Entscheidungsdatum
24.10.2018Norm
AVG §44fSpruch
W127 2202311-1/10E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi als Vorsitzende und den Richter Dr. Baumgartner und die Richterin Dr. Weiß als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und der XXXX ", alle vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 06.06.2018, Zl. RU4-UF-9/001-2018, mit welchem festgestellt wurde, dass betreffend das Vorhaben "Errichtung einer Zitronensäureproduktionsanlage in den Katastralgemeinden Lehen, Ebersdorf und Bergen-Maierhöfen" der XXXX eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, beschlossen:
A) Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit angefochtenem Bescheid wurde festgestellt, dass das Vorhaben "Errichtung einer Zitronensäureproduktionsanlage in den Katastralgemeinden Lehen, Ebersdorf und Bergen-Maierhöfen" der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX ,
den Tatbestand im Sinne des § 3 UVP-G 2000 in Verbindung mit Z 40 lit. a des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt und damit der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.
Dieser Bescheid wurde am 14.06.2018 auf der Homepage der Niederösterreichischen Landesregierung, www.noe.gv.at/Umwelt/Umweltschutz/Umweltrecht-aktuell.html, kund-gemacht.
Die hiegegen eingebrachten Beschwerden langten bei der Behörde am 26.07.2018 ein.
Begründend wurde vor allem ausgeführt, dass die Verweigerung der Akteneinsicht als mit Nichtigkeit behafteter Verfahrensfehler wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werde. Laut Webseite der mitbeteiligten Partei seien insgesamt vier Ausbaustufen des Vorhabens geplant, wobei der angefochtene Feststellungsbescheid sich offensichtlich ausschließlich mit der ersten Ausbaustufe befasse. Es sei davon auszugehen, dass das Vorhaben vollumfänglich UVP-pflichtig sei und den Beschwerdeführern daher unter Hinweis auf die zwingende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß SUP-Richtlinie, Aarhus-Konvention, Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2017, Ro 2016/05/0011-13, sowie den Urteilen des EuGH vom 21.03.2013, Rs C-244/12 (Flughafen Salzburg), 16.09.1999 Rs C-435/97 (WWF u.a.), 24.10.1996, Rs C-72/95 (Kraaijeveld u.a.), 24.11.2016, Rs C-645/15 (Bund Naturschutz in Bayern und Wilde) das uneingeschränkte Recht auf Parteistellung zukomme.
Am 31.07.2018 langte der Verfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2018 wurde den Beschwerdeführern die Verspätung der Beschwerden vorgehalten und die Möglichkeit geboten, hiezu Stellung zu nehmen.
Mit Stellungnahme vom 09.08.2018 führten die Beschwerdeführer aus, dass es richtig sei, dass der angefochtene Bescheid am 14.06.2018 kundgemacht worden sei. Die vom Bundesverwaltungsgericht in Betracht gezogene Rechtsmittelfrist von 4 Wochen gemäß § 3 Abs. 7a in Verbindung mit § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 sei jedoch im gegenständlichen Verfahren nicht anwendbar, da keine Beschwerde gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 vorliege. Eine solche Beschwerde richte sich nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich gegen eine Feststellung der Behörde gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Im vorliegenden Fall liege jedoch ein entgegengesetzter Sachverhalt vor, da festgestellt worden sei, dass das Vorhaben sehr wohl einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege. Der gegenständliche Sachverhalt, nämlich die Erhebung eines Rechtsmittels gegen einen positiven UVP-Feststellungsbescheid mit dem Vorbringen, dass nicht ein vereinfachtes, sondern ein vollumfängliches Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchzuführen wäre, sei im UVP-G 2000 nicht geregelt. Auf die vielfache Unionsrechtswidrigkeit des UVP-G 2000 sei zwar bereits hingewiesen worden, nichtsdestotrotz sehe die geltende österreichische Rechtslage im UVP-G 2000 keine Rechtsmittel gegen einen positiven UVP-Bescheid vor. Da die Bestimmungen des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 hier nicht einschlägig seien und somit auch § 30 [gemeint wohl: § 40] Abs. 3 UVP-G 2000 nicht anwendbar sei, kämen subsidiär die Bestimmungen des AVG zur Anwendung. Gemäß § 44f Abs. 1 AVG gelte der Bescheid mit Ablauf von zwei Wochen nach der Verlautbarung als zugestellt. Im gegenständliche Fall sei das Datum der Zustellungsfiktion somit der 28.06.2018. Die vierwöchige Rechtsmittelfrist ende folglich am 26.07.2018. Die Beschwerde sei daher innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist eingebracht und rechtzeitig.
Mit Schreiben vom 28.09.2018 nahm die XXXX als Projektwerberin Stellung und beantragte, gegenständliche Bescheidbeschwerde zurückzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Verfahrensgegenständlich ist das Vorhaben "Errichtung einer Zitronensäure-produktionsanlage in den Katastralgemeinden Lehen, Ebersdorf und Bergen-Maierhöfen" der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , nämlich
a) die Errichtung und der Betrieb einer Zitronensäureproduktionsanlage mit einer Gesamtproduktion von 50.000 t/a Zitronensäuremonohydrat bei 8.400 Betriebsstunden pro Jahr
b) die Errichtung und der Betrieb der elektrischen Versorgung inklusive eigener Trafostation und 20 kV Mittelspannungsverteilungsringen
c) die Errichtung und der Betrieb von zwei mit Erdgas betriebenen Sattdampfkesseln mit je ca. 24 MW Brennstoffwärmeleistung
d) die Errichtung und der Betrieb der Erdgasversorgung der Kesselanlage über eine HD- Anschlussleitung ST DN 100/PN70 mit einem Innendurchmesser von 105,3 mm und einer Leitungslänge von ca. 2,8 km
e) die Errichtung und der Betrieb einer Prozesskühlung durch eine Wasserentnahme aus der Donau
f) die Errichtung und der Betrieb einer Grundwasserentnahme aus Brunnen von maximal 70 l/s (jährliche Grundwasserentnahme von etwa 2.117.000 m³/a)
g) die Errichtung und der Betrieb einer Abwasserreinigungsanlage mit einer Abbauleistung von rund 30 t COD pro Tag oder rund 500.000 Einwohnerwerten (60 g BSB5/ Person) nach erfolgter Reinigung.
Das ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
Der verfahrensgegenständliche positive Feststellungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, GZ RU4-U-876/001-2016, wurde am 14.06.2018 im Internet kundgemacht. Das ergibt sich aus dem Verfahrensakt und wurde von den beschwerdeführenden Parteien auch nicht bestritten.
Es wird festgestellt, dass den beschwerdeführenden Parteien keine Beschwerdelegitimation zukommt. Das ergibt sich aus den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen.
2. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtssache gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 (VwGVG), durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 7a Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, BGBl. Nr. 697/1993 idgF (UVP-G 2000), ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation oder ein Nachbar/eine Nachbarin gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, wenn die Behörde feststellt, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
Gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 sind Beschwerden nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet bei der Behörde einzubringen.
Die Bestimmung des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 für gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G anerkannte Umweltorganisationen wurde mit der UVP-G-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 77/2012, eingefügt. Aus den Erläuterungen zu der RV (1809 der Beilagen XXIV. GP) ergibt sich Folgendes: "Mit Mahnschreiben vom 28. Februar 2012 leitete die Europäische Kommission gegenüber der Republik Österreich das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2012/2013 zur Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG ein. Die Kommission vertritt darin die Auffassung, dass die Republik Österreich unter anderem dadurch gegen die Verpflichtung aus Artikel 10a der UVP-Richtlinie betreffend die Öffentlichkeitsbeteiligung verstoßen hat, dass sie die Rechtsmittelbefugnis gegen die Entscheidung im Rahmen des Feststellungsverfahrens zur UVP-Pflicht eines Projektes auf die Projektwerberin, die Standortgemeinde, die mitwirkenden Behörden und den Umweltanwalt beschränkt. Zur Abwendung einer Klage der Kommission an den Gerichtshof der Europäischen Union und aus Gründen der wirksamen Umweltvorsorge erscheint es sinnvoll, bei Großprojekten den nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen ein Rechtsmittel zur Überprüfung der Entscheidungen der UVP-Behörde, mit denen die UVP-Pflicht für ein Vorhaben verneint wird (= negative Feststellungsentscheidung), einzuräumen. Die Kommission stützt ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Mellor, C-75/08 vom 30.4.2009 und leitet aus diesem Urteil ab, dass eine Überprüfbarkeit von negativen Feststellungsentscheidungen für Umweltorganisationen gegeben sein müsse. Mit dem vorgesehenen Antragsrecht auf Überprüfung bei negativen Feststellungsbescheiden wird dem Rechnung getragen, da Umweltorganisationen erst durch eine negative Feststellungsentscheidung in ihren Rechten verletzt sein können."
Die Beschwerdelegitimation der Nachbarn gegen negative Feststellungsbescheide wurde durch die UVP-G-Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 eingefügt.
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung über das Beschwerderecht gegen behördliche Bescheide, mit denen festgestellt wurde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Gegen positive Feststellungsbescheide ist sohin eine Beschwerdelegitimation nicht gegeben.
Es ist nicht ersichtlich, dass das Gesetz gemessen an seiner Teleologie unvollständig ist und eine echte Lücke vorliegt (siehe in diesem Zusammenhang auch VwGH 31.03.2017, Ra 2016/13/0034), sondern besteht vielmehr eine vom Gesetzgeber gewollte Unterscheidung der Anfechtungsbefugnis im Hinblick auf negative und positive Feststellungsbescheide. Eine darin liegende Unsachlichkeit ist nicht zu erkennen, zumal die Möglichkeit besteht, sich im Genehmigungsverfahren gemäß UVP-G 2000 einzubringen.
Auch unionsrechtlich ist im vorliegenden Fall keine Anfechtungsmöglichkeit gefordert oder festgelegt: Jedes Verfahren nach UVP-G 2000, somit auch das vereinfachte Verfahren, erfüllt die Anforderungen der UVP-Richtlinie 2011/92/EU. Da die Behörde somit entschieden hat, dass ein EU-konformes UVP-Verfahren durchgeführt wird, sind die Beschwerdeführer nicht beschwert. Sie haben weder ein ausreichendes Interesse noch machen sie mit ihrer Beschwerde eine diesbezügliche Verletzung des Unionsrechts geltend. Damit sind die Voraussetzungen nach Artikel 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie, die ein entsprechendes Anfechtungsrecht nach sich ziehen, nicht erfüllt.
Die gegenständlichen Beschwerden sind daher mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass auch wenn die beschwerdeführenden Parteien die Ansicht vertreten, ihnen stünde ein Beschwerderecht entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 zu, ihnen diesbezüglich entgegenzuhalten ist, dass in einem solchen Fall auch die Bestimmung des § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 zur Anwendung kommen müsste, da eine Unterscheidung hinsichtlich der Fristenregelung bei der Bekämpfung von Bescheiden, mit denen eine UVP-Pflicht verneint oder bejaht wurde, sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. Die Beschwerden wären diesfalls als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Vor diesem Hintergrund war auf die fehlende Parteistellung der " XXXX ", welche die Nachweise nach § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 nicht erbracht hat, sowie der Nachbarstellung der Vorstandsmitglieder der " XXXX " - siehe Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 01.08.2018 betreffend Akteneinsicht bei der belangten Behörde - nicht näher einzugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war - trotz diesbezüglichem Antrag - gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abzusehen, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und der eindeutigen Rechtslage als geklärt anzusehen ist. Der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist entscheidungsreif und wurde von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten, sodass dem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vgl. VwGH 04.03.2008, 2005/05/0304) noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. VfGH 14.03.2012, U466/11) entgegenstehen.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, und die Rechtslage eindeutig ist.
Schlagworte
Aarhus - Konvention, Beschwerdefrist, Beschwerdelegimitation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W127.2202311.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.01.2019