TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/23 W220 2015916-1

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W220 2015916-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2014, Zl. 221549102-140139764, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I., soweit damit über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abgesprochen wurde, behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer hat nach unrechtmäßiger Einreise ins österreichische Bundesgebiet am 19.02.2001 unter der Identität XXXX , StA Indien, einen Asylantrag gestellt.

1.2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 14.08.2001, AZ. 01 03.268-BAW, den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig (Spruchpunkt II).

1.3. Die gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.01.2002, Zl. 223.794/0-IV/29/01, abgewiesen.

1.4. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12.09.2002, Zl. 2002/20/0149, ab.

2.1. Mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 13.09.2002, Zl. III-1068733/FrB/02, wurde der Beschwerdeführer gem. § 33 Abs. 1 Fremdengesetz ausgewiesen und ausgesprochen, dass er das Bundesgebiet gem. § 40 Abs. 1 Fremdengesetz sofort nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides zu verlassen habe.

2.2. Der gegen diesen Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 25.11.2002, Zl. SD 949/02, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

3.1. Mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 14.02.2003, Zl. III-1068733/FrB/03, wurde gegen den Beschwerdeführer gem. § 61 Abs. 1 des Fremdengesetzes iVM § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge ab dem 18.05.2003 in der Schubhaft angehalten.

3.2. Mit Straferkenntnis vom 20.05.2003, Zl. III-1068733/FrB/03, wurde über den Beschwerdeführer wegen §§ 40 iVm 107 Abs. 1 Z 1 FrG eine Geldstrafe von EUR 120,- verhängt.

4.1. Der Beschwerdeführer stellte am 20.05.2003 einen zweiten Asylantrag.

4.2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 12.06.2003, AZ. 03 14.536-BAW, den zweiten Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

4.3. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung (vgl. dazu Punkt 9.).

5. Der Beschwerdeführer wurde am 12.08.2003 aus der Schubhaft entlassen.

6.1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.05.2004 bei der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, unter Berufung auf eine mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangene Ehe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger (§ 49 Abs. 1 FrG).

Unter einem wurde die - nicht vollständige - Kopie eines auf den Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX , geb. am XXXX , von der indischen Botschaft in Wien ausgestellten Reisepasses, Nr. XXXX mit einer Gültigkeit vom 02.09.2003 bis 01.09.2004, beigebracht.

Zudem wurde die Kopie einer Heiratsurkunde vom 06.04.2004 über die Heirat des Beschwerdeführers (unter der dem Reisepass entsprechenden Identität) mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie ein Konvolut von Dokumenten beigebracht.

6.2. In weiterer Folge wurde der unter Punkt 6.1. genannte Antrag zuständigkeitshalber gem. § 81 NAG an das Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, weitergeleitet.

6.3. Der unter Punkt 6.1. genannte Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16.11.2006, Zl. MA35-9/2753491-01-7, gem. § 1 Abs. 2 Z 1 NAG abgewiesen.

6.4. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 08.05.2007, GZ 148.470/2-III/4/06, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 1 Abs. 2 Z 1 NAG abgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass aufgrund des anhängigen Asyl-Berufungsverfahrens (Anm.: vgl. Punkt 4. samt Unterpunkten) der Beschwerdeführer eine asylrechtliche, vorläufige Aufenthaltsberechtigung habe und angesichts dessen das NAG nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z 1 leg. cit. nicht anwendbar sei.

6.5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 06.09.2007, Zl. 2007/18/0445, als unbegründet abgewiesen.

7. Eingehend am 27.05.2004 wurde eine Reisepasskopie des Beschwerdeführers mit einer Verlängerung der Gültigkeit des Reisepasses bis 01.09.2006 vorgelegt.

8.1. Mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 23.06.2006, Zl. III-1068733/FrB/06, wurde gegen den Beschwerdeführer gem. § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 9 FPG und gem. § 63 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltsehe eingegangen sei.

8.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde (vgl. dazu Punkt 10.).

9.1. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 01.09.2008, Zl. C7 223794-14/2008, wurde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 12.06.2003 (vgl. Punkt 4. samt Unterpunkten) gem. § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

9.2. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 07.11.2008, Zl U414/08, abgelehnt und der Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

10.1. Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15.05.2009, Zl. SD 866/06, wurde der Berufung gegen den Bescheid vom 23.06.2006 (vgl. Punkt 8.1.) keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass gegen den Beschwerdeführer gem. § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde.

10.2. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (vgl. dazu Punkt 13.).

11. Der Beschwerdeführer wurde am 21.01.2010 wegen unbefugten Aufenthalts gem. § 120 FPG angezeigt.

12.1. Am 16.06.2011 stellte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots und begründete dies damit, dass er in Deutschland aufgrund der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen Aufenthaltstitel zuerkannt bekommen hätte. Übermittelt wurde in Kopie eine "Aufenthaltskarte Bundesrepublik Deutschland", ausgestellt am XXXX von der Stadtverwaltung XXXX , lautend auf den Namen XXXX , geb. am XXXX , mit einer Gültigkeit bis 12.07.2014.

12.2. Dieser Antrag wurde von der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, mit Bescheid vom 20.03.2012, Zl. III-1068733/FrB/12, abgewiesen. Die Behörde ging dabei davon aus, dass der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Ehe, bezüglich derer von einer Scheinehe auszugehen sei, nachdem gegen ihn deshalb ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen wurde, die deutschen Behörden unter Vortäuschung einer aufrechten Ehe zur Erteilung eines Aufenthaltstitels verleitet habe.

13. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 13.09.2012, Zl 2011/23/0427-1, die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15.05.2009 (vgl. Punkt 10.) als unbegründet ab.

14.1. Am 07.11.2012 wurde beim Beschwerdeführer ein indischer Reisepass, Nr. XXXX , ausgestellt von der indischen Botschaft in Wien und gültig von 02.09.2003 bis 01.09.2003, sichergestellt. Aus dem vollständigen Reisepass ergibt sich u.a.:

Die Gültigkeitsdauer wurde verlängert bis 01.09.2006, dann bis 01.09.2007 und schließlich bis 01.09.2013.

Der Reisepass enthält mehrere Ein- und Ausreisestempel, etwa:

XXXX : Immigration Rajasansi Airport Amritsar

XXXX : Bratislava

XXXX : Immigration India Departed IGI Airport New Delhi

XXXX : Immigration India Arrived IGI Airport Delhi

XXXX : Immigration India Departed IGI Airport New Delhi

XXXX : Immigration India Arrived

XXXX : Bureau of Immigration Departure Airport New Delhi.

Zudem findet sich eine Quittung der indischen Botschaft in Rom über den Erhalt von EUR 63,-.

14.2. Am gleichen Tag wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt. In der diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellung des LKA Wien, GZ E1/397601/2012, wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer auf Befragung zu der "Scheinehe" sinngemäß angegeben habe, dass er und seine Frau, nachdem er in Österreich keinen Aufenthaltstitel bekommen habe (wegen Scheinehe), sich in Deutschland angemeldet hätten - aufgrund dessen habe er in Deutschland die deutsche Aufenthaltskarte bekommen. Kurz nach Erhalt der Aufenthaltskarte hätten sie sich scheiden lassen.

15.1. Am 25.02.2013 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Rückkehrverbots.

15.2. Nach Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2014, wonach nach der geänderten Gesetzeslage das Aufenthaltsverbot (vgl. Punkt 8.1) bis 15.06.2014 gültig gewesen sei und die Ausschreibung bereits gelöscht worden sei, zog der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots zurück.

16.1. Der Beschwerdeführer wurde am 05.11.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

16.2. In einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 05.11.2014 wurde mitgeteilt, dass zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und iVm einem Einreiseverbot eine Beweisaufnahme stattgefunden hätte und wurde der Beschwerdeführer zur Stellungnahme aufgefordert.

16.3. Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.11.2014 Stellung.

16.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2014, Zl. 221549102-140139764, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.).

16.5. Gegen diesen am 21.11.2014 an den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde am 05.12.2014 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde erhoben.

17. Am 20.11.2014 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Dabei gab er im Formular u.a. einen gültigen Reisepass, Nr. XXXX , ausgestellt am 29.11.2012 in Rom und gültig bis 28.11.2022, an.

18.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 02.10.2018 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.

Verlesen und erörtert wurden die beigeschafften Berichte zur Situation in Indien

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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien; Aktualität überprüft am 21.12.2017,

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Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin zu Indien vom 27.10.2017.

18.2. Am 10.10.2018 langte eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX .

Bei der ersten Asylantragstellung trat der Beschwerdeführer unter dem Namen " XXXX " auf, den übrigen Teil des Namens verschwieg er. Der tatsächliche Name des Beschwerdeführers wurde erst später aufgeklärt.

1.2. Der Beschwerdeführer lebt seit Februar 2001 überwiegend im österreichischen Bundesgebiet.

1.3. Der Beschwerdeführer stellte einen unberechtigten Asylantrag und einen unberechtigten Folgeantrag.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr keine Gefährdung und Verfolgung seiner Person zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft noch wurde er dort jemals erkennungsdienstlich behandelt. Er hatte nie Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates.

1.4. Der Beschwerdeführer ging im April 2004 mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltsehe ein.

Die Aufenthaltsehe kam durch Vermittlung heiratswilliger österreichischer Staatsbürgerinnen gegen Geldleistung (Einmalbetrag und fortlaufende Zahlungen) zustande. Der Beschwerdeführer führte mit der österreichischen Staatsbürgerin, die er ehelichte, kein gemeinsames Familienleben, sondern bezweckte mit dem Eingehen dieser Aufenthaltsehe allein, eine Aufenthaltsberechtigung sowie den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen.

1.5. Auf Basis der Eigenschaft als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin fiel der Beschwerdeführer nicht in den Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und benötigte keine dort vorgesehene Berechtigung für die Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer ist seit Mai 2004 durchgehend in Österreich erwerbstätig. Der Beschwerdeführer war vom Mai 2004 bis zum Oktober 2004 in einem Restaurant tätig, danach bis Ende November 2004 als Arbeiter. Seit Dezember 2004 arbeitet der Beschwerdeführer in einem Restaurant, er ist dort als Koch beschäftigt. Der Beschwerdeführer verdient durch diese Erwerbstätigkeit derzeit durchschnittlich 1.285,- EUR netto und ist selbsterhaltungsfähig.

1.6. Nachdem österreichische Behörden die Ehe des Beschwerdeführers zutreffend als Aufenthaltsehe qualifizierten, meldeten sich die Eheleute in Deutschland, ohne tatsächlich dort zu leben. In weiterer Folge begaben sie sich für einige Tage nach Deutschland. Der Beschwerdeführer erhielt auf Basis dieses Vorgehens im Juli 2009 eine "Aufenthaltskarte Bundesrepublik Deutschland".

Die Ehe wurde daraufhin im Dezember 2009 geschieden.

1.7. Der Beschwerdeführer war seit September 2003 im Besitz eines indischen Reisepasses (Nr. XXXX ), der ihm von der indischen Botschaft in Wien ausgestellt wurde. Die Gültigkeitsdauer dieses Reisepasses wurde mehrmals, zuletzt bis 01.09.2013, verlängert.

Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Antragstellung auf Niederlassungsbewilligung aufgrund der eingegangenen (Aufenthalts-)Ehe Kopien dieses Reisepasses bei. Dieser Reisepass wurde am 07.11.2011 beim Beschwerdeführer sichergestellt.

Der Beschwerdeführer besitzt auch derzeit einen gültigen Reisepass, Nr XXXX , ausgestellt am 29.11.2012 in Rom und gültig bis 28.11.2022.

1.8. Der Beschwerdeführer reiste in den Jahren 2010, 2011 und 2012 für mehrwöchige Zeiträume nach Indien und kehrte jeweils wieder nach Österreich zurück.

1.9. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben in Indien. Der Beschwerdeführer hat auch aktuell noch regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern. Die Familienmitglieder leben zum Teil noch am Heimatort, die verheirateten Schwestern des Beschwerdeführers sind weggezogen.

Der Beschwerdeführer spricht muttersprachlich Punjabi.

1.10. Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und wohnt allein in einer Mietwohnung.

Der Beschwerdeführer kann mit seinem Einkommen ausreichend für sein Auskommen sorgen, er ist selbsterhaltungsfähig.

In seiner Freizeit besucht der Beschwerdeführer regelmäßig den Sikh-Tempel mit seinen Freunden, mit denen er auch arbeitet. Der Beschwerdeführer hat in Österreich überwiegend Kontakt mit indischen Landsleuten und pflegt mit diesen freundschaftliche Kontakte. Er trifft sich auch mit Österreichern, mit denen er in der Vergangenheit zusammenarbeitete.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich kein Familienleben.

1.11. Der Beschwerdeführer hat Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau B.1. und kann sich in deutscher Sprache über Alltägliches auf einfachem Niveau verständigen.

1.12. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

1.13. Der unter Punkt I.1 dargestellte Verfahrensgang wird der Entscheidung als Feststellung zugrunde gelegt.

2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

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BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

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Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

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http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

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3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

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3.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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