Entscheidungsdatum
23.10.2018Norm
BBG §40Spruch
W141 2202536-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 09.07.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41, § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers hat am 23.02.2018 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.05.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 20 vH bewertet wurde.
1.3. Auf Grund der im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs erhobenen Einwendungen und nachgereichten medizinischen Unterlagen wurde durch die belangte Behörde eine weitere - auf der Aktenlage basierende - medizinische Stellungnahme desselben Facharztes für Orthopädie mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 20 vH einzuschätzen sei.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH festgestellt.
Beweiswürdigend wurde dem Bescheid das fachärztliche Sachverständigengutachten beigelegt. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
3. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.
Ohne Vorlage weiterer Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass eine nachvollziehbare Begründung für die Herabsetzung des Grades der Behinderung fehle und sich weder das Sachverständigengutachten noch die ergänzende Stellungnahme in ausreichender und nachvollziehbarer Weise mit den vorgelegten Befunden befasse.
Der Beschwerdeführer leide unter multiplen hereditären Exostosen, welche entgegen der Ausführungen im Sachverständigengutachten zu massiven Funktionseinschränkungen führen würden. Aufgrund der Exostose im Oberschenkel leide der Beschwerdeführer weiters unter einer Gehbehinderung und könne sich nur unter Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken langsam fortbewegen. Das rechte Bein könne nur teilweise belastet werden und bestehe infolgedessen bereits eine deutliche Muskelverschmächtigung. Zudem gehe die Erkrankung mit starken Schmerzen einher und wären regelmäßige Krankenhausaufenthalte vonnöten. Eine Arbeitsfähigkeit wäre unter diesen Umständen nicht gegeben.
Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers führte weiters an, dass die Exostosen zum Teil inoperabel wären, da diese an ungünstiger Stelle liegen würden, weshalb mindestens ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt hätte werden müssen.
Im Sachverständigengutachten wäre darüber hinaus nicht berücksichtig worden, dass der Beschwerdeführer an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Beinverkürzung sowie einer Fibulapseudoarthrose leide. Diese Leiden würden den Bewegungsapparat betreffen und hätte deshalb der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe erhöht werden müssen.
Ebenso leide der Beschwerdeführer infolge der psychischen Belastung durch die körperlichen Einschränkungen unter einer Depression, welche durch den vorgelegten Befund nachgewiesen worden wäre und ebenfalls einer Einstufung bedurft hätte.
4. Mit Schreiben vom 01.10.2018 teilte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit, dass er den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 23.02.2018 zurückziehe. Es werde um ersatzlose Behebung des Bescheides vom 09.07.2018 ersucht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 23.02.2018 durch seinen bevollmächtigten Vertreter einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 09.07.2018,
OB: XXXX , ab.
Dagegen erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers am 27.07.2018 fristgerecht Beschwerde.
Mit Schreiben vom 01.10.2018 zog der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter den Antrag vom 23.02.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses zurück.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt. Aus dem Wortlaut und dem Inhalt der schriftlichen Erklärung des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers vom 01.10.2018 ergibt sich für das erkennende Gericht unzweifelhaft, dass es der klare Wille des Beschwerdeführers ist, seinen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zurückzuziehen.
Das Schreiben vom 01.10.2018 ist eindeutig formuliert und lässt kein Zweifel am Willen des Beschwerdeführers, seinen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zurückziehen zu wollen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.
Zu A)
Nach § 13 Abs. 7 AVG, der auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuwenden ist, können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
Im gegenständlichen Fall einer noch offenen (fristgerecht eingebrachten) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schreiben vom 01.10.2018 seinen ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrag, das ist der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 23.02.2018, zurückgezogen. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Schreiben seinen Parteienwillen klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Bei der Beurteilung eines Parteienanbringens ist grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend, und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, Zl. 2008/07/0060).
Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 23.01.2014, Zl. 2013/07/0235, ausgeführt hat, bewirkt - wenn der verfahrenseinleitende Antrag im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht eine wesentliche Änderung erfährt und der Antragsteller damit eindeutig zu erkennen gibt, dass er seinen ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrag nicht mehr aufrechterhält - die (konkludente) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist somit gehalten, den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. VwGH E 19. 11. 2014, Ra 2014/22/0016; E 23.01.2014, 2013/07/0235).
Der vom Beschwerdeführer bekämpfte Bescheid war somit spruchgemäß in Erledigung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und liegt ein Fall des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG vor, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Eine mündliche Verhandlung konnte daher entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat oben einerseits ausgeführt, dass die Zurückziehung der Beschwerde unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des VwGH zur Zurückziehung der Berufung zulässig ist und dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes andererseits nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes in Beschlussform zu ergehen hat. Insoweit trifft das Gesetz selbst eine klare Anordnung, sodass diesbezüglich eine Rechtsfrage nicht offen und die Revision daher unzulässig ist (VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Antragszurückziehung, ersatzlose BehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W141.2202536.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019