Entscheidungsdatum
23.10.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W153 2197563-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2018, Zl. 1179141207-180057414, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG
stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Afghanistan, brachte am 17.01.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
Nach Einsicht in die Visa-Datenbank konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Besitz eines vom 30.12.2017 bis zum 07.01.2018 gültigen Visums für Litauen ist.
Bei der Erstbefragung am 17.01.2018 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zur Reiseroute an, am 05.01.2018 von Tadschikistan mit dem Flugzeug in die Türkei geflogen zu sein. Dann sei sie über unbekannte Länder ca. 10 Tage nach Österreich gelangt. Sie habe nur von 2008 bis 2011 in Afghanistan gelebt. Den Rest ihres Lebens habe sie in Tadschikistan verbracht. In Österreich lebe ihr Ehemann.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 24.01.2018 ein die Beschwerdeführerin betreffendes Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) an Litauen und Litauen stimmte mit Schreiben vom 27.03.2018 zu, die Beschwerdeführerin auf dieser Grundlage zu übernehmen.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2018 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, nicht nach Litauen überstellt werden zu wollen. Sie sei zwar in Tadschikistan geboren worden, sei aber afghanische Staatsbürgerin. Außerdem sei sie im 4. Monat schwanger.
Mit Bescheid vom 17.05.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO Litauen zuständig sei. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde in Spruchpunkt II. gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Litauen zulässig.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde eingebracht.
Laut Mitteilung des BFA wurde die Beschwerdeführerin während der Überstellungsfrist nicht nach Litauen überstellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige aus Tadschikistan und stellte am 17.01.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Für sie wurde ein vom 30.12.2017 bis zum 07.01.2018 gültiges Visum für Litauen ausgestellt.
Das BFA richtete am 24.01.2018 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO an Litauen. Litauen stimmte mit Schreiben vom 27.03.2018 zu, die Beschwerdeführerin auf Grundlage von Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO zu übernehmen.
Die Beschwerdeführerin wurde innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist nicht nach Litauen überstellt.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des BFA.
Der Ablauf der Überstellungsfrist ergibt sich aus der Aktenlage u.a. aus der Mitteilung des BFA vom 28.09.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Die maßgebliche Bestimmung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lautet:
"§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Rates (Dublin III-VO) laute1:
"Art 29 Modalitäten und Fristen
(1) ...
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedsstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten überstellt. Die Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO begann am 28.03.2018 zu laufen und endete demnach mit Ablauf des 28.09.2018. Eine Verlängerung der Überstellungsfrist wegen Inhaftierung oder wegen unbekannten Aufenthalts ist nicht erfolgt.
Da die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Überstellungsfrist nach Litauen überstellt wurde, ist die Zuständigkeit zur Führung des gegenständlichen Verfahrens mit Ablauf dieses Datums auf Österreich übergegangen.
Der bekämpfte Bescheid ist daher zu beheben und das Verfahren in Österreich zuzulassen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W153.2197563.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.01.2019