TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/22 W159 2149489-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W159 2149489-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Ghana, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 68 AVG, §§ 10, 57 AsylG 2005 idgF und 9 BFA-VG idgF sowie §§ 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Ghana, stellte mit 19.07.2015 nach illegaler Einreise einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte dazu zusammengefasst vor, dass er Christ sei, aber seine Familie gewollt habe, dass er die Nachfolge als Voodoo Priester antrete. Seine nach traditionellem Ritus mit ihm verehelichte Frau sei nach 12 Monaten Schwangerschaft gestorben. Die Familie seiner Frau habe ihn beschuldigt, sie durch Voodoo Zauber getötet zu haben. Eine allfällige Homo- oder Bisexualität wurde in diesem Vorbringen nicht einmal ansatzweise erwähnt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2017, XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ghana abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Ghana zulässig sei sowie unter Spruchteil IV. keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und unter Spruchteil V. einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Begründung des Bescheides wurde ausgiebig dargelegt, dass die Fluchtgründe unglaubwürdig wären.

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den einzelnen Spruchpunkten. Der Status des Asylberechtigten könne nicht zuerkannt werden, weil ein asylrelevantes Fluchtvorbringen nicht glaubhaft gemacht worden sei. Auch eine refoulementrelevante Gefährdung bestehe nicht. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK und für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz lägen nicht vor, weshalb eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise sei nicht zu gewähren, weil wegen des Vorliegens eines sicheren Herkunftsstaates der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen sei.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2017, Zl. XXXX gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005, §§ 57, 55 FPG und §§ 9, 18 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Mit Zustellung mit 28.08.2017 erwuchs diese Entscheidung und damit auch der Bescheid des Bundesamtes in Rechtskraft.

Am 04.07.2018 stellt der Beschwerdeführer einen (zweiten), den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am gleichen Tag von der XXXX einer Erstbefragung unterzogen. Zu den Fluchtgründen gab er an, dass sein Name als Organisator einer homosexuellen Organisation in seinem Dorf genannt worden sei. Er habe bisher diesen Grund nicht genannt, weil dies nicht der Grund gewesen sei, warum er Ghana verlassen habe. Im Oktober 2017 habe ihm ein Freund am Telefon mitgeteilt, dass er vom Dorf und von der Polizei gesucht werde. Ein deutscher Missionar, dessen Namen er in der Folge nannte, sei verdächtigt worden, einen 13 jährigen muslimischen Buben vergewaltigt zu haben. Das Opfer habe angegeben, dass er von einer homosexuellen Organisation zum Missionar gebracht worden zu sein und seien in der Folge Mitglieder dieser Organisation verhaftet worden. Einer der Verhafteten habe auch seinen Namen erwähnt.

Der Beschwerdeführer legte eine Vollmacht an Rechtsanwalt XXXX sowie ein Schreiben der Organisation XXXX vor.

Nachdem eine für 17.07.2018 anberaumte Einvernahme durch die Erstaufnahmestelle Ost des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen Übelkeit des Beschwerdeführers abgebrochen werden musste, wurde diese am 29.08.2018 durchgeführt. Er sei gesund und seien die Angaben zu seinem ersten Asylantrag vollständig, richtig und wahrheitsgetreu. Dokumente habe er keine und könne auch keine besorgen. Er verkaufe Zeitungen und lebe im XXXX und habe einen A1 Deutschkurs gemacht. Er sei Mitglied des VereinsXXXX. Seit ungefähr 2015 habe er keinen Kontakt mehr mit seiner Familie. In Ghana habe er nur einen Freund. Er habe auf der Flucht in Griechenland alle Adressen verloren und in Österreich habe er auch keine Verwandten. Er lebe auch mit niemanden in einer Lebensgemeinschaft. Er sei seit 19.07.2015 in Österreich durchgehend aufhältig. Ghana habe er 2014 verlassen. Im letzten Asylverfahren habe er angegeben, dass seine Familie gewollt habe, dass er Voodoo Priester werde, er dies aber nicht gewollt habe. Seine Frau sei schwanger geworden und seine Familie habe sie umgebracht. In der Zwischenzeit sei ein Problem in Ghana aufgetaucht, ein Freund habe ihn angerufen und gesagt, dass die Polizei nach ihm suche, weil er Organisator einer homosexuellen Vereinigung sei. Ein deutscher Missionar habe einen 13 jährigen muslimischen Jugendlichen vergewaltigt. Das Opfer habe angegeben, dass ein Mann ihm zu diesem Missionar gebracht habe. Dieser Mann sei von der Polizei verhört worden und habe seinen Namen genannt. Er sei seit 2011 Mitglied dieser homosexuellen Organisation, diese sei geheim, sie habe keinen Namen. Gefragt, warum er das bisher nicht angegeben habe, gab er an, dass er davon ausgegangen sei, dass dies Privatsache sei. Nach langen Überlegen gab er an, dass diese Organisation sieben oder acht Mitglieder habe. Es sei keine richtige Organisation, vielmehr ein Zusammentreffen von Homosexuellen. Der Missionar habe Homosexuelle untereinander vorgestellt. Er sei seit 2011 homosexuell. Über Vorhalt, dass er traditionell mit einer Frau verheiratet gewesen sei, gab er an, dass er bisexuell sei und nicht verheiratet gewesen sei. Dieser Vorfall habe sich am 15.10.2017 ereignet. Sein Freund habe ihm noch im Oktober 2017 davon erzählt. Die Polizei habe alle Mitglieder dieser Organisation wissen wollen. Der Missionar sei davongelaufen, wo sein Freund sei, wisse er auch nicht. Er sei in Ghana aufgrund der "homosexuellen Sache" gefährdet. Die Polizei würde ihm bei einer Rückkehr verhaften, denn Homosexualität sei in Ghana verboten, auch in anderen Landesteilen von Ghana könne er nicht leben.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Woche schriftlich zu den vorgehaltenen Länderinformationen Stellung zu nehmen. Sein ausgewiesener Vertreter stellte lediglich einen Antrag auf Fristerstreckung.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 26.09.2018, XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 07.04.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, unter Spruchteil II. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Ghana zulässig sei, unter Spruchteil III. festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und unter Spruchteil IV. ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegeben Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Ghana getroffen. Beweiswürdigend wurden die vorgebrachten Asylgründe zum ersten und zweiten Asylantrag dargestellt und ausgeführt, dass die Angaben zu seinem zweiten Asylantrag vage und keineswegs genügend substantiiert gewesen sei und dass der Antragsteller auf konkrete Fragen des Bundesamtes nur ausweichende Antworten gegeben habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller seine Homo- oder Bisexualität im ersten Verfahren verschwiegen habe, zumal Homosexualität auch vor der ersten Antragstellung in Ghana verboten gewesen sei. Die neu vorgebrachten Gründe würden daher keinen glaubhaften Kern aufweisen. Es sei daher nicht geeignet eine inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken, sodass eine entschiedene Sache vorliege. Zu Spruchpunkt I. wurde insbesondere ausgeführt, dass weder hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung zu dem bereits rechtkräftig entschiedenen Asylantrag sich ergeben habe, weswegen die Behörde zur Zurückweisung verpflichtet gewesen sei. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass kein Familienleben in Österreich vorliege, dass der Antragsteller keinen anderen als auf das Asylrecht begründeten Aufenthaltstitel besessen habe, er sei illegal eingereist und es sei keine Aufenthaltsverfestigung in Österreich unter gleichzeitigen Entfremdung vom Heimatsland zu konstatieren. Außerdem sei der Antragsteller nicht selbsterhaltungsfähig. In einer Gesamtabwägung der Interessen sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Da sich im vorliegenden Fall auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben habe und auch keine Empfehlung zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einer Abschiebung nach Ghana entgegenstehe, sei eine solche aus zulässig zu bezeichnen. Im Falle einer zurückweisenden Entscheidung nach § 68 AVG bestehe keine Frist zu freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt III.).

Spruchpunkt IV. wurde insbesondere damit begründet, dass der Antragsteller seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und humanitäre Gründe, die gegen die Verhängung eines Einreiseverbotes sprechen würden, nicht vorhanden wären. Der unrechtmäßige Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen würde nachhaltig das Sicherheitsgefühl der Wohnbevölkerung beeinflussen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragstelle durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde. Darin wurde (gerafft) der Sachverhalt wiedergegeben und ausgeführt, dass es sich im Erstverfahren noch nicht derart öffnen habe können, um über seine Homosexualität sprechen zu können. Ein späteres "Outen" könne nicht als Beleg einer Unglaubwürdigkeit angesehen werden. Es hätte bereits aus seiner Mitgliedschaft bei der Organisation XXXX auf eine Veranlagung geschlossen werden können und hätte die Behörde auch einen informierten Vertreter dieser Organisation einvernehmen können. Weiters habe es die Behörde übersehen, dass er keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen habe und in Ghana ohne finanzielle Rücklagen und Familienstruktur auf der Straße stehen würde. Es hätte ihm daher jedenfalls subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen. Hinsichtlich des Sicherheitsgefühls der österreichischen Bevölkerung wurde ausgeführt, dass sich dieses nach den Erhebungen des Statistik Austria nachhaltig gebessert habe. Die Behörde habe daher auch kein Einreiseverbot erlassen dürfen und wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

"Sache" des Berufungsverfahrens ist regelmäßig die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat, soweit dieser angefochten wurde (VwSlg 7548A/1969, VfSlg 7240/1973, VwGH vom 8.10.1996, 94/04/0248; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1265 mwH).

Im vorliegenden Fall ist Sache des Berufungsverfahrens somit die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des (zweiten) Asylantrages wegen entschiedener Sache. Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder - im Falle des Vorliegens entschiedener Sache - das Rechtsmittel abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg 2066A/1951, VwGH vom 30.5.1995, 93/08/0207; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8.9.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (VwGH 23.5.1995, 94/04/0081).

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, und andere). Identität der Sache liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169).

Der Begriff Identität der Sache muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden. Dies bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH vom 30.01.1995, 94/10/0162 ua). Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 07.12.1988, 86/01/0164). Die Beantwortung der Frage, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgeblich gewesene Sachlage derart geändert hat, dass die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt, setzt voraus, dass der bestehende Sachverhalt an der diesen Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsanschauung und ihrem normativen Hintergrund gemessen wird, und zwar nach derselben Methode, mit der er im Falle einer neuen Sachentscheidung an der Norm selbst zu messen wäre (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, fünfte Auflage, E 19 b zu § 68 AVG).

Darüber hinaus musste die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH vom 21.10.1999, 98/20/0467, VwGH vom 22.11.2002, 2002/20/0315, VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391 und viele andere mehr).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Homo- oder Bisexualität und die damit im Zusammenhang stehenden Umstände fehlt es jedoch - wie die belangte Behörde nachvollziehbar dargelegt hat - an einem "glaubhaften Kern", sodass schon deswegen keine neue Sachentscheidung möglich war. Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer teilweise auf Sachverhaltselemente bezogen, die bereits vor Erlassung des rechtskräftigen Erstbescheides vorgelegen sind, aber von diesem - ohne entsprechenden nachvollziehbaren Grund - nicht geltend gemacht wurden (siehe auch Asylgerichtshof vom 04.04.2013 E8304.394-2/2013).

Aber auch aus der allgemeinen Situation ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass sich diese in relevanter Weise verändert hätten. Das Bundesamt hat dem Beschwerdeführer die Möglichkeit innerhalb einer Woche eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen zu Ghana abzugeben, eingeräumt, der Beschwerdeführervertreter hat darauf nur mit einem Antrag auf Fristerstreckung reagiert.

Irgendwelche aktuellen organischen oder psychischen Erkrankungen hat der Beschwerdeführer verneint und hat er auch keinerlei gegenteilige Befunde vorgelegt.

Vielmehr ist beim Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Ghana auf Grund der Aufnahme in den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten nach § 19 BFA-VG davon auszugehen, dass es (in der Regel) zu keiner staatlichen Verfolgung kommt, dass bei privater Verfolgung Rechtsschutz gewährt werde und die Menschenrechte eingehalten werden.

Insgesamt betrachtet liegt daher weder in Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, noch in Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein neu entstandener, relevanter Sachverhalt vor, weswegen das BFA auch keine neue Sachentscheidung treffen durfte, sondern es zutreffend den gegenständlichen Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie das Bundesamt zutreffend festgestellt hat, liegen beim Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen eines Familienlebens in Österreich vor.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

In diesem Zusammenhang ist auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wo trotz längerem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichtes die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde:

VwGH 25.03.2010, Zl. 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit beziehungsweise Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.3.2010, Zl. 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.2.2010, Zl. 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, Zl. 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 13.04.2010, Zl. 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied), VwGH 17.05.2017, Zl. Ra 2017/22/0059 (mehr als achtjährige Aufenthaltsdauer; Tätigkeit als Zeitungsverteiler, Gewerbeberechtigung, Sozialversicherung und Einstellungszusage für Vollbeschäftigung als "Pizzafahrer"; Freundschaften zu Österreichern im Bundesgebiet), VwGH 30.6.2016, Zl. Ra 2016/21/0076 (knapp sechsjähriger Aufenthalt, legale Beschäftigung seit 2012, gute Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit), VwGH 15.03.2018, Zl. Ra 2018/21/0034 (achtjähriger Aufenthalt, Tätigkeit in einem Massagesalon, Selbsterhaltungsfähigkeit).

Auch sein Privatleben ist relativ schwach ausgeprägt: Der Beschwerdeführer ist in Grundversorgung und lebt in einem Grundversorgungsquartier ("Lager"), er ist nicht selbsterhaltungsfähig, mag er auch Zeitungen verkaufen, er hat angeblich eine Internetbekanntschaft und ist Mitglied bei dem XXXX, konnte aber keinerlei Deutschdiplome oder sonstige Nachweise über eine aktuelle Ausbildung vorlegen. Es kann somit insgesamt nicht von einer besonders guten Integration gesprochen werden.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht.

Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.04.2010, 2009/21/0055).

Weiters handelt es sich bei dem Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen und arbeitswilligen Mann.

Dem BFA kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es ausführt, dass im gegenständlichen Folgeantrag keine neuen Umstände hervorgetreten sind, die auf eine besondere soziale Verfestigung und Integration schließen ließen.

Dass keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren war, ergibt sich im vorliegenden Fall eindeutig aus § 55 Absatz 1 a FPG.

Zu Spruchpunkt IV.:

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, ist dies insbesondere dann anzunehmen, wenn Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1.000,-- Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. dem Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zu Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keinen dieser Tatbestände erfüllt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL, siehe auch jüngst VwGH vom 20.09.2018, Ra 2018/20/0349-12) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 8 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 9 FrPolG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 9 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

§ 53 Abs. 2 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar (siehe auch BVwG vom 05.10.2018, Zl. L508 2202002-2/10E).

Die angefochtene Entscheidung wird damit begründet, dass der Beschwerdeführer sich entgegen der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung, das Bundesgebiet bzw. das Schengengebiet zu verlassen, weiter in Österreich aufgehalten hat.

Soweit das BFA auf den illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers und den Umstand abstellt, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen ist, ist ihm zudem entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-Richtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 16.11.2012, 2012/21/0080).

Der Beschwerdeführer ist im Übrigen unbescholten und zeigt im Übrigen seine Arbeitswilligkeit durch den Verkauf einer Straßenzeitung.

Der Schluss der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, kann im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse nicht ausreichend nachvollzogen werden.

Da sich sohin das Einreiseverbot als unrechtmäßig erweist, war Spruchpunkt VII. des bekämpften Bescheides ersatzlos zu beheben.

Zum Absehen der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Zudem sind die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 28.05.2014, 2014/20/0017 und 0018; 22.11.2006, 2005/20/0406 u.v.a.).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in jüngster Zeit ausgesprochen, dass bei Entscheidungen nach § 68 eine eingeschränkte Verhandlungspflicht vorliegt (VwGH vom 18.10.2017 Ra 2017/19/0226, jüngst VwGH vom 05.04.2018, Ra 2018/19/0082-0086).

Das BFA hat sich sohin ausreichend und abschließend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die Ermittlung des Sachverhaltes durch das BFA war demnach nicht zu beanstanden.

Der maßgebliche Sachverhalt war demnach aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte.

Zu B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Einreiseverbot, entschiedene Sache, ersatzlose Behebung,
Folgeantrag, Homosexualität, illegaler Aufenthalt,
Interessenabwägung, non refoulement, öffentliches Interesse,
Rückkehrentscheidung, sicherer Herkunftsstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W159.2149489.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten