Entscheidungsdatum
24.10.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2184538-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass vom 21.09.2017 wird stattgegeben. Die Voraussetzungen für die Vornahme liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 16.03.2016 aufgrund von dauerhaften Funktionseinschränkungen durch eine Multiple-Sklerose-Erkrankung Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 50%.
Sie beantragte am 21.09.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet) die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass und die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Dem Antrag wurden medizinische Befunde beigelegt.
Seitens der belangten Behörde wurde in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstatteten Gutachten vom 07.12.2017 wurde die Funktionseinschränkung "Multiple Sklerose" festgestellt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht als der Beschwerdeführerin zumutbar erachtet. Die Gutachterin stellte nur mäßige Funktionseinschränkungen der Beine fest und erachtete das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke als möglich.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.12.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21.09.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass" abgewiesen.
Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das Gutachten vom 07.12.2017, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23.01.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und legte dieser einen Befundbericht des die Beschwerdeführerin betreuenden Facharztes für Neurologie vom 19.01.2018 bei.
Da in diesem Befundbericht des betreuenden Neurologen ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage sei, 100m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurück zu legen und sie auch nicht Ein- und Aussteigen könne, veranlasste das Bundesverwaltungsgericht in der Folge die neuerliche Begutachtung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie.
Im Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 04.09.2018 wurde nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin und Erhebung des klinischen Status sowie Erstellung der Diagnose "Multiple Sklerose" zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund erheblicher Einschränkungen neurologischer Funktionen aus medizinischer Sicht nicht mehr zumutbar sei. Der Leidenszustand wurde als Dauerzustand beurteilt.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.10.2018 wurden beide Parteien über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.
Beide Parteien teilten dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb der Frist telefonisch (siehe AV vom 11.10.2018) mit, keine Einwendungen gegen das Gutachten zu erheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist seit 16.03.2016 aufgrund von dauerhaften Funktionseinschränkungen durch eine Multiple-Sklerose-Erkrankung Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 50%.
Sie beantragte am 21.09.2017 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass und die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen durch die Grunderkrankung Multiple Sklerose erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen. Es liegt eine ataktische Gangstörung mit ungerichtetem Schwankschwindel und Koordinationsstörungen vor, wodurch es der Beschwerdeführerin unmöglich ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen, Niveauunterschiede ausreichend sicher zu überwinden oder in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch sind der Transport und das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr ausreichend sicher möglich.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Einschätzung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Gutachten der sachverständigen Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 04.09.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt vor; vgl dazu die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und der gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu dem bestehenden Leidenszustand und Funktionseinschränkung sowie zum Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gründen sich auf das, seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Gutachten der sachverständigen Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 04.09.2018 basierend auf einer persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin. Darin wird auf die Art ihrer Leiden und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene medizinische Beurteilung basiert auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben im Original wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen). Die Gutachterin berücksichtigte auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und nahm zum Vorgutachten Stellung.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen durch die Grunderkrankung Multiple Sklerose erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen. Die Gutachterin stellte im Rahmen der persönlichen Untersuchung eine ataktische Gangstörung mit ungerichtetem Schwankschwindel und Koordinationsstörungen fest, wodurch es der Beschwerdeführerin unmöglich ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen, Niveauunterschiede ausreichend sicher zu überwinden oder in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch sind der Transport und das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr ausreichend sicher möglich.
Zu der abweichenden Beurteilung zu dem, dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten neurologischen Gutachten vom 07.12.2017 führt die nunmehr begutachtende Neurologin schlüssig aus, dass die damals untersuchende Neurologin im Zeitrahmen der Untersuchung die pathognomonische Müdigkeit, die bei der Erkrankung Multiple Sklerose eine große Rolle spielt und die bei einer Untersuchung von vielleicht 10 bis 20 Minuten nie deutlich zu Tage treten kann, nicht berücksichtigt hat. Ebenfalls schlüssig vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und Ausführungen der Beschwerdeführerin selbst ist die Beurteilung im Gutachten vom 04.09.2018, dass die Krankheit "Multiple Sklerose" per se einer gewissen Schwankungsbreite unterliegt, sodass dem Befund des behandelnden Arztes mehr Augenmerk geschenkt werden muss und keinesfalls dem Befund das Kriterium des "Gefälligkeitsbefundes" unterstellt werden darf. Multiple Sklerose ist eine Krankheit, die im fortgeschrittenen Stadium die Gangsicherheit beeinträchtigt, ohne dass mit Hilfen wie Krücken oder Stöcken diese Sicherheit erhöht werden könnte. Auch die Müdigkeit führt dazu, dass die Gangsicherheit, die durch Kontrolle einigermaßen noch bewerkstelligt werden könnte, sich vermindert. Daher wurde bei der Beschwerdeführerin eine geänderte Einschätzung erhoben, aufgrund der Art der Erkrankung eine Verbesserungsmöglichkeit ausgeschlossen und somit zu Recht von einem Dauerzustand ausgegangen.
Seitens beider Parteien wurde das Gutachten nicht bestritten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 04.09.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
...
§ 47 BBG lautet:
"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:
§ 1 ....
(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)......
b)......
......
h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich
der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über
außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder
Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von
mindestens 20%vorzunehmen.
.........
2. ...... 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des
Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(4)......"
Zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist im Hinblick auf den am 13.12.2017 ebenfalls gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO Folgendes festzuhalten:
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetz abgewiesen. Ein Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO erfolgte in diesem Bescheid nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Berufungs- bzw. (nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; VwGH 22.01.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; VwGH 27.04.2015, Ra 2015/11/0022).
Aufgrund dieser Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen. Ebenso wenig darf das Verwaltungsgericht ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen, das über den bei der belangten Behörde gestellten und entschiedenen Antrag hinausginge.
Verfahrensgegenstand im vorliegenden Verfahren ist somit nicht die ebenfalls begehrte Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO.
Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Gutachten der sachverständigen Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 04.09.2018 zu Grunde gelegt. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar. Bei der Beschwerdeführerin bestehen durch die Grunderkrankung Multiple Sklerose erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen. Es liegt eine ataktische Gangstörung vor, mit ungerichtetem Schwankschwindel und Koordinationsstörungen, wodurch es der Beschwerdeführerin unmöglich ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen, Niveauunterschiede ausreichend sicher zu überwinden oder in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch sind der Transport und das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr ausreichend sicher möglich.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2184538.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.01.2019