TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/23 W141 2185904-1

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W141 2185904-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 28.12.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am 03.11.2017 hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b der Straßenverkehrsordnung gestellt.

1.2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.12.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses auf Grund des in Höhe von 50 vH festgestellten Grades der Behinderung vorliegen und die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

1.3. Mit Wirksamkeit 27.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ausgestellt.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.

Dem Bescheid war das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie beigelegt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 31.01.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage eines weiteren medizinischen Beweismittels wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass im fachärztlichen Gutachten nicht auf die Polyneuropathie des Beschwerdeführers eingegangen worden sei. Aufgrund anhaltender massiver Schmerzen und einschießender Krämpfe in den Beinen leide er zudem an Einschränkungen der Gehfähigkeit.

3.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 26.04.2018, und ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, ebenfalls basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 18.06.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

3.2. Mit Schreiben vom 05.07.2018 reichte der Beschwerdeführer einen Patientenbrief vom 26.06.2018 des Krankenhaus XXXX nach.

3.3. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs am 24.09.2018 haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichen, Sachverhalt aus.

1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.

1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:

-

Diabetes mellitus Typ II

-

Diabetische Polyneuropathie mit Schmerzen und Ataxie

-

Arterielle Hypertonie bei Veränderungen der Herzklappen, Vorliegen einer guten Pumpfunktion der Herzens

-

Zustand nach transitorischer ischämischer Attacke 2008

-

Zustand nach Operation wegen Spinalkanalstenose L3/4 und L2/3 im Juni 2006

-

kleiner Nabelbruch und Rectusdiastase

Schwerhörigkeit beidseits bei Zustand nach Mittelohroperation beidseits

1.2.2. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: gut. Ernährungszustand: gut, Größe: 180 cm.

Gewicht: 92,5 kg

Caput/Hals: unauffällig, keine Lippenzyanose

keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich.

Cor: Systolikum mit punktum maximuni über der Herzspitze, rhythmische Herzaktion, Blutdruck: 125/70,

Pulmo: vesikuläre Atmung, sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer,

Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Rectusdiastase, kleiner Nabelbruch. Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. endlagig eingeschränkt, BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung: endlagig eingeschränkt

Extremitäten:

obere Extremitäten: Schultergelenk rechts: Beweglichkeit frei.

Schultergelenk links: Beweglichkeit frei, Nackengriff und Schürzengriff beidseits durchführbar, Ellenbogengelenke: frei beweglich. Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei. Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig,

untere Extremitäten: Hüftgelenk rechts: Flexion 95°, Abd. und Add. altersentsprechend frei, Hüftgelenk links: Flexion 95°, Abduktion und Adduktion frei,

Kniegelenk rechts: Beugung und Streckung frei, bandstabil,

Kniegelenk links: Beugung und Streckung frei, bandstabil, Sprunggelenke bds. frei beweglich, Zehenbeweglichkeit unauffällig.

Fußheben und -senken links und rechts durchführbar,

beide UE können gut von der Unterlage abgehoben werden (80°),

Bein- und Fußpulse bds. palp.,

Venen: verstärkte Venenzeichnung beidseits, Ödeme: keine.

Gang: kommt mit einem Gehstock rechts geführt bei etwas verlangsamtem, etwas vorsichtig wirkendem, kleinschrittiger und insgesamt etwas unsicher wirkendem, ataktischem Gangbild in Konfektionsturnschuhen. Aufstehen aus sitzender Körperhaltung und liegender Körperhaltung selbstständig möglich. Freies Gehen im Untersuchungszimmer möglich, vorsichtiger, etwas unsicher wirkend. Zehenspitzen- und Fersenstand mit Anhalten durchführbar. Das Aus- und Ankleiden erfolgt selbstständig. Die Treppen zum Empfangsschalter werden langsam begangen.

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Bis auf Schwerhörigkeit beidseits. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Der oberen Extremitäten. Aber an den unteren Extremitäten schwache Reflexe der Pateflarsehnenreflexe, Achillessehnenreflexe fehlend. Dys- und Parästhesien beidseits bis zu den Waden. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand insgesamt unsicher. Gangbild ohne Stock, den er in der rechten Hand zur Unterstützung trägt, unsicher. Breitbeinig, ataktisch. Mit Stock kaum Erhöhung der Sicherheit.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich, kooperativ. In alle Richtungen gut mitschwingend. Stabil. Keine Suizidalität.

1.2.3. Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Es liegen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und der neurologischen Funktionen, nämlich in Form der diabetischen Polyneuropathie, vor. Er ist nicht in der Lage eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen. Es sind auch das Überwinden von Niveauunterschieden, das Ein- und Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die sichere Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet. Auch das Anhalten und die Sitzplatzsuche ist nicht ausreichend sicher möglich.

Dem Beschwerdeführer ist aufgrund der erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und der diabetischen Polyneuropathie die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 03.11.2017 bei der belangten Behörde eingelangt.

1.4. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift und den dieser beigelegten Beweismittel am 12.02.2018 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.5. Das nachgereichte Beweismittel ist am 05.07.2018 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel.

Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befunden, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Diese stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und es enthält auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Der Inhalt des nervenfachärztlichen und allgemeinmedizinischen Gutachtens wurde auch im Rahmen des Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten wird nachvollziehbar und schlüssig dargestellt, dass sich im Rahmen der klinischen Untersuchung an den Hüftgelenken geringgradige funktionelle Einschränkungen objektivieren lassen. Im Bereich der Kniegelenke und der Sprunggelenke lassen sich keine maßgeblichen funktionellen Einschränkungen erheben. Die Beweglichkeit der Zehen ist insgesamt frei. Aus allgemeinärztlicher Sicht lassen sich keine erheblichen Einschränkungen der Gelenksfunktion der unteren Extremitäten objektivieren.

Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich zudem ein guter Allgemeinzustand und ein guter Ernährungszustand dar.

Eine arterielle Verschlusskrankheit der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke ist befundmäßig nicht belegt und lässt sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben. Bei tastbaren Beinpulsen liegt eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten erheblichen Ausmaßes nicht vor.

Der allgemeinmedizinische Sachverständige führt weiter aus, dass bei Bluthochdruck und dokumentierten Herzklappenveränderungen in der Echokardiographie vom 18.05.2017 eine gute systolische Pumpfunktion beschrieben ist. Im Rahmen der klinischen Untersuchung lassen sich keine maßgeblichen Hinweise auf eine kardiale Dekompensation objektivieren. Eine erheblich ausgeprägte Herzinsuffizienz liegt nicht vor.

Echokardiographisch ist eine normale Rechtsventrikelfunktion und eine normal große rechte Herzkammer beschrieben. Eine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz liegt nicht vor.

Ebenso wenig sind Lungengerüsterkrankungen mit erforderlicher Langzeitsauerstofftherapie befundmäßig beschrieben und lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung auch nicht erheben. Eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht etabliert.

Eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung im GOLD- Stadium IV liegt nicht vor. Auch ein Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie ist nicht belegt. Die Benützung eines mobilen Gerätes mit Flüssigsauerstoff ist nicht erforderlich.

Zusammenfassend liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.

Darüber hinaus ist laut allgemeinmedizinischem Sachverständigengutachten eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems befundmäßig nicht belegt und liegt nicht vor. Ebenso wenig liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.

Aus nervenärztlicher Sicht liegen jedoch infolge der Polyneuropathie erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Die Sachverständige führt in ihrem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass der Beschwerdeführer an erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten und neurologischen Funktionen, infolge der diabetischen Polyneuropathie, leide, die es ihm unmöglich machen, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen. Auch das sichere Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel ist nicht gegeben. Ebenso wenig ist der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben. Dazu gehören auch die Sitzplatzsuche und das Anhalten.

Der allgemeinmedizinische Sachverständige schließt sich den Ausführungen der nervenfachärztlichen Sachverständigen, wonach die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert ist und somit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, an.

Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde vom 31.01.2018 unter anderem an, dass seine Gehfähigkeit auf Grund seiner Polyneuropathie eingeschränkt sei. Dies wird von der nervenfachärztlichen Sachverständigen als nachvollziehbar beschrieben und dahingehend bestätigt, dass auch der Befund vom 18.01.2018 dies bekräftige:

"Diagnose: Hochgradige large-fiber diabetische Polyneuropathie mit Ataxie und neuropathische Schmerzen. Störungen der Tiefensensibilität. Beeinträchtigung des Gangbildes. Sturzgefahr. Deutliche Verkürzung der Gehstrecke."

Es kommt daher im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom 11.12.2017 bezüglich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu einer geänderten Einschätzung.

Bezugnehmend auf den vom Beschwerdeführer nachgereichten Patientenbrief vom 28.06.2018 des Krankenhaus XXXX führt der allgemeinmedizinische Sachverständige aus: "Aufnahmegrund war die geplante Koronarangiographie bei grenzwertig hochgradig wirksamer Aortenklappenstenose. Die Koronarangiographie konnte am 26.06.2018 komplikationslos durchgeführt werden. Es zeigten sich 2 Stenosen im Bereich der Herzkranzgefäße. Von ärztlicher Seite wurde ein perkutaner Aortenklappensersatz sowie die Beseitigung der Gefäßverengungen mittels Katheter empfohlen und erfolgreich durchgeführt. Bei im Status beschriebenem grob neurologisch unauffälligem Zustandsbild und rhythmischer und normfrequenter Herzaktion gestaltete sich der Aufenthalt insgesamt unauffällig (Nachsatz: nach durchgeführter Intervention vorübergehend aufgetretene Doppelbilder verschwanden wieder und augenärztliche Kontrollen erbrachten ein unauffälliges Ergebnis)."

Auf Grund des nachgereichten Befundes vom 28.06.2018 ergibt sich jedoch keine Änderung der Einschätzung hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde und die vorgelegten Befunde waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.

Zu 1.3.) Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 03.11.2017 auf.

Zu 1.4.) Das Schreiben mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 12.02.2018 auf.

zu 1.5.) Der vom Beschwerdeführer nachgereichte Patientenbrief vom 28.06.2018 des Krankenhaus XXXX weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 05.07.2018 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Falle des Eintretens von Änderungen durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 12.02.2018 vorgelegt worden ist, war der am 05.07.2018 vom Beschwerdeführer nachgereichte Befund nicht zu berücksichtigen.

Bezugnehmend auf die Ausführungen des allgemeinmedizinischen Sachverständigen kommt es jedoch auf Grund des nachgereichten Beweismittels zu keiner geänderten Einschätzung hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):

Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242 und 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009,

Zl. 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014).

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der vorliegenden Polyneuropathie, mit erheblichen Einschränkungen neurologischer Funktionen und erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, nicht in der Lage, eine Gehstrecke von 300 bis 400 m zurückzulegen. Es sind auch das Überwinden von Niveauunterschieden, das Ein- und Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die sichere Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet.

Unter Berücksichtigung der durchgeführten persönlichen Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Gehstrecke von 300 bis 400 m nicht zumutbar ist, liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vor.

Unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit, sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W141.2185904.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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