TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/10 97/19/0774

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Veröffentlicht am 10.09.1999
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §8 Abs1;
AVG §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1992 geborenen NS in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1996, Zl. 118.707/4-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Vater der Beschwerdeführerin verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis 1. Februar 1996, ihre Mutter über eine solche mit Geltungsdauer vom 25. November 1994 bis 1. Februar 1996. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde vom 30. April 1996 wurde der Verlust dieser Bewilligungen verfügt.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 9. August 1995 die Erteilung eines Sichtvermerkes. Als Zweck des Sichtvermerkes wurde Familienzusammenführung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes angeführt. Die Beschwerdeführerin brachte in diesem Antrag vor, dass ihre Eltern über einen aufrechten Wohnsitz und über eine aufrechte Arbeitsbewilligung in Österreich verfügten. Dieser Antrag langte am 11. August 1995 beim Landeshauptmann von Wien ein.

Die erstinstanzliche Behörde wertete den Antrag als solchen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und wies ihn mit Bescheid vom 22. Jänner 1996 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1996 wurde diese Berufung gemäß § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 4 Abs. 3 AufG sei die Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes. Da die belangte Behörde die Anträge der Eltern der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit näher bezeichneten Bescheiden abgewiesen habe (richtig wohl: den Verlust der den Eltern erteilten Aufenthaltsbewilligungen verfügt habe), besäßen die Eltern der Beschwerdeführerin derzeit keine gültige Aufenthaltsbewilligung. Folglich habe auch der Beschwerdeführerin keine solche erteilt werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte mit Beschluss vom 25. Februar 1997, Zl. B 1987/96-8, die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in ihrem subjektiven Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, aber auch in ihren subjektiven Rechten auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach § 7 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG), auf Unterbleiben der Verfügung des Verlustes einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 8 AufG, in ihren aus Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates (im Folgenden: ARB) abgeleiteten Rechten, und schließlich in ihrem Anspruch auf Ausstellung einer deklarativ wirkenden Aufenthaltsberechtigung verletzt.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsansicht, die Entscheidung im Verfahren ihres Vaters betreffend die dort erfolgte Verfügung des Verlustes der ihm erteilten Aufenthaltsbewilligung sei im Sinne des § 38 AVG präjudiziell. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, das Verfahren betreffend den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bis zum Abschluss des in Rede stehenden Verfahrens ihres Vaters zu unterbrechen.

Die Beschwerdeführerin meint weiters, die Verfügung des Verlustes der Aufenthaltsbewilligung ihres Vaters sei rechtswidrig gewesen. Die belangte Behörde habe sich in dem ihren Vater betreffenden Bescheid darauf gestützt, dass dieser mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Ehe lediglich zum Schein eingegangen sei. Dieser Umstand hätte von der belangten Behörde aber nicht zur Begründung der Verfügung des Verlustes der Aufenthaltsbewilligung des Vaters der Beschwerdeführerin herangezogen werden dürfen, zumal dieser bereits anlässlich der Antragstellung, welche zur Erteilung jener Aufenthaltsbewilligung geführt habe, deren Verlust später verfügt worden sei, die Behörde durch Vorlage des Ehenichtigkeitsurteiles von dem Umstand, dass er seinerzeit eine Scheinehe eingegangen sei, in Kenntnis gesetzt habe.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Vater der Beschwerdeführerin "Assoziationstürke entsprechend dem Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei" sei. Der Vater der Beschwerdeführerin sei seit mehreren Jahren durchgehend bei einem näher bezeichneten österreichischen Unternehmen beschäftigt. Er verfüge daher über ein Aufenthaltsrecht im Bereich der Staaten der Europäischen Union. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (an ihn) habe lediglich deklarativen Charakter.

Darüber hinaus werden noch weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit des den Vater der Beschwerdeführerin betreffenden Bescheides vorgebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 3 Z. 1, § 3 Abs. 1 Z. 2 und § 4 Abs. 3 AufG lauteten:

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

...

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 4. ...

...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren."

§ 7 Abs. 7 FrG 1992 lautete:

"§ 7. ...

...

(7) Ergibt sich aus den Umständen des Falles, dass der Antragsteller für den Aufenthalt eine Bewilligung gemäß den §§ 1 und 6 des Bundesgesetzes, mit dem der Aufenthalt von Fremden in Österreich geregelt wird (Aufenthaltsgesetz), BGBl. Nr. 466/1992, benötigt, so darf dem Fremden kein Sichtvermerk nach diesem Bundesgesetz erteilt werden. Das Anbringen ist als Antrag gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten, der Antragsteller ist davon in Kenntnis zu setzen."

Art. 6 Abs. 1 und Abs. 7 Abs. 1 ARB lauten:

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

-

nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-

nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung

-

vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-

nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

...

Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

-

haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

-

haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben."

Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage bisher weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch über einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Ein Fall des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid blieb vom Inkrafttreten des FrG 1997 unberührt.

War der Beschwerdeführerin aber bisher noch keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich erteilt worden, so können ihr auch keine Rechte aus Art. 7 ARB zukommen, weil es an der Voraussetzung fehlt, dass ihr die Genehmigung erteilt wurde, zu ihrem Vater zu ziehen. Da die Beschwerdeführerin selbst keine türkische Arbeitnehmerin ist, kommt auch ein Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin nach Art. 6 ARB vorliegendenfalls nicht in Betracht.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die Begründung eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet beabsichtigt. Da die Beschwerdeführerin selbst - wie oben ausgeführt - nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG fällt, benötigte sie zu dem von ihr angegebenen Aufenthaltszweck gemäß § 1 Abs. 1 AufG eine Aufenthaltsbewilligung. Daraus wieder folgte, dass ihr aufgrund ihres Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 7 Abs. 7 FrG 1992 ein solcher nach § 7 Abs. 1 FrG nicht erteilt werden durfte und ihr Anbringen zutreffend als Antrag gemäß § 6 AufG gewertet wurde.

Nach dem Vorgesagten ist die Beschwerdeführerin daher durch die Abweisung ihres zutreffend als solchen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gewerteten Antrages weder in ihrem Recht auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 7 Abs. 1 FrG 1992 noch in Rechten nach dem ARB verletzt. Ebenso wenig erfolgte durch den angefochtenen Bescheid eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer deklarativ wirkenden Aufenthaltsberechtigung, weil ihr ein solcher Anspruch nach dem Vorgesagten nicht zustand.

Da mit dem hier angefochtenen Bescheid ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen, nicht jedoch der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung verfügt wurde, liegt auch keine Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführerin auf Unterbleiben der Verfügung des Verlustes einer solchen Bewilligung vor.

Schließlich irrt die Beschwerdeführerin auch, wenn sie die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Frage, ob der Verlust der Aufenthaltsbewilligung ihres Vaters zu verfügen war oder nicht, um eine für das gegenständliche Antragsverfahren präjudizielle Vorfrage im Sinne des § 38 AVG gehandelt habe. Für die Frage, ob einem Fremden eine Bewilligung zum Zweck des Familiennachzuges erteilt werden kann, ist nämlich allein maßgebend, ob der Fremde, zu dem Familiennachzug angestrebt wird, über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1999, Zl. 96/19/2815).

Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der Umstand, dass die Eltern der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides über keine Aufenthaltsbewilligung mehr verfügten, nicht auf die Verfügung des Verlustes ihrer Aufenthaltsbewilligungen mit Bescheiden vom 30. April 1996 zurückzuführen war, zumal diese mit 1. Februar 1996 befristeten Bewilligungen im Zeitpunkt der Erlassung der "ihren Verlust verfügenden" Bescheide bereits abgelaufen waren.

Überdies ist es bedeutungslos, ob der Fremde, zu dem Familiennachzug angestrebt wird, bei rechtsrichtigem Handeln der Behörde über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt hätte. Die Frage, ob der Verlust der Bewilligung des Fremden, zu dem Familiennachzug angestrebt wird, zu Recht oder zu Unrecht verfügt wurde, ist daher unter keinen Umständen eine präjudizielle Vorfrage im Antragsverfahren des den Nachzug anstrebenden Fremden. In diesem Zusammenhang gilt nichts anderes wie zur Präjudizialität der Frage, ob der Antrag des erstgenannten Fremden auf Erteilung einer Bewilligung zu Recht oder zu Unrecht abgewiesen wurde (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 8. Mai 1998, Zlen. 97/19/0132 bis 0134).

Die belangte Behörde war daher berechtigt, unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der den Verlust der den Eltern der Beschwerdeführerin erteilten Aufenthaltsbewilligungen verfügenden Bescheide davon auszugehen, dass die Eltern der Beschwerdeführerin - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - über keine Aufenthaltsbewilligung verfügten. Für eine Unterbrechung des Verfahrens durch die belangte Behörde bestand kein Anlass. Die Rechtmäßigkeit der die Eltern der Beschwerdeführerin betreffenden Bescheide war von der belangten Behörde im Verfahren betreffend die Beschwerdeführerin nicht zu prüfen.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Während die erstinstanzliche Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen hatte, stützte sich die belangte Behörde erstmals auf den Versagungsgrund des § 4 Abs. 3 AufG. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 336, wiedergegebene Rechtsprechung). Einen solchen Vorhalt hat die belangte Behörde vorliegendenfalls unterlassen. Das Sachverhaltsvorbringen in der vorliegenden Beschwerde unterliegt daher nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Es ist auch geeignet, die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels darzulegen.

Die Beschwerdeführerin bringt nämlich vor, ihr Vater sei nach dem ARB (gemeint offenbar: nach dessen Art. 6) im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigt. Zutreffendenfalls stünde dem Vater der Beschwerdeführerin als türkischem Staatsbürger dieses Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig vom Vorliegen einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897). Ein Eingriff in ein solches Recht könnte lediglich durch eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme, etwa durch Verhängung eines Aufenthaltsverbotes (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424), erfolgen. Auch die - im vorliegenden Fall, wie oben dargestellt, ins Leere gegangene - Verfügung des Verlustes einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG führt nicht gleichzeitig zum Verlust eines aus Art. 6 ARB resultierenden Aufenthaltsrechtes.

Hätte sich also der Vater der Beschwerdeführerin nach Ablauf der ihm vom 1. Februar 1994 bis 1. Februar 1996 erteilten Aufenthaltsbewilligung weiterhin aufgrund eines aus Art. 6 ARB abgeleiteten Rechtes bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, so wäre es nicht ausgeschlossen, dass er auch im hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ein Fremder war, der (zunächst) aufgrund einer Bewilligung, und sodann gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG rechtmäßig ohne Bewilligung seit insgesamt mehr als zwei Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatte. Diesfalls stünde der Beschwerdeführerin aber gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu ihrem Vater zu.

In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass bei Zutreffen des Sachvorbringens in der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde das Vorliegen eines Aufenthaltsrechtes des Vaters der Beschwerdeführerin nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB auch dann nicht ausgeschlossen erschiene, wenn man die Auffassung vertreten wollte, eine "ordnungsgemäße Beschäftigung" liege nicht vor, wenn der Fremde die ihm die Beschäftigung ermöglichende Aufenthaltsbewilligung durch Eingehen einer Scheinehe erschlichen hätte. Gerade dies wäre nämlich in Ansehung der dem Vater der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis 1. Februar 1996 erteilten Aufenthaltsbewilligung bei Zutreffen des Tatsachenvorbringens der Beschwerdeführerin nicht der Fall gewesen, weil sich die Nichtigkeit der vom Vater der Beschwerdeführerin seinerzeit eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin diesfalls schon aus den Unterlagen zu jenem Antrag, der zur Erteilung dieser Bewilligung führte, ergeben hätte. Es ist daher keinesfalls von vornherein ausgeschlossen, dass der Vater der Beschwerdeführerin aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltsbewilligung während eines Jahres "ordnungsgemäß" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB beschäftigt gewesen ist und hiedurch ein vom Bestehen einer Aufenthaltsbewilligung unabhängiges Recht zum (weiteren) Aufenthalt im Bundesgebiet nach dieser Bestimmung des ARB erworben hat.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes können Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, wiedergegebene Judikatur). Gemäß § 24 Abs. 1 VwGG wäre die Einbringung der Beschwerdeergänzung in zweifacher Ausfertigung ausreichend gewesen.

Wien, am 10. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190774.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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