TE Bvwg Beschluss 2018/10/25 W238 2203408-1

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Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §15
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W238 2203408-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Julia JERABEK und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde vonXXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.06.2018, OB XXXX, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20.07.2018 betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beschlossen:

A) Das Verfahren wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG

wegen Verspätung des Vorlageantrags eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), vom 21.06.2018 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 12.03.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten vom 08.05.2018, wonach die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht zumutbar sei. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 29.06.2018 mit näherer Begründung fristgerecht Beschwerde.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 20.07.2017 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 21.06.2018 gemäß §§ 41, 42 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen. Begründend wurde auf die Ergebnisse der im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahme des befassten Sachverständigen vom 18.07.2018 verwiesen. Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.

4. Mit per E-Mail eingebrachter Eingabe vom 08.08.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag. Darin wurde seitens der Beschwerdeführerin u.a. ausgeführt, dass ihr der Bescheid vom 20.07.2018 am 24.07.2018 zugestellt worden sei.

5. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 13.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Mit Schreiben vom 14.08.2018 - zugestellt am 20.08.2018 - hielt das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin vor, dass ihr die Beschwerdevorentscheidung ihren eigenen Angaben zufolge am 24.08.2018 zugestellt worden sei. Davon ausgehend wäre die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags mit Ablauf des 07.08.2018 geendet. Der per E-Mail eingebrachte Vorlageantrag weise als Sendedatum den 08.08.2018 auf. Demnach wäre der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden. Der Beschwerdeführerin wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Gelegenheit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

7. Die Beschwerdeführerin ließ das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdevorentscheidung vom 20.07.2018 über die Beschwerde vom 29.06.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21.06.2018 wurde den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge am 24.07.2018 zugestellt. Der Vorlageantrag wurde am 08.08.2018 per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und insbesondere aus den Angaben im Vorlageantrag über den Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung.

Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Zwar wurde von der belangten Behörde ausweislich des Verwaltungsaktes eine Zustellung der Beschwerdevorentscheidung ohne Zustellnachweis angeordnet, weshalb kein urkundlicher Nachweis der Zustellung bzw. ihres Zeitpunktes besteht. Jedoch gab die Beschwerdeführerin ausdrücklich an, dass ihr die Beschwerdevorentscheidung vom 20.07.2018 am 24.07.2018 zugestellt worden sei. Auch trat sie dem Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes nicht entgegen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel an den Angaben der Beschwerdeführerin über den Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung hegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Einstellung des Verfahrens:

3.2. Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom 20.07.2018 wurde ausweislich des Verwaltungsaktes iSd § 26 Abs. 1 ZustG ohne Zustellnachweis angeordnet.

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Bei Heranziehung der Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG würde die Zustellung des Bescheides vom 20.07.2018 erst mit 25.07.2018 als bewirkt gelten. Ausgehend davon wäre die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Vorlageantrags am 08.08.2018 abgelaufen. Der gegenständliche Vorlageantrag vom 08.08.2018 wäre demnach rechtzeitig eingebracht worden.

Jedoch gab die Beschwerdeführerin im Zuge des Vorlageantrags ausdrücklich und unmissverständlich an, dass ihr der Bescheid vom 20.07.2018 bereits am 24.07.2018 zugestellt worden sei. Auch dem Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes trat sie nicht entgegen.

Angesichts des Umstandes, dass das Bundesverwaltungsgericht die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung auf Grundlage der Angaben der Beschwerdeführerin zweifelsfrei feststellen konnte, bleibt für die Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG vorliegend kein Raum.

Der Beschwerdeführerin wurde die Verspätung des Vorlagenantrags entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgehalten (vgl. VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050). Der Verspätungsvorhalt blieb unbestritten.

Ausgehend von der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am 24.07.2018 endete die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags mit Ablauf des 07.08.2018. Der am 08.08.2018 per E-Mail eingebrachte Vorlageantrag erweist sich demnach als verspätet.

3.3. Da die belangte Behörde den Vorlageantrag nicht gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG als verspätet zurückgewiesen und die Beschwerde dem (zwar verspäteten) Vorlageantrag entsprechend vorgelegt hat, hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 VwGVG die Prozessvoraussetzungen betreffend die Beschwerde vom 29.06.2018 zu prüfen.

Aus Anlass dieser Beschwerde hat die belangte Behörde - wie bereits dargestellt - mit Bescheid vom 20.07.2018, zugestellt am 24.07.2018, gemäß § 14 VwGVG iVm § 46 zweiter Satz BBG eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 21.06.2018 abgewiesen und festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen.

Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 20.07.2018, die dem bekämpften Ausgangsbescheid vom 21.06.2018 endgültig derogiert (vgl. dazu zuletzt VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185), ist in Folge der Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Stellung eines Vorlageantrags rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen. Da dieses Prozesshindernis erst nach der Beschwerdeerhebung eingetreten ist, war mit Beschluss die Einstellung des Beschwerdeverfahrens auszusprechen (vgl. Gruber, in: Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Götzl/Gruber/Reisner/Winkler [Hrsg], § 15 VwGVG, Rz. 12).

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Verspätung des Vorlageantrags ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung wegen Verspätung des Rechtsmittels vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bei der Frage, ob bei einem verwaltungsgerichtlich als verspätet beurteilten Vorlageantrag mit Einstellungsbeschluss oder aber mit Zurückweisungsbeschluss vorzugehen ist, handelt es sich mangels Eingriffs in subjektive Rechte um eine abstrakte Rechtsfrage, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig ist (vgl. VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015; 27.01.2016, Ra 2015/05/0088).

Schlagworte

Frist, Prozessvoraussetzung, Verfahrenseinstellung, Verspätung,
Vorlageantrag, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2203408.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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