte erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilten in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte. Einige Frauen stellten fest, dass sie im traditionellen Rechtssystem keinen Zugang zu freien und fairen Verhandlungen haben, da sie traditionellerweise von der Teilnahme an Ältestenräten ausgeschlossen sind und in ländlichen Gebieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbreitet ist (USDOS 13.4.2016).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Dies geschieht inzwischen oft unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung und Wahrung der Sicherheit und Integrität des Landes. Bei einer vermuteten Nähe zu gewaltbereiten Gruppen (OLF, ONLF, Ginbot 7) oder einem (teilweise noch unbestätigten) Verdacht, zu Terrorismus anstiften zu wollen, wird hart

durchgegriffen (AA 24.5.2016).

Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird - unter anderem wegen Überlastung der Justiz - häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertigesamt.de/sid_7B87E3EFFF842E034C71AA5B64A842E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

4. Sicherheitsbehörden

Die Bundespolizei untersteht dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, das wiederum parlamentarischer Aufsicht unterliegt. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit, die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 13.4.2016). Im ganzen Land gibt es zudem lokale Milizen, die sich in ihrer Arbeit mit regionalen und föderalen Polizei- und Militäreinheiten lose abstimmen. Das Ausmaß der Abstimmung variiert in den einzelnen Regionen. In vielen Fällen sind die Milizen der verlängerte Arm der Regierungspartei (USDOS 13.4.2016). Die Milizen sind von Gemeindevertretern gewählte, jedoch bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt, insbesondere in der Somali-Region im Osten Äthiopiens gegen die Ogaden National Liberation Front (ONLF) (AA 24.5.2016).

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert und sind effektiv (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und ohne Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften (AA 24.5.2016). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 13.4.2016). Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben (z.B. in Ostäthiopien/ Ogaden) (AA 24.5.2016).

Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z.T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen ONLF, OLF, Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 30.12.2016

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 13.4.2016). Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis unterlaufen. Von verschiedener Seite werden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär laut (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Berichte von Folter und Misshandlung gibt es insbesondere während der Untersuchungshaft und von Häftlingen, die unter Verdacht stehen, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen. Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen (AA 24.5.2016). Zudem verschwinden Berichten zufolge nach Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellengruppen immer wieder Zivilisten - jedoch gibt es weniger glaubwürdige Berichte darüber als in den Vorjahren (USDOS 13.4.2016).

Systematische Verhaftungen und Folter bzw. Misshandlung durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte sind nicht auszuschließen, insbesondere in Fällen, in denen der Verdacht oppositioneller Tätigkeit oder der Mitgliedschaft in bewaffneten Oppositionsgruppen und ein (vermuteter) Zusammenhang mit Terrorismus bestehen. Das Ersuchen des Sonderberichterstatters des UN-Menschenrechtsrates gegen Folter um einen Länderbesuch in Äthiopien wurde bisher abgelehnt (letzte Anfrage 2011) (AA 24.5.2016).

Laut NGO-Berichten, wurden tausende Oromos, denen die Regierung Terrorismus vorwirft, willkürlich festgenommen und in manchen Fällen gefoltert (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

6. Korruption

Behördliche Korruption ist gesetzlich verboten (USDOS 13.4.2016; vgl. FH 27.1.2016). In Äthiopien hat es einige spektakuläre Korruptionsfälle gegeben, in die hochrangige Vertreter der Regierung verwickelt waren. In den bekannt gewordenen Fällen hat es Verurteilungen gegeben (GIZ 1.2017a). Trotz der Strafverfolgung vieler Beamter aufgrund von Korruption sind einige Beamte weiterhin in korrupte Praktiken involviert. Insbesondere auf niedriger Ebene ist Korruption - vor allem das Einfordern von Bestechungsgeldern - ein Problem.

Auch bei der Polizei und in der Justiz ist Korruption weiterhin ein Problem (USDOS 13.4.2016; vgl. FH 27.1.2016), ebenso im Alltag (GIZ 1.2017a). Auf dem Corruption Perceptions Index 2014 von Transparency International lag Äthiopien auf Platz 103 von 168 untersuchten Ländern (TI 2015).

Beim Justizministerium ist eine Bundeskommission für Ethik und Antikorruption (FEACC) eingerichtet. Der Strafprozess wegen Korruption gegen den Generaldirektor der Äthiopischen Steuer- und Zollbehörde, dessen Stellvertreter und weitere Regierungsbeamte und privater Geschäftsleute wurde im Jahr 2015 weitergeführt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/327613/454676_en.html, Zugriff 29.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

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TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index - Results, https://www.transparency.org/cpi2015/, Zugriff 29.12.2016

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

7. Allgemeine Menschenrechtslage, Opposition

Der äthiopischen Regierung ist die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität erkennbar wichtiger als demokratische Freiräume, Bürger- und individuelle Menschenrechte (AA 24.5.2016). Zu den signifikantesten Menschenrechtsproblemen in Äthiopien zählen die Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit (unter anderem durch Festnahmen), politisch motivierte Gerichtsverfahren, Schikane und Einschüchterung von Oppositionspolitikern und Journalisten, sowie die Einschränkungen von Printmedien, Zivilgesellschaft und NGOs (USDOS 13.4.2016).

Die Verfassung und weitere Gesetze sehen die Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 13.4.2016). Journalisten, Oppositionsaktivisten und regierungskritische Personen werden jedoch schikaniert, verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Die Aktivitäten der politischen Opposition werden überwacht und behindert (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Stärker als das Medien- und Informationsgesetz wirkt sich das Antiterrorgesetz auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Äthiopien aus. Denn es umfasst nicht nur direkte und indirekte Unterstützung von Terrorismus als Tatbestand, sondern auch Berichterstattung über terroristische Gruppen oder Aktivitäten, die von der Öffentlichkeit als Anstiftung bzw.

Propaganda aufgefasst werden könnten. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016). Angesichts der Verhaftungen und Prozesse herrscht eine große Verunsicherung bei Medienvertretern, was die Praxis einer gewissen Selbstzensur verschärft (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Das Antiterrorgesetz schränkt auch die Meinungsfreiheit im Internet ein. Das Internet spielt in Äthiopien mit einer geschätzten Anwender-Zahl von unter 1,5% der Bevölkerung (die Regierung beziffert die Internetanwenderquote mit 4%) eine untergeordnete, aber im urbanen Bereich wachsende Rolle. Die Regierung filtert und sperrt im Internet den Zugang zu unerwünschten Seiten bzw. Inhalten. Eine ganze Reihe von (regierungs-)kritischen Webseiten, Blogs und Internetmedien werden blockiert, aber vereinzelt auch internationale Webseiten und Programme. Die staatliche Ethio-Telecom ist der einzige Anbieter von Telekommunikationsdiensten. Eine Privatisierung des Telekommunikationssektors lehnt die Regierung ausdrücklich ab (AA 24.5.2016).

Die Verfassung gewährleistet Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, beide werden in der Praxis aber eingeschränkt (FH 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Versammlungen sind genehmigungspflichtig. Die Behörden können die Genehmigung (dem Gesetz nach) nicht verweigern, können aber verlangen, die Veranstaltung an einem anderen Ort oder Zeitpunkt zu veranstalten (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 24.5.2016). In der Realität werden Demonstrationen allerdings meist von Sicherheitskräften blockiert, Menschen festgehalten oder verhaftet, mit der Begründung, dass keine Genehmigung vorliege (AA 24.5.2016). Seit den Protesten im Herbst 2015 kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gab (AA 3.1.2017).

Im Bereich der Vereinigungsfreiheit haben das NGO-Gesetz (Verbot für NGOs, in bestimmten Bereichen tätig zu sein) sowie die Ende 2011 dazu eingeführten Verwaltungsvorschriften erhebliche Auswirkungen auf zivilgesellschaftliches Engagement, insbesondere im Menschenrechtsbereich (AA 24.5.2016). Die unabhängige Tätigkeit von Gewerkschaften im Lande wird trotz der in der Verfassung garantierten Vereinigungsfreiheit behindert, nicht partei- bzw. regimetreue Gewerkschaften werden oftmals untergraben (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertigesamt.de/sid_7B87E3EFFF842E034C71AA5B64A842E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Ethiopia, https://www.ecoi.net/local_link/327613/454676_en.html, Zugriff 3.1.2017

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Ethiopia, https://www.ecoi.net/local_link/318340/443520_en.html, Zugriff 3.1.2017

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/306259/443531_de.html, Zugriff 2.1.2017

8. Haftbedingungen

Es gibt in Äthiopien 6 Bundes- und 120 regionale Gefängnisse. Die Behörden sperren manchmal Jugendliche mit Erwachsenen ein. Männliche und weibliche Gefangene werden in der Regel getrennt. Die Bedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten sind weiterhin schlecht, in einigen Fällen lebensbedrohlich (USDOS 13.4.2016) und jedenfalls nicht mit europäischen Standards vergleichbar (AA 24.5.2016). Die Gefängnisse sind überfüllt (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). In der Regel erfolgt die Unterbringung in großen Gemeinschaftszellen. Verpflegung und sanitäre Anlagen sind landestypisch einfach. Aufgebessert werden die Haftbedingungen entweder durch finanzielle Mittel oder durch die weit verbreitete Unterstützung durch Angehörige (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Es wird immer wieder berichtet, dass Angeklagten und/oder Verurteilten unter dem Antiterrorgesetz der Zugang zu Anwälten, Besuch von Angehörigen sowie adäquate medizinische Versorgung verwehrt wird (AA 24.5.2016). Zudem gibt es Berichte, dass Wärter Häftlinge schlagen. Die medizinische Versorgung nach solchen Schlägen ist in manchen Fällen unzureichend (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

9. Todesstrafe

Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor (AA 8.2016). Sie ist daher in Äthiopien formell weiterhin in Kraft (AI 6.4.2016) und wird vereinzelt verhängt. Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zwei Mal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de-facto Moratorium (AA 8.2016). Die Verhängung der Todesstrafe ist für folgende Straftaten möglich: Mord, Verbrechen gegen den Staat, Hochverrat, Verletzung von internationalem Recht (u.a. Spionage, Kriegsverbrechen, Genozid), militärische Verbrechen, schwere Vermögensdelikte und schwere Straftaten aus den Bereichen Verbreiten von Krankheiten und Verschmutzen der Umwelt. Nach dem Antiterrorgesetz kann die Todesstrafe verhängt werden, soweit ein "terroristischer" Akt verübt wurde oder jemand dies versucht, vorbereitet, geplant, jemanden dazu angestiftet oder sich dazu verschworen hat (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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AI - Amnesty International (6.4.2016): Death Sentences and Executions 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1466066825_act5034872016english.pdf, Zugriff 9.1.2017

10. Ethnische Minderheiten

In Äthiopien gibt es mehr als 80 ethnische Gruppen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017b). 34,4% gehören der Gruppe der Oromo an, 27% sind Amharen, 6,2% Somali, 6,1% Tigray und die restlichen rund 26% gehören anderer Volksgruppen an (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017b). Die Grenzen der Regionalstaaten sind weitgehend entlang der Grenzen der Lebensräume der größten ethischen Gruppen gezogen. Die meisten politischen Parteien basieren vorwiegend auf ethnischer Zugehörigkeit (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 24.5.2016).

Die Verfassung gewährt den ethnischen Gruppen Gleichberechtigung und weitgehende Autonomierechte. Die meisten der derzeit 76 anerkannten Ethnien sind mit zumindest einem Vertreter in der zweiten Parlamentskammer, dem "House of Federations", vertreten (sowie einem weiteren Vertreter je 1 Million Angehöriger). Eine nach Hautfarbe, Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis ist nicht feststellbar, es gibt jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden. Angesichts eines wahrgenommenen überproportionalen politischen Einflusses der kleineren Ethnie der Tigray fühlen sich die beiden größten Ethnien der Oromos und der Amharen politisch unterrepräsentiert. Tigray haben zudem auch großen Einfluss in der Wirtschaft. Politisch in der Opposition aktive Mitglieder der Oromo werden von Sicherheitskräften häufig der Nähe zur OLF verdächtigt (AA 24.5.2016), einige, die als einflussreiche Mitglieder der Oromo-Gemeinschaft gelten, werden gezielt verhaftet (HRW 6.2016). Im Jahr 2014 und Ende 2015 bis Oktober 2016 protestieren vor allem Oromos gegen die langjährigen Missstände. Seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Oktober 2016 ist die Zahl der Proteste jedoch zurückgegangen (UKHO 12.2016b).

Vorwürfe der Diskriminierung gegen bestimmte ethnische Gruppen werden auch im Zusammenhang mit Umsiedlungsprogrammen sowie mit landwirtschaftlichen Großinvestitionen im Westen (Gambella) und Süden (Südomo) des Landes vorgebracht. Verschiedene Fact-Finding-Missionen der Geber in die genannten Gebiete konnten systematische Menschenrechtsverletzungen nicht nachweisen, Einzelfälle sind hingegen nicht auszuschließen. Aus der vor allem von ethnischen Somalis bewohnten Somali Region/Ogaden wird in regelmäßigen Abständen von Menschenrechtsverletzungen bei Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten ONLF-Anhängern berichtet. Eine unabhängige Bestätigung der Vorwürfe ist nicht möglich (AA 24.5.2016). Traditionell einflussreiche Ältestenräte, Clanführer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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