Entscheidungsdatum
23.10.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W141 2202456-1/ 3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , VN XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 23.04.2018, OB:
XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), in Verbindung mit dem Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 19.07.2018, OB: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am 15.03.2018 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 50 vH eingetragen.
2. Am 15.03.2018 hat der Beschwerdeführer unter Vorlage diverser Unterlagen einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.
3. Mit Bescheid vom 23.04.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
Dem Bescheid war das allgemeinärztliche Sachverständigengutachten beigelegt.
4. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage weiterer Befunde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer an einer Amputation des rechten Unterschenkels leide und durch die Diabeteserkrankung die Narbe am Stumpf noch immer nicht ausreichend verheilt sei, um eine passende Prothese anzupassen.
Er sitze daher im Rollstuhl und sei daher nicht in der Lage mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
4.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 16.07.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Rahmen der rechtzeitig ergangenen Beschwerdevorentscheidung, die am 07.06.2018 eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.04.2018 betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41, § 42 und § 46 BBG iVm § 14 und § 15 VwGVG abgewiesen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG zitierend wird begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde zur Prüfung der gegen den Bescheid vom 23.04.2018 rechtzeitig eingebrachten Beschwerde ein ärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers eingeholt habe, welches im Ergebnis ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.
5.1. Mit Schreiben vom 30.07.2018 hat der Beschwerdeführer rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt und vorgebracht, dass das Gutachten nicht der Richtigkeit entspreche. Er sei nach wie vor nur mit dem Rollstuhl außer Haus mobil. Aus dem Umstand, dass er im Untersuchungszimmer einige wenige Schritte mit zwei Unterarmstützkrücken und der Unterschenkelprothese gehen konnte, könne nicht auf die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 Metern geschlossen werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus.
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Er ist Inhaber eines Behindertenpasses.
1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:
1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:
? Amputation im Unterschenkelbereich rechts
? Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus
1.2.2. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: adipös
Größe: 167,00 cm Gewicht: 88,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
71 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput: Visus: unauffällig Hörvermögen nicht eingeschränkt keine
Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei
Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:
nicht palpabel
Thorax. Symmetrisch, elastisch
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Pulse: Allseits tastbar
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar , grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,
Untere Extremität: Unterschenkelamputation rechts am Übergang vom prox. zum mittleren Drittel, gut Weichtteilgedeckt, reaktionslose Narbe, nicht Knochenadhärend, Blasenbildung durch Liner an der Knieinnenseite, trocken, ohne Zeichen einer Infektion, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich
Gesamtmobilität - Gangbild:
kommt mit dem Rollstuhl, Gehen mit 2 UA-Krücken und USCH-Prothese gut und flüssig möglich
Status Psychicus:
bewusstseinsklar, orientiert, kein kognitives-amnestisches Defizit
1.2.3. Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kommt zwar mit einem Rollstuhl zur Untersuchungen, ist allerdings mit angelegter Prothese und zwei Unterarmstützkrücken im Untersuchungszimmer sicher und flüssig mobil. Der Amputationsstumpf ist prothesentauglich. Eine Blasenbildung entsteht durch den Liner. Eine weitere zunehmende Verbesserung der Gehleistung, sowie der Abbau der vorhandenen Hilfsmittel (Unterarmstützkrücken) ist innerhalb kürzester Zeit anzunehmen. Somit ist die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel nicht begründbar.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit Stichtag 13.08.2018 aus dem zentralen Melderegister eingeholten Datenauszug und aus dem Akteninhalt.
Zu 1.2.) Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind das seitens der belangten Behörde in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, und ein weiteres Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 16.07.2018, schlüssig und nachvollziehbar.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ärztliche Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Im eingeholten Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Die durch die belangte Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund und der Aktenlage entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises und enthalten keine neuen fachärztlichen Aspekte bzw. wurden diese bei der Beurteilung berücksichtigt.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:
siehe auch Aktenmäßiges VGA vom 23.03.2018: Zustand nach Amputation des rechten Unterschenkels, Zustand nach diabetischem Gangrän und pAVK IV rechts 50%, Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus 20% Gesamt-GdB 50%
Mitgebrachter Befund: SKA Zicksee vom 04.07.2018. Diagnose: Zustand nach Unterschenkelamputation rechts am 19.02.2018 bei vorangegangener Transmetatarsaler Vorfußamputation rechts am 17.02.2018. Zum Aufnahmezeitpunkt war der Patient im Rollstuhl mobil, konnte selbstständig Transferieren. Er war seit Mai 2018 mit einer Unterschenkelprothese versorgt mit zusätzlicher Schischuhschnalle am Schaft. Der Patient trug die Prothese 5-10 Stunden täglich, konnte bis 50m gehen, Stiegen steigen noch nicht probiert. Er gab ein nicht unangenehmes Phantomgefühl an. Aktuelle Gehdistanz bis 100 m. Mit Pause kann der Patient diese Strecke mehrmals wiederholen. Verlauf: Gehschulvisite. Untersuchung am 28.06.2018. Patient kommt zur heutigen Visite im Rollstuhl, kann aus diesem sich selbstständig mobilisieren und mit 2 umgedrehten Unterarmstützdrücken über die Prothese sicher und flüssig gehen.
Das auf persönlicher Untersuchung basierende Sachverständigengutachten einer Allgemeinmedizinerin steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
So wird im Gutachten schlüssig und nach vollziehbar dargestellt, dass der Beschwerdeführer zwar mit Rollstuhl, jedoch mit angelegter Prothese zur Untersuchung kommt. Die Sachverständige stellt glaubhaft dar, dass der der Stumpf des Beschwerdeführers prothesentauglich ist, er eine Prothese trägt und dadurch flüssig und sicher mobil ist.
Die Sachverständige beschreibt anschaulich, dass eine zunehmende Verbesserung der Gehleistung und der Abbau der unterstützenden Hilfsmittel in Form der Unterarmstützkrücken innerhalb der nächsten sechs Monate zu erwarten ist.
Das Sachverständigengutachten entkräftet die Behauptung des Beschwerdeführers, er könne keine Prothese tragen, da aufgrund seiner Diabeteserkrankung die Narbe am Stumpf noch immer nicht ausreichend verheilt sei, um eine passende Prothese anzupassen.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde somit umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Zu 1.3.) Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 15.03.2018 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 46 beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG kann die Behörde die Beschwerde binnen zwölf Wochen nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Beschwerdevorentscheidung erledigen. Sie kann die Beschwerde nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern.
Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurden durch die belangte Behörde ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.
2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Der Beschwerdeführer hat von den Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Es wurden der Beschwerde auch keine Beweismittel beigelegt. Der im angefochtenen Verfahren vorgelegte Befund steht im Einklang mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen und dokumentiert keine Leidenszustände, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass die eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen.
Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W141.2202456.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019