TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W238 2191748-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W238 2191748-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.02.2018, OB XXXX, betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag von

XXXX vom 21.04.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin ist seit 30.08.2016 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

2. Am 21.04.2017 stellte sie beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

3. Seitens der belangten Behörde wurde in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.01.2018 erstatteten - Gutachten vom 21.02.2018 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen als Diagnoseliste (ohne Einschätzung des Grades der Behinderung) erfasst. Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom befassten Sachverständigen ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Defizite, insbesondere der degenerativen Abnützungen am Stütz- und Bewegungsapparat und eines erfolgreich intervenierten Herzinfarktes bei arteriellem Hochdruck ohne wesentliche kardiorespiratorische Leistungseinschränkung, mit erhaltener Kraft aller Extremitäten weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt seien, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und auch zumutbar seien. Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Stützkrücken sei nicht objektivierbar. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.02.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das im Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 21.02.2018, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass es ihr aufgrund der bestehenden Leiden - koronare Herzkrankheit, Hypertonie, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Knieschädigung und Hüftschädigung beidseits - weder möglich noch zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Entgegen den Ausführungen des Sachverständigen würden bei der Beschwerdeführerin erhebliche Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten vorliegen, die in Verbindung mit dem Herzleiden und dem Bluthochdruck der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin leide unter Schmerzen am gesamten Bewegungsapparat und könne nur kurze Wegstrecken zurücklegen. Ihre Gehfähigkeit sei massiv eingeschränkt. Sie sei nur unter Zuhilfenahme eines Rollators mobil. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige angesichts des Gangbildes, welches im Gutachten als langsam und schleppend mit zwei Stützkrücken beschrieben werde, zu dem Schluss habe kommen können, dass die Verwendung von Stützkrücken nicht erforderlich sei. Zudem beziehe die Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 2 und könne Wege außer Haus nur noch mit einer Begleitperson bewältigen. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Orthopädie und Innere Medizin. Sie stellte die Anträge, der Beschwerde Folge zu geben, den Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Vornahme der begehrten Zusatzeintragung in den Behindertenpass stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 09.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin veranlasst. In dem daraufhin auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten Gutachten vom 30.06.2018 führte die befasste Sachverständige auszugsweise Folgendes aus (Wiedergabe ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 162 cm, Gewicht 88 kg, RR 140/90, 78a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.

Thorax: symmetrisch, elastisch. Zustand nach Mastektomie rechts. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen kurz möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits nicht durchführbar. Der Einbeinstand ist nicht durchführbar. Die tiefe Hocke ist nicht möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk rechts: Narbe nach Knietotalendoprothese, deutliche Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil.

Kniegelenk links: deutliche Umfangsvermehrung und Überwärmung, Bewegungsschmerzen, stabil.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften beidseits 0/90, IR/AR 5/0/15, Knie links 0/10/70, rechts 0/10/100, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 600 bei KG 5 möglich

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, deutlich Hartspann, deutlich Klopfschmerz über der unteren BWS und gesamten LWS, Narbe LWS median 10 cm, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen zur Hälfte eingeschränkt beweglich.

BWS/LWS: FBA: im Stehen nicht durchführbar, im Sitzen werden die Füße erreicht, Rotation und Seitneigen deutlich eingeschränkt.

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit zwei Unterarmstützkrücken, das Gangbild ist mit Krücken verlangsamt, kleinschrittig, vorgeneigt, Barfußgang mit Anhalten einige Schritte kleinschrittig und verlangsamt, unsicher.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage: ausgeglichen.

STELLUNGNAHME

Diagnoseliste:

1. Koronare Herzkrankheit, Zustand nacherfolgreich interveniertem Herzinfarkt 2016, Hypertonie

2. Diabetes mellitus Il, nicht insulinpflichtig

3. Zustand nach Mammakarzinom rechts, Mastektomie 2011

4. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

5. Knietotalendoprothese rechts, Kniegelenksarthrose links

6. Hüftgelenksarthrose beidseits

1) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Ja. Es bestehen eine hochgradige Gangunsicherheit und Gangleistungsminderung aus einer Mischung von funktionellen Defiziten an der Wirbelsäule und den Beinen, insbesondere Hüft- und Kniegelenken, Alter und allgemeiner Muskelschwäche. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist erheblich erschwert. Auch Niveauunterschiede können nicht mit der notwendigen Sicherheit überwunden werden. Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken ist durch festgestellte Gesundheitseinschränkungen begründbar.

2) Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der BF zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Größere Entfernungen sind nur mit zwei Krücken bewältigbar und mit erheblichen Beschwerden verbunden, das Einsteigen und Aussteigen ist durch das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von Krücken und durch die Funktionsdefizite im Bereich von Wirbelsäule und unteren Extremitäten erheblich erschwert. Eine ausreichende Stand- und Gangsicherheit beim Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht gegeben.

3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Nein. Bei Zustand nach Myocardinfarkt ist eine erhebliche Einschränkung der Herzleistung nicht dokumentiert.

4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen vor?

Nein.

5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

7) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen:

MRT der LWS vom 4.4.2017 (multisegmentale degenerative Veränderungen mit hochgradige Vertebrostenose L4/L5) - maßgeblich sind jedoch klinisch objektivierbare Funktionsdefizite, Befund steht in Einklang mit aktuell getroffener Beurteilung.

Röntgen gesamte Wirbelsäule und Beckenübersicht vom 4.4.2017 (Multisegmentale mittelgradige bis deutliche degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, geringe Coxarthrose beidseits) - maßgeblich sind jedoch klinisch objektivierbare Funktionsdefizite, Befund steht in Einklang mit aktuell getroffener Beurteilung.

Entlassungsbericht 2. medizinische Abteilung Hanusch Krankenhaus vom 11.12.2016 (Vorderwandinfarkt, erfolgreiche Akut-PTCA, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus) - Befund wird in der Beurteilung berücksichtigt, maßgeblich für aktuell getroffene Beurteilung sind jedoch die erheblichen Beeinträchtigungen durch den Stütz- und Bewegungsapparat.

8) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen:

Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist unter Beachtung der festgestellten Funktionseinschränkungen, insbesondere der Gangbildanalyse, gegeben, sodass die Voraussetzungen für die Zuerkennung beantragter Zusatzeintragung vorliegen.

9) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 21.02.2018 abweichenden Beurteilung:

Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist unter Beachtung der festgestellten Funktionseinschränkungen, insbesondere der Gangbildanalyse, gegeben, sodass die Voraussetzungen für die Zuerkennung beantragter Zusatzeintragung vorliegen.

10) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde, es gilt die Neuerungsbeschränkung ab 9.4.2018:

Befund Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie vom 27.6.2018 (seit 1986 wiederholt in meiner Behandlung, 1974 BS Operation der LWS, 1991 CTS Operation links, 2011 Brustoperation mit Chemotherapie und Bestrahlung, seit 7 Jahren Diabetes. 2014 wurde im MRT eine Vertebrostenose festgestellt. Trotz vielfacher Behandlungen unverändert Schmerzen. Arthrose der Finger, cystische Aufhellungen, Vorstellung in Rheumaambulanz geplant) - Befund steht in Einklang mit getroffener Beurteilung."

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.07.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen werde, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere.

9. Mit Eingabe vom 30.07.2018 nahm die Beschwerdeführerin zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung. Sie führte im Wesentlichen aus, aus dem übermittelten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass die Voraussetzungen für die von ihr begehrte Zusatzeintragung vorliegen würden. Sie begehrte die Ausstellung eines stattgebenden Erkenntnisses. Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht eine abweisende Entscheidung beabsichtige, wurde (erneut) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Erörterung des Gutachtens mit der Sachverständigen beantragt.

10. Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit 30.08.2016 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 21.04.2017 beantragte sie die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Koronare Herzkrankheit, Zustand nacherfolgreich interveniertem Herzinfarkt 2016, Hypertonie;

2) Diabetes mellitus Il, nicht insulinpflichtig;

3) Zustand nach Mammakarzinom rechts, Mastektomie 2011;

4) Degenerative Wirbelsäulenveränderungen;

5) Knietotalendoprothese rechts, Kniegelenksarthrose links;

6) Hüftgelenksarthrose beidseits.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigung, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.06.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Bei der Beschwerdeführerin liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Bei ihr bestehen - bedingt durch die funktionellen Defizite an der Wirbelsäule und an den Beinen, insbesondere an den Hüft- und Kniegelenken, ihr Alter und eine allgemeine Muskelschwäche - eine hochgradige Gangunsicherheit und Gangleistungsminderung. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund zehn Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 Metern, ist erheblich erschwert. Auch Niveauunterschiede kann die Beschwerdeführerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit überwinden. Das Ein- und Aussteigen ist durch das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken, aber auch durch die bestehenden Funktionsdefizite im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten erheblich erschwert. Auch ist keine ausreichende Stand- und Gangsicherheit beim Transport in fahrenden öffentlichen Verkehrsmitteln gegeben.

Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen kann der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses und zur Einbringung des Antrags ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum Vorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.06.2018. Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene medizinische Beurteilung basiert auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die befasste Sachverständige unterzog die einzelnen Leiden einer gesamthaften Würdigung und stellte bei der Beschwerdeführerin schlüssig erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten fest, die zu einer hochgradigen Gangunsicherheit und einer maßgeblichen Gangleistungsminderung führen.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Keine der Parteien hat Einwände gegen das Sachverständigengutachten erhoben.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 30.06.2018. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.2.2. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.2.3. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

..."

3.3.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.3.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

3.4. Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das - vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig erkannte und im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen gebliebene - Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.06.2018 zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt - angesichts der bei ihr festgestellten Funktionseinschränkungen - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.

Die belangte Behörde hat folglich die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass der Beschwerdeführerin vorzunehmen.

3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.5.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.5.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen blieb. Vor dem Hintergrund dieses schlüssigen, von den Verfahrensparteien letztlich nicht mehr bestrittenen Sachverständigenbeweises ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung - trotz deren Beantragung in der Beschwerde - nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ebenfalls nicht entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere Punkt II.3.3.1.); die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, sind - soweit für den Fall von Bedeutung - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2191748.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten