Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. U D, Rechtsanwalt in G, vertreten durch Dr. H u. a., Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Februar 1999, Zl. 319.999/1-III/A/13/99, betreffend Verfahren gemäß § 73 AVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit der Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Entscheidungspflicht im Umfang des Punktes 2. ("unverzüglich eine Baueinstellung, allenfalls unter Setzung von Maßnahmen nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO zu verfügen") seiner Eingabe vom 18. Oktober 1996 zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Februar 1999 wurde im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Juni 1997 auf Übergang der Pflicht zur Entscheidung über seinen Antrag vom 18. Oktober 1996 gemäß § 73 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1996 habe der Beschwerdeführer folgende Anträge an den Magistrat der Stadt Graz gestellt:
"1. das gewerberechtliche Ansuchen in der gegenwärtigen Art und Weise nicht zu genehmigen;
2. unverzüglich eine Baueinstellung, allenfalls unter Setzung von Maßnahmen nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO zu verfügen;
3. die Antragsteller aufzufordern, die Einreichunterlagen nachzubessern;
4. Wiederholung der Augenscheinsverhandlung unter persönlicher Ladung des Einschreiters mit sämtlichen Sachverständigen."
Mit Schriftsatz vom 3. Juni 1997 habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Landeshauptmann von Steiermark gestellt, da bis zu diesem Zeitpunkt sein Antrag vom 18. Oktober 1996 durch den zuständigen Magistrat der Stadt Graz noch nicht erledigt worden sei. Eine Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG, deren Verletzung die Partei zu einem Devolutionsantrag im Sinne des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle berechtige, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gegeben, wenn die Behörde den Antrag bescheidmäßig zu erledigen habe. Es sei jedoch nicht jedes Anbringen, welches an eine Behörde gerichtet werde, einer bescheidförmigen Erledigung zugänglich, es könne allerdings unter Umständen zur amtswegigen Einleitung eines auf eine solche Erledigung abzielenden Verwaltungsverfahrens führen. Der unter Punkt 1. gestellte Antrag, das gewerberechtliche Ansuchen in der gegenwärtigen Art und Weise nicht zu genehmigen, sei nicht geeignet, eine Entscheidungspflicht der Behörde auszulösen. Die Gewerbeordnung kenne eine derartige Antragstellung durch Beteiligte nicht. Es sei vielmehr Aufgabe der Behörde, ausgehend von dem für das Verwaltungsverfahren festgelegten Grundsatz der Amtswegigkeit den objektiven Sachverhalt festzustellen und auf der Grundlage der Gewerbeordnung unter Berücksichtigung der wahrzunehmenden Schutzinteressen bescheidmäßig die Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung der beantragten Änderung der Betriebsanlage auszusprechen. Auch bei dem unter Punkt 2. gestellten Antrag, unverzüglich eine Baueinstellung, allenfalls unter Setzung von Maßnahmen nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 zu verfügen, handle es sich um keinen Antrag, der eine Entscheidungspflicht der Behörde auslöse. Es stehe dem Beschwerdeführer frei, der Behörde Missstände, wie z. B. eine Bauführung ohne entsprechende Genehmigung, anzuzeigen. Die Behörde habe sodann den Sachverhalt zu prüfen und gegebenenfalls bescheidmäßig nach § 366 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. zu verfügen. Der Antrag gehe jedoch insoweit ins Leere, als die Gewerbeordnung ein Antragsrecht auf Verhängung von Maßnahmen bzw. Strafen nicht vorsehe. Der unter Punkt 3. gestellte Antrag, die Antragsteller aufzufordern, die Einreichunterlagen nachzubessern, sei ebenfalls nicht geeignet, eine Entscheidungspflicht auszulösen, da mit diesem Antrag keine bescheidmäßige Erledigung durch die Behörde beantragt worden sei. Auch der unter Punkt 4. gestellte Antrag auf Wiederholung der Augenscheinsverhandlung unter persönlicher Ladung des Einschreiters mit sämtlichen Sachverständigen ziele nicht auf eine bescheidmäßige Erledigung durch die Behörde ab und löse sohin keine Entscheidungspflicht der Behörde aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Sachentscheidung über seine am 18. Oktober 1998 (richtig: 1996) gestellten Anträge durch die belangte Behörde verletzt. Er erachtet sich ferner in seinem Recht auf Teilnahme im Verfahren nach der Gewerbeordnung zur Genehmigung der errichteten Anlage und in seinem Recht auf Schutz vor gesundheitsgefährdenden Emissionen durch Abgase und Lärmbelästigungen verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt er vor, er habe zu Recht angezeigt, dass gesundheitlich gefährdende Baumaßnahmen ohne jegliches Verfahren durchgeführt worden seien und es habe daraufhin die Behörde Kontakt mit dem Bewilligungswerber aufgenommen. Nach Einbringung seines Schriftsatzes vom 4. (gemeint offensichtlich: 18.) Oktober 1996 habe er Einwendungen erhoben und es sei in der Folge anscheinend ein Bewilligungsbescheid erlassen worden, welcher ihm allerdings nie zugestellt worden sei. Anstatt die Anträge auf Versagung der Genehmigung, Einstellung des Baues, Aufforderung, überprüfbare Unterlagen vorzulegen und Wiederholung des Lokalaugenscheines durchzuführen, habe die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer aus dem Bewilligungsverfahren ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe Parteistellung erworben und es sei zunächst als Vorfrage zu prüfen, ob er Parteistellung habe oder nicht. Der Beschwerdeführer habe ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz der Gesundheit als Mieter, einige Meter von den Abgasöffnungen entfernt. Diese subjektiv-öffentlichen Rechte habe er geltend gemacht und es sei über deren Geltendmachung mit Bescheid zu entscheiden. Richtig sei, dass der Beschwerdeführer kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine Bestrafung des Bewilligungswerbers habe, wohl aber habe er Anspruch auf Schutz der Gesundheit der Bewohner, und er könne verlangen, dass sowohl sein Begehren auf Baueinstellung als auch sein Begehren auf Untersagung der die Gesundheit gefährdenden Baumaßnahmen und des Betriebes der ohne Bewilligung errichteten Lüftungsanlagen entschieden werde. Die belangte Behörde gebe selbst zu, dass sie nach dem Grundsatz der Amtswegigkeit den objektiven Sachverhalt festzustellen habe und auf Grund der Gewerbeordnung unter Berücksichtigung der wahrzunehmenden Schutzinteressen bescheidmäßig die Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung der beantragten Änderung der Betriebsanlage auszusprechen habe. Wenn sich der Beschwerdeführer gegen die beantragte Änderung der Betriebsanlage ausspreche, so sei er Partei und habe Anspruch darauf, dass ihm gegenüber ein Bescheid zugestellt werde. Dies sei nicht geschehen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle geht, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über.
Eine Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG, deren Verletzung die Partei zu einem Devolutionsantrag im Sinne des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle berechtigt, ist jedenfalls nur dann gegeben, wenn die Behörde den Antrag bescheidmäßig zu erledigen hat (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. August 1997, Zl. 97/04/0097).
Eine solche Entscheidungspflicht auszulösen, waren die in der eingangs dargestellten Begründung des angefochtenen Bescheides unter den Punkten 1., 3. und 4. genannten Begehren des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 18. Oktober 1996 nicht geeignet, weil mit dem unter Punkt 1. genannten Antrag lediglich das Begehren gestellt wurde, über den Antrag einer anderen Person in einer bestimmten Weise zu entscheiden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, reicht die verfahrensrechtliche Stellung eines Nachbarn als Partei im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren noch nicht aus, um die behördliche Pflicht zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag des Bewilligungswerbers geltend zu machen. Erst wenn durch die Säumigkeit der Behörde in die Rechtssphäre des Nachbarn eingegriffen wird, besteht ihm gegenüber auch eine Entscheidungspflicht der Behörde. Ein solcher Eingriff liegt so lange nicht vor, als nicht über Einwendungen des Antragstellers in einem auf Antrag eines Dritten eingeleiteten erstinstanzlichen Bewilligungsverfahrens abgesprochen wurde (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 94/04/0098). Die unter den Punkten 3. und 4. genannten Begehren sind nur in diesem Zusammenhang zu sehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in diesem Umfang in der Zurückweisung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken.
Im Übrigen erweist sich die Beschwerde aber deshalb als berechtigt, weil der Beschwerdeführer im Punkt 2. seiner Eingabe vom 18. Oktober 1996 nicht etwa, wie in den anderen Punkten dieser Eingabe, die Erledigung des Antrages einen Dritten begehrt, sondern vielmehr einen selbstständigen Antrag gestellt hat, über den die Behörde jedenfalls zu entscheiden hatte. Dass dieser Antrag möglicherweise unzulässig und daher zurückzuweisen gewesen wäre, ändert an der Entscheidungspflicht der Behörde nichts (vgl. die in Hauer/Leukauf, 5. Aufl., S 690, zitierte hg. Judikatur).
In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. September 1999
Schlagworte
Parteistellung ParteienantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040079.X00Im RIS seit
20.11.2000